Daten/Fakten  

   

Sozialistische Zeitung für Kiel

Ausgabe vom 01. November 2024

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Über 40.000 Menschen folgten dem Aufruf der Initiative „Nie wieder Krieg“ am
3. Oktober in Berlin. Aus Kiel waren das Friedensforum und die DFG-VK mit dabei.

Inhalt LinX November 2024 – Die Druckausgabe 11-2024 als PDF

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Friedensmanifestation am 3. Oktober 2024 in Berlin:

„Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!“

Mehr als 42.000 Friedensbewegte demonstrierten am 3.10.2024 in drei Sternmärschen durch Berlin für den Frieden und gegen weitere Aufrüstung. Sie folgten damit dem Aufruf zur Demonstration „NEIN zu Kriegen!“, der von über 3.500 Gruppen und Einzelpersonen unterstützt wurde. Aus Kiel beteiligten sich das Kieler Friedensforum und die DFG-VK mit 2 Bussen. Bei aller Vielfalt waren sich die aus der ganzen Bundesrepublik Angereisten einig, vor welchen zentralen friedenspolitischen Herausforderungen wir stehen:

• Die Stationierung neuer US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland zu verhindern. Von der Stationierung dieser Erstschlagwaffen, der allein die Regierung Deutschlands zugestimmt hat, gehen dramatische Gefahren für den Frieden in Europa aus. Raketen, konventionell oder atomar bestückt, sind Magneten und zerstören das, was zu verteidigen sie vorgeben.

• Nein zu allen Kriegen und deshalb sofortiger Waffenstillstand in der Ukraine und in Gaza/Libanon. Die Demonstrantinnen und Demonstranten forderten: Diplomatie und Verhandlungen zur Lösung der Kriege in der Ukraine und gegen Gaza/Libanon. Sie fordern eigenständige Initiativen der Bundesregierung für einen Friedensprozess in der Ukraine und einen Stopp der Waffenlieferungen.

• Nötig ist Abrüstung statt Hochrüstung, um mit den freiwerdenden finanziellen Ressourcen die sozialen, ökologischen und globalen Herausforderungen zu bestehen.
Prägend für die bundesweite Demonstration waren der Sternmarsch aus drei Demonstrationszügen – bunt, vielfältig und aktiv – sowie die Auftaktkundgebungen mit einem breiten Bühnenprogramm aus Rednerinnen und Kultur. Nicht nur die Vielfalt und Breite des Protestes drückten die berechtigte Besorgnis in der Bevölkerung aus.

Auch eine neue Konstellation von Rednerinnen und Rednern verdeutlichten dies. Es sprachen u.a. Gesine Lötzsch, MdB von der Partei DIE LINKE, Ralf Stegner, MdB für die SPD, Peter Gauweiler von der CSU und Sahra Wagenknecht MdB vom BSW. Außerdem gab es ein Grußwort des palästinensischen Botschafters in Österreich, Salah Abdel-Shafi, und eine Rede von Iris Hefets, Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost und Nadija Samour, deutsch-palästinensische Rechtsanwältin sowie einen Beitrag von Joshua Müller (IG Metall Jugend).

Die Demonstration war ein Auftakt für eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen die US-Mittelstreckenwaffen. Für den auf der Demonstration vorgestellten Berliner Appell gegen ihre Stationierung und für eine friedliche Welt werden ab sofort online (https://nie-wieder-Krieg.org) und offline Unterschriften gesammelt.

Einigkeit bestand darüber, dass die Aktionen gegen die Militarisierung der Gesellschaft fortgesetzt werden müssen, vor Ort, in den Regionen, besonders dort, wo die Mittelstreckenwaffen stationiert werden sollen, aber auch in Berlin. Die große Beteiligung, die Atmosphäre der Gemeinsamkeit und der Solidarität bei den Sternmärschen verdeutlicht: Widerstand ist möglich.

(Bild/Text: www.nie-wieder-Krieg.org / uws)

Kommentar:

ISPK Kriegstreiber

Scharfmacher am Institut für Sicherheitspolitik (ISPK) an der Kieler Uni konstruieren eine Bedrohungslage für Kiel und Eckernförde. Die Städte seien Ziele des russischen Militärs für Cyberangriffe und Sabotageaktionen. Russische Truppen würden aufgerüstet, um ab 2028 in Deutschland einzumarschieren. Es müsse ein gesellschaftlicher Konsenz für eine starke Aufrüstung und Kriegsfähigkeit unseres Militärs geschaffen werden und die Bevölkerung auf eine Kriegssituation vorbereitet werden. Dabei müsse man neue Prioritäten setzen und auch mal einen Kindergarten schließen, um neue Kasernen, gehärtete Gebäude, zu bauen. Mit Raketenangriffen wird gerechnet. Bunker für die Marine werden geplant, aber nicht für die Bevölkerung?
Woher das ISPK diese Einschätzung nimmt, ist unklar. Aber es erklärt sich wohl aus den Zielen der NATO und des bundesdeutschen Militärs die Kriegssituation in der Ukraine zu nutzen, um weiter nach Osten vorzurücken. Dementsprechend werden deutsche Truppen in Litauen stationiert. Ein neues Marine-Hauptquartier wird in Rostock eröffnet und Deutschland übernimmt für die nächsten vier Jahre die regionale Führungsrolle der NATO zusammen mit Polen und Schweden im Krieg gegen Russland.
Über den Kieler Hafen werden schon seit Jahren Waffenlieferungen aus den USA und Großbritannien Richtung Ukraine abgewickelt. Die Stadt Kiel ist mittlerweile ein Standort für Rüstungskonzerne und es werden Rüstungsgüter und Waffen in die ganzen Welt exportiert. Nicht nur U-Boote werden exportiert, auch moderne Panzer und Kriegselektronik werden hier konstruiert. Kiel ist außerdem NATO- und Marinestützpunkt für die Ausrüstung und Versorgung der Marineeinheiten. Immer größere Militärmanöver der NATO finden in der Ostsee statt, um den Krieg gegen Russland zu proben. Bundesweit wird das deutsche Militär mit 100 Mrd. Euro kriegsfähig gemacht und die Stationierung von Mittelstreckenraketen ist geplant. Die in Deutschland stationierten Atombomben der USA werden modernisiert.
Da wundert sich der Militärexperte des ISPK über eine Bedrohungslage? Für wen? Russland soll sich nicht bedroht fühlen, wenn die NATO bis an die Grenze Russlands vorrückt, einen Putsch mit dem faschistischem Militär in der Ukraine durchführt, mit westlichen Waffen ausrüstet und einen Stellvertreterkrieg finanziert?
Bei diesem Krieg wird verschwiegen, dass es um wirtschaftliche Interessen des Westens geht, um den Zugriff auf die östlichen Länder als Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte zu bekommen. (uws)

Berliner Appell:

Gegen neue Mittelstreckenraketen und für eine friedliche Welt

Wir leben im gefährlichsten Jahrzehnt seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Gefahr, in einen atomaren Abgrund zu taumeln oder durch einen konventionellen Krieg umzukommen, ist real. An dieser Weggabelung stehen wir für eine friedliche und solidarische Welt der Gemeinsamen Sicherheit, Solidarität und Nachhaltigkeit für alle Menschen.

• Wir sagen Nein zur Aufstellung neuer US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland.

• Die geplanten Hyperschallraketen Dark Eagle steigern die Spannungen und sind insbesondere für Deutschland eine Gefahr, zum Ziel eines Präventivangriffs zu werden. Überdies fördern die geringen Vorwarnzeiten das Risiko von Fehlreaktionen.

• Die Stationierung wurde ohne jede öffentliche und parlamentarische Diskussion entschieden. Abrüstungsverhandlungen sind nicht vorgesehen. Wir bleiben dabei, Konflikte und Rivalitäten nicht militärisch zu lösen, sondern alles zu tun, Kriege zu vermeiden oder zu beenden. Dieser Aufgabe darf sich niemand entziehen.

(https://nie-wieder-Krieg.org)

berliner appell 2024

 

Warnstreik:

Omnibusverband Nord provoziert unbefristete Streiks

 Warnstreik BusfahrerInnen Kiel 10 2024

1.000 streikende Busfahrer:innen beteiligten sich am 16.10.2024 an einer Kundgebung vor der OVN-Geschäftsstelle in der Auguste-Vitoria-Str. am ZOB. Der Grund für den Warnstreik und die Kundgebung ist der geplatzte Tarifvertrag. Nach Verhandlungen zwischen ver.di und dem Omnibusverband Nord (OVN) wurde Anfang September ein mühsam errungener Tarifkompromiss für die Löhne und Gehälter erzielt. Doch kurz vor Ende der Erklärungsfrist hatte der OVN sich von dem verhandelten Tarifvertrag zurückgezogen, weil die Landesregierung laut Verband weniger Geld für den Öffentlichen Personennahverkehr zur Verfügung stellt. Der neue Tarifvertrag sei damit nicht mehr zu finanzieren.

