Daten/Fakten  

   

Deutschland und die COP30:

Neue Gaskraftwerke und CCS statt Klimaschutz

Wenn diese LinX im Briefkasten liegt, ist im brasilianischen Belém die diesjährige UN-Klimakonferenz, die COP30, schon zu Ende, doch bei Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse vor. Allzu viel wird nicht herausgekommen sein. Dafür sorgten unter anderem rund 1.600 Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie – das größte Delegiertenkontingent dieser Art, das je auf einer UN-Klimakonferenz gesehen wurde. 600 von ihnen waren sogar Teil von Regierungsdelegationen und saßen so direkt mit am Verhandlungstisch und nicht nur in der Lobby vor den Konferenzräumen.

IndigenerProtestbeimCOP

Bild: Indigener Protest auf der COP30 in Brasilien

Bemerkenswert immerhin, dass sich Brasiliens Indigene nicht so recht mit ihrer Rolle als Staffage in einem Schmierentheater simulierter Partizipation zufriedengeben wollten. Stattdessen stürmten sie medienwirksam den Tagungsort, wirbelten ihn etwas durcheinander und machten für einen Augenblick klar, wie unendlich weit weg die alljährlichen UN-Klimakonferenzen von den Nöten der Menschen sind, denen der Wald zerstört wird, denen Klimawandel-verstärkte Hurrikane und Taifune die Häuser wegreißen, denen viel zu warme Meere die Korallenriffe und damit die Fischgründe abtöten.

Seit 30 Jahren finden diese Konferenzen nun statt, oft im November, manchmal auch erst im Dezember. Über internationalen Klimaschutz wird sogar schon seit Ende der 1980er Jahre verhandelt. Dabei geht es meist darum, wann und wie viel die reichen Länder zahlen, um den Ländern des Südens bei der Anpassung zu helfen, und natürlich darum, wer wann und wie viel seiner Treibhausgasemissionen reduzieren soll. Das wichtigste Treibhausgas ist CO2, das vor allem durch die Verbrennung von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas, aber auch bei der Zementproduktion und durch Entwaldung freigesetzt wird. Das CO2 ist im Gegensatz zu den meisten anderen Treibhausgasen ziemlich langlebig. 57 Prozent werden mehr oder weniger sofort von Biosphäre und Ozeanen aufgenommen, aber rund 43 Prozent verbleiben für viele Jahrhunderte bis zu mehreren Jahrtausenden in der Atmosphäre und tragen dort zur Erwärmung bei.

Um so frustrierender ist es, dass über die Hälfte allen je durch menschliche Aktivitäten in die Luft geblasene CO2s sich dort erst nach Beginn der Verhandlungen angereichert hat, und zwar mit den erwartbaren Folgen: Es wird immer wärmer. Die schweren Unwetter, Hitzewellen und Dürren nehmen zu und werden intensiver, der Anstieg der Meere beschleunigt sich, und die globale Temperatur – die über den ganzen Planeten und das ganze Jahr gemittelt wird – ist seit dem Ende der 1980er um gut 0,8 Grad Celsius gestiegen. Es wird mit ziemlicher Sicherheit nur noch wenige Jahre dauern, bis die globale Temperatur auch im mehrjährigen Durchschnitt jene 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau erreicht, die eigentlich „möglichst“ nicht überschritten werden sollten. So war es jedenfalls vor zehn Jahren in Paris vereinbart worden, als man dort zur COP21 tagte und Frankreichs seinerzeitiger Präsident Nicolas Sarkozy die Klimaschützer mit Notstandsdekreten von der Straße prügeln ließ.

In Deutschland werden derweil von einigen Staatsanwaltschaften Klimaschützer schon mit dem Terroristen-Paragrafen 129 verfolgt, wobei man hier wie auch in Frankreich sagen kann, dass die Repression ganz dem Unwillen der jeweiligen Regierungen entspricht, die für effektiven Klimaschutz notwendigen schweren Einschnitte vorzunehmen. Etwa der Automobilbranche, den Immobilienunternehmen und den Energiekonzernen Daumenschrauben anzulegen, oder Bahn und Bus massiv auszubauen. Gewinne sollen nicht angetastet oder durch Klimaschutzauflagen und Produktionsumstellungen gemindert werden.

