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"Für einen Platz an der Sonne"

Zur Verantwortung des deutschen Imperialismus am Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Der Beginn des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren ist Gegenstand einer Reihe neuer Veröffentlichungen und findet offensichtlich in einem größeren Leserkreis Interesse. In der aktuellen Sachbuch-Bestseller-Liste des “Spiegel” rangieren Christopher Clarks “Die Schlafwandler” und Herfried Münklers “Der Große Krieg” auf den Plätzen 2 und 5. Gemeinsam ist beiden Büchern, dass sie wenig zu den ökonomischen und machtpolitischen (imperialistischen) Ursachen des Kriegsausbruchs sagen, sondern sehr detailreich ein sog. “Hineinschlittern in den Krieg” an psychologischen und politisch-diplomatischen Gründen aller beteilgten politisch Verantwortlichen festmachen. Dadurch wird vor allem erreicht, dass die herausragende Rolle des deutschen Militarismus der Junker und Schwerindustriellen als Kriegsverursacher relativiert wird.

So gab es, so Münklers zentrale These, von keiner beteiligten Großmacht einen Plan, der zwingend in den Krieg führen musste. Der August 1914 sei nicht, wie es Fritz Fischer skizziert hatte, das logische Ergebnis des deutschen Militarismus. Zwar drängten Generale schon vor 1914 zum Präventivkrieg gegen Frankreich - Generalstabschef Helmuth von Moltkes knappe Formel lautete: „Je eher, desto besser“. Aber das war nach Münklers Auffassung eigentlich alles gar nicht so gemeint. “Das Problem von Fritz Fischers Kriegsschuldthese liegt darin, dass Fischer Szenarien, die in militrischen Stäben ausgearbeitet wurden, als wirkliche politische Planung der Deutschen aufgefasst hat.” (Münkler in einem Interwiew der FAZ vom 24.1.2014).

Der Berliner Politikwissenschaftler und Berater der vorigen Bundesregierung Herfried Münkler ist seit Jahren immer vorne mit dabei, wenn es darum geht, die “Werte des Westens” zu verteidigen. Dies wurde deutlich in seinem Buch „Imperien“ (2005), in dem er eine Lanze für die angeblich segenbringende Ordnungsmacht imperialer Gewalt brach, und dies wurde deutlich, in dem er das militrische Eingreifen in Libyen ausdrücklich guthieß.

Auch Christopher Clark, ein in Großbritannien lebender australischer Historiker stellt in seinem Buch "Die Schlafwandler“, mit dem Untertitel „Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“, die These von einer besonderen Schuld des Deutschen Kaiserreichs infrage.

Ausführlich beschreibt er, welche Personen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräfte jeweils in den verschiedenen Ländern auf den außenpolitischen Kurs auf ihre Regierungen Einfluss nahmen und kommt letztendlich zu dem Schluss: Eigentlich ist keiner am Kriegsausbruch schuld – wenn man aber unbedingt einen Schurken haben will, so sind es die Serben.

Soweit zu den aktuellen neuen "Erzählungen" zum 1. Weltkrieg.

Was sind aber die Fakten? Es war insbesondere das Verdienst Fritz Fischers mit seinem Buch "Griff nach der Weltmacht" (1961), der materialreich das ständige expansionistische Streben der tonangebenden politischen Kreise des deutschen Kaiserreichs hervor hob, mit dem vorrangigen Ziel, eine große von Deutschland kontrollierte geopolitische Zone zu schaffen, die mit dem vagen und suggestiven Begriff "Mitteleuropa" bezeichnet wurde.

Anfang September 1914, einen Monat nach Ausbruch des 1.Weltkrieges, schreibt der Reichskanzler Bethmann-Hollweg an den Kaiser: "Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluss von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitglieder, aber tatsächlich unter deutscher Führung, muss die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands in Mitteleuropa stabilisieren."

Damit werden die unmittelbaren Kriegsziele benannt, die das kaiserliche Deutschland im Namen der preußischen Großgrundbesitzer und der Schwerindustriellen aus Rhein und Ruhr mit dem 1. Weltkrieg verfolgt. Es geht um die Erweiterung der Absatzmärkte, es geht um Sicherung des Zugangs zu Rohstoff- und Arbeitskraftressourcen. Das unterscheidet Deutschland zunächst einmal nicht von den anderen europäischen Großmächten Anfang des 20. Jahrhunderts. "Expandieren " gehört zum Wesenszug einer Gesellschftaft, in denen Monopole, Konzerne und Banken – kurz das Finanzkapital (Hilferding/Lenin) wesentlich bestimmen. In der Wahl seiner Methoden und Mittel passt sich diese expansionistische, diese imperialistische Politik selbstverständlich den jeweils aktuellen ökonomischen und politischen Bedingungen und Gegebenheiten an.