„Eine bodenlose Frechheit, die es so zuvor nie gegeben hat. Dieses unverantwortliche Handeln stellt einen massiven Angriff auf die Rechte und Würde unser Kolleg:innen dar. Der OVN hat mit dieser Entscheidung das Vertrauen, das in die Verhandlungen gesetzt wurde, gebrochen und setzt die gesamte Branche sowie die Fahrgäste in eine unsichere Lage;“ so ver.di in der Pressemitteilung vom 9.10.2024

Ab 10.10. begannen daraufhin schleswig-holstein-weit Warnstreiks der Busbediensteten des Tarifbereichs OVP und der VKP, so u.a. auch bei Autokraft in Kiel. Die KVG (Kiel) und SWN (Neumünster) waren davon nicht betroffen.

„Wer während der Erklärungsfrist und auch bis zum heutigen Tag keinerlei Anzeichen zu Gesprächen gibt, sondern polarisiert und eskaliert, darf sich nun über die Folgen nicht wundern“, sagte ver.di-Sprecher Sascha Bähring auf der Kundgebung. „Die bisher stattgefundenen Warnstreiks sind nur ein Vorgeschmack auf das, was den Fahrgästen droht, wenn die tarifpolitische Geisterbahnfahrt der Arbeitgeber nicht schnell beendet wird.“

Wie ver.di Nord mitteilt, sind die Beschäftigten im Tarifbereich des OVN ab dem 18.10.2024 zur Urabstimmung aufgerufen, die bis zum 30.10. läuft. Ab 4. November drohen dann unbefristete Streiks.

Die bereits erzielte Einigung zwischen OVN und ver.di sah eine Erhöhung der Entgelte um 275 Euro und die Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 850 Euro vor. Schon im Frühjahr hatten sich die Gewerkschaft und die Arbeitgeberseite zudem darauf geeinigt, dass die wöchentliche Arbeitszeit spätestens mit den neuen Ausschreibungen der Linien auf 37,5 Stunden sinkt.
(gst)

„Pax optima rerum – Frieden ist das höchste Gut“:

Am 3. Oktober 2024 verstarb der Kieler Politikwissenschaftler Wilfried Röhrich

Nach seinem Studium an der Goethe-Universität in Frankfurt und einem Forschungsauftrag des seinerzeit von Max Horkheimer geleiteten „Instituts für Sozialforschung“ wechselte Röhrich 1964 zunächst auf eine Assistentenstelle an die CAU in Kiel und wurde anschließend dort Privatdozent.

 W Roehrich

Währenddessen wurde Werner Kaltefleiter 1971 als Ordinarius für Politikwissenschaft berufen. Mit der Ernennung Röhrichs zum planmäßigen Professor 1979 endete dann allerdings die alleinige Führungsrolle Kaltefleiters am Institut. Seither war Röhrich, im Wechsel mit Kaltefleiter, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft. Von 1980 bis 1990 amtierte Röhrich als Vizepräsident der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft.
Als roten Faden von Röhrichs Lehrtätigkeit wie seiner Veröffentlichungen könnte man seinen Anspruch auf eine emanzipatorischen Wissenschaft beschreiben, die auf der Suche nach der Verbindung von Theorie und Praxis ist und dabei marxistische Theorieelemente ausdrücklich mit einschließt. „Kritisch-emanzipatorisches Denken zielte klassischerweise auf Kritik der bestehenden Strukturen, des Kapitalismus, des parlamentarischen Repräsentativsystems und eines positivistisch-technokratischen Wissenschaftsbegriff.“
Dass damit ein ständiger Konflikt mit Kaltefleiter angelegt war, lag auf der Hand, ein „fast zwanzigjähriger Konflikt zwischen den beiden Professoren begann“ (wikipedia). 1993/94 eskalierte der Konflikt, als Kaltefleiter über Aushänge bekannt machte, dass er für Examensprüfungen die Leistungsnachweise (Scheine) Röhrichs nicht mehr anerkennen würde.
Werner Kaltefleiter, CDU-Mitglied, war 1971 mit tatkräftiger Unterstützung (oder Weisung?) der CDU-Landesregierung gegen favoritisierte Mitbewerber (Wolf-Dieter Narr / Reinhard Kühnl) zum Ordinarius für Politikwissenschaften an die CAU berufen worden. Bis 1974 war neben seiner Kieler Lehrtätigkeit weiterhin Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ab 1983 war er dann in Personalunion nicht nur Direktor des Instituts für Politikwissenschaft sondern auch Leiter des „Instituts für Sicherheitspolitik“.

In den 1990er-Jahren wandte sich Röhrich verstärkt der Friedensforschung zu; er war Mitbegründer der „Pax-Professoren-Gruppe“, Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen, die sich unter dem Motto “Pax optima rerum (Frieden ist das höchste Gut)“, dem Sinnspruch im Siegel der CAU, versammelten. Röhrich organisierte, teilweise in Zusammenarbeit mit Dieter S. Lutz vom Hamburger „Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ Ringvorlesungen mit Friedensforscher:innen und Politiker:innen. (gst)

CDU/FDP-Antrag in Kiel:

„Gefordert werden konkrete Maßnahmen, die die Ablehnung von Antisemitismus gegen den Staat Israel unterstreichen“

Seit Mitte Januar geistert ein von CDU und FDP formulierter „Interfraktioneller Antrag zur Änderung der »Richtlinie der Landeshauptstadt Kiel über die Gewährung von Zuwendungen an außerhalb der Stadtverwaltung stehende Stellen oder Personen (Zuwendungsrichtlinie)«“ durchs Rathaus. (Vorlagennummer: 1365/2023-03). Insider munkeln, dass dieser Antrag evtl. im November im Wirtschaftsausschuss noch einmal auf den Tisch kommen könnte.

Danach soll die städtische Zuwendungsrichtlinie um folgende Punkte ergänzt werden:
„1. Alle Einrichtungen, die Zuwendungen der Landeshauptstadt Kiel erhalten sollen ein Gewaltschutzkonzept für Kinder, Jugendliche, Frauen und LGBTQIA+ und Personen in seiner Organisation erstellt und/oder umgesetzt haben.
2. Alle Einrichtungen, die Zuwendungen der Landeshauptstadt Kiel erhalten, müssen ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus abgeben. Dieses muss sowohl schriftlich (in Form eines Kodexes, Selbstverständnis etc. des Antragstellers) sowie durch konkrete bereits stattgefundene und/oder geplante Maßnahmen belegt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, Brücken des Verständnisses und der Solidarität zu schaffen, um die gemeinsame Ablehnung von Hass, Extremismus und Antisemitismus gegen den Staat Israel zu unterstreichen.“

Und es wird in diesem Antrag ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „die vorgenommenen Änderungen in der Zuwendungsrichtlinie als Bringschuld der Antragstellenden und nicht als Prüfschuld zu verstehen sind.. Stellt die Verwaltung durch Prüfungen oder Hinweise fest, dass gegen die erbrachten Nachweise seitens des Antragstellers oder von Teilnehmenden verstoßen wurde, wird die Verwaltung gebeten, die betreffende Zuwendung einzustellen und zu prüfen, ob der Antragsteller weiterhin von öffentlichen Fördergeldern der Landeshauptstadt Kiel profitieren kann.“
Punkt 2 des Antrages (die sog. „Antisemitismusklausel“) war offensichtlich Inspiriert von einer Initiative von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) von Anfang Januar 2024. Dort hatte die Kulturverwaltung Empfängern von öffentlichen Fördergeldern mittels einer Klausel unter anderem ausdrücklich zum Bekenntnis gegen Antisemitismus verpflichten wollen. Grundlage dafür sollten eine Antisemitismus-Definition der International Holocaust Rememberance Alliance (IHRA) sein. Wegen „juristischer Bedenken“ wurde dieses Ansinnen dann bereits Ende Januar zwar wieder aufgehoben; die politische Debatte darüber, wie Antisemitismus zu bekämpfen sei, hält allerdings unvermindert an.