So verkündete Blackrockkanzler Friedrich Merz in Brasilien zwar, dass „Deutschland (...) zu seinen nationalen und europäischen Klimazielen“ steht. Was er allerdings verschwieg, ist, dass diese eher bescheiden ausfallen, nicht den Verpflichtungen aus der Pariser Klimaübereinkunft genügen und seine Partei kräftig daran gearbeitet hat, sie weiter zu verwässern. Die kurz vor Beginn der Konferenz endlich verabschiedeten neuen Klimaziele der EU sehen vor, dass bis 2040 die Emissionen gegenüber 1990 um 90 Prozent reduziert werden sollen. Das hört sich gut an, aber erstens bedeutet es, dass bis dahin in der Summe noch viel zu viel Treibhausgas in die Luft geblasen wird, und zweitens werden fünf Prozentpunkte dieser Minderung nur eine Luftbuchung sein. Dieser Teil der künftigen Emissionen soll der Einkauf von Zertifikaten kompensieren, die für Klimaschutzmaßnahmen in Drittländern ausgestellt werden. Derlei gibt es schon heute, und die Mehrheit dieser Papiere hat - wer hätte das gedacht - eine recht zweifelhafte Aussagekraft.

Derweil wird in Deutschland wie so ziemlich überall in den alten Industrieländern das große Geld noch immer mit Autos, Öl, Kohle, Erdgas, Stahl und allem gemacht, was Umwelt und Klima kräftig schädigt. Und diese Branchen können sich über die neue Bundesregierung eigentlich wirklich nicht beschweren. Die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche verkündete, kaum war sie im Amt, dass ihr die Energiewende viel zu schnell geht und die Solarenergie zu billig ist, und gemeinsam mit dem Bundeskanzler arbeitet sie in Berlin und Brüssel eifrig daran, das Verbrenner-Aus wieder zu kippen.
In anderen Feldern ist man gar schon weiter auf dem Weg zurück in den ungebremsten Fossilismus. Unter der Nordsee vor Borkum und in Bayern werden neue Erdgasvorkommen erschlossen und Mitte November hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, dass das sogenannte CCS zulässt (Carbon Capture and Storage). Wenn auch der Bundesrat sein OK gibt, wird damit der Rechtsrahmen für CO2-Pipelines und das CO2-Verpressen im meist norddeutschen Untergrund geschaffen. Ebenfalls im November wurde ein Gasplan im Bundeskabinett verabschiedet, der den Bau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von acht Gigawatt vorsieht, was zehn oder mehr Großkraftwerken entspricht. Da diese nur als Lückenbüßer zum Einsatz kommen, wenn Solar- und Windenergie zu wenig liefert, werden sie kaum wirtschaftlich zu betreiben sein. Soll heißen, man wird sie auf die eine oder andere Art subventionieren, so wie man auch Dienstwagen im Speziellen und dem Autoverkehr im allgemeinen, der Fliegerei und allerlei anderen klimaschädlichen Einrichtungen mit steuerlichen Vorteilen oder direkten staatlichen Zuwendungen unter die Arme greift. – Auch im Jahre 34 nach Unterzeichnung der UN-Klimaschutzkonvention.

Und was sieht man daran? Klimaschutz bleibt halt Handarbeit, wie es bei Ende Gelände heißt. Ohne Druck von unten, und zwar großen Druck, denn es geht gegen mächtige Kapitalinteressen, bewegt sich gar nichts. (wop)

BrasilienCOP30 2025 11 16

 

Klimakrise:

Tipping Points – Die Welt am Limit

Am 10. November trat die Konferenz der Vertragsparteien (COP) – das höchste Entscheidungsgremium der UN-Klimarahmenkonvention – zu ihrer 30. Sitzung in Belém, Brasilien, zusammen.

Die Versammlung findet vor dem düsteren Hintergrund einer globalen Krise statt. Im Jahr 2024 stiegen die Temperaturen erstmals um 1,55 bis 1,6 °C über das vorindustrielle Niveau, die Meerestemperaturen erreichten neue Höchstwerte, die Treibhausgaskonzentrationen erreichten den höchsten Stand seit 800.000 Jahren und der kumulierte Eisverlust der Gletscher weltweit und der Eisschilde Grönlands brach alle bekannten Rekorde.

