Daten/Fakten  

   

Sozialistische Zeitung für Kiel

Aktuelle Ausgabe vom 01. Januar 2021

 

5 Jahre Pariser Klimaabkommen! „Fahrrad fahr’n statt Autobahn“
Schwingt euch am 12.12.2020. mit uns aufs Fahrrad! Lasst uns klarmachen, dass wir keine weiteren Autobahnen wollen, dass wir nicht gewillt sind weiter zuzuschauen, wie uns ein bewohnbarer Planet geraubt wird und unsere Zukunft zerstört wird! Die Fahrraddemo fand in der Kieler Innenstadt statt, auf der Autobahn wurde es verboten.

Inhalt LinX Januar 2021 – Die Druckausgabe 01-2021 als PDF


• Kommentar: 2021 muss besser werden
• Weiter aktiv für eine Verkehrswende: „Fahrrad fahr’n statt Autobahn“
• 5 Jahre Abkommen von Paris: Stoppt die Klimakatastrophe
• Aktion gegen LNG-Terminal im Landtag SH: Weltweiter Aktionstag gegen LNG
• Bundestagsfraktion DIE LINKE: Landesregierung macht Druck für den Bau Pipeline LNG Brunsbüttel
• Bahide-Arslan-Platz in Kiel-Gaarden: Gedenken an Opfer des Nazi-Terrors
• Proteste gegen Querdenker-Demo: KEIN SPAZIERGANG MIT NAZIS!
• DIE LINKE Kiel: Kälte für Ratsleute unzumutbar – für Schüler*innen aber nicht
• DIE LINKE Kiel: Nach konstruktiven Beratungen Haushaltsplan beschlossen
• Corona: ver.di kritisiert mangelnden Corona-Schutz von Personal und Bewohner*innen von Alten- und Pflegeheimen
• Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein: Keine Abschiebungen während einer Pandemie!
• Modern Monetary Theory (MMT): Neues neoliberales Finanzmodell ist keine Lösung
• Aktionstag Abrüsten statt Aufrüsten: Für Frieden, Abrüstung und Entspannungspolitik – Gegen neue Atomwaffen und bewaffnete Drohnen

• Das nächste Jahrzehnt der NATO
• Neue Broschüre: Künstliche Intelligenz in der Europäischen Verteidigung
• TERMINE

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Kommentar

2021 muss besser werden

Was für ein Jahr. Rekordwaldbrände in Australien, Kalifornien und Brasilien. Dann die Corona-Pandemie mit einem Westen, der um den Preis Hunderttausender Toter nicht bereit ist, von den ostasiatischen Ländern zu lernen. Dann Milliarden-Geschenke für Auto-, Luftfahrt- und Kohleindustrie und Kohleausstieg erst 2038. Dann eine Rekord-Hurrikan-Saison über dem Nordatlantik, die Nachricht, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt, und eine weiter anhaltende Dürre in weiten Teilen Deutschlands. Dann Schüsse auf Flüchtlinge an der griechischen Grenze, das Lob der EU-Kommissions-Chefin für die griechischen Grenzer und der Brand in einem Flüchtlingslager auf Lesbos sowie im Anschluss die gewaltsame Unterbringung der Menschen in einem Camp hinter Stacheldraht, auf einem Gelände mit Munitionsresten und Granaten im Boden, in Zelten durch die Regenströme rauschen, in einem Lager ohne Warmwasser und ausreichend Nahrung und mit der Weigerung des Bundesinnenministers, die so über alle Maßen geschundenen und entwürdigten Menschen aufzunehmen. Eines Innenministers, der den internationalen Tag der Menschenrechte damit begeht, die Verlängerung des Abschiebestopps an das syrische Folterregime zu verhindern.
Dann ein wochenlanger massiver, oft sehr gewaltsamer Polizeieinsatz unter schwarz-grüner Regie für die Rodung eines alten, intakten Mischwaldes und den Bau einer Autobahn. Im Jahre 2020. Als gäbe es keinen Klimawandel, kein 1,5-Grad-Ziel und keine völkerrechtlichen Verträge zum Schutz des Klimas, als würde nicht seit mindestens 30 Jahren öffentlich und international über Klimaschutz diskutiert und verhandelt. Schließlich der wärmste November seit Beginn der Aufzeichnungen, wieder Hitzewellen und Waldbrände in Australien und die zweite, noch viel heftigere und tödlichere Corona-Welle, die Anfang Dezember das sich bisher noch selbstgefällig auf die Schulter klopfende Deutschland in die Spitzengruppe der am schlimmsten betroffenen Staaten spülte.
Staatsversagen oder besser Kapitalismusversagen auf der ganze Linie. Im Gesundheitssektor erleben wir derzeit ganz konkret, was es heißt, wenn wirklich alles zur Ware wird. Das muss aufhören. Die Fallpauschalen gehören abgeschafft. Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand und müssen wieder gemeinwirtschaftlich, das heißt, ohne Profitzwang, betrieben werden. Wohnungs-, Energiekonzerne und die ganze Daseinsfürsorge übrigens auch. Mindestens. (wop)

Weiter aktiv für eine Verkehrswende:

„Fahrrad fahr’n statt Autobahn“

Straßenprotest gegen eine Übermaß an Auto-Straßen bleibt in Kiel bleibt auf der Tagesordnung. Verkehrswende? Die ist vor dem Hintergrund der Bedeutung des Autos im Bewusstsein und der Alltagspraxis breiter Bevölkerungsschichten, des schlecht ausgebauten Systems des ÖPNV und vor allen der ökonomischen Bedeutung der Autoindustrie eine Herkulesaufgabe.

Erfreulich ist, dass Aktivisten auch unter erschwerten, coronabedingten äußerlichen Bedingungen sich weiterhin diesem Bohren dicker Bretter widmen. Anlässlich des 5. Jahrestages des Pariser Klimaabkommens waren für den 12.12.2020 in zahlreichen Städten Deutschlands Fahrrad-Demos auf Autobahnen geplant, so auch in Kiel auf der A210/A215.
„Im Verkehrssektor hat sich mit am wenigsten geändert: Die Treibhausgasemmissionen sind auch nach 2015 nicht gesunken, es werden immer noch jedes Jahr neue Autostraßen gebaut, wertvolle Flächen für Parkplätze platt gemacht und eine klimaschädliche Fortbewegungsart gefördert,“ hieß es in dem Aufruf der TKKG (Turbo Klima Kampf Gruppe).
Das Befahren der Autobahn wurde dann aber vom Ordnungsamt Kiel und den daraufhin angerufenen Gerichten untersagt, mit dem Hinweis darauf, dass der „Verkehrsfluss zu erheblich gestört werden würde“.
Die Fahrrad-Demo fand aber trotzdem statt. Es wurde ein Stück über die B76 gefahren und im Bereich der völlig unsinnigen Luftfilteranlagen auf den Theodor-Heuss-Ring eine Zwischenkundgebung abhalten. Im Anschluss daran beteiligten sich die Radler an dem Protest gegen die „Querdenken“-Kundgebung am Ostseekai.

