Daten/Fakten  

   

Grußwort auf dem Sternmarsch in Solingen

Liebe Schülerinnen und Schüler,

liebe DemonstrantInnen,

Ich bin Bettina Jürgensen aus Kiel und überbringe euch, als eine der SprecherInnen, die solidarischen Grüße des  Bündnisses "Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus - Kiel". Uns gibt es dort seit 13 Jahren, wir haben uns gebildet auf Initiative der Gewerkschaften, das Spektrum ist aber viel breiter mit SozialdemokratInnen, KommunistInnen, ChristInnen, Autonome Antifagruppen, Organisationen wie die VVN-BdA und anderen.

Gestern abend haben wir u.a. beraten, wie wir den erneuten Einzug des Nazis in das Rathaus Kiels nach der am Sonntag stattgefundenen Kommunalwahl begleiten. Anfang Mai gab es eine Demonstration gegen einen Laden, der von Nazis betrieben wir, im November demonstrierten wir - wie ihr heute - aus Anlass des Brandanschlags vor 20 Jahren in Mölln.
  

Wir kennen alle die Aussage: Wehret den Anfängen!

Diese sollten wir ergänzen mit: Und wehret den Fortsetzungen!

Warum?

Im August 1992 brannten die Asylbewerberheime in Rostock-Lichtenhagen.  Am 23. November 1992 ermordeten deutsche Nazis in Mölln drei Menschen, deren Familien aus der Türkei zur Arbeit nach Deutschland gekommen waren: die vierzehnjährige Ayse Yilmaz, die zehnjährige Yeliz Arslan und ihre 51jährige Großmutter Bahide Arslan kamen in den Flammen ums Leben. In Kiel, der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins, demonstrierten damals aus Betroffenheit, Zorn und politischem Protest gegen die faschistische Gewalt tausende Menschen, darunter Schülerinnen und Schüler und die Belegschaft der, damals noch größeren, Werft HDW.

In Solingen wurden faschistische Brandanschläge und Morde am 29. Mai 1993 verübt. Wie in Mölln, in Kiel, hier in Solingen  und auch anderswo wurde  in den letzten Tagen und Monaten viel über die Mordtaten berichtet. Das war auch so in den Tagen und Wochen nach den Mordanschlägen in den Jahren 1992 und 1993.

Verbessert hat sich in der politischen Situation bis heute nichts. Nach wie vor sind Nazis von NPD, Freien Kameradschaften und anderen Gruppen aktiv . Sie bilden Wählergemeinschaften, wie jetzt in Kiel, mit der, wie schon gesagt, ein Mitglied der NPD am Sonntag bei den Kommunalwahlen so viele Stimmen bekam, das er erneut einen Sitz im Rathaus hat – bisher war er dort für die NPD vertreten. Jetzt trägt er gewissermaßen eine Maske - seine Ideologie hat sich nicht verändert!

Doch egal welchen Deckmantel sie sich zulegen, Fakt ist: Nazis üben nach wie vor Gewalt aus.

Ein leider sehr aktuelles Beispiel ist die im November 2011 aufgedeckte Mordserie des NSU, bei der mindestens 10 Menschen ermordet wurden. Denn anstatt den Schutz von Menschen in unserem Land zu verbessern, wurde 1993 das Grundrecht auf Asyl beseitigt und rassistisch motivierte Sondergesetze beschlossen. Statt die Täter für die Morde bei den Rassisten zu suchen, arbeitet der Verfassungsschutz in diesen Gruppen mit und verschleiert deren Taten.

Und heute? Es werden wieder, bzw. immer noch, mit den Schlagworten "Flüchtlingsströme" und "zunehmender Asylmissbrauch" von PolitikerInnen verschiedener Parteien Menschen diffamiert, diesmal insbesondere aus Mazedonien und Serbien.

Das sollte uns dazu bringen, nicht nur der vor 20 Jahren in Mölln und in Solingen begangenen Taten und der Opfer zu gedenken, sondern zu sagen:

Wehret den Fortsetzungen!

Was können wir konkret dazu beitragen?

- Schließen wir nicht Augen und Ohren, sondern nehmen wahr, wenn andere Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Sexualität, ihrer Herkunft und ihrer politischen Richtung diffamiert, bedroht und verfolgt werden!

-Wehren wir uns dagegen z.B. indem wir uns zusammenschließen und gemeinsam gegen die Verbreitung faschistischer und rassistischer Ideologie angehen!

- Überprüfen wir uns selbstkritisch auf mögliche rechte  und rassistische sogenannte „Alltagsweisheiten und -sprüche“ und lassen solche auch bei anderen nicht kommentarlos und ohne Diskussion durchgehen!

- Machen wir uns klar: Es liegt an uns, dort wo wir leben, lernen, arbeiten und unsere Freizeit verbringen für ein antifaschistisches und antirassistisches Klima einzutreten!

- Wir müssen erkennen, dass Rassismus und Faschismus in der Mitte der Gesellschaft entsteht. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die soziale Situation.

- Wenn DGB-Gewerkschaften feststellten, dass Nazis die „Trittbrettfahrer der sozialen Frage sind“ und wenn wir dieser Aussage zustimmen, dann sollten wir uns wehren gegen Hartz IV, gegen Agenda 2010 und gegen die geplante Agenda 2020.

Der Kampf gegen Sozialkahlschlag und gegen Nazis gehören zusammen!

- Erkennen wir: wo Ellenbogenmentalität und Ausgrenzung mit guten Noten belohnt wird, wo dies auch (vermeintlich oder wirklich) zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen führt, kann schwer solidarisches Handeln entwickelt werden.

Deshalb: wehren wir uns gegen diese Art des „Wettbewerbs“, leben wir Solidarität!

- Lassen wir uns nicht spalten, sondern diskutieren wir gemeinsam - auch über mögliche alternative Gesellschaftsmodelle, in denen Faschismus und Rassismus keine Chance hat.

- Für ein friedliches Miteinander der Kulturen!

- Fordern wir gemeinsam mit anderen Organisationen das Verbot der NPD und aller faschistischer Organisationen, wie es der Artikel 139 GG bestimmt.

Wir stellen fest und sind deshalb aktiv:

Ob in Kiel, in Mölln, Solingen, Berlin, München, Wien, Paris, Budapest oder anderswo:

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.