Mit Ausnahme von China, dessen Wiederaufforstungsprogramme zwischen 2023 und 2024 neue Wälder in einer Größe hinzugefügt haben, die in etwa der Größe Südkoreas entspricht, gibt es eine große Krise der Entwaldung, die die Luft, die wir atmen, bedroht. Der Gastgeber der COP30 steht – trotz erneuter Bemühungen von Präsident Lula da Silva – an der Spitze der Rangliste. Brasilien war 2024 für 42 % des gesamten Verlusts an Primärregenwald verantwortlich, hauptsächlich durch Brände aufgrund von Dürren – und leistete damit den mit Abstand größten Beitrag zur weltweiten Entwaldung.

Diese ökologischen und klimatischen Krisen wurden von einer historischen Eskalation der Gewalt gegen die Menschen im globalen Süden begleitet. In Palästina hat der Völkermord Israels wahrscheinlich Hunderttausende Menschenleben gefordert und gleichzeitig das Land zerstört, auf dem sie lebten. Im Sudan und im Kongo sind Millionen Menschen infolge von Stellvertreterkriegen gestorben, die im Interesse der nationalen Eliten, ihrer ausländischen Unterstützer und letztlich der multinationalen Konzerne geführt wurden, die von ihren verbilligten Ressourcen und verkürzten Lebenszeiten profitieren.

Dies sind keine voneinander getrennten Probleme. Sie sind die Wendepunkte eines Welt-Systems in der Krise. Der Klimawandel und die Völkermordgewalt, die den Menschen im Globalen Süden aufgezwungen wird, sind Teil desselben Prozesses, mit dem der Imperialismus die Mittel der sozialen Reproduktion – Land und Leben – zerstört, um seine Fähigkeit zur Ausbeutung und Ausbeutung zu sichern. Es ist bezeichnend, dass das US-Militär, der Verteidiger des weltweit obszönsten Konsumniveaus, sowohl der weltweit größte institutionelle Umweltverschmutzer als auch der Hauptsponsor der Gewalt ist, die sich rasch in unseren Gesellschaften ausbreitet.

„Warum haben große, CO₂-verursachende Länder die systematische Ermordung Tausender Kinder in Gaza zugelassen?“, fragte Gustavo Petro, Mitglied des PI-Rates und kolumbianischer Präsident. „Weil Hitler bereits in ihre Häuser eingedrungen ist (gemeint ist der Aufstieg faschistischer Parteien in der EU und in Nordamerika, LinX) und sie sich darauf vorbereiten, ihren hohen CO₂-Verbrauch zu verteidigen und den dadurch verursachten Exodus abzulehnen.“
Der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Klimawandel ist seit langem klar. Wie Karl Marx feststellte, zerstört der Kapitalismus die Systeme des sozialen und natürlichen „Stoffwechsels“ – die Kreisläufe von Produktion, Konsum und Natur, deren enge Verflechtung alles Leben auf der Erde erhält. Besonders deutlich wird dies in der Landwirtschaft, wo die zunehmende Intensivierung den Boden der für neues Wachstum notwendigen Nährstoffe beraubt hat, und bei den Bauern, die in immer größerer Zahl von ihrem Land vertrieben werden und in überfüllten Städten prekäre Arbeit verrichten müssen.

Zusammengenommen führen diese Krisen zu einer schmerzhaften Erkenntnis: Der Kapitalismus hat seine Endphase erreicht. Die historische Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, die Auferlegung neokolonialer Vereinbarungen für die Nationen der Welt und die Zerstörung der Mittel zur sozialen Reproduktion deuten auf eine letzte Reihe von Kipppunkten hin, die entweder den Kapitalismus beenden oder uns vernichten werden.

Die Dringlichkeit ist auf der diesjährigen Klimakonferenz zu spüren. Als die COP30 eröffnet wurde, kam es zu Widerstand. Indigene Gemeinschaften Brasiliens veranstalteten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hangar Convention Centre groß angelegte Proteste und brachen die Türen der Anlage in Belém auf. Als historische Hüter der Natur forderten sie ein Ende der Kommerzialisierung der Natur und ein Ende der Zerstörung, die sie ihren Gemeinschaften – und unserer Zukunft – gebracht hat.