Für eine autofreie Kiellinie

Eine Woche zuvor, am 6.12.2020, hatten die „Students for Future“ in der Zeit von 10 bis 16 Uhr die Kiellinie in eine „autofreie Kiellinie“ verwandelt. Die nun freie Fahrbahn wurde genutzt, um mit Straßenkreide das Asphalt-Grau aufzuhübschen und mit kreativen Zeichnungen und Sprüchen für eine dauerhafte Autofreiheit zu werben.
Das ursprüngliche Vorhaben der Stadt, die nördliche Kiellinie für den Autoverkehr zu sperren, ist nach Protesten von Anliegern und der Gründung einer Bürgerinitiative ins Stocken geraten. Nun lässt die Stadt zwei Varianten für die Steigerung der Attraktivität der Kiellinie erarbeiten: Eine mit und eine ohne Autoverkehr. (gst)

5 Jahre Abkommen von Paris:

Stoppt die Klimakatastrophe

Im Rahmen eines internationalen Aktionstags gegen fossiles Erdgas und Fracking unter dem Motto „Shale must fall“ (Shale gas = Schiefergas/gefracktes Gas) planten Bürger*innen in Jever, Kiel, Brunsbüttel, Greifswald, Berlin und Göttingen Proteste gegen die Nutzung von Erdgas.
Sie machten auf die Klimaschädlichkeit der Gasnutzung und auf Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Fracking aufmerksam. Am gleichen Tag fanden in über 15 Ländern weitere Aktionen statt.

Zum fünfjährigen Bestehen des Pariser Klimavertrages versammelten sich Bürger*innen am Freitag, 11. Dezember 2020 um 9 Uhr in Kiel vor dem Landtag und ab 10 Uhr vor dem Rathaus in Brunsbüttel, um für seine so wichtige Einhaltung zu demonstrieren. Um das Klima zu stabilisieren dürfen Klimaschutzmaßnahmen nicht auf eine Zeit “nach Corona” verschoben werden. Die Proteste in Kiel und Brunsbüttel richteten sich besonders an die schleswig-holsteinische Landesregierung und den Landtag, die Fracking im Ausland noch immer über die Subventionierung eines geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel fördern wollen.

„Inmitten der Klimakrise dürfen wir nicht in Infrastruktur für fossiles Gas investieren, sei es für LNG-Terminals, neue Gaskraftwerke, oder Pipelines. Erdgas ist aufgrund der Methanemissionen bei Förderung und Transport viel klimaschädlicher als weithin angenommen - oft sogar schädlicher als Kohle. Dennoch treiben die Regierungen der EU, des Bundes und auch die Landesregierung in Schleswig-Holstein den Erdgasausbau weiter voran. Milliardeninvestitionen in diese Sektoren können und dürfen wir uns nicht leisten!”, so Reinhard Knof, Vorsitzender der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.

Fracking in Schiefergestein ist in Deutschland aufgrund der damit verbundenen Schäden für Gesundheit und Umwelt verboten. Deutsche Unternehmen fracken aber Gas in anderen Ländern wie zum Beispiel in Argentinien und die Bundesregierung sowie die Landesregierungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein fördern im In- und Ausland den Bau neuer Infrastruktur für gefracktes und konventionell gefördertes Gas, zum Beispiel durch Subventionen und Exportgarantien. Die Aktivist*innen wollen auch der globalen Verantwortung Deutscher Unternehmen und Politiker*innen Ausdruck verleihen und ihre Solidarität mit Menschen in Förderregionen bekunden.

Juan Carlos Ponce, ein Aktivist, der als Teil des Aktionsbündnisses am gleichen Tag in Neuquen in Argentinien demonstriert, fordert: “(…) the foreign corporations arrived which can’t do this damn fracking in their own countries and they started doing it here in Allen turning us into a sacrifice zone (…). Our Children are dying and Europe is responsible. Because of the companies from your countries. You need to stop this! This cannot go on!” Das deutsche Unternehmen Wintershall Dea fördert Öl und Gas mit Fracking-Methoden in Neuquen und will im Weltnaturerbe Wattenmeer erneut nach Erdöl bohren.

(Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.)
https://www.keinco2endlager.de

Aktion gegen LNG-Terminal im Landtag SH:

Weltweiter Aktionstag gegen LNG

Heute morgen, am 11.12.2020, haben wir uns in der Plenarsitzung des schleswig-holsteinischen Landtags zu Wort gemeldet und ein Transparent mit der Aufschrift „STOP LNG“ gezeigt. Damit wollen wir einen extrem wichtigen Punkt auf die Tagesordnung setzen: Das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel. Wir stehen damit in Solidarität mit all den Menschen, die heute unter dem Motto #ShaleMustFall und #CleanGasIsADirtyLie weltweit gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch Erdgas, Fracking und LNG protestieren – Von Argentinien über die USA und Mosambik bis in den Kieler Landtag (1).
(tkkg.noblogs.org)

Erdgas und LNG, also Flüssigerdgas, sind aktuell die größte Hoffnung der fossilen Wirtschaft. Die EU hat vor einigen Jahren ihre Energiepolitik bereitwillig unter dem von den Öl- und Gasriesen zur Verfügung gestellten Schlagwort „Brückentechnologie“ auf Erdgas umgestellt. Seitdem in den USA die Fördermengen durch die neue, noch zerstörerische Frackingfördermethode durch die Decke gehen, hoffen die von nullzins-Geld überschwemmten Finanzmärkte nämlich auf den nächsten großen Boom. Dafür soll das gefrackte Gas als LNG in alle Welt verschifft werden.

Und die Staaten machen’s erst möglich: Die EU hat unter Juncker 2018 versichert, sie werde mehr LNG abnehmen. Im Gegenzug gibt es keine Strafzölle auf europäische Autos. (2) Seitdem werden Millionen über Millionen an Subventionen in LNG-Terminals gepumpt, auch in Deutschland. In Brunsbüttel sollen alleine 50 Mio. € Direktinvestionen des Landes und 50 Mio. € des Bundes fließen. Und erst kürzlich wurde öffentlich, dass Scholz Milliarden an Subventionen zugesichert hat, wenn die USA dafür bei Nord Stream II die Füße still halten. (3)

Überall soll also neue Erdgas-Infrastruktur durchgeprügelt werden. Dabei ist der Gas-Bedarf gut gedeckt, die Kapazitäten der bereits bestehenden Terminals längst nicht am Limit. Im Gegenteil: Das LNG-Terminal in Rotterdam zum Beispiel hatte 2012-2018 lediglich eine Auslastung von 4%. Der gesamte Erdgas-Boom ist ein reines Spekulationsobjekt und die Staaten heizen die Blase kräftig an. Sollte sich das als Hirngespinst erweisen, ist nicht schwer zu erraten, wer dann die Zeche zahlt: Ebenfalls die Staaten. Das ganze Geld, was jetzt in LNG-Terminals und Pipelines versenkt wird, fehlt dann für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Noch dazu fehlt jeder Plan, wie denn die „Brücke“ von Gas zu Erneuerbaren aussehen soll.

Und trotzdem wäre das Platzen der Investitionsblase noch das verkraftbarere Szenario. Erdgas, insbesondere in Frackingförderung, zerstört bereits jetzt massiv Lebensgrundlagen in aller Welt. Die Methanemissionen überkompensieren den geringeren CO2-Ausstoß bei der Verbrennung um ein Vielfaches, das Grundwasser als saubere und allgemein zugängliche Quelle wird durch Fracking zerstört wie auch der Lebensraum vieler Menschen. In Lateinamerika gibt es bereits jetzt brutale Zwangsumsiedlungen u.ä., an denen deutsche Unternehmen wie Wintershall DEA kräftig mitverdienen. Alles nur, um den Teufelskreis unserer Wirtschaft am Laufen zu halten. Dagegen wehren sich heute auch Menschen in Berlin, die in Solidarität mit den Menschen im globalen Süden Wintershall DEA als das demaskieren, was sie sind: Rücksichtslose Klimaverbrecher.

