Daten/Fakten  

   

Solidarische Landwirtschaft „Schinkeler Höfe“:

Erfolgreiches Jahr nach der Vereinsgründung

Solawi Logo webNach der Gründung des Vereins der Solidarischen Landwirtschaft Schinkeler Höfe im November 2022 (wir berichteten in der Ausgabe der LinX im März 2023) konnte der Verein auf der letzten Mitgliederversammlung am 19.11.2023 in Schinkel nach einem Jahr die erfolgreiche Umsetzung der neuen Vereinsstrukturen für alle Mitglieder präsentieren und gemeinsam feiern.

Insbesondere eine angepasste Finanzführung war wohl eine Herausforderung und wurde vom Verein mit guter Unterstützung sowohl zum Wohle der Solawi-Mitglieder als auch für die beteiligten Höfe zur Zufriedenheit aller umgesetzt. Eine weitere Herausforderung war die Logistik, d.h. die zuverlässige Bereitstellung und Lieferung des Ernteanteils. Ca. 500 Menschen teilten sich 202 Ernteanteile. Es werden 21 Depots in Kiel, Kronshagen, Eckernförde, Gettorf, Altenholz und Schinkel regelmäßig einmal die Woche beliefert.

Aufgrund der allgemeinen Kostensteigerungen insbesondere auch für die Höfe wurden im letzten Wirtschaftsjahr ab dem 1. April 2023 für den Ernteanteil 197,- Euro und für den Vereinsbeitrag (für Transport und Verwaltung) 16,- Euro monatlich festgelegt. Das hat sich bewährt und soll für das kommende Jahr so beibehalten werden, sofern weiterhin ca. 200 Mitglieder die Solawi unterstützen.

Eine mögliche Erhöhung des Ernteanteils um 10,- Euro soll auf einem nächsten Schinkeltreffen mit den beteiligten Betrieben rechtzeitig vor dem nächsten Wirtschaftsjahr festgelegt werden. Die Betriebe und der Verein hoffen, dass sich weiterhin ausreichend Solawi-Mitglieder für das nächste Wirtschaftjahr finden. Durch die die gestiegenen Energiepreise wird es für einige Familien finanziell knapp.

Für Familien oder Personen die zu wenig Einkommen haben, aber den Solawi-Gedanken unterstützen und an den ökologischen Lebensmitteln interessiert sind, bietet die Solawi-Gemeinschaft einen geringeren Soli-Beitrag an, der von einigen durch höhere Beiträge getragen wird. Dies soll auch ärmeren Familien ermöglichen an der Solawi teilzunehmen.

Vor Beginn eines Wirtschaftsjahres melden die „Geber*innen“ ihren zusätzlichen Beitrag der VerwaltungsAG. Auch die „Inanspruchnehmer*innen“ melden sich bitte vor Beginn des Wirtschaftsjahres bei der VerwaltungsAG. Nur so kann die Berechnung der solidarischen Ermäßigung eines Anteils rechtzeitig vor Beginn des Wirtschaftsjahres erfolgen.
Bisher musste die Solawi keine Werbung machen, denn die Idee hatte sich sehr schnell rumgesprochen. Jetzt ist es vielleicht nötig, noch mehr Menschen und Familien auf diese ökologische und solidarische Ernährungsgemeinschaft fern von den üblichen Einkaufsmärkten und Discountern aufmerksam zu machen.

Interessant ist es auch, dass sich die Solawi-Idee erfreulicherweise ausbreitet. Auf einigen Wochenmärkten ist auch der Hof Grossholz (Holzdorf) vertreten. Seit dem Frühjahr hat der Hof erfolgreich eine weitere Solidarische Landwirtschaft im Raum Schleswig/Eckernförde gegründet.

Die „Solidarische Landwirtschaft Schinkeler Höfe“ (Solawi) mit vier Bioland-Betrieben aus der Region Schinkel und privaten Haushalten aus dem Kieler Umland haben sich 2015 gegründet. Ziel ist es, die Betriebe, die Böden und die Landschaft zukunftsfähig zu erhalten und eine große Vielfalt regionaler Lebensmittel unter hohen ökologischen Standards zu erzeugen.

Gemüse • Brot • Milch • Fleisch • Käse
Gemeinsam und regional

Wir Teilnehmende ...
• wissen, woher unser Essen kommt!
• kennen die Betriebe und die Menschen, die dort arbeiten.
• sichern Höfe und Ackerland für eine zukunftsfähige, biologische Landwirtschaft.

Wir Betriebe widmen uns ...
• einer vielfältigen und naturverbundenen Landbewirtschaftung,
• einer artgerechten Tierhaltung und
• einer schonenden Verarbeitung zu Brot, Käse, Joghurt und Quark.

Wer wir sind:

Die Solidarische Landwirtschaft „Schinkeler Höfe“ liefert wöchentlich z. Zt. 202 Ernteanteile saisonaler Produkte an Depots zwischen Eckernförde und Kiel. Ein Ernteanteil reicht für 2 Personen, die gerne kochen. Diese unterstützen dafür die Betriebe mit 197 € im Monat und 16 € Vereinsmitgliedschaft.
Mit unserer Initiative wollen wir die wohnortnahe, kleinbäuerliche Landwirtschaft für die nächsten Generationen sichern. Die Bioland-Betriebe der »Schinkeler Höfe« liegen in und um Schinkel, nordwestlich von Kiel und arbeiten schon seit den 80er Jahren zusammen.


Der Wurzelhof – gegründet 1986
Der Anbau erfolgt heute auf etwa 11 ha im Freiland und in unbeheizten Folienhäusern. Dem Erhalt und der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit gilt stets besonderes Augenmerk: Bodenpflege statt Pflanzendüngung! Unsere Gemeinschaft erhält vom Wurzelhof eine breite Auswahl saisonaler Gemüsesorten.


