- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Sozialistische Zeitung für Kiel
Aktuelle Ausgabe vom 01. Juni 2021
Demonstration des Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel gegen den Aktionstag der „Querdenker*innen“ am 15.5.2021 in Kiel
Inhalt LinX Juni 2021 – Die Druckausgabe 06-2021 als PDF
• Antikapitalistische 1. Mai-Demonstration in Kiel
• Klimaschutzgesetz - Offener Brief an die Stadt Kiel
• Energiewende (Teil 3): Wärmeversorgung im Gebäudebestand
• 80. Jahrestag des Beginns des Angriffskriegs gegen die Sowjetunion
• Defender und Baltops: Säbelrasseln statt Lockdown fürs Militär Kiel
• Chefduzen.de: Den Aufstand im Alltag proben!
• Gewalteskalation im Nahen Osten: Die militärische und strukturelle Gewalt beenden
• Interview: Solidarität mit den Palästinenser:innen, was denn sonst?
• Datenschutz-Zwischenruf: „Für alle, die nichts zu verbergen haben...“
• Termine
Die LinX auf TELEGRAM, Kanal LinX-Kiel: https://t.me/linxkiel
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Kommentar:
Grenzenlose Heuchelei
Das Leiden und Sterben an den Außengrenzen der EU nimmt kein Ende. Über 600 Menschen sind in diesem Jahr bereits bei der gefährlichen Überfahrt nach Europa ums Leben gekommen, doch immer wieder besteigen Verzweifelte unsichere Boote, weil die EU ihnen sichere Fluchtwege verwehrt. Einmal auf See, kann es ihnen vor den griechischen Inseln geschehen, dass sie von der dortigen Küstenwache oder auch von der Frontex der EU illegaler Weise zurück in türkische Gewässer gedrängt werden, wobei sogar schon geschossen wurde. Oder sie geraten zwischen Libyen und den italienischen Inseln in Seenot, ohne dass sich das zuständige Seenotzentrum in Italien um sie kümmern würde. Private Seenotrettungsschiffe haben in den letzten Wochen wiederholt auf solche Fälle aufmerksam gemacht. Mehr noch, die privaten Initiativen werden immer wieder nach Kräften behindert. Als die „Seaeye 4“ in der Woche vor Pfingsten mit über 400 Geretteten an Bord das sizilianische Palermo anlief, wurde sie erst auf eine zweitägige Odysee zu einem anderen Hafen geschickt und dort dann für 14 weitere Tage festgehalten. Trotz negativer Corona-Tests für alle Besatzungsmitglieder und Geretteten wurde das Schiff unter Quarantäne gestellt, nach dem die Flüchtlinge von Bord gegangen waren. Was das mit der hiesigen Politik und der Bundesregierung zu tun hat? Natürlich handelt die Regierung in Rom im Einverständnis wenn nicht gar auf Druck der in der EU Ton Angebenden und das ist vor allem Berlin. (Die meisten Regierungen der anderen Mitgliedsstaaten ticken natürlich ähnlich, aber das ist eine andere Frage.) Das Retten von Schiffsbrüchigen, eigentlich ein elementares Gebot nicht nur der Menschlichkeit sondern auch internationaler Verträge, gehört offensichtlich nicht zur deutschen Staatsräson. Man beschweigt das Leid und das Sterben lieber, so wie auch die Kriege des NATO-Partners Türkei gegen Kurden und Nachbarländer, die vollkommen unhaltbaren Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern, die Folterlager für Flüchtlinge in Libyen, in denen jene landen, die von der vermeintlichen, EU-finanzierten Küstenwache abgefangen werden. Das hält allerdings weder Bundesregierung noch grüne Opposition davon ab, sich über missliebige Regierungen, sei es in Minsk, Moskau oder Beijing zu echauffieren und ihnen Vorträge in Sachen Menschenrechten zu halten, oder israelischen und palästinischen Demonstranten Antisemitismus zu unterstellen, weil sie gegen das Bombardement Gazas demonstrieren. Obszöne, grenzenlose Heuchelei scheint das Wesen deutscher Regierungspolitik und oberstes Kriterium der „Regierungsfähigkeit“ zu sein. (wop)
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Demonstration am 15.5.2021 in Kiel gegen den Aktionstag der Querdenker:
Für eine solidarische Stadt
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel hatte zu einer Demonstration am 15.5. in Kiel aufgerufen, um den bundesweiten Aktionstag von Querdenker*innen, Coronaverharmloser*innen, Nazis und Rassist*innen nicht widerspruchslos „laufen zu lassen“.
Den ganzen Tag wollten sie mit verschiedenen Aktionen die Stadt Kiel unsicher machen. In dem Aufruf vom Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel wurde festgestellt:
„Vor allem aber treten wir den „Querdenker*innen“ entgegen, weil sie Nazis, Antisemit*innen und anderen Rassist*innen Raum geben und deren Ideologien, darunter antisemitische Verschwörungsmythen, verbreiten. In einer Chatgruppe „besorgter Eltern“ aus Kiel kursierte bereits ein antisemitisch motivierter Mord-aufruf.
Wir sagen: Mit Nazis demonstriert man nicht!
Wir überlassen den „Querdenker*innen“ nicht die Straßen unserer Stadt.
Die Querdenker*innen-Bewegung ist das direkte Gegenteil einer solidarischen Bewegung zur Überwindung der von ihren Anhänger*innen geleugneten oder verharmlosten Pandemie und des mit dieser einhergehenden Sozialkahlschlags. Eine solidarische Bewegung brauchen wir aber dringend, und als Antifaschist*innen tragen wir unseren Teil zur Entwicklung dieser Bewegung bei. Wir kämpfen gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Schultern der Mehrheit der Bevölkerung, die bereits heute am stärksten unter der Krise leidet, die Einkommenseinbußen hinnimmt und unzureichend unterstützt wird. Wir setzen uns für eine umfassenden Gesundheitsschutz in den Betrieben, im Einzelhandel, in Büros und Verwaltung ein. Das Gesundheitswesen und die gesamte Daseinsvorsorge gehören in die öffentliche Hand und dürfen nicht dem Profitstreben unterworfen sein.“
In den letzten Monaten werden außerdem zunehmend Anhänger*innen faschistischer Organisationen wie „Bollstein Kiel“, NPD und Identitäre Bewegung sowie der AfD als Teil der Querdenken gesehen. Die AfD macht durch ihre Auftritte im Internet aus ihrer Unterstützung keinen Hehl – es geht ihnen auch um die Stimmen dieser Leute bei der Bundestagswahl, aber auch sonst ist die inhaltliche Nähe gegeben, wenn der Faschist Björn Höcke meint Corona sei nur eine „herbeigetestete Pandemie“.
Das diese Übereinstimmung auch dokumentiert wird, zeigt sich an dem wütenden Beitrag gegen die angekündigte Demonstration des Runden Tisches, in dem Bettina Jürgensen als Kommunistin und ehemalige DKP-Vorsitzende, mit einem weiteren Genossen, als Mitgründer*innen von diesem linksradikalen Bündnis „geoutet“ werden. Die AfD Kiel scheint bereits als faschistische Organisation Kiel einen Alleinvertretungsanspruch zu erheben, denn sie nennt den Runden Tisch das „Anti-AfD-Bündnis“.
Am Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel ist man sich einig im Kampf gegen Rassisten und Faschisten hier und hat sich im Jahr 2000 mit der Kieler Erklärung eine gute inhaltliche Grundlage geschaffen. Dennoch gibt es, wie in guten breiten Bündnissen üblich, zu politischen Fragen auch unterschiedliche Meinungen. Deshalb wird in Reden und Aufrufen der Konsens dargestellt.
So auch in dem Aufruf zur Demonstration am 15.5.2021 mit dem Motto „Für eine solidarische Stadt!“ Nachdem in den letzten Wochen und Monaten fast jedes Wochenende Aktivitäten mit mehreren hundert Teilnehmer*innen stattgefunden hatten, sind immer noch 300 Menschen gekommen.
An diesem Tag hätte jede/r auch andere Aktionen unterstützen können: 150 Jahre Paragraph 218 und der Kampf dagegen war parallel in der Innenstadt Kiels unterwegs. Es gab eine Aktion gegen den Angriff türkischer Milizen auf die kurdische Bevölkerung, sowie einen Drag-Walk der LGBTQ in Kiel.
Außerdem hatte das Bündnis gegen Antisemitismus Kiel, das sich in großen Teilen als antideutsches Bündnis darstellt, mit 50 Leuten und Redner*innen von der FDP und CDU sowie dem Bundestagsabgeordneten Lorenz Gösta Beutin von DIE LINKE eine Kundgebung abgehalten. Vorher hat sich dieses BgA auf ihrer Facebookseite (zu Unrecht) damit gerühmt, dass „die Intervention des BgA erfolgreich war“ da sie meinten, die für nachmittags angemeldete Demonstration des Palästinensischen Vereins in Kiel sei abgesagt worden. Mit „Intervention“ ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass Hasskommentare gegen den Palästinensischen Verein geschrieben wurden und versuchte wurde mit Druck deren Kundgebung zu verhindern.
Ein Erfolg für die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung, dass dieser Versuch misslungen ist! An der kurzfristig doch durchgeführten Kundgebung gegen den Krieg im Nahen Osten und zur Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung nahmen 200 Menschen teil!
Anschließend dokumentieren wir die Rede von Bettina Jürgensen für „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus – Kiel“ auf der Kundgebung/Demonstration am 15.5.2021:
Liebe Teilnehmende!
Da sind wir wieder! Und wir wissen weshalb wir hier sind! Für den heutigen Tag hat die Querdenken-Bewegung wieder zu einem Aktionstag aufgerufen.
In Kiel wollen sie an verschiedenen Orten und Plätzen ihre Meinung zu einer, wie sie es nennen, „Corona-Diktatur“ kundtun. Geworben wird dafür mit einem Plakat, auf dem sich zwei Menschen umarmen und auf dem heißt „Sag ja zur Nähe“.
Ihr habt sie vor wenigen Jahren vielleicht auch mal getroffen – oder sie euch – Menschen die auf Menschen zugegangen sind im Cittipark, im Sophienhof oder in der Holstenstraße und Menschen einfach mal in den Arm genommen haben. „Laat di mol drücken!“
Manchen hat es gefallen, andere, wie ich, waren eher distanziert, irritiert oder konsterniert – Umarmung von Unbekannten ist eher ungewöhnlich, manche gaben vor es für einen „guten Zweck“ zu tun und wollten dafür eine Spende. Anders ausgedrückt: Umarmung als Geschäft! Kapitalismus eben – aber in diesem relativ harmlos.
Dieses ist mit der Corona-Pandemie wie so viele andere Dinge, zumindest vorübergehend, vorbei. Wir wissen, dass mit Abstand und Maske die Verbreitung des für viele tödlichen Virus eingeschränkt werden kann. Deshalb sind wir auch in dieser Frage solidarisch und versuchen unseren Teil beizutragen, dass sich weniger Menschen infizieren, dass deshalb weniger an dem Virus erkranken und vielleicht sogar sterben.
