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Stadtwerke Kiel:

Wasser- und Energieversorgung 100% zurück in kommunale Hand!

Stadtwerke Unternehmensaufbau2015

Die Firmenstruktur der Stadtwerke Kiel AG setzt sich aus einer Vielzahl von GmbHs der einzelnen Geschäftsbereiche zusammen.

01. Mai 2015 Die Versorgung mit Wasser und Energie gehört neben der Gesundheitsversorgung zu den elementaren Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Daher ist es eine Aufgabe unter kommunaler Kontrolle und die städtische Verwaltung vergibt dafür Konzessionen, d. h. die Nutzungserlaubnisse unter vertraglich festgelegten Bedingungen für 20 Jahre. Die Stadtwerke Kiel, 1996 noch in 100%igem kommunalen Eigentum, haben damals die Konzessionen für Strom, Gas, Fernwärme und Wasser erhalten. Im Jahre 2001 wurden 51% der Stadtwerkeanteile durch die Kieler Kommunalvertreter verkauft. Es war ein schwerer Fehler, diese Angelegenheiten in private Hand oder genauer in die Hand von gewinnorientierten Unternehmen oder Konzernen zu geben. Deren vorrangiges Interesse sind Gewinne für ihre Aktionäre und nicht Investitionen in die Qualität und Versorgungssicherheit. Das zeigt sich aktuell an dem Rückzug von MVV aus der Finanzierung des neuen Fernwärmekraftwerkes.

Für 225 Mio. Euro kaufte der texanische Rentenfond TXU die Mehrheitsanteile der Stadtwerke und als dieser nach zwei Jahren insolvent war, wechselten die Anteile zur Hälfte des Kaufpreises zum Mannheimer Energieversorger MVV, einem börsennotierten Unternehmen, zzt. noch mit 50,1% im kommunalen Besitz der Stadt Mannheim.

Für die Stadt Kiel brachten die Verkaufserlöse vorübergehend eine geringere Verschuldung (1999: minus 406 Mio. Euro), die aber bereits im Jahre 2011 den neuen Schuldenhöchststand von 418 Mio. Euro erreichte.

Strom 03 LHS Kiel Netzplan NS

Neben dem Wassernetz geht es auch um die Neuvergabe der Konzession für das Mittel- und Niederspannungsnetz der Stadt Kiel. Hierbei geht es um ein Verteilungsnetz von 2469 km Länge und um 8.353 Tarifkunden.

Ab 2017 muss die Stadt Kiel die Konzessionen für die Netze von Strom, Gas und Wasser neu vergeben. Zum Jahresende 2014 hat die Stadtverwaltung gerade noch fristgerecht die Vergabe der Netze europaweit ausgeschrieben. Bis zum 31.3.2015 konnten sich Unternehmen dafür bewerben. Wären die Stadtwerke ein rein kommunaler Betrieb bräuchte keine Ausschreibung stattfinden und die Stadt könnte die Konzessionen als „Inhouse-Geschäft“ vergeben. Da die Stadtwerke aber zu 51% privatisiert sind, gibt es die Ausschreibungspflicht.

Beim Wasser geht es jährlich um 13 Mio. m3 Trink- und Brauchwasser mit Wassernetzen über eine Fläche von 120 km2. Über 2 Mio. Unterschriften wurden in dem ersten europäischen Bürgerbegehren gegen die Privatiserungsabsichten der EU gesammelt und eine kommunale Vergabe war für die Stadt Kiel selbstverständlich, hatte sie doch dieses Bürgerbegehren selbst unterstützt. Im Februar 2013 hatte die EU-Kommission nach den Protesten mitgeteilt, „dass die geplante europaweite Ausschreibungspflicht für Konzessionen von Dienstleistungen im Wasserbereich nicht für solche Unternehmen gelten soll, deren Wassersparte zu 80% des Geschäfts mit der Eigentümerkommune macht“. Und das ist in Kiel zu 100% der Fall. Dass die Stadt trotzdem das Wasser europaweit ausgeschrieben hat, liegt offenbar an der unklaren europaweiten Rechtsprechung.