Und die Grünen? Die Basis in S-H hat zwar auf dem letzten Landesparteitag beschlossen, das Terminal in Brunsbüttel nicht weiter zu unterstützen und die bisher zurückgestellten Gelder wieder zu löschen, aber natürlich ist bisher nichts passiert. Schließlich haben die Grünen unter Habeck den LNG-Wahnsinn auch selbst in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und auch die LNG-Verordnung, bei der der Staat den Betreiberfirmen zusichert, 90% der Anschlusskosten der Terminals ans öffentliche Gasnetz zu übernehmen, war nur durch die Mitwirkung der Länder mit grüner Regierungsbeteiligung möglich. 6 von damals 9 Landesregierungen mit grüner Beteiligung stimmten dafür, darunter S-H. Dabei hat dann das grüne Umweltministerium unter Jan-Philipp Albrecht noch die Dreistigkeit, die Planungen für den Pipeline-Anschluss in Brunsbüttel mit aller Gewalt durchzusetzen, obwohl die Genehmigung für das Terminal noch nicht einmal erteilt ist: Ende Juli bekamen EigentümerInnen und PächterInnen auf der Trasse der geplanten Pipeline Duldungsanordnungen unter Androhung von „Zwangsgeld“ und „unmittelbarem Zwang“ (4).

So sehen also die Trennung von Wirtschaft und Politik, grüne Regierungspolitik und die Energiewende im 21. Jahrhundert aus. Wir sagen: Schluss damit! Wir haben keine Zeit mehr, wenn wir die Klimakatastrophe überleben wollen. Wir brauchen eine echte Energiewende und ein anderes, demokratisches Wirtschaftssystem ohne Profitzwang, das dafür die Möglichkeit schafft. Vor allem aber brauchen wir kein LNG-Terminal in Brunsbüttel! Wenn die grüne Landtagsfraktion noch einen Rest Anstand und realistisches Umweltbewusstsein hat, dann tritt sie jetzt sofort in Verhandlungen mit ihren KoalitionspartnerInnen, um diesen Irrsinn noch zu verhindern. Darauf dürfen wir aber nicht hoffen! Wir müssen uns mit direkten Aktionen und Aufklärungskampagnen wehren. Wir sind das Investitionsrisiko!
(tkkg.noblogs.org)

(1) Die Proteste laufen auf Twitter unter den Hashtags #CleanGasIsADirtyLie, #NotHereNotAnywhere und #ShaleMustFall, wobei letzteres sich auf Schiefergas bezieht, das durch Fracking gefördert wird und aktuell vielen Menschen die Lebensgrundlagen raubt
(2) https://www.heise.de/tp/features/Nach-dem-Juncker-Deal-mit-Donald-Trump-Schleusen-auf-fuer-Fracking-Gas-4163997.html
(3)https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/nord-stream-2-olaf-scholz-bietet-milliarden-fuer-lng-terminals-im-gegenzug-fuer-sanktionsverzicht-a-ce93c34a-a3dd-45ad-b769-b699d312fd09
(4) https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2020-10/51024187-land-schleswig-holstein-setzt-buergerinnen-und-buerger-unnoetig-unter-druck-vorarbeiten-fuer-gas-pipeline-mit-veralteten-daten-begruendet-007.htm

Bild: TKKG Kiel
Protestaktion am 3.6.2020 in Brunsbüttel

„Ideale Brückentechnologie“, so wird uns Erdgas seit den massiven Lobbykampagnen von BP, Shell und Co auf EU-Ebene verkauft. Dabei wird verschleiert, dass auch das ein endlicher, fossiler Energieträger ist und beinahe genauso klimaschädlich wie Kohle. Beim Abbau und Transport entweicht Methan in die Atmosphäre, was kurzfristig 86 Mal so klimaschädlich wie CO2 ist. Außerdem verdrängt der aktuelle Erdgas-Boom die erneuerbaren Energieträger aus dem Strommix. Auch für die Schifffahrt ist deshalb das Flüssiggas kein klimaschonender Treibstoff.

Bundestagsfraktion DIE LINKE:

Landesregierung macht Druck für den Bau Pipeline LNG Brunsbüttel

Wie die Deutsche Umwelthilfe berichtet setzt das Land Schleswig-Holstein Menschen mit Duldungsanordnungen unter Druck, Baumaßnahmen für die geplante Gas-Pipeline für das LNG-Terminal in Brunsbüttel auf ihren Grundstücken zuzulassen. Grundlage sind ungeprüfte Zahlen der Gasindustrie und ein nach Angaben der Landesregierung selbst bereits jetzt obsoleter Termin für den Bau der Pipeline.

„Die Landesregierung erledigt das Geschäft der Gasindustrie ohne die zugrunde gelegten Zahlen aus der Industrie selbst überhaupt zu prüfen oder einen realistischen Termin dafür als Grundlage zu haben. Das ist Politik für Lobbyinteressen, die sich gegen die Interessen der Menschen im Land richtet, den Import von klimaschädlichem Fracking-Gas vorantreiben soll und für eine Regierung, die sich gerne als Vorreiter im Klimaschutz darstellt unterirdisch ist“, sagt Lorenz Gösta Beutin, Bundestagsabgeordneter der LINKEN aus Kiel und klima- und energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion. „Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass die Duldungsanordnungen zurückgenommen werden. Die Pipeline und das Terminal sind Teil einer verfehlten Politik, die mitten in der Klimakrise nicht davon abgeht das Geschäft mit dem Import von Fracking-Gas zu fördern.“

O-Ton von Lorenz Gösta Beutin, klima- und energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE zur Meldung, dass die Landesregierung Schleswig-Holstein Druck auf Grundstückseigner für den Bau der Gas-Pipeline des LNG-Terminals Brunsbüttel ausübt.
(22.10.2020, www.lgbeutin.de)

Bahide-Arslan-Platz in Kiel-Gaarden:

Gedenken an Opfer des Nazi-Terrors

Am 23.11.2020 hatte der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Bahide-Arslan-Platz in Gaarden eingeladen. Etwa 100 Menschen folgten dem Aufruf. Sie gaben damit ihrer solidarischen Verbundenheit mit den Opfern des Möllner Brandanschlages vom 23.11.1992 und ihren Angehörigen Ausdruck.

Foto: U. Stephan, r-mediabase

Bahide Arslan, Yeliz Arslan, Ayse Yilmaz – die Opfer des Naziterrors sind nicht vergessen. Ihren Mördern wird nicht vergeben. Gesellschaftliche Zustände und politische Entscheidungen, die rassistischen Terror hervorbringen und begünstigen, werden nicht hingenommen.

In verschiedenen Redebeiträgen wurde auch an alle anderen Opfer rechter Gewalt in Deutschland erinnert und die Entschlossenheit betont, gemeinsam dem Treiben der Nazis und Rassisten überall und jederzeit entgegenzutreten. Das erste Wort aber hatte Ibrahim Arslan, der Enkel Bahide Arslans. Seine Grußbotschaft wurde auf eine Leinwand übertragen. Parallel zu unserer Aktion fand eine Veranstaltung mit der Familie in Mölln statt. Eine Konferenzschaltung zwischen Kiel und Mölln, wie wir sie vorgesehen hatten, kam aufgrund technischer Probleme leider nicht zustande, aber ganz zum Schluss konnten wir noch telefonisch einen kleinen Eindruck aus Kiel und unsere solidarischen Grüße an Ibrahim und Faruk Arslan, alle Angehörigen und die in Mölln versammelten Menschen übermitteln.