Dies ist ein erster Grund, vor dieser Bewegung und deren Teilnehmer*innen zu warnen:
Passt auf euch auf, wenn ihr heute in Kiel auf Menschen trefft, die euch umarmen wollen! Denen ist es egal, wer in ihre Fänge kommt!
Ein weiterer Grund: Es ist ihnen egal wer mit ihnen läuft! Es sind nicht eben nicht nur die Jana aus Kassel und das Mädchen, das ihren Geburtstag nicht feiern durfte – es sind auch Pegida-Gefolgsleute, Neofaschist*innen aus vielen Gruppen bis hin zur AfD und NPD, es sind Rassist*innen, Antisemit*innen.
Sie vergleichen sich mit denen, die durch die Hand ihrer politischen faschistischen Vorfahren verfolgt, gefoltert und ermordet wurden. Sie vergleichen das Impfen gegen Covid-19 mit den, von Naziärzten in Zuchthäusern, KZ und in auch Krankenhäusern und Heileinrichtungen, durch Spritzen ermordeten Menschen.
Das alles ist „kein Versehen“, die dort Agierenden sind nicht quasi „unwissend“ darüber, mit wem sie die Straßen unsicher machen. Erst kürzlich wurde ein Mordaufruf in dem Forum „Eltern stehen auf – Kiel“ gegen „Soros und alle Rothschilds und Rockefellers“ verbreitet. Das soll ganz deutlich eine Ansage sein, die uns alle meint.
Die AfD Kiel macht klar wofür sie steht und kündigt unsere heutige Aktion an:
„Linksextremisten um „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus“ planen Machtdemonstration in Kieler Innenstadt. … An dem von Kommunisten als „Platz der Roten Matrosen“ bekannten Bahnhofsvorplatz will sich das Anti-AfD-Bündnis erneut zusammen treffen, um dieses Mal gegen Corona-Maßnahmen-Kritiker Stimmung zu machen.“
Stimmt nicht! Wir wollen nicht nur „Stimmung machen“ – wir sagen und fordern: „Kein Spaziergang mit Nazis!“
Obwohl es inzwischen bekannt ist, wer bei den Querdenken-Leuten mitläuft, mitorganisiert und immer mehr versucht dort die Strippen zu ziehen, werden wir oft aufgefordert „auf sie zuzugehen, mit ihnen zu reden, ins Gespräch zu kommen“.
Nein – das tun wir nicht! Nazis sind keine Diskussionspartner und keine Bündnispartner!
Wer mit Nazis und Antisemiten gemeinsam demonstriert stellt sich außerhalb des Diskussionsspektrums!
Konsequent sind wir auch in anderen Zusammenhängen. Die FIR – Internationale Förderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten fordert die „Sofortige Beendigung der Gewaltspirale im Nahen Osten!“ Der erneute – oder bis jetzt nie geendete – Krieg im Nahen Osten treibt auch in diesem Land die Solidarität mit den Menschen in der Kriegsregion auf die Straßen.
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel ist seit seinem Bestehen solidarisch mit allen Menschen, die aus rassistischen, faschistischen Motiven bedroht und verfolgt werden.
Wir sind ebenso solidarisch gegen Antisemitismus und verurteilen alle Angriffe auf Synagogen und jüdische Menschen aufs Schärfste!
Klare Worte gab dazu auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek der „Rheinischen Post“: „Wer Rassismus beklagt, selbst aber solch antisemitischen Hass verbreitet, hat alles verwirkt. Wer angeblich Israelkritik üben will, dann aber Synagogen und Juden angreift, greift uns alle an und wird meinen Widerstand bekommen“.
Und die Organisation „Palästina spricht“ stellt fest: „Allen, die meinen, sie müssen ihren Antisemitismus unter dem Vorwand der Palästinasolidarität verbreiten, sei folgendes ans Herz gelegt: Wir brauchen eure „Solidarität“ nicht. Wenn ihr Juden hasst, habt ihr bei uns nichts verloren. Wir sind für ein freies Palästina, weil wir gegen alle Formen von Unterdrückung und menschenbezogener Feindlichkeit sind.“
Der Runde Tisch wiederholt, was am 9. November an der alten Synagoge von uns gesagt wurde: Niemand darf in Deutschland Angst haben sich als Jude erkennen zu geben! Das gilt!
Ebenso richten wir uns auch gegen jeden antimuslimischen Rassismus, den auch einige unserer Unterstützer*innen erfahren.
Die Berichterstattung über die Entwicklung der Corona-Inzidenzwerte wird von einigen Medien genutzt, um rassistische Vorurteile zu schüren.
Die Bild-Zeitung schrieb aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen des RKI und verbreitete, dass „deutlich über 50 Prozent“ Menschen muslimischen Glaubens auf den Intensivstationen liegen. Die AfD lügt diese Zahlen auf bis zu 90% hoch.
Das Kieler Forum für Migrant*innen hat dies für Kiel und die Stadtteile thematisiert. Belegt wird: Coronafälle treten besonders häufig dort auf, wo Menschen auf engem Raum zusammenleben. Verantwortlich sind die sozialen Verhältnisse und nicht die Migrationsgeschichte. „Das Problem ist die Armut – und die Erreichbarkeit.“
Im Forum für Migrant*innen wurde gefordert: „Das Gesundheitsamt und andere sollten mit richtigen Dolmetscherinnen und Dolmetschern arbeiten. Mobile Impfteams sollten aktiv auf Bewohner von Flüchtlingsheimen und Stadtteilen mit hoher Inzidenz zugehen.“ Ich denke, diese Forderungen unterstützen wir.
Aber wir stellen auch fest, dass es auch in Kiel bittere Wahrheit ist, was Mark Heywood, Menschenrechtler aus Südafrika, in der Diskussion zur Freigabe der Patente und damit dem Zugang zu Impfstoff für die Bevölkerungen aller Länder, sagte:
„Corona ist eine Anklage gegen den gegenwärtigen Zustand der Gesundheit, der Menschenrechte und der Ungleichheit gleichermaßen.“
Doch statt diese sozialen Bedingungen für die Mehrheit der Bevölkerungen in allen Ländern zu verbessern, hat die Bundesregierung gegen die Freigabe der Patente gestimmt. Sie konzentriert sich lieber auf das Verschleiern von rassistischen und faschistischen Morden.
Der von mehr als 120.000 BürgerInnen unterschriebene Antrag auf Offenlegung der geheimen hessischen NSU-Akten wurde vom Petitionsausschuss des hessischen Landtags am Mittwoch, mit der Mehrheit von CDU und Grünen, zurückgewiesen. So sieht Aufklärung dieser rassistischen Gewalt in diesem Land aus.
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel wird im Bericht des Inlandsgeheimdienstes Schleswig-Holstein genannt – weil wir Anmelderin von antifaschistischen Aktionen sind. Gleichzeitig blieb unser Brief an die Stadt und den OB Kiels unbeantwortet, mit dem wir über den Aktionstag der Querdenken, deren Teilnehmer*innen und Aussagen informierten und aufforderten ihn zu unterbinden.
Dies sind nur einige Beispiele. Aber solange diese Verhältnisse so sind, werden wir weiter auf die Straße gehen, Veranstaltungen durchführen und deutlich machen:
Das ist unsere Stadt – hier ist kein Platz für Nazis!
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Palästina-Demo:
73 Jahre Vertreibung – 73 Jahre Widerstand
Weltweit gedenken um den 15. Mai herum die Palästinenser der „Nakba“ (arab. Katastrophe), der Vertreibung und Enteignung im Zuge der Staatsgründung Israels im Jahr 1948.
Initiiert vom „Deutsch-Palästinensischen Frauenverein, Regionalgruppe Hamburg“ fand am 22. Mai 2021 auf dem Platz der Kieler Matrosen eine Protest- und Informationsveranstaltung statt, auf der Lili Sommerfeld, Musikerin und im Vorstand des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ u. a. sagte: „Ich fordere die deutsche Politik auf, die richtigen Lehren aus den Verbrechen der Nazizeit zu ziehen, die hier begangen worden sind, von den Vorfahren einiger der Menschen, die hier heute Politik machen. Die richtige Lehre daraus ist nicht „nie wieder darf so etwas Juden widerfahren“, sondern die richtige Lehre daraus ist: „Nie wieder darf so etwas irgend jemandem widerfahren!. Und dabei sage ich jetzt nicht, dass das, was Israel macht, das gleiche ist, was die Nazis mit den Juden gemacht haben. Ich mache grundsätzlich keine Nazivergleiche. Aber klar ist: Die Lehre aus den Verbrechen der Schoah muss die Charta der Menschenrechte sein.“
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Drei linke Bündnisse riefen auf zur antikapitalistischen
1. Mai-Demonstration in Kiel.
Sie mobilisierten in diesem Jahr zu einer eigenständigen Demonstration zum 1. Mai in Kiel, an der sich mehrere Hundert Menschen beteiligten. Ergänzend zu den Pandemie-bedingt eingeschränkten Aktivitäten der Gewerkschaften hatten das „Kieler Bündnis gegen Corona und Kapitalismus“, das Bündnis „Solidarisch durch die Krise“ sowie das Bündnis „Jugend gegen Krise „unter dem Motto „Wer hat der gibt - wer nicht gibt, wird enteignet! Für ein Ende aller Krisen: Kapitalismus abschaffen!“ zu einer Demo aufgerufen, die vom Platz der Kieler Matrosen ins „Problemviertel“ Düsternbrook führte.
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Offener Brief an den OB und den Rat der Stadt Kiel anlässlich des BVerfG Urteils zum Klimaschutzgesetz
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kämpfer, sehr geehrte Ratsfrauen und Ratsherren,
das Bundesverfassungsgericht hat in einer Verfassungsbeschwerde zum deutschen Klimaschutzgesetz am 24.03.2021 festgestellt*:
Die Reduktion der Treibhausgasemissionen und das Erreichen von Klimaneutralität ist eine Frage der Erhaltung unserer grundgesetzlich garantierten Freiheits- und der Menschenrechte. Hierbei müssen die zukünftigen Möglichkeiten der jungen Generationen berücksichtigt werden. Es geht um Generationengerechtigkeit.
Die Gesamtmenge an Treibhausgasen („Restbudget“), um die Erderwärmung möglichst auf 1,5°C zu begrenzen, ist limitiert.
Im IPCC Special Report 1,5°C ist das Restbudget mit 480 Gt ab 2018 angegeben. Für Deutschland ergibt sich mit 83,2 Mio. Einwohnern anteilig 4,6 Gt CO2 oder 55 t CO2 pro Person. Bei unverminderten Emissionen von derzeit ca. 11 t pro Person und Jahr wäre dieses Restbudget innerhalb von nur etwa 5 Jahren aufgebraucht! Die Zeit zum Handeln ist äußerst knapp!**.
In den nächsten Jahren sind also sehr weitgehende CO2-Reduktionen erforderlich, und ein ambitionierter Wandel muss schnellstens eingeleitet werden. Andernfalls müssen die Treibhausgasemissionen später, ab dem Jahr 2030, umso stärker reduziert werden. Das ist gemäß obigem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht akzeptabel, das ist in den Randnummern 160ff eindeutig erläutert.