Die von der IHRA verabschiedete internationale Arbeitsdefinition lautet: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ Die Bundesregierung hat außerdem folgende Erweiterung verabschiedet: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“ Allein die Tatsache, dass sich der Staat Israel selbst als „jüdisches Kollektiv“ versteht, zeigt die Unbestimmtheit dieser Definition. Gegenwärtig dient sie besonders dazu, linke und propalästinensische Stimmen des „Antisemitismus“ zu bezichtigen und führt zu Zensierung bis hin zu Strafverfolgung von Meinungsäußerungen im öffentlichen Raum, zu Gängelung von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Insofern gehört der „Interfraktionelle Antrag“ in den Papierkorb. (gst)

Rheinmetall entwaffnen - Camp im Werftpark:

Das waren unsere Aktionstage 2024 in Kiel

Wir waren bei Hensoldt, ein Rüstungskonzern, der die Sensorik für Drohnen zur Verfügung stellte, und haben auf das tödliche Geschäft des Unternehmens aufmerksam gemacht. Wir waren bei der Deutschen Bank, die mit Plakaten und einer Tapete mit der Parole „Siemens, Daimler, Deutsche Bank – Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ verschönert wurde. Wir waren vor dem Karrierezentrum der Bundeswehr mit einem „Die-In” und wir waren vor Werkstoren und Schulen, um dort über unsere Anliegen zu informieren.

In einer nächtlichen Aktion zogen wir zu Hunderten in der Nacht zu Freitag los, um die Kieler Rüstungsindustrie zu blockieren. Am Freitag war jedoch bei vielen Konzernen kein Betrieb. Sie hatten ihren Beschäftigten frei gegeben. Bei Anschütz, ein international agierender Rüstungskonzern, waren die Parkplätze der Angestellten leer und die Eingangstore mit Gittern abgesperrt. Scheinbar waren lediglich Security-Mitarbeiter anwesend. Auch auf dem Gelände, wo sich Rheinmetall befindet, arbeiteten nur Beschäftigte anderer Unternehmen. Allein unsere Anwesenheit in der Stadt hat die Arbeit in der Kieler Rüstungsindustrie für ein paar Tage stillgelegt.

Etwa 1.200 Menschen kamen am Samstag 7. September 2024 zu unserer Demo von der Innenstadt zu unserem Camp im Werftpark. Da die Polizei uns auf den Straßen wiederholt die Fahnen der kurdischen Freiheitsbewegung, darunter die der YPG und YPJ sowie von kurdischen Frauenorganisationen, entrissen hat, wurden wir kreativ (siehe Fotos). Und wir tanzten nach der Demo auf dem Camp zu kurdischer Musik, während auf dem großen Zirkuszelt YPG/YPJ-Fahnen wehten.
Die Kieler Rüstungsindustrie hatte Angst vor uns und versteckte sich, wie die Kieler Nachrichten berichteten: „Das Werfttor (bei TKMS) wurde verriegelt, Firmenschilder mit schwarzer Folie abgeklebt. Sogar beim Drachenbootrennen traten die Teams von Rheinmetall oder TKMS ohne Namensnennung an, weil die Sorge vor Übergriffen zu groß war.”

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Auch nach Ankunft der „Luna Seaways“ im Ostuferhafen am Freitagabend hatten die Militärs Angst vor uns. Alle ankommenden Militärfahrzeuge mussten durch ein Nadelöhr: die Hafenausfahrt. Dann, ab 20 Uhr, rollten die Militärkolonnen des NATO-Manövers „Grand Eagle II“ „im Eiltempo durch Kiel“, wie die Lokalpresse in ihrer Printausgabe am 9. September weiter berichtet. Am Freitagabend jedoch war der kulturelle Höhepunkt des Camps: Die zweistündige Theateraufführung „Hoppla, wir sterben. Rheinmetall – eine deutsche Geschichte“ von S.K.E.T / Theater X.

Über all das, was nicht gelungen ist, werden wir uns austauschen; unsere entsprechenden Erfahrungen und Schlussfolgerungen helfen uns auf unserem weiteren Weg gegen Krieg, Waffenexporte und Aufrüstung. Für uns waren die Tage in Kiel eine intensive, bereichernde Zeit. Auf unserem Camp haben wir den Ferienkommunismus gelebt, viel gelernt, nicht zuletzt wegen des guten inhaltlichen Programms. Wir haben neue Kontakte geknüpft, uns besser kennengelernt und wir nehmen viel Inspiration mit zurück in unseren Alltag.

Wir werden die Kieler*innen und insbesondere die Gaardener*innen, die uns willkommen hießen, nicht vergessen. Wir sind uns sicher, dass wir uns einmal wiedersehen werden.

Am Samstag, den 07.09.2024, waren wir unter dem Motto „Kiel entwaffnen - Rüstungsindustrie versenken!“ auf der Straße. Über 1.000 Teilnehmer:innen trugen unseren antimilitaristischen Protest gemeinsam auf die Straße.

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Ein Video von der Demo am 7.9.2024 in Kiel gibt es hier:
https://www.youtube.com/watch?v=hffSArQsXjg

Ein Video vom Camp, Demo und Aktionen gibt es hier: „Das war Kiel 2024!“
https://youtu.be/-ESkmALTufI

(Quelle: „Rheinmetall entwaffnen“, veröffentlicht am 9. September 2024 auf
https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org)

Kieler Haushalt 2025:

Der Kürzungswahnsinn geht weiter

Der Haushalt und der Stellenplan 2025 wurden am 17.10.2024 von der Kieler Ratsversammlung mit den Stimmen von Grünen und SPD beschlossen. Die Fraktion Die Linke / Die Partei stimmte mit Enthaltung. Massive Streichungen v. a. bei den Hilfen für die Schwächsten unserer Gesellschaft und im kulturellen Bereich kommen damit auf die Stadt Kiel zu.

Protest Kieler Sparhaushalt2024

Auf der Bündniskundgebung am 17.10. auf dem Rathausplatz während der Haushaltsdebatte hielt das Gaardener Ortsbeiratsmitglied der LINKEN, Alban Hansen, folgende Rede:

„Gaarden zeichnet sich durch die Vielfältigkeit, die Kreativität und das gemeinschaftliche Miteinander aus. Allerdings stehen wir als Stadtteil auch vor großen Herausforderungen, Sorgen und Nöten.

Der Anteil von Kinderarmut ist in Gaarden mehr als doppelt so hoch wie in der restlichen Stadt. Der Anteil von Altersarmut vier mal so hoch. Wenn ein Kind aus Gaarden kommt, dann hat es nicht einmal halb so viele Chancen auf das Gymnasium überzugehen als ein Kind aus dem restlichen Stadtgebiet. 

Und der Stadt Kiel ist sich dieser Probleme bewusst: Die Zahlen wurden sogar vom Stadtplanungsamt erhoben und trotzdem stehen wir hier weil ausgerechnet in diesem Stadtteil Haushaltsgelder für soziale Maßnahmen und kulturelle Einrichtungen gekürzt werden sollen, wie es nur geht! Die geplante Erhöhung der Elternbeiträge für Mittagessen in Kitas von maximal 40 auf 150 Euro ist schlicht und ergreifend ungerecht und eine Kampfansage an in Kiel lebende Familien! 

Darüber hinaus sollen die Klassenbegleitungen für Grundschüler in Gaarden gekürzt werden, wodurch sich das soziale Ungleichgewicht immer weiter verschärfen wird!

Vor ca. einem Jahr stellte Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer seinen Fortschrittsbericht zu Gaarden hoch zehn vor und lobte die angestrebten Intensivierungen bzgl. der Straßensozialarbeit in Gaarden.

Man hat sich viel auf den Schirm geschrieben: Es sollte ein Konzept zur Koordinierung der Straßensozialarbeit für 50 Tausend Euro erstellt werden und zwei weitere Vollzeitstellen für die Straßensozialarbeit eingerichtet werden. 

Nichts davon ist passiert, sondern das Gegenteil soll nun der Fall sein: Der Topf Soziale Hilfen in Gaarden soll gekürzt werden, das Konzept zur Straßensozialarbeit wurde nie erstellt und die Vollzeitstellen wurden entgegen des Ratsbeschlusses nicht besetzt und die hierfür zur Verfügung gestellten Mittel nicht mehr in den neuen Haushalt 25 eingestellt, womit wir nun wissen, dass dies leider nichts als leere Versprechen waren! Darüber hinaus setzt die Stadt Kiel mit dem Land und der Polizei Schleswig-Holstein auf eine Sicherheitspartnerschaft und versucht durch repressive Mittel Drogenkonsumentinnen zu verdrängen, wodurch die ohnehin schon überschaubaren, zur Verfügung stehenden Hilfsangebote die Betroffenen immer weniger aufsuchen können. 

Wir müssen den Betroffenen von Suchterkrankungen helfen und diese Hilfe, vorausgesetzt man möchte sich diesem Problem ehrlich und nachhaltig widmen, müssen und können nur Maßnahmen sozialer Natur sein – das beinhaltetet auch die Einrichtung eines dringend benötigten Drogenkonsumraums auf dem Ostufer. 