Nach Ibrahim sprach Viktoria Ladyshenski, Vertreterin der Jüdischen Gemeinde, die direkt am Bahide-Arslan-Platz ihren Sitz hat, zu den Anwesenden. Es folgte das Grußwort des Stadtpräsidenten Hans-Werner Tovar. Danach sprachen Rolf Schlotter als Vertreter des Landesverbands der Sinti und Roma, eine Vertreterin der Autonomen Antifa-Koordination Kiel und Norbert Aust, ehemaliger Leiter des Werftpark-Theaters, der aus Literatur und Theater passende Bemerkungen aus der „Germania“ von Tacitus bis zu Brechts „Arturo Ui“ einstreute.
 
Für den Runden Tisch sprach Uli Stangen, 1992 Vertrauenskörperleiter der IGM auf der Werft und Organisator der Demonstration von HDW-Kolleg*innen, die während der Arbeitszeit vom Werftgelände zum Vinetaplatz zogen, wo sie zusammen mit Schüler*innen verschiedener Ostufer-Schulen eine beeindruckende Kundgebung gegen Nazi-Terror und Rassismus veranstalteten. Passend zu seinem Vortrag wurden Fotos der damaligen Aktion auf die Leinwand übertragen.

Einen wesentlichen Teil der Veranstaltung nahm die Vorstellung der bisher erarbeiteten Ideen zu einer angemesseneren Gestaltung des Platzes ein. Sie wurden von Detlef Schlagheck als Vertreter der Künstler*innen der Galerie On Space vorgetragen und auf der Leinwand präsentiert – aus den vielen auch von Bewohner*innen des Stadtteils entwickelten Ideen ist inzwischen ein sehr konkreter Vorschlag geworden. Der Ortsbeirat Gaarden und der Kulturausschuss der Stadt Kiel werden sich damit befassen.

Von besonderer Wichtigkeit für uns ist, dass die Familie Arslan von Beginn an in diese Entwicklung eingebunden ist. Auch die Inhalte angedachter Gedenktafeln auf dem Platz werden durch sie bestimmt werden. Bei der Einrichtung des Platzes in Kiel ist die Familie der Opfer ursprünglich nicht eingebunden gewesen – ein Umstand, den Ibrahim und sein Vater Faruk bei ihren Besuchen in Kiel deutlich kritisiert hatten. Die Kritik daran ist inzwischen, das war der deutliche Eindruck auch am 23.11., bei der Stadt angekommen. Vom Runden Tisch aus halten wir bei allen Aktivitäten, die den Bahide-Arslan-Platz betreffen, engen Kontakt zu Ibrahim und Faruk Arslan. Wir führen einen gemeinsamen Kampf nicht nur an Gedenktagen, sondern an jedem Tag für eine Gesellschaft, in der Rassismus und Faschismus keinen Nährboden mehr finden und niemand mehr um Angehörige und Freund*innen trauern muss, die von Faschisten umgebracht wurden.
(Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus)

 

Proteste gegen Querdenker-Demo:

KEIN SPAZIERGANG MIT NAZIS!

Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel hatte für den 12. Dezember 2020 zu einer Kundgebung „Querdenker:innen, Coronaleugner:innen und Sozialdarwinist:innen – für unsere sozialen und demokratischen Rechte!“ aufgerufen.

Anlass war die Planung einer landesweiten Demonstration in Kiel durch die Gruppe „Querdenken_431“, die sich erst vor kurzer Zeit in „Kiel steht auf“ umbenannt hatte, ein Name der einfach geklaut wurde von gewerkschaftlichen Aktionen gegen Arbeitsplatzabbau bei Heidelberger Druckmaschinen. Tonangebend sind bundesweit und oft auch in Schleswig-Holstein faschistische Gruppierungen wie NPD und „Der III. Weg“ und die AfD. Auch in Kiel trafen sich 360 Personen, die an der Seite vom AfD-Landtagsabgeordneten Volker Schnurrbusch und Angehörigen der Reichsbürger*innen-Szene mitgelaufen sind, sehr oft ohne die inzwischen für alle Demonstrationen vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung. Dies ist hier erwähnt, weil bei den Gegenaktivitäten sehr genau von der Polizei auf die Einhaltung der Maßnahmen geachtet wurde.
Es kann gelungener kreativer Protest genannt werden, dass insgesamt sechs mögliche und beliebte Kundgebungsplätze in Kiel schon belegt waren und dem Auftakt- und Abschluss der „Querdenken“-Veranstaltung nicht zur Verfügung standen. Der gesamte Innenstadtbereich war so für sie nicht einnehmbar. Ein Übriges taten weitere Aktionen an der belebten Kiellinie. So blieb ihnen nur der Ostseekai und eine Demoroute in Richtung Holtenauer Straße.
Der Protest des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus und der unterstützenden Organisationen fand in Hör- und Sichtweite zum Ostseekai statt. Bei (gefühlt) eisiger Kälte waren 300 Antifaschist*innen bereits vor Ort, als am anderen Ende des Kais die ersten Teilnehmer*innen eintrafen. Mit Redebeiträgen und Musik wurde der Widerstand gegen das Treffen von „Querdenken“ deutlich gemacht. Die Reden von Omas gegen Rechts, Autonome Antifa, der Kulturbeitrag von Björn Katzur mit einem Poetry Slam, der Beitrag vom Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus, der des ver.di-Gewerkschaftssekretärs für den Gesundheits- und Pflegebereich Kiel-Plön und der DIDF unterstrichen die Breite des Bündnisses.
In den Beiträgen wurde darauf hingewiesen, dass die von den Regierenden beschlossenen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie soziale und demokratische Rechte der Bevölkerung aushebeln. Auch, dass viele dieser Maßnahmen, die im wesentlichen die Unterstützung von Konzernen und Unternehmen vorsehen, in der Folge von der Mehrheit der Bevölkerung bezahlt werden sollen. Gegen diese sozialen Folgen, sowie gegen den Demokratieabbau im öffentlichen Bereich muss Widerstand entwickelt werden. Auch, dass bei der Bekämpfung der Pandemie die internationale und europaweite Dimension des Gesundheitsschutzes keine Rolle spielt, wurde kritisiert.
Kiels Stadtpräsident Hans-Werner Tovar hat seine Solidarität mit dem Protest gezeigt und ist der Einladung zu einem Redebeitrag gefolgt. Darin hat er seinen Schwerpunkt auf die Durchsetzung der Corona-Maßnahmen gelegt, aber auch gegen die zunehmende Beteiligung von Faschisten an den Corona-Protesten gesprochen.
Wer die Forderung zur Auflösung des Bundesinnengeheimdienstes „Verfassungsschutz“ stellt, kann die nun in Baden-Württemberg beschlossene Beobachtung von „Querdenken“ durch diese Behörde nicht als einen Beitrag des politischen Kampfes gegen diese Gruppen unterstützen. In diesem Punkt gibt es Widerspruch zu der Rede des Stadtpräsidenten, und wie es in breiten Bündnissen und ihren Beiträgen manchmal geht, gibt es auch zu weiteren Punkten unterschiedliche Einschätzungen. Die Tatsache jedoch, dass der Stadtpräsident sich nicht nur mit einem Grußwort beteiligte, sondern bis zum Ende an diesem Gegenprotest auf der Straße teilgenommen hat, lässt die Möglichkeit weiterer gemeinsamer Aktivitäten mit diesem Repräsentanten der Landeshauptstadt offen.
Die Teilnehmer*innen einer ebenfalls an diesem Tag stattfindenden Fahrrad-Demo, aus Anlass des Jahrestags des Pariser Klimaabkommens von der TKKG organisiert, machten einen solidarischen Zwischenstopp bei den Protestierenden gegen die „Querdenkenden“.
Zurückhaltend war die Polizei noch während der Kundgebung des „Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus“ und im Beisein des Stadtpräsidenten. Nachdem „Querdenken“ als Demonstration am Rande der Innenstadt Kiels lief, wurden jedoch einige Blockadeversuche der Antifaschist*innen teilweise auch mit Polizeigewalt aufgelöst. Zwei Gruppen der „Querdenken“-Gegner*innen wurden bis zu einer halben Stunde eingekesselt. Bei einem plötzlichen und nicht nachzuvollziehenden Einsatz von Polizeiknüppeln gegen antifaschistische Aktivist*innen mussten Sanitäter eine/n Verletzte/n betreuen. Demgegenüber durften die „Querdenken“-Teilnehmer*innen ungehindert ihren Weg gehen.
Gemeinsame Aktivitäten der Antifaschist*innen in Kiel werden auch in Zukunft gegen alle Organisationen und Bewegungen von und mit Reichsbürger*innen und Faschist*innen stattfinden. (Bettina Jürgensen)