Bildquelle: Wurzelhof

Hof Rzehak – seit 1985 biologisch bewirtschaftet
Auf dem Hof der Familie Rzehak leben ca. 35 Milchkühe mit ihrem Nachwuchs und zwei Schweine. Der Betrieb ist für den Verkauf von Vorzugsmilch zertifiziert. Neben der Bewirtschaftung des Grünlands für die Viehhaltung wird auf einigen Ackerflächen Getreide angebaut. Unsere Gemeinschaft erhält vom Hof Rzehak Fleisch und aus eigener Molkerei: Milch, Joghurt, Quark und Käse.


Bildquelle: Hof Rzehak

Vollkornbäckerei KornKraft – gegründet 1989
Verarbeitet werden fast ausschließlich Zutaten aus der Region Schinkel. Dabei wird ein besonderes Ideal gepflegt: In jedem Produkt kommt nur ein Backtriebmittel zum Einsatz, Vollkorn- und Auszugsmehl werden nicht vermischt und es werden keine Zusatzstoffe verwendet. KornKraft versorgt uns mit Brot, Brötchen, und Getreide.

Hof Mevs – seit 1988 biologisch bewirtschaftet
Ab 2020 gibt es zwei Betriebe auf dem Hof: Im Ackerbau gibt´s neue Kulturen wie Buchweizen und Linsen und eine eigene Getreidmühle. Im Bereich Milchziegen dürfen die Lämmer bei ihren Müttern aufwachsen, auch die männlichen Tiere. Auch eine Molkerei gibt es . Die Solawi erhält vom Hof Mevs Ziegenkäse und -fleisch, Kartoffeln, Linsen, Buchweizen und verschiedene Getreideprodukte.


Bildquelle: Hof Mevs - Ziegen


Bildquelle: Hof Mevs – Pflanzen

Mitmachen? Wie lange muss ich mich binden?
Der Mitgliedsantrag ist bindend für ein Wirtschaftsjahr (vom 01.04. bis 31.03.). Die Mitgliedschaft verlängert sich um ein weiteres Wirtschaftsjahr, wenn nicht bis zum 15.01. des laufenden Wirtschaftsjahres gekündigt wird.

Am 1. April 2024 geht‘s los ins 10. Wirtschaftsjahr. Anmeldung unter:
verwaltung@schinkelerhoefe.de

Informationstreffen in der Pumpe:
Treffen am jeden 4. Dienstag im Monat, um 19.00 Uhr in der Pumpe, Haßstraße 22, Kiel.

Interessierte sind herzlich willkommen!
Mehr Informationen: www.schinkeler-hoefe.de
(uws)

nationalpark logoFür einen Nationalpark Ostsee!

Extrem-Lebensraum in Gefahr

Die Ostsee ist ein einzigartiger Extrem-Lebensraum: Nordsee-ähnlichem Salzgehalt im Westen bis zu fast-Süßwasserbiotopen an der baltischen Küste. Seegraswiesen, Tangwälder, Muschelbänke und Weichkorallenriffe sind einige Beispiele für besonders schützenswerte Lebensgemeinschaften, die Fischen und anderen Meerestieren als Kinderstuben dienen. Sie sind die Basis für die gesamte Nahrungspyramide bis hinauf zu Schweinswalen, Seehunden und Kegelrobben.

Doch diese Lebensräume sind gefährdet. Das hat unter anderem der aktuelle Ostsee Report „State of the Baltic Sea“ der Helsinki-Kommission (HELCOM) gezeigt. Die Gefährdung der Ostsee durch den Klimawandel wird verstärkt durch den Eintrag von Nährstoffen (Eutrophierung), von Giftstoffen, durch Überfischung und weitere wirtschaftliche Nutzung.
Die Entnahme von Steinen hat festen Untergrund entfernt, auf dem sonst Tang, Muscheln und Nesseltiere leben. Baumaßnahmen für Offshore-Windparks oder Tunnel vernichten Lebensräume langfristig. Aber der HELCOM-Bericht macht auch Hoffnung: Maßnahmen gegen die schädlichen Einträge und gegen die Übernutzung haben einen messbaren Effekt, wenn sie konsequent angewendet werden!

Gute Gründe für einen Nationalpark

Wir setzen uns für den konsequenten Schutz der Ostsee ein und sind überzeugt, dass dies am besten mit einem Nationalpark funktioniert.

Warum?
1. Nationalparke wurden dafür geschaffen, einzigartige Naturräume zu erhalten, damit auch unsere Kinder und Enkel hier noch beeindruckende Naturerlebnisse genießen können. Dies war bereits das Ziel des ersten Nationalparks der Welt, Yellowstone in den USA. Es beinhaltet also ganz klar, dass ein Nationalpark sowohl den Menschen als auch der Natur Raum bieten muss – in der Praxis geschieht das durch verschiedene Schutzzonen. Auch eine Wiederherstellung von zerstörten Lebensräumen gehört zum Nationalparkkonzept – genau richtig für unsere gebeutelte Ostsee.

2. Wer hier lebt oder hier Urlaub macht, liebt die Natur und möchte auch im nächsten Sommer noch in der blauen Ostsee baden, möchte Vögel und Seehunde sehen. Deshalb wollen wir die Natur schützen!

3. „Nationalpark“ ist eine international bekannte Schutzkategorie und eine echte Erfolgsmarke. Untersuchungen zeigen, dass viele Menschen, gerade solche, die außerhalb der Hochsaison Ruhe und Erholung suchen, ihr Urlaubsziel bewusst nach der intakten Natur auswählen. Der Nationalpark kann den nachhaltigen Tourismus ankurbeln und für bessere Auslastung in der Nebensaison sorgen.

4. Ein Nationalpark hat eine eigene Verwaltung, die vom Land finanziert wird und Ressourcen für Tourismus-, Forschungs- und Umweltbildungsprojekte hat. Bisher sind die unteren Naturschutzbehörden von vier Kreisen und drei kreisfreien Städten für die schleswig-holsteinische Ostsee zuständig. Sie müssen zusätzlich viele andere Aufgaben im Binnenland bewältigen und sind von der klammen kommunalen Kassenlage abhängig. Mit einem alleinigen Ansprechpartner wird außerdem die Bürokratie vermindert, indem Anfragen und Maßnahmenvorschläge nicht mehr wie bisher durch zahlreiche Hände und Abteilungen wandern müssen.