Es ist die Aufgabe der progressiven Kräfte überall, sich diesem Kampf anzuschließen, indem sie sich organisieren, um den Imperialismus und seine Vertreter zu zerschlagen – sei es in Palästina, im Kongo oder in den Weiten des Amazonasgebiets.

Sekretariat der Progressiven Internationale

Der Progressiven Internationale gehören sozialistische Organisationen wie die Democratic Socialists of America aus den USA, denen auch der neue New Yorker Bürgermeister angehört, oder die Solidaritätspartei aus Afghanistan, sowie Dutzende Gewerkschaften und Bauernorganisationen aus den beiden Amerikas, Afrika, Asien und Europa an. Daneben zahlreiche Einzelpersonen, wie etwa der zitierte kolumbianische Präsident Gustavo Pedro. (wop)
https://progressive.international/members

mamdani crossing bridge

Bild: Zohran Mamdani and supporters marching across the Brooklyn Bridge the morning before the election.
Photo: Zohran Kwame Mamdani/Facebook

Eine Vision:

Klimaschutzstadt Kiel oder „Ich hatte einen Traum...“

Meine Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin, die grüne Stadt an der blauen Förde, das Tor zum Norden mit dem völkerverbindenden Fest zur Kieler Woche bietet ein Bild des Friedens:

Auf der blauen Förde segeln Schiffe aller Größenordnungen. Ich fahre gerade mit einer Schulklasse auf der modernen Solarfähre von Belvedere in den Schwentinehafen, wo wir die letzte Wasserkraftanlage und das Forschungsinstitut Geomar besuchen wollen.

Auf der Werft sehen wir vom Wasser aus Schiffe, die mit Spezialantrieben ausgerüstet werden – Windrotoren, welche die inzwischen nahezu russfreien Schiffsdiesel unterstützen sollen, um noch mehr fossile Brennstoffe einzusparen. Die Auftragsbücher der Kieler Werften sind voll, dank einer EU-Richtlinie, die durch den Druck der Hafenstädte aller EU-Länder zusammen gemeinsam mit den Umweltverbänden durchgesetzt werden konnte:

In EU-Gewässern und -Häfen dürfen nur noch Tanker mit Doppelhülle fahren. Bis 2020 sollen zudem alle alten Schiffsdiesel ausgewechselt werden, sonst wird ihnen die Betriebsgenehmigung entzogen. Wer zusätzlich Subventionen möchte, der muss nachweisen, dass er durch alternative Antriebe oder unterstützende Antriebe aus Wind- oder Solarkraft weiter Diesel einspart.

Ich erzähle bei der Überfahrt den Kindern, wie es früher war, als man trotz des frischen Windes in Kiel immer die Diesel-, Kraftwerks- und MVK-Abgase einatmen musste und viele Kinder mit Atemwegserkrankungen in Behandlung waren.

Gerade passieren wir die Ruine des Kohlekraftwerks Ost, das aufgrund von Protesten der Kieler Bevölkerung vom Netz genommen werden musste. Es wurde durch ein modernes Gasmotorenkraftwerk ersetzt, das in der Lage ist, sich der schwankenden Nachfrage modular anzupassen. Nachdem auch das teure Frackinggas aus den USA aufgrund der schlechten CO2 Bilanz nicht mehr genutzt werden konnte, entschied sich die rekommunalisierte Stadtwerke für eine vorübergehende Lösung mit dezentralen Kraftwerkseinheiten, die Stromerzeugung mit Abwärmenutzung koppeln. Der Wärmebedarf nimmt allerdings stark ab, infolge der Auswirkung der weltweiten Klimaerwärmung und zusätzlich durch große Anstrengungen von Stadt, Land und Hausbesitzern: Nahezu alle Gebäude konnten isoliert werden, erhielten neue Fenster und wurden mit Solarthermie und Fotovoltaik ausgestattet. Die Anlagen gehören der VEB Stadtwerke Kiel, die daraus einen großen Teil ihrer Einnahmen bezieht, die im Bereich der Gasversorgung rückläufig waren. Die Einwohner zahlen einen festen Preis als Leasingrate und einen Anteil je nach Verbrauch. An der Leasingrate muss sich auch der Hausbesitzer beteiligen.
Seit der Umsetzung der EU-Verordnung braucht man in Kiel und vielen anderen Städten keine Arbeitslosigkeit mehr beklagen. Statt Panzer, Elektronik für militärische Antriebe und Steuerung wird jetzt in Busse, Bahnen und Schiffe und in die intelligente Energienutzung investiert. Das füllt dann auch das Stadtsäckel, weil ein großer Teil der Lohnsteuereinnahmen in der Kommune bleibt.

