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Um Europa keine Mauer!

Bleiberecht für alle und auf Dauer!

Bleiberecht Avanti

Bilder:gst

Am 2.11. haben sich in Hamburg auf einer Demonstration bis zu 15.000 Menschen für das Bleiberecht der Flüchtlinge aus der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ demonstriert. Seit einem halben Jahr sind lybische Kriegsflüchtlinge in dieser Gruppe aktiv, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen und für ihre Rechte zu kämpfen. Sie wollen ein Aufenthaltsrecht, sie wollen menschenwürdig wohnen, statt der notdürftigen Unterbringung in der St.-Pauli-Kirche.

Der SPD geführte Hamburger Senat beantwortet diese Forderungen der Flüchtlinge mit verstärkten Kontrollen, mit Bespitzelung und willkürlicher Verhaftung. Viele dieser Flüchtlinge leben auf der Straße, forderten nun aber zumindest Schlafplätze. Der Senat verhängte daraufhin ein Verbot zum Aufstellen von Schlafcontainern.

Doch die Solidarität und Unterstützung aus der Bevölkerung Hamburgs und umliegenden Regionen, wie Schleswig-Holstein, wächst. Es werden Lebensmittel, Kleidung usw. gespendet, an Aktionen der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ teilgenommen. Jeden Mittwoch findet um 16.30 Uhr eine Protestdemonstration vom Rathausplatz statt. Das diese Solidarität tausende Menschen mobilisieren kann, zeigte die Demonstration von fast 10.000 Besuchern eines Fußballspiels beim FC-St.-Pauli nach dessen Heimspiel am 25. Oktober. Und auch über die Stadtgrenzen hinaus solidarisiert sich die Bevölkerung. Demonstrationen finden auch in anderen Städten statt, wie z.B. am 25.10. oder auch als „Warmup-Demo“ am 2.11. in Kiel. 

Um Europa keine Mauer   we are here to stay

Der Vorsitzende der SPD des Nachbarlandes Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, stellt fest: „Das Flüchtlingsdrama vor Lampedusa ist nicht nur eine menschliche Katastrophe, sondern ein Offenbarungseid der europäischen Flüchtlingspolitik. Die SPD muss sich hier klar und deutlich positionieren, und zwar für eine Flüchtlingspolitik, die die Menschewürde aller Menschen zum Maßstab macht! …. Menschen in Not und Lebensgefahr muss immer geholfen werden. Unterlassene Hilfeleistung ist kein Unglück, sondern ein Verbrechen!“ An Stegner wird nun aus den Bewegungen die Forderung gestellt, sich gegenüber dem Hamburger Senat, aber auch in seinem Bundesland für eine andere Asylpolitik einzusetzen. Das die SPD 1992 dem sogenannten Asylkompromiss zugestimmt hat, sollte kein Grund für Stegner und andere sein, jetzt für dessen Rücknahme aktiv zu werden.

Solidarität kommt auch aus den Gewerkschaften in Hamburg. Die GEW und ver.di hatten zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Bereits im Juli sind die Teilnehmer_innen der „Lampedusa-Gruppe“ in ver.di eingetreten, erhalten darüber auch Rechtsschutz. Die Schulpersonlarätekonferenz der GEW hat sich am 21.10. mit den Flüchtlingen solidarisiert.

Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ ist jedoch nicht die einzige Flüchtlingsggruppe dieser, wenn auch die bekannteste. Migrant_innen mit unsicherem Aufenthaltsstatus und eingeschränkten Rechten gibt viel mehr – nicht nur in Hamburg.

Lampedusa ist überall!

Die Insel Lampedusa gilt inzwischen schon als ein Synonym für Flüchtlingspolitik; wer es nicht besser will könnte meinen, sie sei extra für die Aufnahme von Flüchtlingen geschaffen, zumindest dafür eingerichtet. Dabei liegt Lampedusa einfach nur in der Mitte des Meeres zwischen Afrika und Europa. Und Lampedusa ist nicht der einzige Ort, an dem Flüchtlinge, nach einer oft wochenlangen Odyssee, anlanden.

solid Lampedusa

Es ist der gesamte europäische Mittelmeerraum, in dem insbesondere Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika ihr nächstes Ziel in ihrem Kampf ums Überleben sehen: Spanien, Zypern, Griechenland und andere Länder ebenso wie Italien.

Vor einigen Jahren stand noch der Süden Spaniens mit seinem rigiden Vorgehen gegen Flüchtlinge in den Medien. Meterhohe Zäune an der Küste und Auffanglager („Flüchtlingscamps“) bereits in Nordafrika wurden eingerichtet, um den Strom der Menschen, aus fast allen Regionen Afrikas, nach Europa zu bremsen. Bereits damals wurde die Flüchtlingspolitik in Europa von linken Kräften kritisiert, denn auch damals ging es den Staaten darum die Festung Europa auszubauen, dicht zu machen. Sind dann doch Flüchtlinge nach Europa gekommen, sind sie oft als „Illegale“ oder „Geduldete“ in verschiedenen Ländern gestrandet. Und gerade sie, die hier eigentlich nicht leben sollen, werden damals wie heute oft als billige Arbeitskräfte ausgenutzt, ohne jeglichen rechtlichen Schutz oder soziale Absicherung.