5. Eine zentrale Nationalpark-Verwaltung sorgt zudem für passende Regelungen in den verschiedenen Schutzzonen. Dazu wird mit den Interessengruppen ausgehandelt, wo menschliche Aktivitäten Vorrang haben sollen und wo die Natur sich ungestört entfalten darf. Verhandlungspartner können unter anderem Wassersport-, Tourismus- und Fischereiverbände sein.

6. Lebensräume wie Seegraswiesen zu schützen, schützt auch das Klima: Seegraswiesen können große Mengen CO2 speichern. In sogenannten Kernzonen des Nationalparks können sie sich ausbreiten. Dies betrifft auch den Schutz vor zukünftigen Flächennutzungsinteressen wie industriellem Rohstoffabbau oder Offshore-Windkraft.

7. Umweltbildung spielt in jedem Nationalpark eine zentrale Rolle: Kinder- und Jugendgruppen, Labore und Ausstellungen für junge und erwachsene Naturinteressierte, Schnorcheltouren und Seehund-Safaris können von Nationalpark-Ranger*innen oder Nationalpark-Partnerbetrieben umgesetzt und durch die gemeinsame Marke „Nationalpark Ostsee“ beworben werden.

8. Durch einen Nationalpark könnten mehr Fördergelder für die Region zur Verfügung stehen, um zum Beispiel die Zusammenarbeit mit den küstennahen landwirtschaftlichen Betrieben zu stärken und ihnen ein Auskommen mit umweltschonender Landwirtschaft zu ermöglichen. Fördermittel könnten auch für nachhaltige Tourismus-Projekte, eine Umstrukturierung der Fischerei und Umweltbildung eingesetzt werden.

9. Munitions-Altlasten in der Ostsee müssen so früh und so umfassend wie möglich geborgen werden – aber das ist völlig unabhängig von der Einrichtung eines Schutzgebiets und kann auch in einem Nationalpark geschehen.

Wie geht es der Ostsee jetzt?

Welche Maßnahme auch immer wir zuerst anpacken – klar ist: Wir müssen die Ostsee besser schützen! Dorsch, Hering und Co. werden immer seltener und Todeszonen breiten sich aus. Todeszonen sind lebensfeindliche Wasserschichten ohne Sauerstoff, die sich vor allem im Sommer am Grund der Ostsee bilden. Durch den übermäßigen Nährstoffeintrag wachsen viele Algen, die auf den Meeresgrund sinken und dort von Bakterien zersetzt werden, die dabei Sauerstoff verbrauchen. Ohne Sauerstoff sterben Fische, Muscheln und viele andere atmende Lebewesen.

Fake News zum geplanten Ostsee-Nationalpark

Ein Nationalpark bedroht unsere traditionelle Küstenfischerei in ihrer Existenz.

Die Fischerei ist vor allem dadurch bedroht, dass die Fische immer seltener werden. Dies liegt an der jahrelangen schlechten Bewirtschaftung durch zu hohe Fangquoten, an der schlechten Wasserqualität, an der Vernichtung von Lebensräumen und auch am Klimawandel. Beispielsweise kommt der Dorsch mit den höheren Wassertemperaturen nicht zurecht.
Ein Nationalpark trägt dagegen zum Schutz der Fischpopulationen bei: Die Wiederherstellung von Lebensräumen sowie fischereifreie Kernzonen ermöglichen es vielen Arten, sich zu erholen und Schutz zu finden. Erholte Fischbestände kommen der Küstenfischerei zu Gute. Eine Umstrukturierung der Fischerei hin zur Stärkung der kleinen Küstenfischerei mit schonenden Fanggeräten wäre dafür dringend nötig.

Im Nationalpark ist kein Wassersport möglich.

Wo welcher Sport möglich ist, wird zusammen mit den Verbänden ausgehandelt. Für Kite-Surfer wird es ausgewiesene Spots geben, sogar der Bau von Unterständen für Winter-Wassersportler ist denkbar. Segeln und Paddeln, was ruhiger abläuft und die Vögel weniger aufschreckt, wird fast überall erlaubt sein, ebenso das Baden an den bekannten Badestränden. Aber es muss auch Bereiche geben, in denen Tiere und Pflanzen völlig ungestört sind, denn im Gegensatz zu Menschen können sie nicht einfach ein paar hundert Meter weiter ihr nicht vorhandenes Wohnmobil aufstellen.
Entgegen vieler Behauptungen ist es übrigens allein im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer an 22 Stellen erlaubt, jeden Wassersport zu betreiben, der nicht auf Motor-Antrieb angewiesen ist. Dies bedeutet, auch Wingsurfen etc, ist in diesen Wassersport-Spots erlaubt! Motorboote können trotzdem zum Einsatz kommen, z. B. als Regatten-Begleitboote oder für Rettungsübungen und –Einsätze. Dies wird in der Befahrensverordnung klar geregelt!

Der BUND fordert
• Ausweitung der nutzungsfreien Zonen im Nationalpark sowie den marinen Naturschutzgebieten!
• Schutzgebiete mit Nullnutzungszonen im Meer einrichten!
• Verbindlicher Zeitplan für den zeitnahen Ausstieg aus der Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer!
• Flüsse für Aal & Co. wieder durchgängig machen!
• Illegale Fischerei durch strenge Kontrollen verhindern!
• Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Entwicklung von Alternativen zu Stell- und Schleppnetzen!

(Quelle: https://www.bund-sh.de/meere/)

 

Industriestrom:

Noch mehr Subventionen?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will einen besonders günstigen Stromtarif für Industriekunden einführen. Der DGB möchte diese Subventionen ebenfalls, auch die SPD, der Verband der chemischen Industrie und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Nur die FDP sträubt sich noch. Die Ampelparteien konnten sich in Berlin bisher nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen.

Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sei gefährdet, heißt es von den Befürwortern. Die hiesige Industrie habe viel höhere Energiekosten als in anderen Ländern, schallt es seit Monaten aus fast allen Kanälen. Mal dahingestellt, ob das mit den höheren Kosten überhaupt stimmt, muss man aus globaler Perspektive jedoch fragen, wo eigentlich das Problem wäre, wenn die hiesige Exportwirtschaft mal ein wenig im Wettbewerb zurückfallen würde. Schließlich hat Deutschland seit Jahrzehnten einen notorisch hohen Handelsbilanzüberschuss, der für allerlei Ungleichgewichte im Welthandel sorgt und unter anderem auch maßgeblich zu den großen Problemen der südeuropäischen Länder beiträgt.