Endlich konnte das ÖPNV-Netz ausgebaut werden. Aufgrund der Überschüsse in der Stromproduktion aus Photovoltaik und Wind fahren viele Busse mit Elektroantrieb, andere wurden auf Wasserstoffantrieb umgestellt. Durch schnelle neue Querverbindungen von Ost nach West auf dem Wasser und unter Wasser (der Fernwärmetunnel wurde zu einem Fußgänger und Radfahrertunnel umgebaut), konnte der Anschlusstakt an den Haltestellen von früher 15-30 Minuten auf 7 Minuten verkürzt werden. In ca. 10 Minuten gelangte man nun von der Innenstadt nach Wellingdorf oder von Holtenau bis Gaarden, umweltfreundlich und risikofrei. Viele Menschen sind nun nicht mehr auf das Auto angewiesen, das ohnehin wegen der unattraktiven Benzinpreise überflüssig geworden war.

Gerade überqueren wir die Förde in Richtung Holtenau, mit Blick auf einen neuen klimaneutralen Stadtteil auf einem ehemaligen Militärstandort. 2.250 neue Wohnungen, überwiegend mit geförderten Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen entstanden hier direkt an der Kieler Förde. Fast wäre dieses Projekt der Klimaschutzstadt nach 9jähriger Planung und Verhandlung gescheitert. Ein breiter Protest der Bevölkerung verhinderte, dass die Marine im Zuge einer unglaublichen Aufrüstungskampagne der damaligen SPD/CDU-Regierung das Gebiet zurückkaufen konnte. Die teils wohnungslosen Menschen, die in Parks, in der Innenstadt und innerstädtischen Wäldchen in Zelten kampierten, verlegten ihre Zelte auf das MFG 5 Gelände und wurden von Studenten und Kieler Initiativen für bezahlbaren Wohnraum unterstützt und versorgt. Volksfeste, offene Seminare zum Thema Rüstungskonversion und klimaneutrales Bauen, solidarische Landwirtschaft und alternative Wohnformen für Jung und Alt belebten das Stadtviertel, so dass es kein Zurück zu „Kriegsertüchtigung“ mehr gab.

Bildung für Alle und Erziehung zu Frieden und Solidarität an Schulen und Universitäten wurde zu einem wichtigen Bestandteil der „Musterstadt“ Kiel. Die Kieler Kinder besuchen Ganztagsschulen, die ein gesundes Mittagessen bieten, und am Nachmittag in der Umgebung der Schule viele Freizeit- oder Weiterbildungsmöglichkeiten zur Auswahl bietet.

Überall an der Innenförde gibt es Bademöglichkeiten in sauberem Wasser mit attraktiven Stränden. Das zieht viele Touristen an. Direkt in der Innenstadt, zwischen Ernst-Busch-Platz und Halle 400 war ein Campingplatz entstanden. Das Sciencecenter als eine Einrichtung in kommunaler Hand, macht der Klimaschutzstadt alle Ehre: ein lichtdurchflutetes Gebäude, energieautark und deshalb preisgekrönt mit Weiterbildungsangeboten für Jedermensch zu allen Themen der Nachhaltigkeit. Neben informativen Ausstellungen und Lernstationen für Jung und Alt mit interaktivem Charakter gibt es ein Schwimmbad mit verglasten Innen- und Außenbecken. So kann man beim Schwimmen eine Blick auf die Fische und Pflanzen in Aquarien und der natürlichen Ostsee werfen.

Im überflüssig gewordenen Arbeitsamt sind Schüler und Studenten aus aller Welt untergebracht, die kostenfrei in Kiel Meereswissenschaften oder Umweltmanagement studieren können oder Praktika und Ausbildungen auf den Werften und dem Zentrum für alternative Antriebssysteme im Schwerlasttransport in Friedrichsort absolvieren.

Klimaschutzstadt Kiel wird ein Markenname – keine Worthülse mehr.