Und auch die geplanten Kürzungen im Kulturbereich betreffen den Stadtteil Gaarden sehr. Gaarden ist hinsichtlich kultureller Einrichtungen und der Förderung von Kultur- und Kreativzentren bereits unterrepräsentiert. 

Die Kultur- und Kreativschaffenden bieten Raum für den in diesen Zeiten so sehr benötigten Raum für kreativen Ausdruck und interkulturellen Austausch. 

Ich bin froh, dass sich viele kreative und kulturelle Köpfe und Einrichtungen gegen diese Kürzungen aussprechen und möchte sie hierbei unterstützen! 

Ich fordere Solidarität mit allen Kindern, Familien und Menschen die im sozialen, kulturellen oder kreativen Bereich tätig sind und auch allen weiteren, die vom Kürzungshaushalt der Stadt betroffenen sind. Hierfür stehen wir gemeinsam hier und sind laut!“

Trotz Nachbesserungen:

Haushalt nicht zustimmungsfähig!

Die Ratsfraktion DIE LINKE/Die PARTEI kann dem Haushaltsplan 2025 nicht zustimmen.
 
Dazu erklärt Fraktionsvorsitzender Björn Thoroe:
„Der ursprünglich von der Verwaltung vorgelegte Haushaltsplan war ein krasses Kürzungspaket. Natürlich ist der Hintergrund der meisten Streichungen der Druck, den das Land auf die Stadt ausübt. Obwohl die finanziellen Lasten und die Aufgaben der Stadt von der Landesebene ständig ausgeweitet werden, soll die Stadt nach Ansicht des Landes sparen. Aber unserer Ansicht kann es nicht sein, dass die Stadt diesem Druck in fast schon vorauseilendem Gehorsam nahezu widerstandslos Folge leistet!“
 
„Massive Kürzungen ausgerechnet bei den Hilfen für die Schwächsten in unserer Gesellschaft, bei sozialen Hilfen, beim KiTa-Essen sind für uns genau so wenig hinnehmbar, wie ein Zusammenstreichen des kulturellen Bereichs. Vor allem nicht, wenn gleichzeitig Geld für sinnfreie Prestigevorhaben wie den Start des Volvo Ocean Race, ein Meeresvisualisierungszentrum oder Träume von einer erneuten Olympiabewerbung ausgegeben wird. Gleiches gilt für die Mittel, die in Stadtmarketing oder die städtische Hilfsschlägertruppe des kommunalen Ordnungsdienstes versenkt werden!“ ergänzt Ratsmitglied Tamara Mazzi.
 
„Allerdings haben sowohl Verwaltung als auch die Kooperation nicht unwesentlich nachgebessert. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die seit Jahren von uns geforderte Übernachtungssteuer wird endlich angegangen, die Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich werden nun doch nicht ganz nicht so massiv ausfallen, wie ursprünglich angedroht und zumindest einer der beiden benötigten Drogenkonsumräume wird nun auch mit Mitteln im Haushalt abgebildet, auch wenn diese natürlich noch nicht ausreichen. Dazu kommen auch noch kleinere Änderungen, die heute in den Haushaltsplan eingefügt werden wie zum Beispiel Kamerasysteme für den Frauenfußball. Durch die Verhandlungen der letzten Wochen haben wir so eine ganze Menge erreicht. Trotzdem: Insgesamt können wir dem Haushaltsplan auch in dieser Form noch nicht zustimmen. Deshalb werden wir uns enthalten.“, so Ratsmitglied Ove Schröter.
 
„Das gilt aber nicht für den Stellenplan. Den Wegfall von 350 Stellen in den nächsten drei Jahren ohne das klar ist, wie die anfallende Arbeit trotzdem erledigt werden könnte, werden wir natürlich ablehnen!“, stellt Thoroe abschließend klar.
 
Presseerklärung der Ratsfraktion
DIE LINKE/Die PARTEI, 17.10.2024

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Stadthaushalt Kiel 2023:

Milliarden-Verschuldung wird erwartet

Wir berichten seit 2009 in der LinX regelmäßig über die Entwicklung des Kieler Stadthaushaltes. Anfang 2023 haben wir gewarnt vor den Auswirkungen der ständigen Unterfinanzierung der Städte und Kommunen. Siehe in der LinX 02-2023: „Stadthaushalt Kiel 2022: Unterfinanzierung der Kommunen führt zu Milliarden-Verschuldung“ siehe hier

Für Kiel wird die zunehmende Verschuldung ein ernsthaftes Problem. Nach dem Finanzbericht ist die Gesamtverschuldung auf 1227,7 Mio. Euro angewachsen.
Notwendige Investitionen mussten zurückgeschraubt werden. Im Nachtragshaushalt wurde durch OB Kämpfer kurzfristig das Investitionsvolumen von 129 Mio. auf 82 Mio. reduziert. Eingespart werden musste vor allem bei dringend nötigen Investitionen in Sanierungen und Neubau von Schulen, Schloss-Sanierung, Sportanlagen, Rettungsdienste, Kaikanten, Straßensanierungen usw.
Aber der Investitionsbedarf bleibt bzw. steigt weiter, so das auch die Stadt davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren sowohl der Haushalt ins Minus kommt, als auch die Verschuldung stark zunimmt. Wenn dann die Bankzinsen steigen wird das teuer. Die Landesregierung hatte den Städten max. 10 Mio. für neue Kredite zugelassen um die „Schuldenbremse“ einzuhalten. Dem ist die Stadtverwaltung glücklicherweise nicht gefolgt musste aber dafür den Haushaltsbericht durch die Kommunalaufsicht genehmigen lassen.

Aber dieses Jahr hatte die Stadt viel Glück. Eine unerwartete Gewerbesteuernachzahlung brachte zusätzliche 83,4 Mio. in den Stadthaushalt. Wie immer sind die Informationen aus welchem Gewerbe das Geld kommt, aus Datenschutzgründen geheim, auch wenn es das Allgemeinwohl betrifft. Von den profitablen Kieler Rüstungsfirmen kommen diese Einnahmen nicht, denn die zahlen ihre Gewerbesteuer dort wo der Firmensitz gemeldet ist und nicht wo die Wertschöpfung über den Mehrwert durch Ausbeutung der Arbeiter entsteht. Wie bereits im Haushaltsjahr 2022, können wir nur vermuten, dass die Gewerbesteuereinnahmen von der bereits abgewickelten und privatisierten HSH-Nordbank kommt. Ein schöner Geldsegen für die Stadt, doch leider nur einmalig.

Zusätzlich hatte die Stadt dieses Jahr ein weiteres Glück, vermutlich auch nur einmalig, weil erheblich mehr Finanzzuweisungen vom Bund als Ausgleich für die gestiegenen Sozial-Transferaufwendungen (Bürgergeld, Sozialhilfe, Ausgaben für Flüchtlinge und Asylbewerber) kamen (Konsolidierungshilfe). Aber bei steigendem Rüstungsetat der Bundesregierung, wird dann immer weniger Geld für die Kommunen zur Verfügung stehen.

Die größten Ausgabenposten der Stadt sind die Sozial-Transferleistungen, die auf 517,4 Mio. Euro gestiegen sind und die Personalkosten mit 332,2 Mio. Euro.

Wo kann die Stadt noch sparen? Freiwillige Ausgaben? Beim Personal?

Die freiwilligen Zuschüsse für Vereine und Verbände betragen nur 15,7 Mio. haben aber große Auswirkungen auf das soziale und kulturelle Leben in der Stadt. Weil es aber sogenannte freiwillige Ausgaben der Stadt sind, werden sie immer wieder gerne eingespart. Aber es ist ein kleiner Posten im Verhältnis zu dem Investitionsbedarf.

Beim Personal wurde schon öfter versucht zu sparen, oder zu digitalisieren, aber dann musste man feststellen, dass immer mehr Aufgaben auf die Städte und Kommunen zukommen und auch digitalisierte Daten müssen noch bearbeitet werden.