Aber natürlich verfängt hierzulande die Angstmacherei vor etwaigen Schwierigkeiten in der Exportindustrie und das Gerede von der drohenden Abwanderung der Industrie nur zu gut. Fest, sehr fest ist der Standortnationalismus in die Köpfe eingebrannt und blockiert dort naheliegende Fragen nach weltwirtschaftlichen Gleichgewichten, nach Sinnhaftigkeit und Umweltverträglichkeit des Produzierten oder nach auch Arbeitszeitverkürzung als Alternative zu Entlassungen bei Absatzrückgang.

Doch all das nur am Rande. Hier soll es um Habecks Industriestrompläne gehen. Der Minister möchte gern für energieintensive Unternehmen einen sogenannten Brückenstrompreis einführen. Bis 2030 sollen sie Strom aus dem öffentlichen Netz für sechs Cent pro Kilowattstunde beziehen können. Danach würde es dann – vor dem Hintergrund eines beschleunigten Ausbaus von Solar- und Windenergie – diverse Erleichterungen und Regelungen geben, die den Verbrauch von Grünstrom in den Betrieben verbilligt und besonders attraktiv machen.

Finanziert werden soll der Brückenstrom, so ein Arbeitspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima, aus öffentlichen Mitteln, und zwar aus dem „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ der während der Corona-Pandemie geschaffen wurde und mit der Aufnahme von Krediten gefüllt wird. Allerdings will das Ministerium den Empfängerkreis klar eingegrenzt sehen. Das Ministerium spricht vor allem von der Grundstoffindustrie im Bereich der Chemie-, Stahl-, Metall-, Glas- oder Papierindustrie, die gefördert werden müsse. Auch Batteriefabriken, Fotovoltaik-Produktion, Halbleiterfertigung und ähnliches kann man sich als Empfänger vorstellen.

Der Preisnachlass sollte nach den Vorstellungen des Habeck-Ministeriums nur auf 80 Prozent des Verbrauchs gewehrt werden, um Anreize zum Stromsparen zu erhalten. Immerhin sind die Einsparpotenziale in der Industrie allem Gejammer über die hohen Preise zum Trotz noch immer beachtlich, wie auch das Bundeswirtschaftsministerium konstatiert.

Der Zuschuss soll sich nach dessen Vorstellungen nicht am tatsächlich gezahlten Preis orientieren, sondern am durchschnittlichen Börsenstrompreis im Jahr. Liegt dieser über sechs Cent pro Kilowattstunde – was auf absehbare Zeit der Fall sein wird –, dann bekommt das Unternehmen diesen Differenzbetrag für 80 Prozent des im Jahr verbrauchten Strom ausbezahlt. Auch wenn dieser tatsächlich günstiger eingekauft wurde.

Die Idee dabei ist, die Unternehmen dazu anzuhalten, trotzdem nach den günstigsten Angeboten zu suchen. Diese gibt es meist, wenn besonders viel Sonnen- oder Windstrom im Netz ist, den die Übertragungsnetzbetreiber bei den derzeitigen Regeln des Erneuerbare-Energie-Gesetzes zu jeden Preis an der Börse verkaufen, manchmal gar verschenken müssen. Wer seinen Verbrauch flexibel steuern kann oder sich größere Speicher zulegt, könnte auf diese Weise unter Umständen ein richtiges Schnäppchen machen. 25 bis 30 Milliarden Euro könnten diese Geschenke bis 2030 kosten, wird laut Tagesschau.de geschätzt.

Die Förderung sowohl mit dem Brückenstrompreis als auch mit den Programmen für vergünstigten Grünstrom nach 2030 soll an verschiedene Verpflichtungen der Unternehmen gebunden werden, wie etwa langfristige Standortgarantien, Klimaneutralität bis 2045 und Tariftreue. Das wären immerhin deutlich mehr Bedingungen, als in den letzten beiden Jahrzehnten mit Konjunktur- und Krisenprogrammen wie zuletzt während der Pandemie verbunden waren.

Aber das sind, wie gesagt, zunächst nur die Vorschläge aus dem Wirtschaftsministerium. Wie viele der positiv zu wertenden Einschränkungen und Vorbedingungen dann tatsächlich im koalitionsinternen Handel und einem etwaigen Gesetzgebungsprozess überleben, ist eine ganz andere Frage. Die FDP macht sich zur Zeit in der Frage Industriestrompreis zum Vertreter mittelständischer Unternehmen. Deren Verbände sind wenig erfreut von den Plänen, weil sie leer ausgehen würden und die Stärkung der großen Konkurrenz befürchten. Denkbar wäre also, dass im Ergebnis dieses Gezerres die Subventionen letztlich doch eher mit der Gießkanne verteilt und auf Garantien seitens der begünstigten Unternehmen verzichtet wird.

Unklar ist auch noch, ob die Subventionen den Segen der Wettbewerbswächter in der EU-Kommission bekämen. Letztlich wird das vermutlich von den neuen Regeln für den Strommarkt abhängen, über die die Regierungen derzeit verhandeln. Frankreich will unbedingt neue Vertragsformen einführen, die seinen alten und uralten Meilern sichere Einnahmen verschafften und ihren möglichst langen Weiterbetrieb absicherten. Die Bundesregierung hat wiederholt dagegen polemisiert, doch inzwischen scheint ein Kuhhandel möglich.

Zeit vielleicht noch einmal daran zu erinnern, dass der Strom für Industriekunden und Großabnehmer ohnehin seit eh und je in unterschiedlichen Formen vergünstigt ist. Zum Beispiel dadurch, dass Privatkunden einen höheren Preis bezahlen müssen. Die diversen Steuern und Abgaben außer Acht gelassen zahlten Private 2023 bisher im Durchschnitt 33,8 Cent pro Kilowattstunde für Beschaffung, Vertrieb und Netzentgelte. Industriekunden mussten hingegen im Durchschnitt nur 23,64 Cent pro Kilowattstunde für diesen Teil des Strompreises hinlegen.