In Kiel entwickelten Werften, Fischereibetriebe und Meereswissenschaften mobile Fischzuchtanlagen auf der Ostsee. Diese waren notwendig geworden, weil durch die Überfischung der Meere robust gegengesteuert werden musste, bevor die Ökosysteme und die Versorgung der Menschen völlig zusammenbrachen.
Auch hier war es gelungen in internationaler Solidarität, dem gemeinsamen Vorgehen der Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen die Regierungen mit Streiks und massiven Protestaktionen dazu zu zwingen, dem Raubbau der Meere mit drastischen Verboten und Regelungen Einhalt zu gebieten.
Mensen und Restaurants weigerten sich, die überteuerten und teilweise kranken Fische ihren Gästen anzubieten. So war eine Absatzkrise entstanden, die eine andere Politik erforderte. Subventionen gab es nicht mehr. Fische durften nur noch für den persönlichen Bedarf und die unmittelbar Ernährung gefangen werden. Fischschutzgebiete wurden eingeführt und erweitert, tierquälerische Fangmethoden international geächtet.

Wie so etwas umsetzbar ist?

Wenn alle Betroffenen zusammenstehen und deutlich machen, dass wir uns nichts mehr gefallen lassen, dann geht mehr als mancher denkt. Einfach die demokratischen Rechte wahrnehmen:
- Demonstrieren, boykottieren, streiken.
- Internationale Solidarität mit den Hungernden und „Abgehängten Menschen“ statt Krieg um Öl, Wasser und andere Ressourcen.
- Banken und Energiekonzerne entflechten und enteignen und unter die demokratische Kontrolle der Kunden und Mitarbeiter stellen.
- Mehr Steuereinnahmen in die Hand der Kommunen, da wo die Menschen arbeiten, Schulen und Universitäten besuchen...
- Betriebe der Daseinsvorsorge wieder in die öffentliche Hand zurückführen.
- Inhalte in Lehre und Forschung nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten.
- Unsinnige Subventionen streichen.

Eva Börnig

Kommentar
Energiewende in Gefahr

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche – bis 2024 noch Vorstand der E.on-Tochter Westenergie – will die Axt an die Energiewende legen und lieber, wie berichtet, neue Gaskraftwerke bauen. Anlagen mit 20 Gigawatt Leistung stehen auf der Wunschliste ihrer Auftraggeber. Die ersten Neubauten sollen noch dieses Jahr ausgeschrieben werden. Die EU-Kommission wird vermutlich grünes Licht für die Subventionen geben, ohne die diese nicht betrieben werden können. „Verlässliche Grundlastkraftwerke müssen als Rückgrat der Versorgung neu aufgebaut werden“, verkündete Reiche Mitte September. Die bisherigen festen Einspeisevergütungen will sie streichen und eine Pflicht zur Selbstvermarktung für Anlagenbetreiber einführen. Der Ausbau der Offshore-Windparks soll verlangsamt und der Industriestrom noch stärker als bisher subventioniert werden. Gleichzeitig soll CCS, das Einfangen von CO2 aus Abgasen und dessen Einlagerung im Untergrund, als „Klimaschutztechnologie“ etabliert werden.
In der Windbranche sorgt die Ministerin damit für große Verunsicherung. Bei nur noch 59 Prozent der Hersteller herrscht Zuversicht, hat eine kürzlich durchgeführte Umfrage der IG Metall Küste ergeben. Entsprechend hagelt es harsche Kritik von den Metallern. Gut möglich allerdings, dass der Unmut schon bald ins eher standortnationalistische Fahrwasser umgelenkt wird, wie es einst vor mehr als zehn Jahren in der inzwischen mausetoten Solarindustrie der Fall war. Seinerzeit hatte eine schwarz-gelbe Bundesregierung den hiesigen Herstellern den Heimatmarkt ausgerechnet in einer Zeit abgewürgt, in der sie ohnehin mehr und mehr, hinter die chinesische Konkurrenz zurückfielen. Auf der Mitte September in Husum abgehaltenen internationalen Windmesse konnten nämlich chinesische Hersteller erstmalig einige Aufträge an Land ziehen. Ein Durchbruch für eine Industrie, die in der Zahl neuer Entwicklungen und Patente längst die europäische Konkurrenz weit hinter sich gelassen hat.
Allerdings haben Linke keinen Grund, sich auf derart standortbezogene Betrachtungen einzulassen. Wichtig wäre es vielmehr, die Marktförmigkeit der Stromproduktion und -verteilung infrage zu stellen. Denn diese dient vor allem den großen Akteuren, entmachtet kommunale Instanzen, führt zu zentralistischen Strukturen des Netzes und der Versorgung und spült Gewinne in private Kassen, die besser vor Ort in den Kommunen aufgehoben wären. Zudem geht sie auch noch in ihrer jetzigen Form mit dem Bau neuer Gaskraftwerke mit Abhängigkeiten von klimaschädlichen Gas-Importen einher. (wop)