Demonstration der „Querdenker“ in Kiel am 12.12.2020 ohne Mund-/Nasenschutz

 

Redebeitrag: Bettina Jürgensen für den Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Genossinnen und Genossen,

Wieder müssen wir unseren Protest gegen rechtes Querdenken, Verschwörungen und Leugnung des Corona-Virus auf die Straße tragen.

Denn: Wir wissen, dass es das Virus gibt. Wir wissen, dass dieses Virus tödlich sein kann. Wir wissen, dass es nun zwar Impfstoffe gibt, diese aber noch nicht zur Verfügung stehen. Wir wissen, dass aktuell die Zahl der Infektionen mit dem Corona-Virus zunimmt. Deshalb stehen wir hier mit Mund-Nasen-Schutz und mit Abstand!

Wir wissen auch, dass viele Menschen aus Kiel mit unserem Protest solidarisch sind. Wir verstehen, dass viele heute aus Sorge um die eigene und die Gesundheit anderer Menschen nicht teilnehmen wollen oder können!

Heute sind wir hier, weil wir uns wehren gegen
• Die Missachtung der Gesundheit anderer Menschen
• Krude Verschwörungstheorien, die das Virus als Geheimwaffe einstufen, von Bill Gates gesteuerte Zwangsimpfung vorhersagen (Er macht viele Sauereien, das wohl doch nicht.).
• Kundgebungen und Demonstrationen die von rechten bis faschistischen Gruppierungen und Parteien genutzt werden, um ihre völkischen, nationalistischen Theorien zu verbreiten, die Hetze gegen Migrant*innen fortzusetzen und Geschichtsfälschung zu betreiben.

Die sogenannten „Querdenken“-Aktivitäten waren von Beginn an offen nach rechts. Inzwischen wird versucht mit der Behauptung, das Infektionsschutzgesetz heute sei mit dem Ermächtigungsgesetz der Faschisten von 1933 vergleichbar, Gehör zu finden. Es werden Vergleiche mit Anne Frank und Sophie Scholl gemacht. Damit wird der Widerstand gegen den Faschismus von 1933 - 1945 instrumentalisiert und ins Gegenteil gekehrt. Er wird benutzt, um die Aufmerksamkeit auf Verschwörungstheorien, Querfront und rechte Parolen zu lenken. Das dürfen und werden wir nicht zulassen!

Eine Studie des Soziologen Oliver Nachtwey von der Universität Basel bestätigt die immer stärkere Rechtsentwicklung der „Querdenken“-Bewegung. Er hat nach einer Befragung auf deren Plattformen im Internet festgestellt, dass 30 Prozent der Befragten bei der nächsten Bundestagswahl AfD wählen wollen.

Und doch behaupten immer noch einige, „Querdenken“ hat mit Rechten, mit Faschisten nichts zu tun, sie nehmen teil an deren Aktionen. Wir sagen: Wer sich mit Faschisten gemein macht, bekommt von uns kein Verständnis!

In der Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus haben wir im Jahr 2000 gesagt: „Rassistische Erklärungsmuster und Orientierungen entstehen in der Mitte der Gesellschaft. Sie sind kein Randproblem, nicht jugendspezifisch und nicht regional einzugrenzen. Sie werden gefördert durch gesellschaftliche Verhältnisse, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit bis zur Vernichtung des Konkurrenten erfordern, Ungleichheit und Abbau sozialer Errungenschaften als Fortschrittsmotor rechtfertigen und damit Entsolidarisierung und Ausgrenzungsbereitschaft notwendig hervorbringen.“
Dies trifft heute noch zu. Wobei ich jedoch einen Punkt noch einmal herausgreife: „Faschismus entsteht in der Mitte der Gesellschaft.“ Sollten wir heute nicht hinzufügen, dass der Weg aus dieser „Mitte“ führen muss? Ich meine: Es gibt keine Mitte zwischen Antifaschismus und Faschismus! In dieser Frage muss sich jede/r entscheiden!

Wir haben uns entschieden! Für den Antifaschismus! Mit Verdrehung, Fälschung und Leugnung von Geschichte und von aktuellem Geschehen haben wir nichts zu tun! Mit Faschisten haben wir nichts zu tun! Deshalb sind wir heute hier!

Aber: Deshalb stimmen wir nicht ein in den Chor derer, die sagen „Unsere Regierung hat doch im Kampf gegen die Pandemie alles richtig gemacht!“ Wir haben viel Kritik an dem, was diese Regierung getan und nicht getan hat! Das Handeln der Regierenden und ihre Beschlüsse wurden und werden danach ausgerichtet, was der Wirtschaft hilft! Milliardenpakete werden geschnürt, um Großkonzerne zu retten. Dort werden – kann man sagen mit unserem Geld – dann die Dividenden ausgeschüttet.
Gleichzeitig wird verweigert, den Hartz-IV-Betrag um einen 150 Euro-Corona-Zuschlag zu erhöhen, wie es auch die Gewerkschaften gefordert haben. Auch so wird soziale Spaltung in diesem Land vorangetrieben.

Die Politik vor Corona und die Politik in der Pandemie behält ihre Kontinuität. Nur zwei Beispiele:
Der Bundesinnenminister Seehofer setzt wie bisher auf strikte Begrenzung von Geflüchteten und missachtet dabei selbst das Votum der Städte, die sich zum Sicheren Hafen und zur Aufnahme Geflüchteter bereit erklärt haben. Auch eine Katastrophe wie der Brand auf Moria brachte kein Umdenken, nur wenige Menschen durften nach Deutschland.

Dabei wird weiter auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben, 2020 sind fast 1.000 Menschen ertrunken. Doch Europa schottet sich weiter ab. Die europäische Grenztruppe Frontex macht mit deutscher Beteiligung Rettungsboote mit Geflüchteten manövrierunfähig, setzt die Menschen auf Flöße und drängt sie in die Türkei zurück.
In den Lagern in Griechenland warten Geflüchtete unter unmenschlichen Bedingungen darauf, dass sie zu den Wenigen gehören, die aus dem Lager gerettet werden. Dies war die Politik 2015 bis 2019 und es ist die Politik der Gegenwart 2020. Die von den Regierenden an uns gerichtete Forderung nach einer Corona-Solidarität soll demnach an den Grenzen Europas enden. Wir fordern jedoch nun erst recht: Leave No One Behind!