Ist das soviel mehr, als in anderen Ländern? „Exorbitant hohe Strompreise“ zahle die deutsche Industrie im Vergleich zu Ihrer Konkurrenz, meinte im Mai BDI-Präsident Siegfried Russwurm gegenüber der Tagesschau. Stimmt das?

Das EU-Statistikamt gibt für das erste Halbjahr 2023 einen Preis für Nichthaushaltskunden von knapp 27 Cent pro Kilowattstunde an. Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft gibt für das erste Halbjahr 2023 einen durchschnittlichen Preis von 26,5 Cent pro Kilowattstunde an. Davon sind knapp drei Cent Steuern und Abgaben. (Private Verbraucher zahlen in Deutschland derzeit pro Kilowattstunde Strom im Durchschnitt 12,47 Cent an Steuern und Abgaben.)

strompreis f r die industrie inkl

In Italien, Belgien, den Niederlanden und in einigen osteuropäischen Ländern muss die Industrie laut Eurostat mehr bezahlen, andere Länder, wie etwa Frankreich, aber seit neuestem auch Dänemark, haben den Industriestrompreis zum Teil schon deutlich gedrückt. Nach Angaben der Plattform GlobalPetrolPrices.com mussten im März in China Gewerbekunden umgerechnet acht und in den USA 13,1 Euro-Cent pro Kilowattstunde zahlen, aber das sind nur bedingt vergleichbare Momentaufnahmen.

Von „exorbitant“ kann also nicht die Rede sein, wohl aber davon, dass Deutschland sich mit seinen Industriestrompreisen im oberen Drittel bewegt, und dass es trotz EU offensichtlich einen Wettbewerb gibt, die heimische Industrie mit niedrigen Strompreisen zu begünstigen. Aber ist das ein Grund auch hierzulande Großverbraucher noch mehr als ohnehin schon zu belohnen? Sollte man nicht eher Stromsparen stärker fördern?

Die Industrie ist nach Angaben des Umweltbundesamtes für 45 Prozent des hiesigen Stromverbrauchs verantwortlich, und dieser Anteil wird vermutlich weiter steigen, wenn zum Beispiel die Stahlproduktion und die Wasserstofferzeugung für die Chemieindustrie auf Strom umgestellt werden.

Da wird es eigentlich dringend Zeit mal darüber nachzudenken, ob wir tatsächlich 48,8 Millionen Pkw brauchen. Oder ob VW nicht doch lieber Busse und Straßenbahnen produzieren sollte. Das wäre sogar arbeitsintensiver als die Pkw-Produktion, aber es müsste weniger Material und Energie aufgewandt werden. Und es könnten in Wolfsburg zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, statt diese – wie derzeit geplant – zu reduzieren.

Doch die Prioritäten der Bundesregierung und der Industrie sehen anders aus. Das machte kürzlich auch die Initiative Energien Speichern e.V. deutlich. Der Verein ist ein Zusammenschluss von Betreibern deutscher Gas- und Wasserstoffspeicher und gibt regelmäßig Prognosen zur Gas-Versorgungssicherheit ab, wie zuletzt Mitte Oktober. Demnach müsse man sich beim Gas keine allzu großen Sorgen machen, die Speicher seien zu fast 100 Prozent befüllt. Nur wenn es extrem kalt werden sollte, könne es zu einer „Gasmangellage“ kommen. In einer solchen Situation könne „vor allem die Gruppe der Haushalte und Gewerbekunden durch Einsparmaßnahmen einen großen Beitrag zum Erhalt industrieller Produktionsprozesse in Deutschland leisten“. Frieren zum Wohle der Exportindustrie? Zeit aus Standortnationalismus und Wachstumswahn auszubrechen. (wop)

Neuer Regionalplan für S-H:

Der Kampf für Erhalt von Naturflächen und Ackerland

Vormarsch der Gewerbegebiete verdrängt Natur und Landwirtschaft

Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat im Mai Entwürfe für die neuen Regionalpläne vorgelegt. Nur noch bis zum 9.11.2023 findet ein öffentliches Beteiligungsverfahren statt, wo sich alle Menschen, Vereine und Verbände, Städte und Gemeinden mit Stellungnahmen und Änderungsvorschlägen einbringen können.

In drei Planungsräumen in Schleswig-Holstein werden die Ziele und Grundsätze der Raumordnung verbindlich vorgegeben, d. h. wie sich die Siedlungsstruktur, Freiräume und Infrastruktur in Zukunft entwickeln soll. Genau genommen ist es ein Kampf um die Fläche; wer darf was mit dem öffentlichen Land machen. Dabei ist ziemlich klar, dass es um die Aufteilung geht, wo es noch Naturland und landwirtschaftliches Land geben soll und wie stark sich Siedlungsgebiete und Gewerbegebiete ausbreiten dürfen.

Regionale Grünzüge und Landschaftsschutzgebiete sind seit Jahren auf dem Rückzug. Bei Kernbereichen für Tourismus werden noch Bedenken angemeldet. Über den Rückzug der Landwirtschaft wird gar nicht mehr geredet.

Die öffentliche Beteiligung und Einsicht in die Raumordnungspläne ist möglich über die Internetseite der Landesregierung: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/planen-bauen-wohnen/regionalplaene/regionalplaene_node.html
Die Pläne und Karten kann man hier anschauen oder runterladen: https://www.bolapla-sh.de/

Städte und Gemeinden haben sich mit ihren Wünschen schon eingebracht. Dabei geht es meistens um die Erweiterung der Siedlungsgebiete für den Wohnungsbau und um neue Gewerbegebiete. Hierfür gibt es ausreichend Lobbyverbände bzw. Wirtschaftsausschüsse der Gemeinden, die die Notwendigkeit der Erweiterung der Flächen mit der wachsenden Bevölkerung und den notwendigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer begründen. Hintergrund ist hier meistens die Unterfinanzierung der Kommunen, die aus der Einkommenssteuer von der Bundesregierung max. 12-13 % erhalten, weswegen sich immer mehr Gemeinden und vor allem die großen Städte stark verschuldet haben. Und dies trotz eines immer weiter wachsenden Anteils an Gewerbe- und Industrieflächen.