Bündnis Klimagürtel:

Mythen und Fakten zum geplanten Bau der A 21 in Kiel

Die aktuelle Planung des Bundes sieht auf Kieler Stadtgebiet den vierspurigen Ausbau der B 404 als A 21 bis zum Barkauer Kreuz sowie den Bau einer weiteren Straße, der Nebenstrecke, durch den Kieler Grüngürtel vor. In aktuellen Diskussionen wird häufig sowohl der Ausbau zur Autobahn als auch der Bau der Nebenstrecke für den langsamen Verkehr  als alternativlos hingestellt. 

a21 kiel

Wir setzen den Mythen rund um die A21 einen Faktencheck entgegen – für die Natur und das (Stadt-)Klima, für Lebensqualität und für bessere Mobilität.

Mythos: Mit der A 21 und Nebenstrecke wird der Autoverkehr besser

Fakt: Ein durchgehend 4-spuriger Ausbau der Straße, egal ob als B 404 oder als A 21, löst das grundsätzliche Problem der zu vielen Autos im Kieler Süden sowie in der Innenstadt nicht. Es wird lediglich an das Barkauer Kreuz und den bereits hoch belasteten Theodor-Heuss-Ring (B76) verlagert. Der steigende Verkehr – laut Prognosen der Planungsgesellschaft DEGES – käme sogar noch „oben drauf“, was noch mehr Stau hieße. Anders als früher häufig angenommen würde auch eine zusätzliche „Südspange“ zur B76 keine Abhilfe schaffen. Dies wurde auch eindeutig in einem aktuellen DEGES-Gutachten festgestellt, das im Auftrag von Bund und Land erstellt wurde.
Im Ergebnis ist völlig unklar, wie zukünftig der (Auto-)Verkehr funktionieren soll, wenn die DEGES-Prognosen stimmen.

Mythos: Wir sparen Geld, weil der Bund nur eine Autobahn bezahlt, keine Bundesstraße

Fakt: Den notwendigen Neubau der B404-Brücke über die Bahnstrecke Kiel-Hamburg muss der Bund in jedem Fall finanzieren. Über den Rest können Bund, Land und Stadt verhandeln. Das Bundesfernstraßengesetz (§5a) gibt dafür die Grundlage. Unabhängig davon, aus welchem Steuermittel-Topf eine reine Bundesstraßen-Lösung finanziert würde: Es könnten mindestens 20 Mio € eingespart werden, wenn einvernehmlich auf Nebenstrecke mit zusätzlicher (!) Bahnbrücke und viel größerem Flächenverbrauch verzichtet würde. 

Mythos: Der Bund baut das Barkauer Kreuz auf eigene Kosten um

Fakt: Die gegenwärtig vorliegenden Planungen des Bundes enden vor dem Barkauer Kreuz. Wie das später einmal umgebaut wird, ist überhaupt noch nicht klar. Und wer das bezahlen wird, ist vertraglich zur Zeit noch nicht geregelt. Aktuell müsste die Stadt die Kosten übernehmen. Hinzu kommt: Mit der städtischen Machbarkeitsstudie von 2016 konnte man sehen, dass der erweiterte Platzbedarf für ein Autobahnkreuz zulasten angrenzender Wohn-Bebauung gehen könnte.

Mythos: Es muss auf jeden Fall eine Nebenstrecke gebaut werden

Fakt: Die Richtlinie für die Anlage von Landstraßen (RAL) besagt, dass ab 30.000 Autos prognostizierter täglicher Belastung auch eine Bundesstraße autobahnähnlich mit Nebenstrecke ausgebaut werden soll. Die juristische Einschätzung ist aber eindeutig: es handelt sich hierbei lediglich um eine „Soll-“Regelung - kein „Muss“. Alle Beteiligten können sich auf eine verträglichere und günstigere Lösung einigen.