Wir sagen auch: All Lives Matter! Der Kampf um den Impfstoff gegen das Corona-Virus ist geprägt von Macht und Profit – ausgetragen auf dem Rücken der Menschen, vor allem im globalen Süden. Zunehmend wird es zu einer Frage der Menschenrechte ob, wer und in welchem Land geimpft wird. Patente der Pharmakonzerne wie Pfizer, der mit der deutschen Biontech einen Impfstoff entwickelt hat, verhindern, dass Arzneimittel als globale öffentliche Güter gehandelt werden. Aus Südafrika und Indien wurden Anträge gestellt, diesen Patentschutz für Covid-19 Impfstoffe auszusetzen. Ziel war es, ihn für alle Länder zugänglich zu machen. Die Bundesregierung Deutschland sorgte bei Beschlüssen in der WTO (Welthandelsorganisation) dafür, dass der enge Verteilungsrahmen bleibt. Die CDU/SPD-Regierung trägt also mit Verantwortung dafür, wenn in anderen Ländern Menschen dem Virus weiter hilflos ausgeliefert sind. Wo bleibt da ihre vielbeschworene Solidarität in der Pandemie?

Wir meinen: Die Macht von Pharmaunternehmen muss begrenzt werden. Medizin muss global und für die Gesundheit aller Menschen zur Verfügung stehen! Fügen wir also dem „Leave no one behind“ ein „Medikamente für Alle – weltweit“ hinzu!

In unserem Aufruf zu dieser Kundgebung und Demonstration sagen wir:
„Es gibt viele Gründe, mit den Verordnungen des „Corona-Kabinetts“ unzufrieden zu sein. Wir treten allen Versuchen entgegen, die Rechte der Parlamente bei der Beschlussfassung über geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auszuhebeln.
Wir, Antifaschist*innen, Gewerkschafter*innen, Menschen vieler Mutterländer aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft in Deutschland, verteidigen die Demokratie, indem wir auch unter Corona-Bedingungen öffentlich für unsere sozialen und demokratischen Rechte, für internationale Solidarität im Kampf gegen Rassismus, gegen Abschottungs- und Kriegspolitik, für den Schutz von Geflüchteten usw. auf die Straße gehen und dabei den rechten Rattenfängern die rote Karte zeigen. Wir fordern von den politischen Entscheidungsträger*innen, unseren Anliegen Rechnung zu tragen.“

Fordern wir, dass Solidarität nicht nur ein Wort bleibt, sondern Taten folgen. Und zwar im nationalen und internationalen Rahmen! Die genannten Beispiele zeigen, dass sofortiges Handeln notwendig ist. Deshalb sind wir heute auf der Straße und werden es auch in Zukunft sein!

Polizeieinsatz räumt den Protest gegen die Querdenkerdemo von der Straße.

Verhaftungen von Protestanten gegen die Querdenkerdemo in Kiel

DIE LINKE Kiel:

Kälte für Ratsleute unzumutbar – für Schüler*innen aber nicht

Nach der Ablehnung im Schul- und Sportausschuss hat die Ratsmehrheit jetzt auch in der Sitzung der Ratsversammlung zu den Haushaltsberatungen die Überprüfung des Einsatzes von Luftfilteranlagen in Kieler Schulen abgelehnt. Dazu erklärt Stefan Rudau, Vorsitzender der Ratsfraktion DIE LINKE:

„Die Ratsversammlung zieht für viel Geld ins Kieler Schloss um, weil während der, normalerweise etwa vier- bis fünfstündigen, monatlichen Sitzungen im Ratssaal regelmäßig gelüftet werden müsste und das für die Ratsleute während der kalten Jahreszeit nicht zumutbar ist. Für Schüler*innen und Lehrer*innen, die täglich und teilweise auch erheblich länger, in den Schulen zubringen müssen, gilt das aber offenbar nicht. Hier kommt es für die Ratsleute, die schön warm im Kieler Schloss sitzen, nicht mal in Frage, den zusätzlichen Einsatz von anderen Möglichkeiten auch nur zu prüfen. Ich finde, das ist schon ein starkes Stück!“

Die Ratsfraktion DIE LINKE hatte beantragt, zu überprüfen, für wie viele und welche der rund 1500 Klassen- und Fachräume der allgemeinbildenden Schulen in Kiel der Einsatz von Luftfilteranlagen sinnvoll oder sogar geboten wäre. Für die Beschaffung entsprechender Geräte nach dem Abschluss der Prüfung sollten vorsorglich eine Million Euro in den Haushalt eingestellt werden. Angesichts des Haushaltsvolumens von über einer Milliarde Euro eine überschaubare Summe. Und wenn man die Kosten für den Umzug der Ratsversammlung mit dieser Summe vergleicht, wird sie geradezu lächerlich gering: Bei etwa 21.500 Kieler Schüler*innen lägen die pro Kopf Kosten für die Filteranlagen bei nicht einmal 40 Euro während der Umzug der Ratsversammlung bei 59 Ratsleuten allein an Einmal-Kosten pro Kopf mit fast 425 Euro zu Buche schlägt.

„Die GEW in Schleswig-Holstein fordert, dass Luftfilteranlagen in Räumen, in denen die Raumluft nicht trotz Lüften auf mindestens 19 Grad gehalten werden kann oder Lüften aus räumlichen oder baulichen Gründen eben nicht ausreichend möglich ist, bereitgestellt werden. In den Kieler Nachrichten konnten wir gestern lesen, dass die ersten Klassen sich jetzt Luftfilteranlagen in Eigenregie bauen. Aber die Ratsmehrheit setzt nach wie vor auf Lüften als alleinige und alternativlose Möglichkeit – solange es eben nicht sie selbst betrifft. Ich weiß nicht, wie man das der Öffentlichkeit vermitteln kann!“, zeigt sich Rudau abschließend empört.

(Presseerklärung 10. Dezember 2020)

DIE LINKE Kiel:

Nach konstruktiven Beratungen Haushaltsplan beschlossen

Nach der Zustimmung im Finanzausschuss hat die Ratsfraktion DIE LINKE nun auch erstmals in der Haushaltssitzung der Ratsversammlung dem Haushaltsplanentwurf zugestimmt.
„Das mag viele überraschen, aber wir haben immer betont, dass wir auch in der Frage der Haushaltsplanung keine ideologische Frontalopposition betreiben, sondern uns an der Sache und dem Wohl der Stadt orientieren.“, begründet Ratsherr Stefan Rudau, Fraktionsvorsitzender der LINKEN, diese Entscheidung.
Auch im Zuge der aktuellen Haushaltsberatungen hat es dabei natürlich irritierende Momente gegeben. So hat die Kooperation aus SPD, Grünen und FDP beispielsweise einen Antrag der LINKEN („Musikalische Früherziehung“) einfach wortwörtlich abgeschrieben und als eigenen Antrag eingebracht, wohl um sich nicht die Blöße zu geben auch diesem Oppositions-Antrag offen zuzustimmen. Inzwischen ist daraus aber ein gemeinsamer Antrag geworden.
Und auch in diesem Haushaltsplan finden sich genauso Positionen, mit denen die LINKE nicht einverstanden ist (z.B. die von der CDU beantragte Aufstockung der Stellen des Kommunalen Ordnungsdienstes), wie einiges nicht enthalten ist, was die LINKE gerne dabeigehabt hätte (z.B. Ausweitung des kommunalen Wohnungsbaus, Luftfilteranlagen für Schulen oder die überfällige Einführung einer Tourismusabgabe). Unter dem Strich aber geht der Haushaltsplan aus Sicht der LINKEN in die richtige Richtung: Trotz der durch die Corona-Pandemie verursachten Krise werden Kürzungen gänzlich zu vermieden. Statt durch Rotstift und unterlassene Investitionen Schulden in der Zukunft aufzutürmen und kommenden Generationen einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, werden gerade jetzt – noch dazu bei historisch niedrigen Zinsen – Verbindlichkeiten eingegangen und in die Zukunft investiert.
Und neben der musikalischen Früherziehung findet auch einiges anderes, was die LINKE beantragt hat (z.B. ein Taubenschlag für Kiel oder die Umgestaltung des Bahide-Arslan-Platzes), direkten Eingang in den Haushaltsplan. Auch das ein Novum bei den Haushaltsberatungen.
„Auch andere, alte, Forderungen der LINKEN, wie zum Beispiel das Schüler*innenticket, finden sich – nun eben etwas später und mit dem Umweg über einen Kooperationsantrag – im Haushalt wieder. Und insgesamt wird in die Zukunft investiert, wie wir es immer gefordert haben, statt zu versuchen gegen eine Krise anzusparen. Das waren erstmals, seit wir dabei sind, tatsächlich konstruktive Beratungen zum städtischen Haushalt, bei denen, zumindest teilweise, auch ergebnisoffen über unsere Anträge verhandelt wurde. Das rechtfertig zusammen mit dem Ergebnis dann am Ende auch unsere Zustimmung!“, so Rudau zum Abschluss.
(Presseerklärung 10. Dezember 2020)

Siehe dazu auch unseren Bericht in der letzten LinX vom Dezember 2020. Dort haben wir die Situation um den Kieler Stadthaushalt erneut dargestellt: „Haushaltsentwurf 2021: Kieler Ratsversammlung will starke Investitionen statt Schuldenbremse.“ Nachzulesen unter:
https://linx01.sozialismus-jetzt.de/component/content/article/62-uncategorised/3571-12-2020-kieler-ratsversammlung-will-starke-investitionen-statt-schuldenbremse.html?Itemid=28

Corona:

ver.di kritisiert mangelnden Corona-Schutz von Personal und Bewohner*innen von Alten- und Pflegeheimen und fordert Sofortmaßnahmen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di reagiert auf das rasante Anwachsen der Corona-Fallzahlen bei den Beschäftigten in den Alten- und Pflegeheimen mit deutlicher Kritik an den betreibenden Unternehmen und auch an die dafür verantwortliche Politik. Hintergrund ist, in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein steigen die Zahlen der Corona-infizierten Beschäftigten aus den Alten- und Pflegeheimen stark an.

„Seit Wochen fordern wir verstärkte Schutzmaßnahmen vor allem in der Altenpflege ein, doch wir müssen aktuell feststellen, dass die Haltung zu lasch ist. Noch immer ist eine Arbeitsquarantäne der Normalfall, das bedeutet, dass Pflegebeschäftigte arbeiten müssen, obwohl sie in Quarantäne müssen. Wir halten das für Beschäftigte wie für Bewohner*innen für unverantwortlich. Wir brauchen hier striktere und strengere Regeln. Die steigenden Corona-Erkrankungen in der Pflege verschärfen den Personalnotstand, steigende Corona-Fallzahlen gefährden die Versorgung - ein Teufelskreis aus dem wir raus müssen. Angesichts der steigenden Fälle ist schnelles Handeln gefragt und geboten. Der Winter fängt erst an, und wir bekommen sonst massive Probleme“, fordert Steffen Kühhirt, für Gesundheitspolitik bei ver.di-Nord verantwortlich.

ver.di fordert seit Jahren auch eine gesetzliche Personalbemessung in der Altenpflege. Die Corona-Pandemie macht die dramatische Personalsituation und Überlastung der Beschäftigten sichtbar. ver.di fordert deshalb politische Sofortmaßnahmen für die Altenpflege: Deckelung der Eigenanteile, Übernahme der Investitionskosten durch die Länder, Finanzierung der medizinischen Behandlungen durch die Krankenkassen, Auflösung des Pflegevorsorgefonds sowie die Herauslösung versicherungsfremder Leistungen aus der Pflegeversicherung.

„Mehr Personal geht nur über attraktivere Arbeitsbedingungen. Diese fangen beim Corona-Schutz an. Wirtschaftliche Interessen, gerade bei privaten Altenpflege-Konzernen, dürfen keine Argumente gegen ausreichend Schutz darstellen. Die Länder haben mit der Übernahme der Investitionskosten ein wichtiges Instrument in der Hand. Wir fordern mit Nachdruck dies als Sofortmaßnahmen umzusetzen, anstatt diese weiterhin an die Pflegebedürftigen umzulegen. Das würde wiederum Altenheimen und den Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu Gute kommen.“ so Kühhirt weiter.

Zusätzlich fordert die Gewerkschaft in Altenheimen die Testungen zu verstärken.
„Massive Testungen in der Altenpflege wären ein weiteres Mittel, um Beschäftigte und Heimbewohner*innen zu schützen. Hierzu müssen Politik und die Kassen die Finanzierung bereitstellen, es darf nicht an mangelnder Finanzierung scheitern.“ fordert Kühhirt.

(Presseerklärung 08.12.2020)

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein:

Keine Abschiebungen während einer Pandemie!

Gemeinsamer Aufruf zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen anlässlich der Innenminister*innenkonferenz

Die Landesflüchtlingsräte fordern anlässlich der Innenministerkonferenz am 9.-11. Dezember 2020 ein bundesweites Abschiebungsmoratorium. Während der COVID-19-Pandemie sind Abschiebungen nicht zu verantworten.

Sie setzen das Leben der Abgeschobenen aufs Spiel. Auch das Begleitpersonal wird unnötig in Gefahr gebracht. Zahlreiche Herkunftsländer von Asylsuchenden haben marode Gesundheitssysteme und sind nicht in der Lage, an dem Virus Erkrankte zu versorgen. Auch Staaten mit einem relativ gut aufgestellten Gesundheitssystem kommen an ihre Kapazitätsgrenze. Die Zahl der Corona-Infizierten steigt weltweit dramatisch, ganz zu schweigen von der rasant steigenden Zahl der Toten. Dennoch werden Menschen in Länder abgeschoben, in denen sich die Pandemie katastrophal auswirken könnte oder es bereits tut. Das Risiko für ihre Gesundheit und körperliche Unversehrtheit ist immens.

Die Bundeskanzlerin hat eindringlich dazu aufgerufen, auf überflüssiges Reisen zu verzichten. Das muss auch für Abschiebungen in Staaten, wie zum Beispiel Afghanistan, aber auch Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung, wie zum Beispiel Italien, gelten. Insbesondere in den Wintermonaten ist in vielen der besonders von der Pandemie betroffenen Länder nicht mit einer schnellen Besserung zu rechnen. Die Unterzeichnenden verweisen auch auf die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes. Abschiebungen sollten mindestens bis April 2021 ausgesetzt werden. Keine Abschiebungen aus oder in Risikogebiete während einer Pandemie!

Martin Link, Flüchtlingsrat
Schleswig-Holstein e.V.