Ganz klar ist somit, wenn die Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen so bleiben wie sie im Klimaschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt sind, hätten zukünftige Generationen keinen Raum mehr zum „Atmen“ – durch das Urteil ist die Freiheit definiert. Die Freiheit der künftigen Generationen zählt genau so viel wie die der jetzigen Generationen.
Es braucht ordentliche Leitlinien zur Auslegung des Paragraphen 13 KSG (Klimaschutzgesetz) mit einer ordentlichen Methodik - das ist zwingend erforderlich.
Wir, die unterzeichnenden Umweltverbände und Initiativen, begrüssen, dass gemäß Ratsbeschluss vom 21.01.2021 Wege gefunden werden sollen, bis 2035 klimaneutral zu werden. In diesem Beschluss wird richtigerweise anerkannt: „Die Geschwindigkeit der negativen Veränderungen auf allen Ebenen ist alarmierend.“
Wir fordern daher von der Stadt Kiel:
• Klimaneutralität bis 2030 und spätestens bis 2035 als wesentliches strategisches Ziel festlegen und den Masterplan 100 % Klimaschutz dementsprechend verschärfen und ergänzen.
• Einen schlüssigen Reduktionspfad bzw. Budget-basierte Jahresemissionsmengen erarbeiten.
• Das Restbudget für die Stadt Kiel angeben, festlegen und generationengerecht anwenden.
• Alle Klimaziele rechtlich verbindlich festlegen.
• Die Klimaziele und die Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen und Projekte als zentrale, strategische Bedeutung für die Stadt Kiel ansehen. Ab sofort den Klimaschutz bei jeglichen Entscheidungen als wichtigstes Kriterium werten. Lösungen umsetzen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken.
• Sofern die Stadt Kiel sich aufgrund von bestehenden rechtlichen Regelungen des Landes oder des Bundes daran gehindert sieht, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die sinnvoll oder erforderlich sind, diese im Klimaschutzplan zu benennen und eine Umsetzung zu planen, sobald dies rechtlich möglich ist.
• In diesen Fällen sich die Stadt in Land und Bund für angemessene Regelungen einsetzt, z.B. über den deutschen Städtetag.
• Die Compliance (Übereinstimmung) mit den Klimazielen regelmäßig halbjährlich überprüfen, die Ergebnisse veröffentlichen und gegebenenfalls die Maßnahmen anpassen. „Das laufende Pilotprojekt mit „Climate View“ führt in diese Richtung und wird von uns sehr begrüsst.“
• Eine umfassende Reform der Stadtverwaltung durchführen, um von starren Strukturen zu einer agilen, zielorientierten Zusammenarbeit zu gelangen. „Nur so können die komplexen Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen und noch mehr in Zukunft stehen werden, gemeistert werden.“ In diesem Prozess die Kommunalpolitiker*innen, die Spitzen der Verwaltung und die Mitarbeiter*innen der Stadt einbinden, um den Wandel gemeinsam zu gestalten.
Für Gespräche stehen wir sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen die unterzeichnenden Initiativen (Stand: 20.05.2021)
Anlagen
Anlagen zum offenen Brief an den Oberbürgermeister und den Rat der Stadt anlässlich des BVerfG Urteils zum Klimaschutzgesetz
Unsere allgemeinen Forderungen aus der Resolution Klimanotstand Kiel und den zugehörigen Maßnahmen – liegen Ihnen bereits seit 2 Jahren vor und sind nach wie vor aktuell:
Siehe auch:
https://klimanotstand-kiel.de/resolution/
https://klimanotstand-kiel.de/massnahmen/
Sowie weitere erforderliche Maßnahmen:
• Das Thema Klimaschutz muss in Kiel sichtbarer werden. Es braucht klare öffentliche Signale als Klimaschutzstadt.
• Klimaschutzprogramm mit sozialer Sicherheit, Infrastruktur und Daseinsvorsorge verbinden.
• Eine verlässliche Planung des Ausstiegs aus allen fossilen Energieträgern muss generationengerecht erstellt werden.
• Eine Schädigung des Grüngürtels für Bauprojekte muss ab sofort unterbleiben.
• Verkehrsbauprojekte und deren Planungen werden vorerst ausgesetzt, bis die durch sie zu erwartenden Änderungen der Verkehrsströme mit der vom Bund zu beschließenden Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen konform sind.
• Methanemissionen aufgrund von Methanschlupf müssen im CO2 Restbudget für Kiel berücksichtigt werden.
• Ebenso müssen die „grauen“ Emissionen aus Baumaterialien berücksichtigt werden – insbesondere bei Großprojekten.
• Kein Tropenholz für öffentliche Bau-Vorhaben verwenden.
• Keine Biomasse als Brennmaterialien.
• Keine torfbasierten Erden oder andere Produkte für öffentliche Belange einsetzen. Dass Kiel sich Gesprächen mit Gärtnereien und Baumärkten widmet nach dem Motto „Kiel wird torffrei!“
*Beschluss des BVerfGvom 24. März 2021, Quelle:
(https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html)
**IPCC Special Report 1,5°C: https://www.ipcc.ch/sr15/ sowie Friedlingstein et al., 2019; UBA, 2019
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Energiewende (Teil 3):
Wärmeversorgung im Gebäudebestand
Wenn CO²-Freiheit bei der Energieversorgung bedeutet, dass in Zukunft auch die Wohnungen und Häuser ohne fossile Energieträger beheizt werden, dann gilt es neben Kohle und Heizöl auch vom Erdgas Abschied zu nehmen.
Für die Gebäudeenergieversorgung bleiben
6 Energieträger:
• Biomasse (Holzheizungen, Biogas)
• Strom (vor allem aus Windkraft und Photovoltaik)
• Wasserstoff (wird aus Strom gewonnen)
• Solarthermie (direkte Umwandlung von Sonne in Wärme)
• Tiefen-Geothermie
• Fernwärme (ist eigentlich kein Energieträger, sondern ein Verteiler von Energie)
Biomasse Holz wird in Großfeuerungsanlagen vor allem für Fernwärmenetze verfeuert, wobei dann in der Regel Holzhackschnitzel zum Einsatz kommen.
Pelletkessel werden wesentlich in Wohngebäuden eingesetzt. Pellets lassen sich gut dosieren und sind (obwohl teurer als Hackschnitzel) in kleineren Kesselanlagen gut zu verfeuern.
Wirkungsgrade von bis zu 95% sind bei Einsatz als Brennwertkessel möglich.
Pelletkessel können direkt die Öl- oder Gasheizung ersetzen, benötigen allerdings viel Platz für das Pelletlager im Haus. Auch sind sie wartungsintensiv u.a. wegen des Ascheaustrags.
Holz sollte nicht importiert werden, da schließlich auch alle anderen Staaten zukünftig CO2-frei werden wollen und dann auch dafür ihre Wälder benötigen.
Wie schon beschrieben, ist Holz ein nachwachsender Rohstoff, der CO² bindet und bei Berücksichtigung des Klimawandels (z.B. Borkenkäferbefall der Fichten) kann es zu einer Verknappung und damit erheblichen Preisanstiegs kommen. Die Sägespäne könnten auch für die Herstellung von Dämmmaterial und Pressplatten verwendet werden. Im Holzbau würden sie dann über lange Zeit genutzt und dann langfristig CO² binden. Somit sind auf diese Art genutzte Holzspäne nachhaltiger, als sie mit Pellets sofort zu verfeuern.
Biogas-Anlagen erzeugen Methan mit Hilfe von Mais, Gülle, Mist. Dabei ist die Erzeugung mit vorrangig Maissilage am effektivsten. Das erzeugte Gas kann mit Hilfe von Gas-Motoren, und daran angeschlossenen Generatoren zu Strom und Wärme gewandelt oder direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden, falls eines in der Nähe liegt. Um eine Biogas-Anlage auszulasten, wird in der Regel Mais angebaut. Die Anbaufläche ist für die Nahrungsproduktion verloren.
Vergleicht man nun den Flächenverbrauch für den Maisanbau mit dem Flächenverbrauch für die Fotovoltaik oder die Windkraft, dann ergeben sich ganz erstaunliche Ergebnisse:
Nutzbare Energie pro Hektar und Jahr
Silomais: 55.000 kWh
Fotovoltaik (PV): 500.000 kWh
Windkraft (WK): 1.000.000 kWh
Die oben abgebildeten Zahlen sind je nach Anlage veränderbar, aber die Tendenz ist eindeutig. Die Biogasanlage ist gegenüber Windkraft und Fotovoltaik nicht konkurrenzfähig!
Hinzu kommt, dass für den Mais Pestizide und Dünger eingesetzt werden müssen und der Boden auf die Dauer ausgelaugt wird.
Ganz anders sieht es bei PV und WK aus. Wird die PV-Anlage aufgeständert, dann wird der Boden darunter vor der Entfeuchtung bei zunehmender Dürre geschützt, er kann regenerieren und falls es Grünland wird, können sogar Schafe und Rinder darauf weiden. Aber auch kleinteiliger Ackerbau wäre möglich (z. B. Gemüseanbau). Würden auf der gleichen Fläche WKA stehen, wäre die Bodenbearbeitung noch weniger eingeschränkt. Wertvolles Ackerland zur Nahrungsmittelproduktion wäre auch hier zurückgewonnen.
Bei doppelter Bodennutzung ergibt sich also ein mindestens 10-facher Energieertrag.
Mein Fazit hier: Keine Förderung neuer Biogas-Anlagen, Ersetzen von Biogas-Anlagen durch PVA und WKA.
Strom lässt sich äußerst vielfältig z. B. für Licht, Betankung von E-Fahrzeugen, industrielle Prozesse, aber auch für die Beheizung von Wohngebäuden sinnvoll einsetzen.
Für die Wärmeerzeugung bedarf es der Wärmepumpe. Hier wird der Strom in erster Linie dafür verwendet, Energie aus der Umwelt auf ein höheres Temperaturniveau zu befördern und dann zur Gebäudeheizung, aber auch zur Warmwasserbereitung zu verwenden.
Mit einem Teil Strom lassen sich heute etwa 3 bis 5 Teile nutzbare Wärme gewinnen. Das macht die Wärmepumpe zu dem effizientesten „Heizkessel“ überhaupt. Während alle anderen Heizkessel die Energie im besten Fall nur 1/1 umsetzen, haben wir hier durch Einbeziehen der Umweltwärme eine wesentlich größere Ausnutzung des Energieträgers. Für die Nutzung der Umweltwärme lässt sich die Umgebungsluft, Erdwärme, Grundwasser, aber auch Fluss oder Seewasser anzapfen.
Das Funktionsprinzip:
Jeder, der schon mal einen Fahrradreifen aufgepumpt hat und die Funktion der Luftpumpe überprüfen wollte, hat den Ventilansatz mit dem Daumen verschlossen und ordentlich Druck aufgebaut. Dann passierte es, dass der Daumen den Druck nicht mehr halten konnte und etwas Luft seitlich entwich. Diese Luft war dann deutlich wärmer, als die Umgebungsluft.