Gemäß § 46 Absatz 3 (Bekanntmachungspflicht) des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) hat die Stadt Kiel auch ihr Stromnetz europaweit ausgeschreiben. Hierbei geht es um ca. 150.000 Stromkunden in einem Netzgebiet von 119 km2 und einer Jahresleistung von knapp 1 Million Megawattstunden, wofür im Jahre 2013 allein 8,3 Mio. Euro Konzessionsabgaben an die Stadt Kiel gezahlt wurden. Hinzu kommen die Netze für die Gasversorgung mit 38.000 Bezugskunden und einer Jahresleistung von 1,3 Mio. MWh.

Gas 02 LHS Kiel Netzplan

Beim Gasnetz geht es um ein Verteilungsnetz von 579 km Länge und 1.083 Tarifkunden. Quelle: http://www.kiel.de/wirtschaft/ausschreibungen_beschaffungen/index.php

 

Die Daseinsvorsorge ist ein für Konzerne durchaus profitables und Begehrlichkeiten weckendes Wirtschaftsgut. Gleichzeitig ist erkennbar, dass die Netze, deren Betrieb, Abrechnung und Wartung, nicht ohne weiteres von jedem beliebigen Betreiber übernommen werden können. Er muss die Fähigkeit mit einem technischen und kaufmännischen Apparat und dem dazu nötigen fachkundigen Personal nachweisen können. Beim Wechsel muss dem bisherigen Betreiber ein entsprechender Wert für das Netz bezahlt werden.

Insofern ist die Forderung einiger, die Stadt möge doch die Netze in einer neu zu gründenden Netzgesellschaft übernehmen, technisch absurd, finanziell fast unmöglich und zum jetzigen Zeitpunkt zu spät. Es ist bekannt, dass die Stadtwerke die für die Ausschreibung nötigen Voraussetzungen haben und es ist daher zu erwarten, dass sie erneut die Konzessionen erhalten. Dies ist auch sinnvoll, weil die Stadt ja bereits mit 49% an den Netzen beteiligt ist und nur 2% an den Mehrheitsanteilen fehlen.

Nötig ist hier der möglichst vollständige Rückkauf der Anteile an den Kieler Stadtwerken, um die Kontrolle über einen der wichtigsten städtischen Betriebe wiederzuerlangen.

Was steht an?

• Nachdem die MVV und EON im Jahre 2009 mit dem Bauvorhaben eines neuen Megawatt-Kohlekraftwerkes am Widerstand aus der Kieler Bevölkerung gescheitert sind, geht es jetzt darum, das bestehende Kohlekraftwerk schnellstmöglich abzuschalten. Dies ist nach den letzten Kommunalwahlen ein erklärtes Ziel des Kieler Stadtrates in der Klimaschutzstadt Kiel.

• Die MVV hat erklärt, dass sie ihre Anteile an die Stadt zurückzugeben möchte, weil sie ein neues Kraftwerk nicht mitfinanzieren will. Jetzt hat die Ratspolitik die Möglichkeit die Rekommunalisierung wahrzunehmen, um die Fehler der Vergangenheit wieder gutzumachen. Dazu bedarf es endlich eines klaren Beschlusses der Kieler Ratsversammlung. In diesem Zusammenhang ist die Erklärung des OB Kämpfer, die Rekommunalisierung sei nicht sein Hauptanliegen kontraproduktiv, denn wie will die Stadt Kiel Einfluss auf die Stadtwerke nehmen, wenn sie nicht das operative Geschäft übernimmt?