Zu den Prognosen bezüglich der Hoch-Verschuldung der Stadt, heißt es im Jahresabschluss des Kieler Stadthaushaltes 2023:

„Mit höheren Gewerbesteuererträgen und der nicht zu veranschlagenden Konsolidierungshilfe liegen die Gründe für den Jahresüberschuss in Einmal- bzw. Sondereffekten. Eine nachhaltige Stabilisierung der finanzwirtschaftlichen Lage der LH Kiel ist daher aktuell nicht ersichtlich oder zu erwarten. Die geplanten Defizite in der mittelfristigen Finanzplanung visualisieren die schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konsolidierungshilfe im Jahr 2023 ausgelaufen ist.
Die Unterfinanzierung der kommunalen Aufgaben und Leistungen kann künftig nicht mehr im bisherigen Umfang über den Haushaltsvollzug kompensiert werden. Eines der grundlegenden Risiken für den städtischen Haushalt bleibt somit auch zukünftig die strukturelle Unterfinanzierung der LH Kiel. Ob sich durch die notwendige Überarbeitung des kommunalen Finanzausgleichs positive oder weitere negative Effekte ergeben, bleibt abzuwarten.
Die anhaltenden multiplen Krisensituationen und gesellschaftlichen Herausforderungen, führen zu erheblichen finanziellen Auswirkungen. Insbesondere die Erträge, hinsichtlich des Gewerbesteueraufkommens, den Gemeindeanteilen der Einkommens- oder Umsatzsteuer oder die Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich sind geprägt durch Unsicherheiten. Gleichzeitig entstehen auf der Aufwandsseite zunehmend höhere bzw. neue Belastungen, z. B. durch steigende Sozial- und Transferleistungen (nicht zuletzt auch durch die zuletzt kontinuierlich und deutlich steigende Anzahl geflüchteter Menschen), inflationsbedingte Kosten- und hohe Tarifsteigerungen. ...
Ohne eine adäquate finanzielle Beteiligung auf Bundes- und Landesebene sind die pflichtigen und freiwilligen kommunalen Aufgaben nicht finanzierbar. Anforderungen für Zukunftsherausforderungen, wie z.B. Ganztagsbetreuung, Krankenhäuser sowie Klimaschutz, und die nötige digitale Transformation erweitern das vielfältige Portfolio der LH Kiel.“

Ohne eine andere Verteilung der Steuereinnahmen auf Bundesebene wird es keine Lösung geben. Woher soll das Geld kommen für den notwendigen Sozialen Wohnungsbau, für öffentlichen Personalverkehr, Wasser-, und Abwassernetze, für Kitas, Schulen, Schwimmbäder und Straßen, für Klimaschutz oder für Soziales und Kultur?

Einige Gewerkschaften, wie ver.di und auch Kritiker bei Attac fordern schon länger eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Einkommen- und der Umsatzsteuer auf mind. 20 Prozent.

Das würde ca. 50 Milliarden Euro zusätzliche Mittel für Städte und Gemeinden bedeuten. Die Einkommensteuer wie auch die Mehrwertsteuer wird von allen Bürgerinnen und Bürgern bezahlt und sollte deshalb auch vor allem kommunal, vor Ort wieder ankommen.

Die Kommunen wären dann nicht so abhängig von den Einnahmen aus den Gewerbesteuern, die sehr unzuverlässig sind je nach Wirtschaftslage und Standort.

Auf Bundesebene gäbe es genügend Möglichkeiten das Geld dort zu holen, wo es ist. Dazu seien hier nur drei Möglichkeiten genannt, die bei der nächsten Bundestagswahl zur Debatte gestellt werden sollten:

• Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer

• Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes

• Eine Finanztransaktionssteuer zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger, wodurch schon mit einem kleinen Prozentsatz abgeschöpft werden kann, was dann nur die Millionäre und Superkonzerne trifft, aber genügend Finanzen in das reale Leben der Kommunen und Städte überführt.

(Uwe Stahl)

 

ZAHLEN AUS DEM KIELER STADTHAUSHALT 2023

Erträge: 1.482,6 Mio.
Aufwendungen: -1.365,7 Mio.
Ergebnis Verwaltung: +106,4 Mio.
Schuldenstand Verwaltung Stadt Kiel: -685,9 Mio.

Schulden aus Investitionen (incl. Eigenbetriebe und Beteiligungen): (Kreditverbindlichkeiten aus Investitionen 31.12.2023) - 662,4 Mio.
Kassenkredite: 0,0 Mio.
Zinsen: 10,5 Mio.
Schuldentilgung: 43 Mio.
Kreditaufnahme: 186,9 Mio.

Gesamtverschuldung 2023: 1.227,7 Mio.

Eigenkapital: (2009 bilanziert 457 Mio)
Eigenkapital 2023: 479,0 Mio.

Einnahmen aus Finanzausgleich und Steuern 2023
Einnahmen Anteil Einkommensteuer (12,8%)+ Umsatzsteuer (2,2%): 154,9 Mio.
Einnahmen aus Gewerbesteuer: 187,3 Mio.
(Nachzahlung eines Gewerbesteuerfalls von 83,4 Mio.)
Einnahmen aus Finanzzuweisungen von Bund und Land
(z. B. für Sozialtransferaufwendungen): 505,7 Mio.
Summe aller Deckungsmittel: 679,8 Mio.

Ausgaben (größte 2 Posten):
Sozial-Transferaufwendungen:
(Sozialhilfe, Bürgergeld usw.): 571,4 Mio.
Personalaufwendungen: 332,2 Mio.
Freiwillige Zuschüsse:
für Vereine und Verbände (2022): 15,7 Mio.

Investitionen in 2023:
Geplante Investitionen wurden von 129,8 auf 82 Mio. reduziert.
Betrifft: vor allem Sanierungen und Neubau von Schulen, Sanierung Schloss, Sportanlagen, Rettungsdienste, Kaikante, Straßensanierungen

Bürgschaften für Investitionen in 2022:
(Bürgschaften fast 100% für Seehafen Kiel): 102,7 Mio.

Quelle: Jahresabschluss 2023 der Landeshauptstadt Kiel

Investitionskredite Haushalt kiel 2023

Jahresergebnis Haushalt Kiel 2023

Kassenkredite Haushalt Kiel 2023

Mach mit: Wir sammeln für die Kinder der "Clinico Rosa Luxemburgo"

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Förde Sparkasse: DE 96 2105 0170 1003 4141 56, Klaus Weißmann, Stichwort Solidarität

 

CUBA Spende KuhleWampe

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Buch-Tipp:

Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft. Wie die USA Europa eroberten, zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg.

Köln 2023, 326 Seiten, 22,90 Euro.

Die Gene des US-Staates: keine Demokratie in der Verfassung; Sklavenstaat und geopolitics of modernized slave labor; kein Außenministerium sondern Anspruch auf jeden Punkt der Erde und des Weltraums; Kapital-Demokratie offen nach ganz rechts und Militär-Kapitalismus; im Krieg auch Zivilisten töten. Ausrüstung von Stellvertreterkriegen. Zur Abwehr der demokratischen und Arbeiterbewegungen förderten die USA wirtschaftlich, medial, politisch alle faschistischen Diktaturen in Europa: sofort ab 1922 Mussolini, Salazar, dann Franco, Pilsudski, Hitler - in China auch Tschiang Kai Shek, gemeinsam mit Hitler. Mit dem Dawes-Plan investierten US-Konzerne ab 1924 in Deutschland. Hollywood produzierte für Goebbels. Die US-geführte Bank for International Settlements BIS in Basel/Schweiz wusch während des 2. Weltkriegs NS-Raubgold und Raubaktien zugunsten NS-Deutschlands. Die Arisierung jüdischer Unternehmen und die Vernichtung der Juden blieb unbeachtet. Seit dem Abwurf der Atombomben auf japanische Zivilisten erneuern die USA bis heute, zuletzt unter Obama, die Doktrin des atomaren Erstschlags, der auch in Europa ausgetragen werden kann - wo die guten Freunde wohnen.

Französisch: Amitié fatale, tredition 2024, hardcover, softcover, e-Book; englisch und spanisch erscheint im Dezember 2024

Newsletter 11-2024:

transform:changethesystem

Zitat des Monats
Am Ende des dritten Bands seiner Autobiografie (Storia di un comunista) sprach Toni (Negri) gelassen über seinen Tod. Weniger gelassen war er jedoch angesichts einer Welt, in der er das Wiederaufleben des Faschismus sah.
Er schrieb: «Wir müssen rebellieren. Wir müssen Widerstand leisten. Mein Leben schwindet, nach 80 wird das Kämpfen immer schwieriger. Aber das, was von meiner Seele übrig ist, treibt mich zu dieser Entscheidung.»
https://ogy.de/2fu3

Antifaschismus

„Marseille 1940“: Die große Flucht der Literatur
Anna Seghers, Lion Feuchtwanger, Hannah Arendt. Uwe Wittstock erzählt in „Marseille 1940“ filmreif vom nackten Überleben.
https://ogy.de/0oik

„Marseille 1940“
erschienen auch in der Büchergilde Gutenberg
https://ogy.de/26k1

TikTok ist nicht schuld am Rechtsruck
https://ogy.de/7bmo

Arbeiterwiderstand im Dritten Reich -
Gespräch mit Dr. Ulrich Schneider (Kassel)
https://ogy.de/nntj