Das bedeutet, ein Gas in einem verschlossenen Behältnis, das komprimiert wird, erhöht seine Temperatur. Dieses Verhalten des Gases nutzt man auch für die Wärmepumpe, den Kühlschrank, allgemein die Kompressionskältemaschine.
Ein Gas wird mit Hilfe eines Kompressors verdichtet (komprimiert) und anschließend durch ein Rohrsystem geschickt, wobei es die erhöhte Temperatur an die Umgebung abgibt. Unter diesem erhöhten Druck und der abgegebenen Temperatur (korrekter heißt es dann „abgegebene Energie“) verflüssigt das Gas. Die Flüssigkeit gelangt durch eine Düse, kann bei dann niedrigerem Druck entspannen, verdampft und kühlt dabei weiter ab. Dann wird dieses Gas (Dampf) bei niedrigem Temperaturniveau durch ein Rohr geleitet, was mit einem Medium Kontakt hat, das eine höhere Temperatur aufweist, als die zuvor verdampfte Flüssigkeit. Dabei nimmt es Energie auf und wird weiter zurück zum Kompressor geleitet, womit dieser „Kreisprozess“ von neuem beginnt:
Bild: Kreisprozess der Wärmepumpe
Schaubild des Wärmeflusses (große Pfeile) und des Kältemittels (kleine Pfeile) einer Kompressionswärmepumpe (vgl. Kompressionskältemaschine): 1) Kondensator, 2) Drossel, 3) Verdampfer, 4) Kompressor Dunkelrot: Gasförmig, hoher Druck, sehr warm Rosa: Flüssig, hoher Druck, warm Blau: Flüssig, niedriger Druck, sehr kalt Hellblau: Gasförmig, niedriger Druck, kalt
(Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3216789)
Damit eine Wärmepumpe ihr Arbeit auch wirklich effizient verrichtet, sollte die Energiequelle (Luft, Wasser, Erdreich) eine möglichst hohe Temperatur (z.B. 0°C) und andererseits die Energiesenke (Heizkörper, Fußbodenheizung …) eine möglichst niedrige Temperatur (z. B. 40°C) aufweisen.
Zwar kann z. B. eine Luft-Wasser-Wärmepumpe heute schon Eingangstemperaturen von -15°C auf ein Heiztemperaturniveau von 70°C bringen, allerdings leidet die Effizienz dann extrem und es wäre wohl schon sinnvoller, hier mit einem Heizstab das Wasser direkt elektrisch zu erwärmen. Hat man aber ein gut gedämmtes Haus mit einer großzügig dimensionierten Heizungsanlage, dann passt die Wärmepumpe perfekt.
Mit Wasserstoff lässt sich CO²-frei ganz einfach aus Strom von Windkraft- oder Fotovoltaik-Anlagen und Wasser herstellen und dann z. B. in Gasthermen verfeuern. Zur Herstellung von Wasserstoff (H²) wird die Elektrolyse eingesetzt. Die Erzeugung von Wasserstoff aus Strom erzeugt Abwärme (ca.30%). Die Abwärme aus Großanlagen ließe sich in Fernwärmeanlagen einspeisen und ggf. zur Hausheizung nutzen. 70% des Stroms wird in Wasserstoff (H²) umgewandelt.
Ein energetisch saniertes Haus ließe sich z. B. mit Wasserstoff und einer Gastherme beheizen.
Wie steht es dann um die Effizienz und damit den Kosten?
Mit Wasserstoff, aus Strom gewonnen und in einer Brennwerttherme eingesetzt hätte einen Gesamtwirkungsgrad von 0,7 (Elektrolyse) X 0,95 (Brennwerttherme) * 100% = 66,5%.
Die Strom getriebene Wärmepumpe wäre mit einem „Wirkungsgrad“ von 1 * 4 * 100 = 400% dabei. (Zur Erinnerung: Die Wärmepumpe hat keine Wirkungsgrad von 400%, sondern nimmt z. B. einen Teil Strom, um damit zusätzliche
3 Teile Energie aus der Umwelt zu holen.) Wir haben es also mit einem Verhältnis von 4 / 0,6665 = 6 / 1 zu Gunsten der Wärmepumpe zu tun. Mit andren Worten – die heute noch dominierende Gas-Brennwerttherme gehört schon morgen der Vergangenheit an. Dänemark hat die Konsequenz gezogen und verbietet schon heute den Einbau neuer Öl- und Gas-Wärmeerzeuger.
Wie zuvor beschrieben wird Wasserstoff trotzdem erzeugt werden. Dann aber nicht zur Hausheizung, sondern für die Industrie, die Stahlgewinnung und den Verkehrssektor (insbesondere zur Herstellung von Flug- und Schiffskraftsoffen. Außerdem kann es in Erdkavernen eingelagert werden, um dann bei Dunkelflauten für die Stromgewinnung zur Verfügung zu stehen.
Solarthermie, die Wärmeenergie aus der Sonne, kann direkt zur Brauchwassererwärmung und bei entsprechender Größe auch zur Heizungsunterstützung genutzt werden. Der Umwandlungswirkungsgrad von der Sonnenstrahlung zu Wärmeenergie schwankt jahreszeitlich bedingt, kann aber mit etwa 50% angenommen werden. Die Fotovoltaik schafft zzt. eine Umwandlung in Strom nur mit knapp 20% Wirkungsgrad mit langsam steigender Tendenz.
Setzt man aber den Strom der Fotovoltaikanlage zum Antrieb einer Wärmepumpe ein, dann verschiebt sich das Verhältnis zu Gunsten der Fotovoltaik.
Die Solarthermie sehe ich eher bei anderen Anwendungen. Es gibt schon einige Jahre Großanlagen, die Wärme für das ganze Jahr produzieren, indem sie einen großen Warmwasserspeicher dazu gestellt bekommen, der im Sommer mit Wärmeenergie befüllt wird und so die Energieversorgung in den Winter retten kann. Eingesetzt werden solche Anlagen in Nah- und Fernwärmenetzen. Eine solche Anlage findet sich beispielsweise auf der Insel Aerö in dem Ort Marstal. Sie wird durch einen Hackschnitzel-Kessel und eine Wärmepumpe unterstützt.
Auch zur Einspeisung ins Fernwärmenetz der Stadt Kiel wären Solarthermieanlagen dieser Art denkbar.
Fernwärme ist eigentlich kein Energiewandler, sondern ein Energieverteiler. Es wird dabei an verschiedenen Stellen des Wärmenetzes z. B. in Gasmotoren-Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen, Solarthermieanlagen oder von Wärmepumpen die benötigte Wärmeenergie erzeugt und dann in das Wärmenetz, die Fernwärmerohre, eingespeist und bei den zu beheizenden Häusern entnommen. Fern- Nahwärmenetze spielen ihren Vorteil vor allem in urbanen Räumen aus. Dort stehen die Häuser oft eng beieinander und der Boden drum herum ist meistens versiegelt. Insbesondere wenn das Netz mit hohen Temperaturen gespeist wird, benötigt man in den Häusern nur kleine sogenannte Übergabestationen und kann die Wärme direkt nutzen. Das hat aber auch den Nachteil, dass das angeschlossene Wärmenetz sehr aufwendig gegen Wärmeverluste gedämmt werden muss. Trotzdem – man rechnet mit Wärmeverlusten von etwa 10% in Wärmenetzen, die bei Temperaturen über 90° betrieben werden. In Kiel haben wir ein sogenanntes Heißwassernetz, das mit max. 115°C betrieben wird. Anteile davon werden aber „nur“ mit einer Vorlauftemperatur von max. 90°C gefahren. Das ist nicht mehr Stand der Technik.
Neu errichtete Wärmenetze werden häufig auf Vorlauftemperaturen von 20°C bis 40°C ausgelegt. Man spricht hier von „Kalter Fernwärme“. Da sind gut gedämmte Häuser vorteilhaft, die auch jeweils eine Wärmepumpe integrieren müssen, um die Netztemperatur auf die benötigte Temperatur für Heizung und Warmwasser anzuheben. Energie wird dann also nicht mehr zentral, sondern dezentral am Ort der Verwendung auf das benötigte Temperaturniveau gebracht.
Vorteilhaft sind nicht nur die geringen Verluste im kalten Wärmenetz, sondern auch die Möglichkeit, die Abwärme von Industriebetrieben, Bäckereien, Rechenzentren und anderen Betrieben mit Wärmeüberschuss ins Netz einzuspeisen und in Wohnhäusern zu nutzen. Auch Solarthermie-Anlagen (STA) könnten besonders vorteilhaft genutzt werden, während sie in Hochtemperatur-Netzen nicht zum Zuge kämen, weil sie schlicht bei z. B. 90°C nicht mehr effektiv wären. Es ist sogar vorstellbar, mit noch niedrigeren Temperaturen in die dann nicht mehr gedämmten Wärmenetze zu gehen. Dieses alles in Kiel umzusetzen, könnte eine wichtige Aufgabe zukünftiger Planungen sein, zumal im Zuge der Energiewende viele Häuser energetisch saniert werden müssen.
Tiefen-Geothermie:
An der Erdoberfläche überwiegt die Strahlung der Sonne. Im Erdinneren hat die Erde einen heißen Kern. Bohrt man nun in die Erde, dann steigt die Temperatur der Umgebung mit etwa 30°C pro 1000 m Tiefe. Eine solche Bohrung würde in Kiel eine Salzlösung aus einer Tiefe von ca. 2000-2500 m mit etwa 60-80°C zutage fördern. Dieser Temperaturbereich ist ausreichend für Teile des Kieler Fernwärmenetzes.
Man benötigt dafür eine Bohrung, welche die Sole zutage fördert und eine Bohrung, welche die abgekühlte Sohle wieder in das Erdreich in gleicher Tiefe einbringt.
Der Abstand dieser Bohrungen beträgt etwa 1 km und das Erdreich dazwischen muss ausreichend porös sein, damit die Sole wieder zum Saugbrunnen gelangt und sich dabei erwärmen kann.
Die Kosten so eines Brunnenpaares betragen mehr als 10 Mio. €. (Zum Vergleich: Das Küstenkraftwerk hat etwa 290 Mio. € gekostet.) Damit eine Tiefen-Brunnenanlage wirtschaftlich betrieben werden kann, muss sie fast das ganze Jahr durchlaufen. Es wird aber mehr Energie im Winter, als im Sommer benötigt. Deshalb muss so eine Tiefenbohrung auf die Grundlast ausgelegt werden. Die Spitzenlast kommt dann von anderen Energiequellen.
Da es in Kiel und Umgebung bisher keine Tiefenbohrung dieser Größenordnung gibt, ist auch das Risiko einer fehlgeleiteten Bohrung nicht zu unterschätzen. Die Kosten sind damit u. U. noch wesentlich höher.
Fazit: Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, eine Stadt mit Energie für die Gebäude zu versorgen. Um z. B. Kiel in den nächsten 10-15 Jahren auch in dieser Hinsicht CO2-frei zu gestalten, bedarf es eines Entwicklungsplans, der die Zielvorgaben fest im Auge behält und nachsteuert, wenn angepasst werden muss.