• Der von den MVV eingebrachte überhöhte Rückkaufspreis der Stadtwerke in der Höhe von 197 Mio. setzt sich offenbar aus dem geschätzten derzeitigen Wert der Stadtwerke und den zukünftig zu erwartenden Gewinnen für die MVV von ca. 100 Mio. für die nächsten 10 Jahren zusammen. Dem kann entgegengehalten werden, dass die MVV in den letzten Jahren beständig den Abbau der Stadtwerke zugunsten ihrer Dividenden betrieben hat und bei der Wartung und Modernisierung der Netze und bei nötigen Investitionen gespart hat. Auch wurden Vermögenswerte und Teilgesellschaften verkauft um die Bilanz zu verbessern. Nach der Rekommunalisierung ist deshalb mit erheblichen Folgekosten in den Netzen und Anlagen zu rechnen. EON und MVV haben gemeinsam am Gemeinschaftskraftwerk profitiert und die nötigen Rücklagen für ein neues Kraftwerk als Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet. Der tatsächliche Rückkaufswert der Stadtwerke kann nur durch ein entsprechendes Gutachten ermittelt werden.

• Die Stadt Kiel kommt an einem Nachfolgekraftwerk für die Sicherung der Fernwärmeversorgung nicht vorbei. Da es als modernes Gasmotorenkraftwerk aufgebaut werden soll, ist eine starke Reduzierung des CO2-Ausstoßes möglich. Insbesondere kann der Schadstoffausstoß und der Giftcocktail wie er seit Jahrzehnten vom Kohlekraftwerk ausgestoßen wird, endlich abgestellt werden. Eine spätere Anpassung des Gasheizkraftwerkes an regenerative Energien ist bei dem zu erwartendem technischen Fortschritt möglich und die Leistung des Gaskraftwerkes kann bei Dezentralisierung der Energieversorgung reduziert werden. Die Nutzung des bereits im Bau befindlichen Energiespeichers ist gerade für regenerative Energien sehr wichtig.

• Es spricht alles dafür, dass die Stadt Kiel für die Sicherung der Daseinsvorsorge „Geld in die Hand“ nimmt und im neuen Kraftwerk investiert, wie sie es bereits beschlossen hat. Da MVV bereit ist, dafür auf ihre Mehrheitsanteile an den Stadtwerken zu verzichten, ist dies der einfachste Weg für den Beginn einer Rekommunalisierung der Kieler Stadtwerke.

• Die Finanzaufsicht, die die Städte immer wieder an die Schuldenbremse der Landesregierung binden will, kann dem nicht widersprechen, denn die Daseinsvorsorge ist eine hoheitliche Aufgabe der Stadt und die Finanzierung des Kraftwerkes geschieht, wie bisher auch, über die Gebühren der Kunden. Mit dem Vorteil, dass die Gewinne dann nicht mehr bei den Aktionären der MVV landen würden, sondern für Rücklagen und Investitionen der Stadtwerke bzw. Konzessionsabgaben und Einnahmen für die Stadt Kiel genutzt werden könnten. Sollte die Finanzaufsicht des Landes der Stadt Kiel Knüppel zwischen die Beine werfen, hilft hier nur der massive politische Widerstand. 2017 stehen Kommunalwahlen an. Dann können wir die Politiker an ihren Taten und Untaten messen.

• Besondere Aufmerksamkeit ist nötig, wenn einige Stadtvertreter auf die Idee kommen sollten, z. B. die Wasser- oder Energieversorgung an Konzerne wie veolia, Remondis oder EON zu vergeben. Sicher können wir in Kiel dann dafür sorgen, dass diese Konzerne mit den Bürgerinnen und Bürger Kiels keinen Spaß haben.

Sollte es doch zu einer Vergabe von Minderheitsanteilen der Stadtwerken an Investoren kommen, ist diese an die folgenden Bedingungen zu knüpfen:

-      Der kompletten Rückkauf aller Anteile durch die Stadt Kiel zu einem späteren Zeitpunkt muss möglich sein.

-      Arbeitsplätze, Aufgabenfelder und Know How sollen bei den Stadtwerken erhalten bleiben und die geltenden Tarifverträge eingehalten werden.