Woher die besondere Aggressivität des deutschen Imperialismus? Eine Ursache dafür lag in der gegenüber den anderen europäischen Mächten verspäteten Nationenbildung. Dies schränkte die deutschen Ansatzmärkte wesentlich ein und schnitt sie von den Extraprofiten kolonialer Ausbeutung ab - im Gegensatz zu Großbritannien (Commonwealth), Frankreich (Afrika) und selbst Russland (Sibirien, Kaukasus). Schon am 6. Dezember 1897 verlangte Außenminister Bülow in einer Aufsehen erregenden Rede im Reichstag für das Deutsche Reich nun auch endlich einen "Platz an der Sonne."

Zusammenfassend kann als Ursache für den Ersten Weltkrieg festgestellt werden: "1. Der Krieg ging aus den Widersprüchen und Rivalitäten imperialistischer Großmächte hervor, von denen die einen ihre Macht mehren, andere die ihre Macht behaupten wollten. 2. Das Deutsche Kaiserreich, nach seiner Gründung 1871 Großmacht geworden, wollte Weltmacht werden und dessen Eliten gedachten, den weg dahin durch einen Krieg frei zu machen. 3. Nicht nur dessem führende Militärs fürchteten, dass sie den günstigsten Zeitpunkt dafür verpassen könnten, zumal die Gegner im Osten wie im Westen sich zur Abwehr dieses Anspruchs rüsteten. Insofern kam ihnen der in Sarajewo mit dem Attentat auf Österreichs Thronfolger gegebene Anlass für die Auslösung des Krieges gerade recht und bestimmte deren vorwärts treibende Rolle." (Kurt Pätzold, Neues Deutschland 11.1.14).

 

Fakten zum 1. Weltkrieg

  • Anlass des Krieges war das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajewo, der Hauptstadt Serbiens. Daraufhin erklärte Österreich Serbien den Krieg. Darauf reagierte das mit Serbien verbündete Russland mit der allgemeinen Mobilmachung, was Deutschland veranlasste, am 1.August 1914 Russland den Krieg zu erklären. Wenige Tage später erfolgte die Kriegserklärung an Frankreich, was wiederum zum Kriegseintritt Großbritanniens führte.

  • 33 Staaten mit einer Gesamtbevölkerung von 1,5 Milliarden Menschen nahmen am Krieg teil. Die kriegsführenden Staaten beriefen 65 Millionen Mann zu den Waffen.

  • Es standen sich zwei imperialistische Militärblöcke gegenüber: Die Entente mit den Hauptkräften Großbritannien, Frankreich, Russland und der sog. Dreibund mit Deutschland, Österreich-Ungarn und die Türkei.

  • Am 4.August 1914 bewilligte die Reichstagsfraktion der SPD gemeinsam mit allen anderen im Reichstag vertretenen Parteien die Kriegskredite. Damit gab die SPD die von der II. Internationale gefassten Antikriegsbeschlüsse preis. Auch in den anderen imperialistischen Ländern gingen die sozialdemokratischen Führungen auf die Seite der „Vaterlandsverteidiger“ über. ( Am 2. Dezember 1914 lehnte Karl Liebknecht als einziger Abgeordnete die Bewikkigung weiterer Kriegskredite ab).

  • Im Jahr 1917 kan es im 1.W.eltkrieg zu entscheidenden Wendungen: Februarrevolution in Russland; revolutionäre Matrosenbewegung in Deutschland (Reichpietsch, Köbis): an der Ostfront kam es zu Verbrüderungen zwischen deutschen und russischen Soldaten; an der Ostfront kamen die Kampfhandlungen nach der Oktoberrevolution zum Erliegen (Dekret über den Frieden); Frieden von Brest-Litowsk (März 1918).

  • Nach dem Ausscheiden Russlands aus dem Krieg wollte Deutschland an der Westfront den „Siegfrieden“ erringen. Seit Sommer 1918 entwickelte sich nach den Rückschlägen an der Westfront in Deutschland eine revolutionäre Situation. Ende Oktober widersetzen sich in Wilhelmshaven Matrosen dem Auslaufbefehl der Flotte - kurze Zeit darauf geben in Kiel Matrosen, Soldaten und Arbeiter das Signal zur Novemberrevolution.

Text: gst