Damit das gelingt, ist es erforderlich, dass die Stadtwerke Kiel unter der Kontrolle der Stadt Kiel sind. Gelingt es der Stadt nicht, die Stadtwerke zu kontrollieren, dann wird es wahrscheinlich so sein, dass das Privatinteresse der Stadtwerke den Klimazielen der Stadt Kiel entgegensteht.
Rainer Jansen
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
80. Jahrestag des Beginns des Angriffskriegs gegen die Sowjetunion:
ERINNERUNG – MAHNUNG – WACHSAMKEIT
GEDENKVERANSSTALTUNG: Dienstag, 22. Juni 2021, 14 Uhr
Parkfriedhof Eichhof, „Bombenopferfeld“
(Felder 50 – 61, Nähe Friedhofseingang Kopperpahler Allee)
Vor 80 Jahren begann mit dem Angriff auf die Sowjetunion der Krieg im Osten. Dieser Krieg gegen den Bolschewismus war als Eroberungskrieg schon lange geplant, um „Lebensraum im Osten“ für die Deutschen zu erobern. Dieser ideologisch-rassistische Krieg, Hauptziel Hitlers schon seit den Zwanzigerjahren, war von Anfang an als Vernichtungskrieg geplant. Ungeheuerlichen Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung durch SS, SD und Wehrmacht hinter der Front, dem sog. „Kommissarbefehl, der Ermordung der „jüdisch-bolschewistischen Intelligenz“ sowie dem „Hungerplan“, der bewussten Inkaufnahme des Hungertods der Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten, im eingeschlossenen Petersburg und dem Hungertod von 3 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener kosteten mindestens 21 Millionen Sowjetbürgern das Leben.
Das Entsetzen über die im Holocaust „fabrikmäßig“ ermordeten 6 Millionen Juden, Sinti und Roma sowie politisch Andersdenkenden in den Konzentrationslagern wird im deutschen Bewusstsein anlässlich zahlreicher Gedenkveranstaltungen zu Recht präsent gehalten.Das Wissen um die Schuld gegenüber den Juden ist Teil der deutschen Identität und sorgt mit der Mahnung des „Nie wieder!“ für eine hohe Sensibilität gegenüber Antisemitismus und, besonders in der jüngeren Generation, auch für ein breites Engagement gegen Rassismus.
Aber wie ist es mit der Aufarbeitung der Schuld gegenüber den Völkern der ehemaligen Sowjetunion? Durch die Betonung der Traumatisierungen durch auch von der Roten Armee bei ihrem Vorrücken verübten Grausamkeiten werden die deutschen Kriegsverbrechen, wie sie z.B. in der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht dokumentiert sind, verleugnet.
Und anders, als die geglückte Aussöhnung mit dem ehemaligen „Erzfeind“ Frankreich durch Jugendaustausch und Städtepartnerschaften wurde die kommunistische Sowjetunion nach 1945 rasch vom kapitalistischen Westen und mit ihm von der jungen Bundesrepublik zum neuen alten Feind, der 1990 dann wirtschaftlich doch noch besiegt wurde.
Der Kniefall Willy Brandts am Denkmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto war ein ganz wichtiges Symbol für die Anerkennung von Schuld, Bitte um Vergebung und Übernahme von Verantwortung, das Versöhnung möglich macht.
Solch eine Geste gegenüber der Sowjetunion fehlt bis heute weitgehend.
Heute wird zunehmend mit dem Feindbild Russland in der Politik und in den Medien ein immer gefährlich werdender Konflikt geschürt. Mit großen NATO-Manövern bis an die Grenzen Russlands und russischen Großmanövern auf der anderen Seite droht eine militärische Eskalation, die potentiell sogar zum Atomkrieg führen könnte. Und Deutschland und Mitteleuropa werden dann als atomares Schlachtfeld nur noch als Trümmerwüste zurück bleiben.
Warum haben wir so wenig aus den Folgen ideologischer Verführung durch Feindbilder gelernt? Warum haben wir die guten Erfahrungen durch Aussöhnung nicht genutzt?
Die Internationale Vereinigung der Ärzte und Ärztinnen gegen den Atomkrieg IPPNW wurde 1980 durch 3 US-amerikanische Ärzte und 3 sowjetische Ärzte gegründet, um aus gemeinsamer Sorge um das Überleben der Menschheit der damals immer gefährlicher werdenden Blockkonfrontation das gemeinsame Besorgtsein durch Aufklärung darüber, dass es nach einem Atomkrieg keine Sieger mehr geben würde, und dem Kalten Krieg versöhnende Beziehungen entgegen zu setzen. Dafür erhielt die weltweite Bewegung IPPNW 1985 den Friedensnobelpreis.
Dass die Bundesregierung auf die kürzliche Anfrage der Linksfraktion, ob von ihr Gedenkveranstaltungen zu diesem heutigen 80. Jahrestag geplant seien, kalt antwortete „nein!“, empfinde ich als eine ungeheuerlich arrogante und die Opfer missachtende Haltung!
Umso dankbarer bin ich, dass der Verein Mahnmal Kilian, die deutsch-russische Gesellschaft, Herr Stadtpräsident Tovar als Vertreter der Stadt Kiel und viele Friedensorganisationen diese Veranstaltung in Kiel ermöglicht haben.
Die Nicht-Beachtung dieses historischen Jahrestags wäre eine nochmalige Beschädigung der Opfer.
Mechthild Klingenburg-Vogel
Gedenkveranstaltung zum Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion vor 80 Jahren
Dienstag, 22. Juni 2021, 14 Uhr
Parkfriedhof Eichhof, „Bombenopferfeld“
(Felder 50 – 61, Nähe Friedhofseingang Kopperpahler Allee)
Ansprachen:
Andrei Sharashkin, Generalkonsul der Russischen Föderation in Hamburg
Hans-Werner Tovar, Stadtpräsident der Landeshauptstadt Kiel
Musikalische Umrahmung und Verlesung der Namen von 172 Bürger*innen der Sowjetunion, die als Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangene in Kiel während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ums Leben kamen. Weitere Opfer aus der Sowjetunion ruhen auf dem Nordfriedhof.
Veranstalter:
Deutsch-Russische Gesellschaft Kiel, Verein Mahnmal Kilian, Koordinierungsrat der russischsprachigen Menschen in Schleswig-Holstein
Kooperationspartner:
Attac, Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung
Kieler Friedensforum, Runder Tisch gegen Faschismus und Rassismus Kiel, Kieler Zarenverein
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Defender und Baltops:
Säbelrasseln statt Lockdown fürs Militär
Kiel als Marinestützpunkt wird Umschlagplatz für massive Truppenbewegungen im Rahmen von Defender 2021 und Baltops 2021 (s. u.). Die zunehmenden Spannungen zwischen USA/NATO und Russland sind für uns Anlass von großer Sorge. Sollte es zu einem militärischen Konflikt kommen, so ist eine nukleare Eskalation möglich! Deutschland und Mitteleuropa wären dann das auch atomar bombardierte Schlachtfeld!
Mehrere Kieler Friedensgruppen und das Kieler Friedensforum planen deshalb eine Kundgebung und Mahnwache gegen diese Manöver, voraussichtlich am Freitag, 28. Juni ab 16.00 Uhr, in der Nähe von Flandernbunker und Tirpitzhafen.
Während wegen Corona das öffentliche und private Leben weitgehend eingeschränkt ist, werden in diesem Frühjahr zehntausende von Soldaten zu militärischen Übungen und Manövern transportiert. Beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit ist die US-Übung Defender 2021 bereits im vollem Gang. Bei dieser regelmäßig stattfindenden Logistikübung der USA wird mit Unterstützung von anderen NATO-Ländern - auch Deutschland - die Verlegung von Personal und militärischem Großgerät aus den USA nach Europa und wechselweise in den Pazifik geübt. Rund 30.000 Soldat*innen werden schwerpunktmäßig nach Süd-Europa und in die Schwarzmeerregion verlegt.
Ziel der bis Juni 2021 dauernden Großübung mit 30.000 Soldat*innen aus den USA und anderen NATO-Staaten ist es, verschiedene Truppen über eine große Distanz nach Osten in die Schwarzmeerregion in unmittelbare Nähe zur Ukraine zu verlegen. Die Wahl der Region legt nahe, dass die „Sicherheit“ der Ukraine demonstrativ zum NATO-Ziel erhoben wurde und Russland provoziert werden soll. Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass das NATO-Ziel, neben der Ukraine auch Georgien in die NATO zu integrieren. Auch an der nördlichen europäischen Flanke finden im Baltikum in der Nähe zur russischen Grenze Defender-Übungen statt. Militärs legen bei der Übung großen Wert auf die Einbindung ziviler Strukturen, wie Häfen, Schiene und Autobahn. Auch die Bevölkerung soll eingebunden werden und so Akzeptanz für militärische Bewegungen zu erhöhen. Deutschland fungiert aufgrund seiner geo-strategischen Lage im Herzen Europas als logistische Drehscheibe.
Protestaktion anläßlich Baltops 2020 am Kieler Militärhafen. Foto: G. Orth
Baltops 2021: Ostsee als Aufmarschgebiet?
Trotz Corona Pandemie werden auch in diesem Jahr wieder Kriegsschiffe aus Nato-Staaten das Ostsee-Manöver Baltops 2021 durchführen und am 18. Juni im Tirpitzhafen in Kiel 18. beenden. Es ist das 50. Baltopsmanöver und soll Stärke und Konfrontationsbereitschaft gegenüber Russland demonstrieren Ein Signal für Verständigung und Entspannungsbereitschaft sieht anders aus. Mit Gorbatschows Idee des „Gemeinsamen Hauses Europa“ haben die Ostsee-Manöver wenig gemein. Dass sich mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion Russland und die NATO wieder bis an die Zähne bewaffnet an der russischen Grenze als „Erzfeinde“ gegenüberstehen, ist beunruhigend. Diese brandgefährliche Entwicklung kann ernsthaft niemand Russland alleine anlasten. Auch Russland hat Sicherheitsinteressen, die respektiert werden müssen.
Beide Militärübungen dienen einem Zweck: Eine Infrastruktur zu schaffen, um auf einen Kampf gegen Russland vorbereitet zu sein – so knapp lässt sich das Ziel der Ausweitung der militärischen Mobilität zusammenfassen. Russland muss beide Übungen als provozierend empfinden, fallen sie doch in einen Zeitraum, an dem an den Überfall Deutschlands vor 80 Jahren am 22.Juni 1941 erinnert wird.
Ein Bündnis aus Kieler Friedensgruppen und anderen Organisationen ruft zur Kundgebung und Mahnwache am Kieler Militärhafen auf, am Freitag, 18. Juni 2021, 16 Uhr Kundgebung auf dem Vorplatz des Flandernbunker, anschließend Mahn-/Menschenkette an der Kiellinie Höhe Tirpitzmole.
Benno Stahn, Kieler Friedensforum
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Chefduzen.de:
Den Aufstand im Alltag proben!