Auf der Seite der Natur sieht es schwierig aus. Der BUND versucht in S-H ein Gegenpol für den Erhalt der Schutzgebiete, der grundlegenden Grünzüge und der Erholungsgebiete zu bilden und sammelt landesweit die Einwendungen gegen den zunehmenden Flächenverbrauch der Zivilisation.

Der BUND schreibt dazu:
„• Die Menschen und ihre Organisationen in SH beanspruchen Raum für die unterschiedlichsten Zwecke.
• Die sehr unterschiedlichen Raumnutzungsinteressen sollen eine überörtlichen Koordination und Planung erfahren, um durch die Regionalpläne
- drohende Nutzungskonflikte im Vorfeld zu vermeiden,
- verletzliche Nutzungen vor Inanspruchnahme zu schützen,
- ausreichend Fläche für zukünftige Bedarfe zu sichern,
- den Raum im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu ordnen,
- zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beizutragen.“

Ob diese Einordnung der aktuellen Gefahr des immer stärken Rückdrängens der Natur gerecht wird, sei dahingestellt. Aber die Hoffnung besteht, dass die Einwendungen des BUND gehört werden und keine Verschlechterungen gegenüber den alten Regionalplänen von 2020 und den Vorgaben aus dem Landesentwicklungsplan 2021 stattfinden.

Dazu die Pressemitteilung des BUND S-H vom 29.06.2023:

BUND Schleswig-Holstein: Klimaschutz, Biodiversität und Flächenverbrauch müssen stärkere Priorität in den Regionalplänen haben
„Die Regionalpläne für die drei Planungsräume in Schleswig-Holstein müssen Antworten auf die globalen Megatrends der nächsten Jahrzehnte geben. Hierzu zählen der Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, der Schutz und die Förderung der Biodiversität und eine deutliche Verminderung des Flächenverbrauchs“, erläutert Dietmar Ulbrich, der seit Mai neuer Landesvorsitzender des BUND SH ist. Und weiter: „Die Weichen müssen jetzt richtig gestellt werden. Die Regionalpläne legen die raumordnerischen Vorgaben für die nächsten 15 Jahre fest“.
Gemäß der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie soll der Flächenverbrauch bis 2030 auf unter 1,3 Hektar pro Tag reduziert werden. In Schleswig-Holstein steigt der Wert dagegen ungebremst. Der Flächenverbrauch liegt im langjährigen Durchschnitt inzwischen sogar bei 3,5 Hektar pro Tag. „Die Regionalplanung muss deshalb durch konkrete Vorgaben für die Planungsräume einen Beitrag leisten, um den Zuwachs des Flächenverbrauchs innerhalb weniger Jahre auf 1,3 Hektar pro Tag zu begrenzen“, ergänzt Merlin Michaelis, Projektleiter Regionalpläne beim BUND SH.
Um die Biodiversität zu erhalten, hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen zu schützen. Laut aktueller Biotopkartierung stehen in Schleswig-Holstein bisher jedoch nur etwa 11 Prozent der Landesfläche unter Schutz. Deshalb fordert der BUND SH, die Vorranggebiete für den Naturschutz zu vergrößern und auch die Vorbehaltsgebiete für Natur und Landschaft besser zu schützen. „Diese naturschutzrelevanten Flächen müssen großflächig und verbindlich ausgewiesen werden. In ihnen muss dem Schutz und der Entwicklung der Biodiversität unbedingt Vorrang eingeräumt werden,“ so Bini Schlamann, Referentin für Agrar- und Biodiversitätspolitik beim BUND SH.
Mit der Darstellung von Vorranggebieten für den Küstenschutz und die Klimafolgenanpassung im Küstenbereich wird in den Regionalplänen lediglich eine Maßnahme als Reaktion auf den Klimawandel verankert. „Dringend erforderlich ist es aber auch, Maßnahmen zum biologischen Klimaschutz auf dem Festland zu formulieren, beispielsweise durch Vorgaben zum Umgang mit den Böden, die in den Landschaftsrahmenplänen ausgewiesen worden sind. Ebenso wären Flächen zur Waldaufforstung, zur Grünlandausweitung und solche zu gezielten Grundwasserstandsanhebungen in die Regionalpläne aufzunehmen, um Kohlendioxid zu binden und dauerhaft festzulegen“, so Michaelis abschließend. Soweit die Presseerklärung des BUND SH.

Die Gefahr des Rückdrängens der Natur ist groß. Hier einige Beispiele:

• Die Gemeinde Dänischenhagen plant die Erweiterung des interkommunalen Gewerbegebiets Lehmkaten (Dänischenhagen-Altenholz-Kiel) um 19 ha und es wurde bereits im neuen Regionalplan aufgenommen. Die Fläche wird derzeit landwirtschaftlich genutzt. Ackerland wird aber als geringwertiger eingeordnet und soll dem Gewerbegebiet weichen. Das geplante Gewerbegebiet liegt in einem historischen Grünzug, der mit dem östlich der B 503 gelegenen Landschaftsschutzgebiet Heischer Tal bis hin zur Förde verbunden und Teil eines im Landesentwicklungsplan ausgewiesenen Grünzuges ist und grenzt die bestehende Grünzäsur Richtung Ostsee weiter ein. Der Erhalt von unzerschnittenen Räumen, wie es im Landschaftsrahmenplan vorgegeben wird, ist wichtig. Die Fläche ist eine typische Kulturlandschaft die zukünftig naturverträglicher genutzt werden könnte, um sie als Übergang in ein zukünftiges Landschaftsschutzgebiet mit einer besonderen Erholungseignung zu entwickeln. Es geht mit der Gewerbegebietserweiterung wertvolles Ackerland unwiederbringlich verloren, das zukünftig für die wohnortnahe Nahrungsversorgung wichtig sein könnte. Durch den Flächenverbrauch für Gewerbe- und Wohnungsbau entsteht eine zunehmende Flächenkonkurrenz zur Landwirtschaft und eine immer stärkere Verdrängung von Naturlandschaft.