Machtübernahme:
Was tun, wenn die AfD regiert?
https://ogy.de/68p1

Bücher / Zeitschriften

Recht gegen Rechts
https://ogy.de/9uc0

Der Zusammenbruch steht am Horizont unserer Generation, er ist der Beginn ihrer Zukunft.
https://ogy.de/lb80

Karl Loewenstein - Ein ungebrochener Optimist
https://ogy.de/d0z4

Demokratie / Grundrechte

Meißner elektronische Patientenakte
https://ogy.de/0va4

Interview: „E-Patientenakte läutet Ende der Schweigepflicht ein“
https://ogy.de/ofe3

Finanzbildung als politisches Projekt – eine kritische Analyse der FDP-Initiative
https://ogy.de/79p0

Frieden / Internationales

Dissens: #276 Ein Jahr danach: Der 7. Oktober, der Krieg in Gaza und die Folgen in Deutschland
https://ogy.de/obqu

„Es gibt nur eine moralisch, rechtlich und strategisch vertretbare Antwort: ein Waffenembargo“ – Fünf Fragen an Janina Dill
https://ogy.de/rheo

„Näher denn je seit der Kubakrise“
https://ogy.de/mtc5

Wertekollision
Die Positionierung der Bundesregierung im Gaza-Krieg beschädigt das Ansehen Deutschlands
https://ogy.de/ajh5

Links

Bündnisse schmieden
Fragen nach (neuen) Bündnissen und großen linken Strategien
https://ogy.de/bna7

Büchergilde Gutenberg – 100 Jahre – Vorwärts mit heiteren Augen!
https://ogy.de/d4l9

Abruf aller Links: 20.10.2024
Mit solidarischen Grüßen, Roland
(ver.di Mitglied, Kiel)

UN-Klimakonferenz:

Ungebremst in die Katastrophe

Ab dem 11. November 2024 wird mal wieder über internationalen Klimaschutz verhandelt. Zum 29. Mal trifft man sich zur Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimaschutzrahmenkonvention, zur CoP29, wie es im Diplomaten-Jargon heißt. Gastgeber ist der Ölstaat Aserbaidschan, der noch vor kurzem Krieg gegen Armenien geführt und den größten Teil seiner armenischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Land getrieben hat. Letztlich geht es bei dem seit den 1980ern schwelenden Konflikt darum, dass die herrschende Elite, die Pfründe aus den reichen aserbaidschanischen Ölvorkommen nicht teilen möchte.

Derlei Leute sind derzeit für den internationalen Verhandlungsprozess verantwortlich, den sie als Gastgeber der Klimakonferenz eigentlich vorantreiben sollen. Im Jahr davor war es Katar – die mit dem Erdgas, vor dessen Prinzen Robert Habeck so gerne dienert –, und entsprechend schlecht ist es um den Verhandlungsprozess bestellt.
Das Treibhausgas CO2, das unter anderem bei der Verbrennung von Erdgas und Erdölprodukten freigesetzt wird, reichert sich derweil weiter in der Atmosphäre an. Und das sogar immer schneller, wie die Grafik zeigt. Dargestellt ist die jährliche Zunahme der CO2-Konzentration in der Luft, wie sie seit den 1950er Jahren auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Loa gemessen wird. Angegeben ist sie in ppm, das heißt, in Millionstel Volumenanteilen. Wie man sieht, steigt die Konzentration, mit Ausnahme der 1990er Jahre, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt schneller an. 2023 wurde der bisher größte jährliche Zuwachs verzeichnet. Dieses Treibhausgas wird nun für mehrere Jahrtausende in der Atmosphäre verbleiben und das globale Klima nachträglich verändern. Aber die Profite der Energie- und Automobilkonzerne, der aserbaidschanischen Kriegsherren, die Dividenden der Porsche-Piëch- und Quandt-Clans sind weiter gesichert. (wop)

Vor 75 Jahren ruft Mao die Volksrepublik China aus:

Vom kleinen roten Buch zum großen roten Globalplayer

Der erste Exportrenner der Volksrepublik China war das kleine rote Büchlein, die Mao-Bibel, die 1967 den Weg in die Taschen vieler westdeutscher Jugendlicher (vorwiegend Studierender) fand. Die Apo nahm die Volksrepublik in erster Linie als Teil der Befreiungsbewegungen der „Dritten Welt“ und als Alternative zur bipolaren Blockbildung des Kalten Krieges wahr. Vielen erschien die chinesische „Kulturrevolution“ (1966-1976) als revolutionärer Aufstand der proletarischen Massen gegen einen bürokratisch verkrusteten Parteiapparat und als Alternative zum „sowjetischen Revisionismus“.

Doch das ist nun über 55 Jahre her und der Schnee von gestern. Wie sieht der heutige Blick auf China aus? So unterschiedlich die Sichtweisen und Bewertungen auch sein mögen, für alle ist China „der Elefant, der im Raum steht.“ Für die multinationalen Konzerne ist China das entscheidende Glied der globalen Lieferketten (Computer-Chips, Autoindustrie, Solarkomponenten). Für NATO, USA & Co ist China der Herausforderer der bisher von deren Politik und Militär geprägten „Weltordnung“. Für die Staaten des „globalen Südens“ wiederum steht China für die Hoffnung, sich aus dieser Dominanz befreien zu können (ein Teil dieser Staaten hat sich in der BRICS plus - Gemeinschaft zusammengeschlossen). Für breite Kreise des westlichen Politikbetriebs und Akteur:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen steht der „Autoritarismus“ der chinesischen Politik unter Führung der Kommunistischen Partei im Mittelpunkt ihrer Kritik: Als Stichworte seien hier Menschenrechte, Minderheitenpolitik, gesellschaftliche Überwachung beispielhaft genannt. Und schließlich fällt auch das Urteil der unterschiedlichen politischen Linken zu China und dessen gegenwärtiger Politik vollkommen unterschiedlich aus.

„Bis 2049 ein voll entwickeltes sozialistisches Land“

Meine Eingangsthese lautet: Die vor 75 Jahren gegründete Volksrepublik China ist dabei, die Welt so nachhaltig zu verändern, wie dies letztmalig vor über 225 Jahren durch die durch die Unabhängigkeitserklärung der USA und die Französische Revolution in Gang gesetzte Etablierung der antifeudalen „bürgerlich-kapitalistischen Welt“ geschehen ist. Weder die russische Oktoberrevolution noch die USA-Dominanz nach 1945 werden auf Sicht gesehen nachhaltigere Spuren hinterlassen haben. Der rasante Aufstieg Chinas in den vergangenen zwanzig Jahren zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und zum wichtigsten geopolitischen Gegenpart zur USA haben das internationale Machtgefüge grundsätzlich verändert.
Dabei waren die Startbedingungen 1949 alles andere als Erfolg verheißend. Armut und Analphabetentum prägten das in weiten Teilen noch feudalistisch strukturierte Land. Großgrundbesitzer und Großbauern besaßen fast 80 Prozent des Bodens; der Anteil der Industriearbeiterschaft betrug 4,5 Prozent in Bezug auf die Gesamtheit der Arbeiter und Angestellten. Mit unterschiedlichen Varianten wurde bis Ende der 70er Jahre am Gemeineigentum und zentraler Planwirtschaft festgehalten. Aus heutiger westlicher Sicht werden die ersten 30 Jahre der VR China vielfach als Chaos-Jahre mit Hungersnot, einem verfehlten "Großen Sprung nach vorn" und kulturrevolutionärer Zerstörung gesehen. Ende 1978 läutet Deng Xiaoping das postmaoistische Reform-Zeitalter ein – ein erster Meilenstein ist der Beschluss, das Land für ausländisches Kapital zu öffnen. Das beinhaltete die Schaffung von zunächst vier ökonomische Sonderzonen und ein Join-Venture-Gesetz ermöglichte gemischte Unternehmen, bei denen der chinesische Partner einen Kapitalanteil von mindestens 51 Prozent halten muss.
2015 gab Xi Jinping das Ziel aus, dass China bis 2049 eine moderne Industrienation und ein voll entwickeltes sozialistisches Land wird. Als Zwischenstation war anvisiert, bis 2025 in ausgewählten technologischen Bereichen Weltmarktführerin zu werden und alle Chines:innen aus absoluter Armut zu befreien. Diese Zwischenziele können als erreicht gewertet werden. So stellte die Welthungerhilfe 2021 fest, dass in China seit den Wirtschaftsreformen 1978 „mehr als 850 Millionen Menschen der Armut entkommen sind“. (1)

Wie umgehen mit dem Elefanten im Raum?