-      Die Verträge sind transparent zu gestalten und der Öffentlichkeit zugängig zu machen.

-      Das umweltfreundliche Energiekonzept der Klimaschutzstadt Kiel sollte umgesetzt und eingehalten werden.

Der Beteiligung von Bürger-Energie-Genossenschaften aus der Region Kiel sollte der Vorrang gegeben werden.

Durch die Übernahme der Mehrheitsanteile kann erreicht werden, dass die Konzessionen für die Netze von Strom, Gas und Wasser wieder vollständig in städtische Hand zurückgeführt werden. Bei dem neuen Konzessionsvertrag muss aber darauf geachtet werden, dass die Vergabe neben der Bindung an die geltenden Tarifverträge auch an die Verpflichtung zur Wartung und Erhalt der Netze geknüpft wird.

Es gibt noch viel zu tun!

- Es geht um den Erhalt der Qualität und Versorgung auf hohem Standard mit umweltfreundlichen Technologien.

- Statt der Zerstörung der Stadtwerke brauchen wir den Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze und Know How, z. B. beim Service und bei der Beratung zu erneuerbaren Energien. Es geht um den Wiederaufbau eines eigenständigen Servicebetriebes mit Werkstätten bei den Stadtwerken, in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Handwerk.

- Vertrieb, Netze und Erzeugung müssen in einer Hand sein und ausgegliederte Geschäftsbereiche sollten wieder aufgebaut werden, damit die Stadtwerke unabhängig bleiben.

- Die Stadtwerke sollten dazu beitragen, den Klimaschutz voranzutreiben und die erneuerbaren Energien zu stärken. Durch Investitionen in die Erzeugung von Strom aus Wind, Wasser und Sonnenkraft sollte die ausschließliche Stromversorgung aus regenerativen Energien realisiert werden. Kein Strom mehr aus Kohle- und Atomkraft! Und keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion durch Energiepflanzen.

- Versorgung muss für die Verbraucher bezahlbar bleiben. Die zunehmend sinkenden Strompreise durch Sonne- und Windkraft müssen auch an die VerbraucherInnen weitergegeben werden. Sozialtarife für Geringverdiener schaffen.

- Möglichkeiten zur Einbindung von Bürger-Energie-Genossenschaften sind vorzusehen und Genossenschaften zu fördern, um die Bürgerinnen und Bürger an Anlagen und Vertrieb von regenerativen Energien zu beteiligen.

- Neben dem Aufsichtsrat sollten demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten an den Stadtwerken in Form eines Bürgerbeirates geschaffen werden, indem über umwelt-, energiepolitische und soziale Belange mitentschieden werden kann, die die Daseinsvorsorge für Strom, Gas, Fernwärme und Wasser, ihre Sicherung, wie auch ihre Preisgestaltung betreffen. Im Bürgerbeirat könnten neben den Gewerkschaften auch Umweltverbände, Genossenschaftsvertreter, Bürgerinitiativen und interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Kiel, wie auch die Umlandgemeinden eingebunden werden. Die Stadt Kiel möge dazu ein demokratisches Statut beschließen.

Nur, - wenn die Wertschöpfung der Kolleginnen und Kollegen der Stadtwerke bei den Menschen in der Region und im Betrieb bleibt und nicht in den Aktionärstaschen der Konzerne verschwindet,

- wenn das Wissen und die Erfahrung der ArbeiterInnen wertgeschätzt, weiterentwickelt und zum Wohle der Menschen angewendet wird,

- wenn der Service vor Ort von kompetenten Stadtwerkern stattfindet und die Bevölkerung in die verlässliche Versorgungsqualität der Stadtwerke vertrauen kann

- und wenn auch eine demokratische Mitwirkung an den Stadtwerken möglich ist, können wir eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge für alle sichern.

(Uwe Stahl, Bündnis Kielwasser, AG Attac-Kiel)