----------

Wozu gibt es regionale Grünzüge:
6.3.1 Regionale Grünzüge – Grundsätze und Ziele der Raumordnung
- In den Ordnungsräumen (Kapitel 2.2) kommt dem langfristigen Schutz unbesiedelter Freiräume eine besondere Bedeutung zur Sicherung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Siedlungsansprüchen und ökologischer Qualitätssicherung des Raums zu. Daher sind in den Regionalplänen außerhalb der Siedlungsachsen und besonderen Siedlungsräume (Kapitel 3.3 Absatz 5) regionale Grünzüge auszuweisen. Diese dienen als großräumig zusammenhängende Freiflächen
• der Gliederung der Ordnungsräume (Kapitel 2.2),
• dem Schutz der Landschaft vor einer großräumigen Zersiedelung (Kapitel 3.9),
• der Sicherung und Entwicklung wertvoller Landschaftsbereiche (Kapitel 6.2),
• dem Biotopverbund und dem Gewässerschutz (Kapitel 6.2),
• dem Geotopschutz (Kapitel 6.2),
• dem Grundwasserschutz (Kapitel 6.4),
• der Klimaverbesserung und Lufthygiene (Kapitel 6.1) sowie
• der siedlungsnahen landschaftsgebundenen Erholung (Kapitel 4.7).

----------

• Die Gemeinde Altenholz plant die Erweiterung städtischer Siedlungsbereiche im Nahbereich der Stadt Kiel, hier das Wohnungsbaugebiet „Brammerkamp“. Es beeinträchtigt den bestehenden Grünzug und sollte eher als Schutzgebiet, aber nicht als Siedlungsgebiet ausgewiesen werden. Hinzu kommt, dass die direkt am „Brammerkamp“ befindlichen Moorflächen gefährdet sind, weil durch ein neues Baugebiet das Wassersystem des Moores geschädigt werden könnte. Auch dies Gebiet wurde bereits im neuen Regionalplan als Siedlungsgebiet aufgenommen. Die Gemeinde Altenholz möchte zusätzlich noch einen bestehenden Grünzug zwischen den Stadtteilen Klausdorf und Stift für zukünftige Baumaßnahmen freistellen lassen. Auch hier ist zu betonen, dass Grünzäsuren in der Gemeinde Altenholz unangetastet bleiben müssen. Grünzüge dürfen nicht unterbrochen werden und sind zu erhalten, um die Biotopvernetzung zu ermöglichen.

• Besonders schwierig wird es mit der Stadt Kiel. Sie wenden sich in einer Stellungnahme zum neuen Regionalplan auf der Ratsversammlung am 21.9.2023 gegen zu wenig Freiraum für Wohnungsbau und Gewerbe- und Industriebetriebe und berufen sich auf den Landesentwicklungsplan wo in Kap.2.2 2 G festgehalten wird: „Flächen für Gewerbe- und Industriebetriebe sowie für Wohnungsbau sollen in ausreichendem Umfang vorgehalten werden.“
„Die Landeshauptstadt Kiel hält somit eine Überarbeitung des Regionalplans mit einer räumlich und nach Wohnungsmarktsegmenten differenzierten Bedarfsermittlung sowie eines Abgleichs mit dem durch den Regionalplan ermöglichten Siedlungserweiterungen für erforderlich, um den Wohnungsmarkt in Kiel und im Kieler Umland zu entspannen, somit auch bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und die Siedlungstätigkeit auf mit einer nachhaltigen Mobilität Standorten und Bereichen zu fokussieren. Es ist voraussichtlich angeraten, dass das Land dann auch aktiver in die Kommunikation mit Gemeinden treten, die potenziell einen signifikanten Beitrag zum Wohnungsmarkt leisten könnten, um unter Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit eine gute Entwicklung der Region zu befördern.“
Als Konsequenz fordert die Stadt Kiel deshalb z.B. für die Wohnungsbaumaßnahmen in Suchsdorf im Regionalplan auf die Ausweisung eines regionalen Grünzugs zu verzichten:
„In regionalen Grünzügen darf planmäßig nicht gesiedelt werden, daher fordert die Landeshauptstadt Kiel, auf die Festlegung eines regionalen Grünzuges im Bereich westlich von Suchsdorf-West zu verzichten. Die Landeshauptstadt Kiel wird gemäß der Stellungnahme zum Entwurf des Landschaftsrahmenplans und gemäß der kommunalen Beschlusslage dafür Sorge tragen, dass den Erfordernissen von Natur und Landschaft in diesem Bereich Rechnung getragen wird.“

Und zu den Interessen der Wirtschaft: „Die Landeshauptstadt Kiel merkt mit Verweis auf die Ergebnisse des regionalen Gewerbeflächenmonitorings des Planungsdialogs Kiel Region und Neumünster an, dass fast im gesamten Planungsraum, aber besonders in Kiel und Umland, bereits heute eine Knappheit an verfügbaren und in Vorbereitung befindlichen Gewerbeflächen besteht.
Gleichzeitig vermisst die Landeshauptstadt Kiel ähnlich des Abgleichs Bedarf und Angebot im Wohnungsbau auch hier ein Abgleich der Ziele im Flächensparen mit den erwarteten Siedlungszuwächsen. Der Landeshauptstadt Kiel ist hier sehr wohl bewusst, dass ein großes Spannungsfeld zwischen dem Bedarf nach neuen Bauflächen und dem Flächensparziel besteht. Dieses Flächensparziel kann aber letztlich nur erreicht werden, wenn mit großer Flächeneffizienz und an den richtigen Orten auch neue, attraktive Entwicklungspotenziale geschaffen werden, auf die sich neben dem vorrangigen Flächenmanagement auf Bestandsflächen die Entwicklung konzentrieren sollte.“