Die Maßnahmen zu denen die europäischen Staaten, insbesondere die Länder der EU, in ihrer „Flüchtlingsabwehr“ greifen, sind in ihrer Präzision und den angewandten Mitteln mit militärischen Einsätzen vergleichbar. Frontex ist eine extra nur für diesen Zweck aufgebaute Einheit, deren Ziel es letztlich ist, so wenig Flüchtlingen wie möglich die Landung in Europa zu bieten. Tag und Nacht sind bewaffnete Patrouillen im Einsatz. Nachtsichtgeräte, Wärmebildkameras und meterhohe Stacheldrahtzäune „sichern“ die Grenzen Europas. Schnellboote, Hubschrauber und Flugzeuge sind ununterbrochen auf der Suche nach den unerwünschten Migranten. So sind die meist kleinen und nicht für große Fahrten geeigneten Boote der Flüchtlinge immer wieder Ziel der Frontexeinsätze, die so aufgegriffenen Bootsinsassen werden meist in ihre Heimatländer oder in Nachbarregionen gebracht.

Das Flüchtlings „problem“ ist also gar nicht, wie man uns versucht weiszumachen, neu. Es ertrinken nicht erst seit diesem Sommer hunderte von Menschen wöchentlich im Mittelmeer, sondern seit Jahren. Und wenn wir die Geschichte der Migration ansehen, stellen wir fest, dass sie in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit überall auf der Welt eine Rolle spielt.

Für das Verlassen der Heimatländer gab und gibt es unterschiedliche Gründe: Krieg und Bürgerkrieg, Hunger und Not, politische oder religiöse Verfolgung sind einige davon.

Verursacher sind dabei internationale Konzerne: sie betreiben Waffenhandel selbst mit den ärmsten Ländern der Welt; sie schicken ihre Armeen in die entlegensten Regionen auf der Jagd nach Bodenschätzen, mit denen der Profit vermehrt wird; sie unterwerfen die Landwirtschaft der Gewinnmaximierung; sie bauen, dort wo Getreide wachsen könnte, Mais zur Energiegewinnung an; sie versagen den wirtschaftlich armen Ländern Bildung; versuchen Aufstände gegen ihre Politik im Keim zu ersticken oder aber - von Fall zu Fall - diese für ihre Kapitalinteressen umzuwandeln.

Das sind die Ursachen, die Menschen dazu treibt, nach Europa zu kommen. Sie kommen in der Hoffnung auf ein einigermaßen menschliches Leben, auf Arbeit, Bildung und Gesundheit, in der Hoffnung auf "ein Dach über dem Kopf".

Seit 1 1/2 Jahren sind die Flüchtlinge in der BRD selbst es, die auf ihre unmenschliche Lebenssituation aufmerksam machen. Mit Protestmärschen gegen die sogenannte Residenzpflicht, gegen Abschiebung und überfüllte Flüchtlingslager, gegen Sondergesetze mit Verweigerung der Arbeitserlaubnis organisieren sie ihren Widerstand.

Migration ist Menschenrecht

Aktuell ist die Solidarität mit den Flüchtlingen notwendig – auch über das Abgeben von Solierklärungen hinaus.

Außer Frage steht, das die Flüchtlingspolitik verändert werden muss. Damit Migration nur eine von vielen Möglichkeiten ist, sein Leben zu gestalten.

Nicht nur die Regierungen einzelner Staaten sind aufgefordert, sondern auch in der EU müssen Schritte zur Bekämpfung der Fluchtursachen Schritte eingeleitet werden.

Wir fordern vom EU-Parlament, den dort vertretenen Parteien und denen, die sich im Mai 2014 zur Wahl stellen ihren Einsatz für:

  • Europaweite Einführung eines Staatsbürgerschaftsrechts, das sich am Aufenthaltsort der betreffenden Menschen und nicht an der nationalen oder ethnischen Herkunft und Abstammung orientiert.

  • Gleiche politische und soziale Rechte für alle in den EU-Staaten lebenden Immigrantinnen und Immigranten.

  • Gleiches Wahlrecht für alle in der EU lebenden Menschen bei allen Wahlen und Abstimmungen einschließlich der Wahl der nationalen Parlamente. Sicherung und Garantierung eines ungeschmälerten Rechts auf Asyl in den EU-Staaten für alle, die vor politischer, rassischer oder ethnischer Verfolgung, vor Krieg, Hungersnot und Verelendung fliehen müssen.

  • Aufhebung aller Bestimmungen des Schengen Abkommens zur Abschottung der EU Außengrenzen gegen Flüchtlinge.

  • Schluss mit der menschenrechtswidrigen Abschiebungspraxis in den EU-Staaten.

  • Auflösung der Abschiebelager und der EU-Agentur FRONTEX.

  • Die Rücknahme der Planungen und Nichtinsallation des Grenzüberwachungssystems Eurosur.

  • Gleichberechtigte partnerschaftliche Beziehungen der Solidarität und Zusammenarbeit der EU mit allen Ländern. Fairer Handels-, Wirtschafts-, Wissens- und Technologieaustausch mit dem Ziel der sichtbaren Reduzierung und schließlich der Überwindung der Entwicklungsrückstände dieser Länder und der durch kapitalistische Ausbeutung entstandenen „Nord-Süd- Kluft“, ohne ihnen die von kapitalistischem Profitstreben bestimmten „westlichen“ Wirtschafts- und Konsummodelle aufzudrängen oder überzustülpen.

  • Eintreten der EU für die Beseitigung der Verschuldung der Entwicklungsländer durch generelle Streichung ihrer Schulden – Teilnahme der EU an entsprechenden internationalen Entschuldungsprogrammen.

Bettina Jürgensen