Vor gut 20 Jahren ist die Idee für das Forum der Ausgebeuteten entstanden als Versuch, jenseits des linken Kampagnenhoppings, einen zeitgemäßen klassenkämpferischen Ansatz zu entwickeln. Es war eine simple Idee, es sollte in Form eines Stammtischs ein fester Anlaufpunkt eingerichtet werden, um sich zu sozialen Fragen, also allem, was mit Arbeit und Arbeitslosigkeit zu tun hat, auszutauschen. Es war die Zeit, als das Internet zu einem schwer angesagten Ding wurde, das die Kreise der Computerfreaks hinter sich ließ und zu einem populären Medium wurde.
Die Idee des Stammtischs sollte also auch auf die Möglichkeiten des Internets ausgeweitet werden. Doch ohne Ahnung von Computern und Software, dauerte es mit der Umsetzung bis 2002, bis chefduzen.de endlich im World Wide Web auftauchte.Das Forum dümpelte eine Weile vor sich hin, bis eine spektakuläre juristische Auseinandersetzung mit einem Leiharbeitsunternehmen das Forum zum Thema in bürgerlichen Medien machte und für eine unerwartete Popularität der Plattform sorgte. Der Stammtisch hingegen folgte nicht diesem Boom und wir mußten Leute mit Nachdruck einzeln einladen und es dauerte Jahre, bis der Stammtisch funzte. Heute ist er eine Institution und es gibt Anfragen, ob wir uns Aufrufen zu Protestaktionen oder Demos anschließen könnten. Dabei sind chefduzen und der Kieler Stammtisch kaum als Organisation zu bezeichnen, eher als Idee und Versuch, Klassenkampf im Alltag umzusetzen und zu leben.
Sommer letzten Jahres in Gaarden: „Arbeitsmigranten sind keine Menschen 2. Klasse. Gleicher Lohn und gleiche Rechte.“
Leiharbeit ist bei uns ein Dauerthema. Die Herausgabe der Zeitung „Leihkeule“ hat bundesweit Einfluß auf die Diskussion unter Leiharbeitern. Wir verteilten einige Ausgaben vor dem Werfttor, machten aber auch Straßenaktion an verschieden Orten. Zu Feierlichkeiten zum 20 jährigen Bestehen des Sklavenhändlerverbands iGZ tauchten wir mit Transparenten in Münster auf und wurden vom Sprecher des Verbands mit der Frage begrüßt, ob wir denn von Zoom oder chefduzen seien. Zoom ist das Leiharbeiterforum, das seit 2003 unter dem Dach der IG Metall aktiv war, bis die Gewerkschaft beschloß, das Forum im März dieses Jahres abzuschalten. Enttäuscht von ihrer Gewerkschaft zogen die Leiharbeiter ins Chefduzenforum, um dort ihre Arbeit fortzusetzen. Eine Reihe unserer Protestaktionen in Solidarität mit Leiharbeiterkollegen des chinesischen VW Werks in Changchun, die es nach den Protestaktionen mit staatliche Repression zu tun bekamen, schlugen hohe Wellen. Sie wurden von den Arbeitern in China wahrgenommen, verbreiteten sich in ihren Sozialen Medien und führten zur Wiederaufnahme des Protests. Die Deutschen Medien nahmen das auf und setzten das VW Management und den Konzernbetriebsrat mit ihren Fragen unter Druck. Die Konzernleitung entschied sich zu einer Befriedung der Situtation durch die Festanstellung von 900 entlassenen Leiharbeitern in die Stammbelegschaft des Werks Changchun zu dem doppelten Lohn eines Leiharbeiters. In Erinnerung an diesen Erfolg, versuchen wir uns nun erneut um das Organisieren von Solidarität für einen Arbeiteraktivisten in China. Ein Essenskurierfahrer aus Peking, der keine Unterstützung der offiziellen von der KP kontrollierten Gewerkschaft fand, organisierte kurzerhand seine Kollegen gegen die halsbrecherischen und Ausbeuterischen Arbeitsbedingungen über Soziale Medien und auf Treffen in einem Restaurant. Als er sie zu einem Streik aufrief, wurde er festgenommen und ihm drohen fünf Jahre Knast. Wir halten internationale Solidarität für das Gebot der Stunde.
Foto vom 1. Mai 2021
Wir versuchten uns auch der Situation der Beschäftigten in den Kieler Postdiensten zu widmen und luden wir zu einem Poststammtisch ein. Unsere Veröffentlichungen und Aktiönchen scheinen getroffen zu haben. Wir bekamen Gegenwind, aber nicht vom Management, sondern von Verdi. Erst wurden wir beim Flugblattverteilen angepöbelt, dann bekam der Poststammtisch Besuch von Verdi, es kam ein ganzes Batallion Verdianer aus der „Teppichetage“ (Verwaltung) des Verteilzentrums Wellsee. Die Stammtischler fühlten sich von der „Gegenseite“ bespitzelt und hatten Angst um ihren Job. Das war das Ende des Stammtischs.
Die Callcenter-Kollegenzeitung „die Quote“ ist auch aus dem chefduzen-Zusammenhang hervorgegangen. Die Beschäftigten eines deutschen Callcenter auf Mallorca nutzte das Internetforum als virtuelle Betriebsversammlung, die Anonymität versprach, denn es herrschte am Arbeitsplatz ein Klima der Angst. Die Diskussion wurde turbulent und es gab wohl von Managementseite ausgehende Versuche, besonders kämpferisch auftretende Mitarbeiter mit Mobbingmethoden, Beleidigungen und Unterstellungen mundtot zu kriegen, doch ohne Erfolg. Das Interesse an der Onlinediskussion wuchs, bis sich ¾ der Belegschaft zu einem Sick-out, einer kollektiven Krankschreibung als Kampfform entschied.
Da wir die Ausgebeuteten rebellisch machen und einigen Unternehmen zu einem Ruf verhalfen, der dazu führte, daß sie Probleme mit der Rekrutierung von Personal bekamen, waren die Ausbeuter nicht gut auf uns zu sprechen. Wir wurden eingedeckt mit Anwaltsschreiben und Abmahnungen. Es wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, einige juristische Drohungen beinhalteten Haft und Zwangsgelder von bis zu 250.000 €. Das hätten wir ohne die Unterstützung der Roten Hilfe nicht überlebt. Wir wollen uns an dieser Stelle bei dieser wichtigen Organisation noch einmal herzlich bedanken.
Wir legen uns weiter mit Ausbeutern an. Die Unikliniken Kiel erschienen uns als lohnendes Ziel. Wir wollten mit langem Atem an das Thema gehen, ahnten aber nicht, wie lange der Atem notwendig sein sollte. Wir starteten mit einem Blog und legten nach mit Aufklebern, Plakaten und Flugblättern. Wir luden zu einer Veranstaltung mit einem kämpferischen Kollegen von der Berliner Charité. Doch der Funke sprang nicht über. Die Situation änderte sich jedoch ohne unser Zutun. Beschäftigte aus dem Servicesektor waren sauer auf Verdi, die es versäumt hat, gegen das Outsourcing verschiedener Servicebereiche und die Schaffung eines Dumpinglohnbereichs vorzugehen. Da sie sich von der Gewerkschaft nicht mehr vertreten sahen, gründeten sie die Gewerkschaft der Servicekräfte (GDS) vor etwa 10 Jahren. Jetzt führen sie ihren ersten Streik am UKSH. Er ist beeindruckend. Die 800 Streikenden (je zur Hälfte in Lübeck und Kiel) sind vielleicht knapp über 50% weiblich und mehrheitlich migrantisch. Sie sind wütend, laut und kämpferisch. Wir sind hingegangen, haben Streikende und GDS Funktionäre kennengelernt und ein paar Youtube Videos zu den Warnstreiks veröffentlicht. Die täglichen Besucherzahlen des Blogs haben sich vervielfacht. Der laufende Arbeitskampf bleibt spannend.
Wir versuchen uns in einem stoischen Dranbleiben an Themen, die uns wichtig sind. Seit 10 Jahren sind wir am Thema der Berufskraftfahrer. Dazu gibt es den Youtbekanal Kilometerfresser TV. Wir haben auch nicht vergessen, daß uns die öffentliche Diskussion über den schleswig-holsteinischen Großschlachter Clemens Tönnies teuer zu stehen kam. Seine Anwälte sind bissig. Vor einem Jahr organisierten wir in Kiel mit dem Jour Fixe der Gewerkschaftslinken Hamburg und der tatkräftigen Unterstützung von Perspektive Solidarität Kiel (PSK) eine Kundgebung auf dem Asmus Bremer Platz gegen die Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte in den Tönnies Schlachbetrieben. Das Plakat zur Kundgebung fand den Weg in des Buch über „Das System Tönnies“ und waren auch bei Pressekonfernz zur Buchveröffentlichung in Rheda-Wiedenbrück zugegen. Tönnies läßt inzwischen seine Anwälte gegen die Aktivist:innen von „Tear Down Tönnies“vorgehen. Wir beteiligten uns mit einem Redebeitrag an der Protestkundgebung beim Prozeß vorm Kieler Landgericht.
Es ist ein Vorteil von Kiel, daß hier die Zusammenarbeit mit anderen kämpferischen Organisationen wie PSK, TKKG oder Rotes Kollektiv problemlos ist und der antifaschistische Runde Tisch, der bis in die Gewerkschaften reicht, zeigt, daß hier die politischen Gräben weniger tief sind als in anderen Orten. Die begrenzten Teilnehmerzahlen bei den Protestaktionen belegen jedoch, dass es nicht genügt, einfach nur die vorhandenen linken Organisationen zusammenzutrommeln. Wir müssen uns mehr der unspektakulären Basisarbeit zuwenden, im Stadtteil, in der Nachbarschaft, im Betrieb. Damit sind wir bei unserem Ausgangspunkt. Wir müssen die Menschen erreichen, die weder kulturell noch politisch auf einem Nenner zu sein brauchen, sondern die durch die soziale Situation miteinander verbunden sind. Diese Arbeit ist aber auf kleine Flamme heruntergefahren unter den nicht enden wollenden Pandemiebedingungen.
Wir hatten uns trotzdem mit einem mehrsprachigen Flyer auf den Vinetaplatz gestellt, um mit Migranten ins Gespräch zu kommen. An dieser Front wollen wir weitermachen.
chefduzen vor brennender Barrikade beim G20 in HH
Uns sind die Proteste der Bauern nicht entgangen. Wir sehen sie als Sozialproteste. Sie sind von großer Widersprüchlichkeit geprägt, es sind dort fortschrittliche und reaktionäre Kräfte aktiv und Großagrarier versuchen Einfluß auf die Proteststrukturen zu nehmen. Nur wegen dieser Widersprüchlichkeit und einer eigenen Ratlosigkeit, sollten Linke dieses wichtige Feld gesellschaftlicher Auseinandersetzungen nicht ignorieren. Wir haben Kontakte zu recht aufgeweckten und fortschrittlichen Landwirten geknüpft. Es wird nicht langweilig.
Unser Stammtisch findet am jeweils ersten Donnerstag des Monats ab 19°° in der Bambule in Kiel-Gaarden statt, wenn die Pandemie es zuläßt und man findet uns, je nach Wetter, entweder im Biergarten oder im Raucherraum. Ihr seid willkommen!