Mythos: Steigender Autoverkehr ist ein unausweichliches  Schicksal

Fakt: Schon jetzt steigt der Autoverkehr nicht so wie ursprünglich prognostiziert, wie auch aktuelle Zahlen aus Kiel und dem Bund belegen. Dies ist einerseits eine Folge von verändertem Mobilitätsverhalten, z. B. durch Homeoffice und Deutschlandticket. Aber besonders in den größeren Städten beginnen auch Maßnahmen zur Verkehrswende zu greifen. Die Stadt Kiel beabsichtigt, u.a. mit Stadtbahn, Regio-S-Bahn und besseren Radwegen den Autoverkehr bis 2035 um 40% zu reduzieren. Fakt ist leider auch, dass die Prognosen im DEGES-Gutachten dies überhaupt nicht berücksichtigen. So wird unterschlagen, dass Gewerbegebiete und das geplante Neubaugebiet in Neumeimersdorf im Kieler Süden auch über die Stadtbahn angebunden werden könnten.  Dadurch würde die B404 von Autos entlastet. Steigender Autoverkehr ist kein unausweichliches Schicksal!

Mythos: Das A 21-Projekt ist kein Widerspruch zu Verkehrswende-Zielen der Stadt

Fakt: Die A 21 würde die Kieler Verkehrswende ganz konkret schädigen. Denn mit der Umleitung der Busse auf die Nebenstrecke würde die Haltestelle Spolertstraße an der B404 wegfallen – und somit die ÖPNV-Anbindung von „Grünem Herz“ und dem Quartier rund um die Hofteichstraße in Gaarden-Süd. Und die komplizierte Streckenführung der Nebenstrecke, mit zusätzlicher Brücke und steilen Rampen, würde insbesondere das Radfahren erheblich erschweren, verglichen mit dem jetzigen Zustand.
Die Verkehrswissenschaft weiß schon lange: „Wer Straßen sät, erntet Verkehr“. Statt weiter autogerecht zu planen, müssen die Alternativen gestärkt werden. Das betrifft auch besonders die Bahnanbindung Kiels für Menschen und Güter, die über Jahrzehnte völlig vernachlässigt wurde.

Mythos: Wenn man den Ausbau so „minimalinvasiv“ wie möglich durchführt, ist das alles gar nicht so schlimm.

Fakt: Die A 21 mit Nebenstrecke würde deutlich mehr Grünflächen zerstören und versiegeln als der Ausbau als  Bundesstraße, es gibt keinen „minimalinvasiven“ Ausbau. Grünachsen und Erholungsgebiete wie der Hörn-Eidertal-Wanderweg würden ersatzlos wegfallen. Zahlreiche Kleingärten würden verlorengehen, weitere wären im Bereich der Nebenstrecke verlärmt. Wichtige Frischluft- und Biotop-Verbundachsen des südlichen Grüngürtels würden zerschnitten. Die beste Lösung für Umwelt, (Stadt-)Klima und Natur ist ein Verzicht auf den unnötigen Autobahnbau.

Unsere Forderungen

  • Vollständiger Erhalt des bestehenden
    Grüngürtels
  • Eine  ökologische und sozialverträgliche Verkehrswende mit Ausbau ÖPNV, Schiene sowie Rad- und Fußverkehr
  • Die A 21 soll in Kiel-Wellsee enden, danach bleibt es eine Bundesstraße
  • Kein Straßenbau (Nebenstrecke) auf dem Hörn-Eidertal-Wanderweg
  • Erhalt der bestehenden Kleingärten

Aktiv werden & Mitmachen

Sprechen Sie Ihren Ortsbeirat sowie politische Vetreter*innen in der Ratsversammlung, im Land- und im Bundestag an. Werden Sie aktiv im Klimagürtel-Bündnis oder den unterstützenden Initiativen und planen Sie Aktionen mit. Mischen Sie sich  ein für eine lebenswerte Stadt!

Quelle, Infos und Unterstützer:
Bündnis: „Vorfahrt für den Klimagürtel“
info@klimaguertel.de
www.klimaguertel-kiel.de