Vor zehn Jahren hatte die EU gemeinsam mit China die „EU-China 2020 Strategic Agenda for Cooperation“ zur Förderung einer umfassenden strategischen Partnerschaft vereinbart, die vielfältige langfristige Kooperationen zwischen den „Partnern“ vorsah. Doch in den letzten Jahren hat sich bei der EU und ihren Mitgliedsstaaten der Tonfall gegenüber China grundsätzlich verändert. Es ist nicht mehr von Partner, sondern vom Konkurrenten und „systemischen Rivalen“ die Rede. Die Bundesregierung hat sich Mitte 2023 erstmals umfassende Leitlinien für den Umgang mit der Volksrepublik gegeben. Der übergreifende Titel der regierungsamtlichen China-Strategie lautet: „De-risking“, Risikominimierung im wirtschaftlichen Umgang mit der Volksrepublik. Eine Abkopplung („Decoupling“) vom chinesischen Markt soll es aber nicht geben, zu sehr hängen Wohl und Wehe der Konzerne (allen voran der Automobilindustrie) davon ab.
In diesem Zusammenhang warnte die chinesische Seite, ein „ideologischer Blick auf China wird nur Missverständnisse und Fehleinschätzungen verstärken und die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen schädigen.“ Überraschenderweise sehen das Ökonom:innen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) ähnlich: „Je stärker ethische Vorstellungen über wertekonforme Nachhaltigkeit in den drei Facetten (Menschenrechte, Umweltschutz und gutes Regierungshandeln) den Tenor der Strategie bestimmen, desto mehr läuft dies Gefahr, sich zu verselbständigen. Darüber hinaus gilt es, auch Chinas Leistungen zur Eindämmung von Hunger in der Welt und für den Lebens- und Bildungsaufstieg von Millionen Chinesen wie auch vieler Menschen in seinen Partnerländern zu würdigen.“ (2)
Erklärtermaßen möchte die Bundesregierung die Wirtschaft unabhängiger vom Land der Mitte machen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Der Sachverständigenrat (die „Wirtschaftsweisen“) haben in ihrem Jahresgutachten China auf Platz 1 der Länder gestellt, von denen Deutschland im Bereich strategischer Güter besonders importabhängig ist. Beispiel Hamburger Hafen: Die Liste der wichtigsten Handelspartner führt weiterhin China mit weitem Abstand an. So wurden im 1. Halbjahr 2024 1,1 Millionen Container im China-Handel umgeschlagen, auf den zweiten Platz folgen die USA mit 340.000 Container in weitem Abstand. (3)
Klar ist: Das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen auf der einen, und „wertebasierten“ Grundsätzen auf der anderen Seite wird auch in den kommenden Jahren die politische Debatte prägen.

Wie vor 125 Jahren: Deutsche Kriegsschiffe vor China

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts schien mit dem Modell „Chinamerika“ eine Win-Win-Situation eingetreten zu sein. Die US- und die anderen westlichen Konzerne investierten ihre Kapitalüberschüsse in China, der „Werkbank der Welt“ und die chinesischen Arbeiter:innen/ Wanderarbeiter:innen produzieren billige Konsumgüter für den Weltmarkt. Die chinesische Regierung nutzte den dadurch entstandenen großen Handelsüberschuss zu ihren Gunsten, um us-amerikanische Staatsanleihen und Dollarreserven zu kaufen. Die Weltwirtschaftskrise (2007ff) und die zeitweise Unterbrechung der globalen Lieferketten während der Corona-Pandemie (2020-2022) verstärkte bei China das Bestreben, die Exportabhängigkeit zu reduzieren. Zusätzlich belasten in den vergangenen Jahren geopolitische Konflikte die Handelsbeziehungen. Insbesondere die USA und in ihrem Schlepptau die EU und Deutschland messen „der nationalen Sicherheit“ gegenüber einer umfassenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen höheren Stellenwert zu. Militärstrategisch bauen die USA und die NATO ihre Militärstützpunkte im Indo-Pazifik enger um die Volksrepublik herum und auch das Spielen mit der „Taiwan-Karte“ ist Teil dieser Strategie. Somit steht zu befürchten, dass eine Militarisierung und das Wettrüsten in der Region weiter voranschreiten werden.
Auch die deutsche Marine bewegt sich mit Blick auf die Region des Indo-Pazifik im Fahrwasser Washingtons. Vor kurzem demonstrierten zwei deutsche Kriegsschiffe in der Straße von Taiwan erstmals seit zwei Jahrzehnten durchaus provokativ militärische Präsenz."Es geht darum, Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass wir, Deutschland, an der Seite unserer Partner und Freunde und Verbündeten stehen, für die Wahrung der regelbasierten internationalen Ordnung, der friedliche Konfliktbeilegung, insbesondere mit Blick auf Gebietsstreitigkeiten und die Freiheit der Seehandelsrouten", so Flottillenadmiral Axel Schulz, der den deutschen Marineverband im Indopazifik führt. (4)
Was die Entsendung deutscher Kriegsschiffe vor die Küste Chinas angeht, fühlt man sich an Ereignisse vor 125 Jahren erinnert. Deutschland war zwischen 1898 und 1919 Kolonialmacht in China und federführend an der Niederschlagung des Boxeraufstands beteiligt. Zum ersten Mal wurde 1859 ein Geschwader der preußischen Marine in das „faszinierende Reich der Mitte“ entsandt. Schon zehn Jahre später wurde dort eine ostasiatische Schiffsstation als eigener Versorgungsstützpunkt auf chinesischem Boden errichtet. Unter Kaiser Wilhelm II. wurde die chinesische Kiautschou-Bucht 1897 dann zu einem deutschen „Schutzgebiet“ erklärt und wurde Bestandteil der staatlich organisierte Kolonialpolitik des deutschen Kaiserreichs.
1900 sorgte Kaiser Wilhelm II. für die Zusammenstellung einer internationalen Strafexpedition, zu der sich Briten, us-Amerikaner, Russen, Japaner, Franzosen und Deutsche in überraschender Eintracht zusammenfanden. In seiner „Hunnenrede“(1900) wurde in Bremerhaven ein mit Kieler Mannschaften verstärktes deutsches China-Kontingent mit folgenden Worten verabschiedet: „Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen. Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht haben, so möge der Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ Die Militäroperation kostete mehr als 100.000 Chines:innen das Leben.
2017 konnte man sich in einer Ausstellung im Kieler Stadtmuseum an Hand von Fotos, Tagebuchaufzeichnungen und Devotionalien sehen, was die Kieler „Chinafahrer“ des Kreuzergeschwaders aus Kiautschou in den Reichskriegshafen Kiel als Erinnerungsstücke zurück brachten. Dazu gehören u.a. Seidenstickbilder, Porzellangefäße - vor allem aber viele Kolonialfotografien. Dabei wurde dem Betrachter dieser Fotos vor Augen geführt, dass sich auch die einfachen Marinesoldaten durchaus als „Kolonialherren“ aufzuführen wussten. In Kiautschou waren etwa 1.500 Mann der Kriegsmarine stationiert; dazu kamen mehrere Tausend deutsche Zivilisten, Familienangehörige, Laden- und Firmenbesitzer.

China und die Linke

Als vor über 100 Jahren die Kommunistische Partei Chinas am 1.Juli 1921 in Schanghai gegründet wurde, standen sowjetische Kommunist:innen Pate. Die KPdSU ist längst Geschichte, die KPCh ist hingegen mit ihren knapp 100 Millionen Mitgliedern nicht nur die größte Partei der Welt, „sie ist auch ein Meisterwerk der Führung, Disziplinierung und Mobilisierung.“ (5)
Und doch stehen sich in der Debatte um das Verhältnis zu China und dem dort aktuell praktizierten „MarXismus“ in der politischen und gesellschaftlichen Linken zwei Positionen mehr oder minder unversöhnlich gegenüber. Die einen sehen dort einen „Sozialismus mit chinesischer Prägung“, deren Ziel der Sozialismus/Kommunismus ist, der auf spezifischen Wegen/Umwegen erreicht werden soll - die anderen hingegen sehen im heutigen China einen autoritären Staatskapitalismus, der alle sozialistischen Prinzipien über Bord wirft und den Begriff „Sozialismus“ als bloße Hülle benutzt.
Dafür gibt es aus Sicht von Ingar Solty von der Rosa-Luxemburg-Stiftung vor allem drei Gründe: Erstens wird der Konflikt zwischen den USA und China das 21. Jahrhundert konfigurieren und tut es schon jetzt. Zweitens zielen die Angriffe im Besonderen darauf, eine bestimmte Form des Staatsinterventionismus zurückzudrängen. Chinas Wirtschaftspolitik wird von den USA und der EU als „illegaler Staatssubventionismus“ eines „systemischen Rivalen“ gebrandmarkt. Und drittens: Während man in der EU beim Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe bis hinein ins linke Bürgertum vornehmlich auf neoliberale Marktlösungen setzt, ist China dem Westen in vielerlei Hinsicht überlegen – Dank der Nutzung seiner enormen Staatsressourcen. „Der Westen steht also vor dem Scheideweg. Er muss sich überlegen, ob er Chinas Weg bekämpfen oder nachahmen will. Die Auseinandersetzung mit China als Macht im internationalen System ist nicht zuletzt für die Suche der Linken nach Auswegen aus der allgegenwärtigen Demokratie-, Gesellschafts- und Klimakrise von entscheidender strategischer Bedeutung. (6)