Links zum Forum der Ausgebeuteten und zu Projekten aus dem Umfeld:
Forum der Ausgebeuteten: https://forum.chefduzen.de
Postdienste: http://betriebsgruppepostdienstenord.blogsport.eu
Unikliniken: https://uksh-blog.netzwerkit.de
Transportsektor: https://www.youtube.com/user/DerKilometerfresser/videos
Diverse klassenkämpferische Themen:
https://www.youtube.com/channel/UCG6XnaJy5kPepz-x7HhgToA/videos
Kontakt: admin@chefduzen.de
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Gewalteskalation im Nahen Osten:
Die militärische und strukturelle Gewalt beenden
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert einen sofortigen Stopp aller militärischen Angriffe. Bis heute wurden in dem gewaltsamen Konflikt bereits mehr als 200 Palästinenser*innen und zehn Israelis getötet. Die Ärzt*innenorganisation appelliert an die Bundesregierung, sich auch gegenüber der israelischen Regierung für die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte aller Menschen in Israel und in den besetzten Gebieten einzusetzen. Die Grundlagen der jüngsten Gewalteskalation liegen in der jahrzehntelang gegenüber den Palästinenser*innen ausgeübten strukturellen Gewalt und dem fehlenden Willen, diese zu beenden. Statt militärische Eskalation nur als „Recht auf Selbstverteidigung“ zu definieren und zu unterstützen, müsse Deutschland gegenüber Israel politische Lösungsschritte einfordern.
Die letzte Gewalteskalation hat komplexe Ursachen. In diesem Jahr fallen der Ramadan und der Jerusalemtag zusammen, mit dem Israel an die Annektierung Ost-Jerusalems erinnert. Sowohl die Palästinenser*innen als auch die Israelis beanspruchen den Zugang zu Altstadt und Tempelberg. In dieser aufgeheizten Stimmung drohte auch die Räumung mehrerer palästinensischer Häuser im Viertel Sheikh Jarrah. Israel plante, die palästinensischen Bewohner*innen zu vertreiben und ihre Häuser an jüdische Siedler*innen zu übertragen. Während sich israelische Gerichte auf ein Gesetz von 1970 berufen, das die Rückgabe von Eigentum an jüdische Eigentümer*innen erleichtert, sind vertriebene palästinensische Familien gesetzlich daran gehindert, ihr Land und ihre Häuser zurückzufordern. Unter anderem um gegen die geplante Räumung zu protestieren, veranstalteten Palästinenser*innen Demonstrationen, bei denen auch Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen wurden. Die israelischen Streitkräfte reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, Betäubungsgranaten und gummibeschichteten Stahlgeschossen, auch innerhalb der al-Aqsa-Moschee. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten verletzten sie dabei ca. 1.000 Palästinenser*innen, davon 735 durch Gummigeschosse. Anschließend kam es zu weiteren Protesten – sowohl in der Westbank als auch innerhalb Israels.
Seit nunmehr 54 Jahren leben die Menschen in den palästinensischen Gebieten unter israelischer Besatzung. In Teilen wurden sie von Israel völkerrechtswidrig annektiert. Der dicht besiedelte Gazastreifen, in dem seit 2007 die Hamas regiert, ist einer strengen Blockade von Israel und Ägypten ausgesetzt.
Über die Situation in Gaza schreibt Abed Shokry aus Gaza am 14. Mai 2021: „Es gibt keinen Strom, da das einzige Elektrizitätswerk fast ausgeschaltet ist, weil es keine Brennstoffe gibt. Die Brennstoffe kommen aus Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde bzw. Katar zahlen dafür. Es gibt kein Leitungswasser. Und wenn es das mal gibt, dann ist es nur für die Klospülung geeignet. Das Wasser ist sehr versalzen. Es gibt kaum Medikamente in den Krankenhäusern. Die Patienten müssen sie selber kaufen. Wenn es sie denn in den Apotheken geben sollte. Es gibt keine Bodenschätze. Und die vor den Küsten des Gazastreifens entdeckten Gasvorräte, dürfen und können wir nicht bekommen. Es gibt kaum Arbeit. Ca. 300.000 Personen haben mindestens Bachelor-Abschluss und befinden sich auf Arbeitsplatzsuche. Sie sind sehr gut ausgebildet“.
„Die strukturelle Gewalt gegenüber den Palästinenser*innen muss enden: Die Mauer, die Checkpoints und ein kafkaeskes Vergabesystem von Genehmigungen führen zu einer Zerstückelung palästinensischen Landes. Bauern werden daran gehindert, auf ihre Felder zu kommen, Kinder zu ihrer Schule und Patient*innen zum Krankenhaus“, erklärt Dr. Lars Pohlmeier, IPPNW-Vorsitzender. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sprechen inzwischen von einem System der Apartheid, weil die israelische Regierung den Palästinenser*innen weder gleiche Rechte einräumt, noch die Besatzung beendet.
Alle Bemühungen internationaler Vermittler*innen für einen Waffenstillstand waren bislang erfolglos. UN-Generalsekretär António Guterres warnte bei der Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York eindringlich vor einer gefährlichen Ausweitung des Konflikts. Derzeit verhandelt das Nahost-Quartett aus den USA, Russland, der EU und den UN. Russland versucht in enger Abstimmung mit Ägypten eine Vermittlerrolle einzunehmen, um eine Waffenruhe und neue Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinenser*innen zu erreichen. Auch US-Präsident Biden fordert eine Waffenruhe.
Die IPPNW appelliert an alle Akteur*innen im israelisch-palästinensischen Konflikt, sich an die Prinzipien des internationalen Völkerrechts und der Menschenrechte zu halten. Alle bewaffneten Kräfte in der Region müssen damit aufhören, Zivilisten zu verletzen und zu töten - sowohl israelische als auch palästinensische. Es liegt in der Verantwortung der Staaten des Nahost-Quartetts und Ägyptens als Vermittler darauf zu drängen, dass die bisherige Praxis der Straflosigkeit sowohl auf Seiten Israels wie auch auf Seiten der Palästinenser*innen beendet wird.
Amnesty International hat eine Online-Petition an Präsident Biden initiiert, um die Eskalation zu beenden: https://www.amnesty.org/en/get-involved/take-action/end-the-violence-in-occupied-palestinian-territories/
IPPNW-Pressemitteilung vom 19. Mai 2021
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Interview:
Solidarität mit den Palästinenser:innen, was denn sonst?
Guten Tag. Ich teile folgende Überzeugung: Die Palästinenser:innen werden von Israel unterdrückt. Sie genießen nicht die gleichen Rechte, haben nicht die gleichen demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und sind ökonomisch benachteiligt.
Einige von ihnen leben im Gaza-Streifen in einer Art unterversorgtem Open-Air-Knast. In Israel wiederum regiert eine korrupte, rechte Clique, die zusammen mit faschistischen Siedlern daran arbeitet, auch noch die letzten palästinensischen Enklaven zu räumen und die keinerlei Interesse an Frieden hat. Ich denke, dass es legitim ist, dafür den Begriff Siedler-Kolonialismus und Apartheid zu gebrauchen. Und ich denke, dass es die Aufgabe von Internationalist:innen ist, sich mit den Palästinenser:innen zu solidarisieren. Ich denke dagegen nicht, dass es die Aufgabe von Linken ist, Bombardements von Wohngebieten, Schulen, Krankenhäusern oder Moscheen zu relativieren, rechte Hetzjagden auszublenden oder sich für die Propaganda der Netanjahu-Regierung einspannen zu lassen, indem man noch den letzten jüdischen Dissidenten als Antisemiten diffamiert. Ich denke auch nicht, dass es die Aufgabe von Linken ist, zusammen mit einer islamophoben Rechten die palästinensische und arabische Community als quasi von Natur her verdorbene, nach dem Blut von Juden gierenden Mob darzustellen.
Würde ich in irgendeinem anderen Land als Deutschland leben, wäre das eine ziemlich unkontroverse Meinung. Es wäre von Italien über das Baskenland bis Großbritannien, von Mexiko über Brasilien bis nach Argentinien, von der Türkei und Kurdistan bis nach Südafrika keine Position, für die mich irgendein anderer Linker, egal ob Anarchist, Sozialist, Kommunist ächten würde. Ich lebe aber in Deutschland, deshalb erzeugt eine solche Positionierung eine Reihe von Anfeindungen und Angriffen, die ich gerne durchspielen will, weil ich denke, dass viele Genoss:innen diesen Attacken ausgesetzt sind und auch viele eingeschüchtert sind.
Ich trete also in den Dialog mit einem fiktiven „israelsolidarischen Linken“ und wie könnte der anders eröffnet werden als mit?
Du bist also auf der Seite der Hamas und ihrer Angriffe auf jüdische Zivilist:innen?
Ich muss jetzt verneinen. Ich verneine nicht, weil ich Sympathien hegen würde und es mich nur nicht sagen traue. Ich verneine, weil ich alles, wofür Hamas und ähnliche Gruppierungen stehen, ablehne. Ich wünsche mir nicht heimlich, dass sie „gewinnen“, denn ich glaube nicht, dass Gruppen wie diese irgendjemandem eine politische Perspektive auf ein besseres Leben bieten, keinem Christen, keinem Juden, keinem Muslim, niemandem. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie letztlich nicht gewinnen können, auch wenn sie in einem andauernden Belagerungszustand eine zeitweilige Hegemonie aufbauen können, ganz so wie sich auch die israelische extreme Rechte durch den Krieg und das damit aufrechterhaltene Szenario der andauernden Bedrohung durch die zu Monstern verklärten Palästinenser:innen an der Macht halten kann.
Daraus aber ergibt sich auch schon eine Aufgabe für Linke. Die Verankerung einer politischen Perspektive. Und meiner Überzeugung nach ist es die nach einem säkularen, demokratischen, gemeinsamen – wenns nach meinen Wünschen ginge: sozialistischen – Staat aller in dieser Region lebenden Menschen from the river to the sea, wenn man so will. Wie der dann heisst, es ist mir egal.
Aha, jetzt hab ich dich, du bist also gegen das Existenzrecht Israels!
wird unser linker „israelsolidarischer“ Freund jetzt sagen. Meistens hat er diese Phrase irgendwo aufgeschnappt, weil diejenigen, die noch eine Theorie zu dieser Phrase hatten, sind heute längst nicht einmal mehr in ihrer Eigenwahrnehmung „links“, sondern sitzen irgendwo neben den Don Alphonsos dieser Republik. Die Phrase selbst ist ein Trick, denn sie vermischt Dinge mit ganz unterschiedlichem Inhalt.
Bin ich als Kommunist der Überzeugung, dass irgendein kapitalistischer Staat ein „Existenzrecht“ hat? Nein. Bin ich überzeugt, dass Israel genauso, wie es heute ist, immer weiter sein sollte? Nein. Und man muss dazu sagen, wer sich das wünscht, sagt nicht nur zugleich, dass ihm palästinensisches Leben ziemlich egal ist, er ist auch ein sehr schlechter Freund Israels. Wer könnte der Bevölkerung dieses Staats wünschen für ewig und bis in alle Zeit in diesem Ausnahmezustand ständiger Kriegführung zu existieren? Dystopisch.