Mit der gefragten Flächeneffizienz ist es allerdings bei der Stadt Kiel nicht weit her, denn bestehende Gewerbeflächen werden garnicht oder unzureichend genutzt (Flughafengelände, ehem. MFG5-Gelände, Industriebrachen in Friedrichsort, Werftgelände). Sogenannte Innenverdichtung findet nicht statt. Stattdessen wurden ohne Not historisch gewachsene Landschaften zerstört und als Gewerbegebiete verschleudert (Bölckestraße Nord). In schlechter Erinnerung ist immer noch die Vernichtung von Kleingartenanlagen für die Ansiedelung von Möbel Kraft. Dass am Stadtrand und entlang der B76/Olaf-Palme-Damm /Theodor-Heuss-Ring ein Gewerbegebiet und Einkaufzentrum nach dem anderen die Stadtflächen besetzen und den Grüngürtel verdrängen, fällt den Stadtplanern in ihrer eigenen Bedarfsanalyse gar nicht mehr auf. Es zählt nur das Interesse der Wirtschaft und die ersehnte Einnahmequelle durch die Gewerbesteuer. Leider sind sich in dieser Frage, wie schon immer in Kiel, alle bürgerlichen Parteien, bis hin zu den Grünen, einig.

Jüngst wurden von der Kieler Wirtschaftsförderung (KiWi) für 80 Mio. das Industriegebiet „StrandOrt Kiel“ mit 34 ha aus der Industriebrache Friedrichsort gekauft, um ein sog. grünes Industriegebiet mit Aufenthaltsqualität zu bauen und man rechnet später mit Einnahmen durch Vermietung und Verkauf der Flächen. Es geht also, aber ob es sich für die Stadtfinanzen lohnt, bleibt fraglich. (Nachtrag Red.: Und wäre dies nicht besser ein Gelände gewesen, wo die Stadt Kiel durch Renaturierung ihre Naturvernichtung durch das neue Gewerbegebiet Bölckestraße Nord hätte ein wenig ausgleichen können?)

Der tatsächliche Bedarf für Industrie und Gewerbe wird nicht offengelegt. Maßlos werden Gewerbegebiete entwickelt ohne die gesellschaftliche Notwendigkeit, den Bedarf an Produkten oder die Klimafreundlichkeit der Produktion zu prüfen. Die CO2-fressende und menschenverachtende Rüstungsproduktion kommt schon gar nicht auf den Prüfstand.
Eine Konversion von Autohäusern in Wohnhäuser könnte z.B. Wohnraum schaffen. Gewerbegrundstücke sollten in öffentlicher Hand bleiben, um zukünftige Umnutzungen oder Renaturierung im öffentlichen Interesse zu ermöglichen.
Wir dürfen gespannt sein, in wie weit der neue Regionalplan SH den Flächenverbrauch eingrenzt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhält. (Uwe Stahl)

Karte unten (Quelle: https://www.bolapla-sh.de/ ):
Ausschnitt aus dem Entwurf des Regionalplans 2023 mit dem Kieler Bereich.
Die dicke Linie kennzeichnet die Abgrenzung der Siedlungsachsen. Die senkrechte Schaffur stellt die Regionalen Grünzüge dar.

Karte RegPlan PR II Kiel 2023

BUND Schleswig-Holstein:

Klimaschutz, Biodiversität und Flächenverbrauch müssen stärkere Priorität in den Regionalplänen haben

  • Regionalpläne jetzt einsehbar
  • Natur-, Umwelt- und Klimaschutzbelange müssen für verstärkt mitgedacht werden

„Die Regionalpläne für die drei Planungsräume in Schleswig-Holstein müssen Antworten auf die globalen Megatrends der nächsten Jahrzehnte geben. Hierzu zählen der Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, der Schutz und die Förderung der Biodiversität und eine deutliche Verminderung des Flächenverbrauchs“, erläutert Dietmar Ulbrich, der seit Mai neuer Landesvorsitzender des BUND SH ist. Und weiter: „Die Weichen müssen jetzt richtig gestellt werden. Die Regionalpläne legen die raumordnerischen Vorgaben für die nächsten 15 Jahre fest“.
Gemäß der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie soll der Flächenverbrauch bis 2030 auf unter 1,3 Hektar pro Tag reduziert werden. In Schleswig-Holstein steigt der Wert dagegen ungebremst. Der Flächenverbrauch liegt im langjährigen Durchschnitt inzwischen sogar bei 3,5 Hektar pro Tag. „Die Regionalplanung muss deshalb durch konkrete Vorgaben für die Planungsräume einen Beitrag leisten, um den Zuwachs des Flächenverbrauchs innerhalb weniger Jahre auf 1,3 Hektar pro Tag zu begrenzen“, ergänzt Merlin Michaelis, Projektleiter Regionalpläne beim BUND SH.
Um die Biodiversität zu erhalten, hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen zu schützen. Laut aktueller Biotopkartierung stehen in Schleswig-Holstein bisher jedoch nur etwa 11 Prozent der Landesfläche unter Schutz. Deshalb fordert der BUND SH, die Vorranggebiete für den Naturschutz zu vergrößern und auch die Vorbehaltsgebiete für Natur und Landschaft besser zu schützen. „Diese naturschutzrelevanten Flächen müssen großflächig und verbindlich ausgewiesen werden. In ihnen muss dem Schutz und der Entwicklung der Biodiversität unbedingt Vorrang eingeräumt werden,“ so Bini Schlamann, Referentin für Agrar- und Biodiversitätspolitik beim BUND SH.
Mit der Darstellung von Vorranggebieten für den Küstenschutz und die Klimafolgenanpassung im Küstenbereich wird in den Regionalplänen lediglich eine Maßnahme als Reaktion auf den Klimawandel verankert. „Dringend erforderlich ist es aber auch, Maßnahmen zum biologischen Klimaschutz auf dem Festland zu formulieren, beispielsweise durch Vorgaben zum Umgang mit den Böden, die in den Landschaftsrahmenplänen ausgewiesen worden sind. Ebenso wären Flächen zur Waldaufforstung, zur Grünlandausweitung und solche zu gezielten Grundwasserstandsanhebungen in die Regionalpläne aufzunehmen, um Kohlendioxid zu binden und dauerhaft festzulegen“, so Michaelis abschließend.

Presseerklärung des BUND SH (29.6.2023)