Zu sehr gegensätzlichen Schlussfolgerungen kommen beispielsweise DKP und MLPD.
Bei ersterer heißt es: „Um die internationalen Klassenkämpfe verstehen zu können, die ihre Widerspieglung in der Politik der Bundesregierung finden, müssen die Kommunisten den gesellschaftlichen Charakter und die internationale Rolle der VR China richtig einschätzen. Sonst ist eine Politikentwicklung im Sinne der Interessen der werktätigen Massen unmöglich. Die DKP geht davon aus, dass China auf einem sozialistischen Entwicklungsweg ist. Zusätzlich zum wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik fordere sie die Vormachtstellung des Imperialismus heraus.“ (7)

Bei der MLPD heißt es dagegen: „Doch was ist China für ein Land? Handelt es sich – wie es die staatliche Propaganda glauben machen will – um ein sozialistisches Land? Steht der ‚starke Mann‘ in Peking, Xi Jinping, in der Tradition Mao Zedongs? Wie kann es sein, dass ein angeblich sozialistischer Staat im imperialistischen „Hauen“ und „Stechen“ eifrig mitmischt, der aktuell einzigen Supermacht USA den Rang ablaufen will?
Die MLPD sieht in China nach dem Tod Mao Zedongs die Wiederherstellung des Kapitalismus/Imperialismus. So erhebt China imperialistische Ansprüche auf 80 Prozent des südchinesischen Meeres und die Ausbeutung dort lagernder riesiger Rohstoffvorkommen. Seine rasante Aufrüstung zielt gegenwärtig vor allem darauf ab, die Kontrolle über die wichtigsten Seehandelswege zu erlangen. Die Manöver zur Abriegelung Taiwans und die Ankündigung der chinesischen Regierung, die Wiedervereinigung Taiwans mit dem chinesischen Festland notfalls auch gewaltsam durchzusetzen, ist kein antiimperialistischer Kampf, sondern Bestandteil eines aggressiven Expansionismus“. (8)

Eine spezifische Art staatskapitalistischer Verhältnisse – Ausgang offen

Ich neige bei der Beurteilung der chinesischen Verhältnisse der Ansicht des Sinologen und Marxisten Helmut Peters zu, der feststellt: Die VR China hat bisher selbst in Ansätzen keine neue Produktions- und Lebensweise, keine neue Konsumtionsweise entwickelt, die dem Kapitalismus entgegengesetzt ist. Sie folgt in all diesen Bereichen im Grunde dem westlich-kapitalistischen Vorbild.
Die Außenpolitik zeigt bei allem Pragmatismus und bei allem Bemühen, nicht in ernstere Konflikte oder gar in militärische Auseinandersetzungen mit dem Imperialismus hineingezogen zu werden, letztlich ein klares Profil. Bei Wahrnehmung der eigener Interessen stehen weltoffener Handel und daraus folgernd friedliche Beziehungen zwischen den Staaten im Zentrum der Politik.
Innenpolitisch sieht Peters unter Xi Jinping neue Akzente. Das betrifft z. B. den Ausbau eines Rechtsstaates, das Bestreben, sich mit der allgemeinen Ausdehnung der Machtbasis wieder stärker auf Arbeiter und Bauern zu stützen, die Bekämpfung der Korruption unter den Führungskadern und die systematischen Erziehung der Bevölkerung und der Kader im Sinne der revolutionären Traditionen. Zusammenfassend stellt er fest: „Die heutige chinesische Gesellschaft hat weder bereits sozialistischen Charakter noch ist sie eine bürgerliche Gesellschaft im marxistischen Verständnis. Sie befindet sich in ihrem historischen Transformationsprozess objektiv in einer Etappe, die dem Sozialismus vorausgehen kann. Ziel und Inhalt der Politik der KP Chinas entsprechen bei aller inneren Widersprüchlichkeit insgesamt den realen inneren und äußeren Bedingungen und den sich daraus ergebenden Erfordernissen und Möglichkeiten. Es ist eine Gesellschaft, die in ihrer ökonomischen Basis auf einer besonderen Art von Staatskapitalismus beruht und in ihrem politischen Überbau von der Macht in den Händen der KP Chinas bestimmt wird. Die Intensität und Breite der Zusammenarbeit mit dem Kapital machen diese besondere Form des Klassenkampfes im höchsten Maße zu einer Gratwanderung.“ (9)

Günther Stamer

Fotos:
1.) 1949 ist die Schubkarre das typische Transportmittel. Bei günstigem Wind wird ein Segel angebracht.
2.) Tschou En-lai, Mao Tse-tung, Lin Biao
3.) Straßenbild in Peking Juli 2015

Fussnoten:

(1) https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/entwicklungspolitik-agenda
(2) Görg/Kamin/Langhammer/Wan-Hsin, Auf falscher Spur mit der China-Strategie, FAZ 6.1.2023
(3) Kieler Nachrichten 21.8.2024
(4) Handelsblatt 19.8.24
(5) Prof. Klaus Mühlhahn, Chinas Sozialismus für die neue Ära, FAZ 5.7.2021
(6) Wie positioniert sich die Linke zu China? | Zeitschrift Luxemburg (zeitschrift-luxemburg.de)
(7) China-Debatte wird fortgesetzt | Unsere Zeit (unsere-zeit.de)
(8) Rote Fahne 10/23
(9) Helmut Peters, Aus dem Mittelalter zum Sozialismus - Auf der Suche nach der Furt, Marxistische Blätter 6-2020

 

Dieser Beitrag wurde nicht in der Druckversion der LinX veröffentlicht, sondern in der Ausgabe vom "Gegenwind" im Oktober 2024.

Online-Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung durch Günther Stamer.

TERMINE

So., 10.11.24, 10.30 Uhr, am Haupteingang Friedhof Eichhof, Kiel

Gedenken an die Kämpfer der Novemberrevolution in Kiel

• Di., 19.11.2014, 19 Uhr, Gewerkschaftshaus, 4.Etage, Legienstr. 22, Kiel

Treffen des Kieler Friedensforum

• Do., 21.11. 2024, 19-21 Uhr, Wissenschaftszentrum, Kiel

Sicherheitspolitischer Diskurs der Friedrich-Ebert-Stiftung: Krieg und Frieden 

Mit Prof. Peter Brandt u. Dr. Cornelius Friesendorf

• So., 24.11.2024, 18 Uhr

Redaktionsschluss der LinX

• 31. Friedenspolitischer Ratschlag

30. November und 1. Dezember 2024
Philipp-Scheidemann-Haus
Holländische Straße 74, Kassel

Friedfertig statt kriegstüchtig –
Strategien für eine Politik jenseits der Kriegslogik
... Aktuell ist die Welt mit mehreren Konfliktherden konfrontiert, die zum globalen Atomkrieg eskalieren können: Die Kriege in der Ukraine und in Westasien sowie das Säbelrasseln im Westpazifik. Die deutsche Bundesregierung trägt dabei aktiv zur Eskalation bei, mit verstärkter Kriegsrhetorik, Waffenlieferungen, und durch ihre interessengeleitete Unterordnung unter die USA, mit der sie auch die eigene Position innerhalb der NATO stärken will. Das drückt sich aus in der Rolle Deutschlands als Hauptdrehscheibe innerhalb der NATO und gipfelt in der zugesagten Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland.
In Europa will sie die Führung übernehmen, rüstet dafür auf wie nie und droht den Sozialstaat zu zerstören, um Absatzmärkte, Rohstoffe und Handelsrouten zu sichern. Sie fördert das Feindbild Russland und spaltet die Gesellschaft.
Gemeinsam mit den überall auf der Welt erstarkenden internationalen Bewegungen wollen wir mit dem Friedensratschlag unsere Anstrengungen, den Frieden zu gewinnen, ausbauen und die Lebensgrundlagen auf dem Planeten erhalten.
Anmeldung unter: https://frieden-und-zukunft.de/anmeldung-friedensratschlag-2024/

   

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