In der Frage nach dem „Existenzrecht“ steckt aber ein rationaler Punkt. Die Frage nach dem Recht von Jüdinnen und Juden in Sicherheit zu leben. Und dieser Punkt ist tatsächlich eine unhintergehbare Demarkationslinie für linke Positionen zu diesem Konflikt. Nur wie dieser Zustand herzustellen ist, darüber muss eine Debatte möglich sein. Und sie kann nicht von der Frage nach dem Existenzrecht der Palästinenser:innen getrennt werden.
Und in dieser hat der „israelsolidarische“ Opponent stets eine unausgesprochene Voraussetzung im Hirn, die – zu Ende gedacht – seine offene Flanke zur rassistischen Rechten ist. Er denkt: Es braucht genau diesen militarisierten Staat, denn mit den Arabern kann man nicht koexistieren, lässt man die Zügel los, sticht er zu. Der Palästinenser braucht den Merkava, das denken diese Leute, auch die, die es sich nicht eingestehen.
Er denkt auch: Der Antisemitismus hat nichts mit der Besatzung zu tun, er ist dem Araber quasi natürlich. Vielleicht nicht genetisch, aber kulturell. Jedenfalls aber darf man auf keinen Fall fragen, ob es andere Politikansätze gäbe, als ihn zu räumen oder wegzubomben, die vielleicht eine Versöhnungsperspektive eröffnen, weil das wäre seinerseits wieder antisemitisch. Das mag jetzt polemisch erscheinen, aber politisch und konsequent weiter gedacht lässt diese Auffassung nur zwei Perspektiven zu: Den Status Quo oder den Genozid.
Sieh dir doch an, wie zerfressen vom Judenhass sie sind! Wie können Linke sich bloß mit denen gemein machen?
wird unser „israelsolidarischer“ Gesprächspartner jetzt einwenden und seine breite Sammlung an Bildern antisemitischer Demo-Schilder und Facebook-Postings hervorkramen. Es gibt hier zweierlei Probleme. Zum einen ist es halt so, dass es nahezu keine Kritik am Staatshandeln Israels gibt, die dem „Israelfreund“ nicht als antisemitisch gilt. Warum? Weil er schlichtweg die von Israel und seinen westlichen Alliierten präferierte Antisemitismus-Definition zugrunde legt, anstatt sich etwa an der Jeruslam Declaration (1) zu orientieren oder gar im Rahmen der eigenen Weltanschauung begrifflich zu entwickeln, was Antisemitismus ist. Antisemitisch ist es dann wahlweise von „Kolonialismus“ oder „Apartheid“ zu sprechen, findet man gar kein anderes Argument mehr, muss man den palästinasolidarischen Gegner daraufhin befragen, ob er diese Woche auch schon Kritisches zu Äthiopien, Myanmar, Indien oder Kanada gesagt hat, weil wenn nicht handelt es sich um einen sogenannten Doppelstandard, also Antisemitismus. Es geht hier um Diffamierung, was man schon daran erkennen kann, dass diverse Urkartoffeln im Zweifelsfall keine Scham haben, linke Jüd:innen zu glühenden Antisemiten zu erklären.
Nun ist das aber nur eine Seite der Medaille, denn die andere ist: Auch ohne unseren „israelsolidarischen“ Kumpel wird uns ja nicht entgehen, dass in der Soli-Bewegung unverhohlener Antisemitismus vorkommt. Er kommt in seiner organisierten Form vor: als rechte Gruppen von Hamas-Fans bis Graue Wölfe. Und er kommt in seiner „alltäglichen“ Form als Ressentiment von Einzelpersonen vor.
Ja genau und ihr Antiimperialisten verleiht genau dem noch einen humanitären Anstrich!
meint jetzt unser „israelsolidarischer“ Gesprächspartner. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt einen objektiven Grund für die Wut der Palästinenser:innen. Die Unterdrückung durch Israel verschwindet nicht, wenn wir wegschauen oder uns ducken. Das macht es nur reaktionären Kräften leichter, ihre Hegemonie fortzuschreiben und auszubauen. Kräften, die allerdings niemals für irgendeine Lösung des Konflikts stehen können. Die Aufgabe von Linken ist es dagegen, mit denjenigen, die auf einer progressiven Grundlage Solidarität mit den Palästinenser:innen entwickeln, zusammen zu stehen. Diese Bündnisse gibt es auch in Deutschland, sie haben – von Migrantifa (2) über „Palästina spricht“ (3) bis zum linken jüdischen Organisationen (4) – ohnehin schon ihre Stimme erhoben, anstatt zu versuchen, sie mundtot zu machen, sollten wir ihnen Gehör verschaffen. Die Bekämpfung des Antisemitismus und die Entwicklung einer politischen Perspektive in der palästinensischen Solidaritätsbewegung gehören zu ein und demselben Projekt.
Was hat die Gegenseite anzubieten? Staatstreue. Nicht nur zum israelischen. Ob sie wollen oder nicht, auch zur deutschen Staatsräson. Zwischen unseren „israelsolidarischen“ Freund, Cem Özdemir, Springer, das Außenamt oder die Werteunion passt da im Konkreten kein Blatt Papier. Der „israelsolidarische“ Linke wird zwar betonen, er sei ja nicht für Netanjahu, sondern für irgendeine abstrakte Idee des israelischen Staats, aber er wird genauso unter jedes Video eines Bombardements in Gaza „aber die Hamas!“ kommentieren wie sein Pendant aus FDP oder Junge Union. Das wiederum drängt keinen Antisemitismus zurück. Es dient einzig zur moralischen Selbstüberhöhung.
—
Man könnte diesen fiktiven Dialog jetzt endlos so weiter schreiben. Die Debatte ist uralt. Ich glaube aber, sie kippt gerade ein wenig. Zu verdanken ist das meiner Meinung nach dem Umstand, dass sich im Zuge von Migrantifa und Black Lives Matters migrantische Linke viel sichtbarer in Deutschland organisiert haben. Sie sind auch und gerade vielen dieser Angriffe ausgesetzt. Aber sie sind auch viel weniger dazu bereit, sich wegzuducken.
Peter Schaber
Übernommen aus dem Lower Class Magazine
(https://lowerclassmag.com/)
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
1 The Jerusalem Declaration on Antisemitism, https://jerusalemdeclaration.org/
2 https://migrantifaberlin.wordpress.com/
3 https://www.palaestinaspricht.de/
4 https://www.juedische-stimme.de/, https://jewishbund.de/, https://www.facebook.com/salaam.schalom.initiative
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Datenschutz-Zwischenruf:
„Für alle, die nichts zu verbergen haben...“
...so lautet verkürzt die 2. Auflage eines Buches von Klaudia Zotzmann-Koch. Manchmal begegnen mir Menschen, die sich keine oder nur wenig Gedanken um ihren eigenen resp. den Datenschutz anderer machen. Angesprochen auf das eigene Verhalten im „Netz“ ist die Aussage „ich habe ja nichts zu verbergen“ oftmals mit einer gewissen Ahnungslosigkeit, vielleicht auch Hilflosigkeit, verbunden. Mit „Netz“ und den „sozialen Medien“ seien hier E-Mail-Programme, google, Facebook, whatsapp und Programme für die Durchführung von Videokonferenzen genannt.
Die Bürgerrechtlerin K. Nocun beschreibt eindringlich in ihrem Buch: „Die Daten, die ich rief“, wie und warum wir uns vor der Sammelleidenschaft und Überwachungsmöglichkeiten schützen können.
Kritisch und ein wenig provozierend gedacht: im besten Sinne fortschrittliche Organisationen vertreten in vielen Bereichen alternative Positionen. Und doch geschieht es, dass einzelne durch ihr „digitales Verhalten“ persönliche Daten und Verhaltensmerkmale an Großkonzerne liefern, die damit nicht nur erhebliche Werbeeinnahmen generieren, sondern auch unsere persönlichen Daten (aufbereitet in Algorithmen) verarbeiten.
Fangen wir also an, uns auch um dieses Thema zu kümmern, in bester Absicht um unsere „digitale Mündigkeit“. Ausgewählte Fragen dazu: Warum verwenden wir E-Mail-Adressen eines bekannten Konzerns? Ach so, ich musste mich ja bei „google“ mit dem Smartphone anmelden? Gibt es da keine Alternative? Oder: es gibt auch werbefreie E-Mail-Anbieter, wie sie zum Beispiel die Stiftung Warentest mit „posteo.de und „mailbox.org“ vorgeschlagen hat. Sind wir während des Lesens und Beantwortens von E-Mails dauerhaft online oder offline? Wie steht es mit Passwörtern? Sind sie sicher genug? Was ist mit Facebook? Mit Twitter? Welche Alternativen bieten sich an? Und viele Fragen mehr.
Als Einstieg und Vertiefung möchte ich folgende Seiten empfehlen:
1) „digitalcourage“ kümmert sich seit vielen Jahren um die o.g. „digitale Mündigkeit“
https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung
2) netzpolitik.org: Die Plattform für digitale Freiheitsrechte https://netzpolitik.org, veröffentlichte gemeinsam mit dem ZDF einen Beitrag über die Finanziers der sog. „querdenker“.
3) Klaudia Zotzmann-Koch. Dann haben die halt meine Daten. 2. Aufl. / update 2021
Datenschutz, auch der persönliche, ist ein Grundrecht. Schützen wir uns also gegen den Datenhunger bekannter Konzerne und Organisationen.
Mit solidarischen Grüßen, Roland
(ver.di Mitglied, Kiel)
https://norden.social/@Keinweiterso
- Article Information
- Created on 02. Juni 2021
Termine
Fr., 4. Juni 2021, Wann? Wo? - leider noch nicht bekannt
Demo von Fridays for Future
Aktion: Am 04.06. wollen wir gemeinsam mit euch auf die Straße, um mal wieder nachhaltig auf die Südspange und den Ausbau der A21 aufmerksam zu machen. Die Demoroute führt wieder über die B76 und Teil der B404, und dieses mal auch direkt durch das Vieburger Gehölz.
Sa.,/So., 5./6. Juni, Aktionswochenende zur Verkehrswende (Wann? Wo? Was?)
Bündnis zum Erhalt des Kieler Klimagürtels und Fridays for Future
Mi., 9. Juni, 19 Uhr, online-Konferenz
ATTAC-Kiel - Plenum,
Thema Situation in Bolivien, Chile und Peru
Fr., 18. Juni, 16 Uhr , Flandernbunker, Mahnwache
Nein zum NATO-Manöver BALTOPS!
www.kieler-friedensforum.de
So., 20. Juni., 18 Uhr
Redaktionsschluss LinX
Di., 22. Juni, 14 Uhr
Parkfriedhof Eichhof, „Bombenopferfeld“ (Felder 50 – 61, Nähe Friedhofseingang Kopperpahler Allee)
Gedenkveranstaltung zum Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion vor 80 Jahren
Mi., 23. Juni, 19 Uhr, online-Konferenz
ATTAC-Kiel - Plenum