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"Einheit 8200" gegen Palästinenser:

"Sie wissen nicht, was wir getan haben"

Israel hat den Auslandsgeheimdienst Mossad, den Inlandsgeheimdienst Shin Bet und die Eliteeinheit 8200. Deren Soldaten sollen geheimdienstlich militärische Aufklärung betreiben, werden aber auch bei Aktionen gegen Palästinenser eingesetzt. Dutzende Reservisten wollen das nicht länger mitmachen.Von Torsten Teichmann, ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv

Der Brief klingt wie eine Kündigung:

"Wir werden uns nicht länger an Aktionen gegen Palästinenser beteiligen und weigern uns, ein Werkzeug zu sein bei der Vertiefung der militärischen Kontrolle über die besetzten Gebiete."

 

Noa heißt eine der Unterzeichnerinnen, die bereit ist, mit dem ARD-Studio Tel Aviv zu sprechen. Sie hatte sich 2006 freiwillig für die - in Israel - hochgelobte Einheit 8200, die für die militärische Aufklärung zuständig ist, gemeldet: "Geheimdienstarbeit dient nicht nur dem Umgang mit terroristischen Gefahren. Die Einheit ist davon weit entfernt. Was sie tut: Sie nutzt ihre absolute Macht und ihren absoluten Zugang zu Informationen über Menschen in den besetzten Gebieten, um sie zu manipulieren, auch um sie zu erpressen, für alles Mögliche."

Nach vorliegenden Aussagen von Reservisten nutzt die Armee offenbar private Informationen über Homosexualität bei Palästinensern, Ehebruch oder die Notwendigkeit einer dringenden medizinischen Behandlung im Ausland, um Spitzel zu werben.

In einer Aussage, die die israelische Militärzensur freigegeben hat, heißt es:

"Der israelische Staat verweigert Dir eine Behandlung oder sie lassen Dich sterben, wenn Du zum Beispiel nichts über Deinen Cousin sagst, den sie gerade suchen."

Eine Bevölkerung, die sich nicht wehren kann

Daniel war acht Jahre bei der 8200. Der 29-Jährige stellt Geheimdienstarbeit nicht grundsätzlich infrage. Im Fall der Palästinenser aber habe er der militärischen Herrschaft über eine Bevölkerung gedient.

Eine Bevölkerung, die sich nicht wehren könne: "Sie haben keinen Schutz durch rechtliche Möglichkeiten, sie haben keinen Schutz durch einen eigenen Staat. Und die gesammelten Informationen können in allen Lebensbereichen gegen sie verwendet werden, weil sie von dem Regime zusammengetragen werden, das sie kontrolliert."

Ein Reservist greift in seiner Aussage, die dem ARD-Studio Tel Aviv vorliegt, die Praxis der gezielten Tötung von Palästinensern auf. Die Information über mögliche Ziele liefert offenbar die Einheit 8200:

"In einem Fall war da eine verdächtige Person in der Nähe von einer Lagerhalle im Gazastreifen. Wir dachten: Das ist unsere Zielperson. Wir hatten lange nach ihr gesucht. Der Ort, der Zeitpunkt und andere Fakten sprachen dafür, dass sie es war. Aber nachdem wir sie eliminiert hatten, stellte sich heraus, dass es ein Kind war."

"Sie wissen nicht, was wir getan haben"

Die Armee räumt ein, dass Unschuldige getötet werden können, weist alle anderen Vorwürfe in einer Erklärung aber zurück. Das alles kratzt am Image der Eliteeinheit. Bisher sorgten ehemalige Soldaten aus diesem Bereich der Armee vor allem für Schlagzeilen als Stützen der israelischen Hightech-Industrie.

Die 43 Reservisten und ehemaligen Soldaten, die den Brief unterschrieben haben, zeichnen nun ein ganz anderes Bild. So sagt Noa: "Ich nehme Stellung - nicht politisch, sondern moralisch. Ich sage: Mir geht es nicht gut mit dem, was ich getan habe. Ich glaube, die Menschen wissen nicht, was wir getan haben, was die Armee macht, was die Einheit 8200 tut. Ich halte also einen Spiegel vor Dein Gesicht und lasse es Dich sehen."

 
www.tagesschau.de  Stand: 12.09.2014 14:05 Uhr