Modern Monetary Theory (MMT):

Neues neoliberales Finanzmodell ist keine Lösung

Ein modernes Finanzmodell mit dem Namen Modern Monetary Theory (MMT) soll als die Lösung für alle Finanz- und staatspolitischen Probleme in der vorherrschenden Wirtschaftsform dienen.

Geld könne von der Zentralbank unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden und bräuchte nur über Staatsanleihen (zur Sicherheit) bei den Banken geliehen werden und der Staat kann dann alles investieren, bzw. das Geld an die Wirtschaft über Investitionen ausschütten, die dann Arbeitsplätze schafft, was die Arbeiter dann zum unbegrenzten Konsum anregt, wenn sie nur gut genug bezahlt werden. Die Banken würden dann über Zinsen auch noch dran verdienen. Der Staat könne sich also bedenkenlos in beliebiger Höhe verschulden und Steuern, wie z.B. eine Vermögenssteuer, bräuchte man auch nicht, das würde nur die Wirtschaft belasten.

Nicht hinterfragt wurden die Werte/staatliches Eigentum, die hinter den Staatsanleihen stehen und es wird bestritten bzw. gar nicht erörtert, ob diese Art der Geldwirtschaftspolitik zu einer Inflation führt.

Auch die Exportüberschüsse von einigen reichen Ländern, wie Deutschland wären kein Problem, weil es ja nur um unterschiedliche Vorzeichen/Zahlen in einem ansonsten ausgeglichenen Finanzsystem gehe. Dabei wäre es allerdings wirklich interessant, wie die europäische Zentralbank es trotz Krise und zinslosen Krediten in Milliardenhöhe es bisher geschafft hat, eine Inflation zu verhindern. Mit welchem Finanztrick das heute möglich ist, das wäre wirklich interessant.

Maurice Höfgen hat dazu ein Buch („Mythos Geldknappheit“) geschrieben und stellte kürzlich in einer online-Konferenz mit Attac die Finanztheorie unter dem Thema vor: „Corona – und plötzlich ist doch Geld da – Ran an Klimaschutz, Bildung und Gesundheit“. Also alles kein Problem.

Die Realität wurde in dem Vortrag aber nicht betrachtet und die sieht leider ganz anders aus. Das staatliche Eigentum wurde in den letzten Jahren massiv privatisiert und es ist kein Ende abzusehen.

Große Bereiche der Daseinsvorsorge und grundsätzliche gesellschaftliche Aufgaben wurden der Profitwirtschaft übergeben: Die Post wurde privatisiert. Die Telekommunikation wurde großen Konzernen übereignet. Die Bahn wurde teilprivatisiert. Das Gesundheitswesen wurde zum größten Teil privatisiert und der Druck auf die staatlichen Krankenhäuser und das Gesundheitswesen wächst. Über die Bundesnetzagentur wurden sämtliche Stromnetze dem liberalisierten Markt übergeben und der Wettbewerb wurde derart vorangetrieben, dass es nur noch wenige Stadtwerke gibt, die komplett im Besitz der Kommunen sind. Funkfrequenzen wurden verkauft, Gasnetze liberalisiert und beim Wasser steht es mit der Privatisierung auf der Kippe.
Der Exportüberschuss einzelner Länder führte im Gegenzug bei den verschuldeten Ländern zu Opfern bei der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung und die Zwangsprivatisierungen staatlicher Betriebe war eine Forderung der europäischen Zentralbank (siehe Griechenland) wenn sie denn den armen Ländern Geld gibt.

Bei den Städten und Kommunen sieht es noch schlechter aus. Die Unterfinanzierung der Kommunen (sie bekommen nur 12% der Einkommensteuer und immer weniger Gewerbesteuer) haben sich in den letzten 20 Jahren (parallel zur Gründung von attac) dermaßen verschuldet, dass sie, um weiterhin Kredite von den Banken zu erhalten, grundlegende Betriebe der Daseinsvorsorge verkauft haben.
In Kiel waren es die Stadtwerke, der Öffentliche Personalverkehr und der Kommunale Wohnungsbau in der Zeit des neoliberal hörigen OB Gansel. In der Folgezeit wurde viel gespart und Investitionen hinausgeschoben, so dass Schulen, Bäder und Abwasserkanäle, Straßen usw. verlotterten. Hinzu kam dann noch die vom Land und Bund vorgeschriebene Schuldenbremse, die Investitionen verhinderte.
Gebracht hat das alles nichts. Der Kieler Stadthaushalt ist jetzt noch höher verschuldet, als je zuvor und es wurde in der vorgeschriebenen Konzernbuchhaltung und mit Abschreibungen und Vermögen hin- und hergedreht um den Stadthaushalt schönzureden. Erneut hat nun die Stadtverwaltung festgestellt, dass sie das Problem nicht aus eigener Kraft lösen können.
Der Öffentliche Personalverkehr wurde zwar durch Protest von Attac und ver.di wieder mit großen Opfern rekommunalisiert. (Ansonsten wäre es noch schlimmer gekommen, so kann die Stadt noch ein bisschen die Fahrpreise und Qualität beeinflussen.)
Gefahren lauern aber bei Überschuldung jetzt durch weitere Privatisierungen z.B. des Städtischen Krankenhauses und des Kieler Hafenbetriebes. (Dies sind meines Wissens noch die einzigen wertvollen Betriebe, die die Stadt hat, auch wenn sie keine Gewinne machen. Die Abwasserprivatisierung war auch lange Zeit im Gespräch.)
Zur aktuelle Debatte im Kieler Rat um den Haushaltsentwurf für 2021 habe ich untersucht um die Situation festzustellen und eine Stellungnahme geschrieben. Die Stadt will/muss in den nächsten Jahren viel investieren um die Schulen, Straßen, Wohnungsbau, Abwasser für die Daseinsvorsorge zu erhalten. Sie hält sich glücklicherweise nicht an die Schuldenbremse und verschuldet sich noch mehr. Das Vermögen der Stadt (Eigentum aller Bürgerinnen und Bürger) sinkt aber auf Null und die Stadt gehört nun schon lange den Banken.

In der letzten LinX vom Dezember 2020 haben wir die Situation um den Kieler Stadthaushalt erneut dargestellt: „Haushaltsentwurf 2021: Kieler Ratsversammlung will starke Investitionen statt Schuldenbremse.“ Nachzulesen unter:
https://linx01.sozialismus-jetzt.de/component/content/article/62-uncategorised/3571-12-2020-kieler-ratsversammlung-will-starke-investitionen-statt-schuldenbremse.html?Itemid=28

Aber das alles ist nach der modernen neoliberalen Finanzpolitik mit dem Namen MMT egal, denn Geld ist ja genug da. Man muss es nur (von der Zentralbank über den Kauf von Staatsanleihen) leihen und es ergibt sich dabei nur ein positives Geld-Guthaben bei den Banken, die dann mehr Kredite geben können. Das klingt sehr freundlich und moderne Finanzmanager haben den Kapitalismus angeblich voll im Griff. So auch z. B. beim Green New Deal. Hier soll für den Umweltschutz massiv investiert werden.

Aber die Frage am Ende bleibt dann: Wem gehört es (und wer verdient daran)?
Am Beispiel der Windkraft sehen wir das klar: Die Konzerne, die durch Kohle und Atomstrom und durch die Liberalisierung des Marktes viel verdient haben, investieren in Offshore-Windkraft und großen Solaranlagen: Sie besitzen die Energieversorgung, wie auch die Netze. Die Abhängigkeit der Verbraucher von den Energiekonzernen nutzen sie für ihre Maximalprofite. Kommunale und bürgernahe Kontrolle der Energieversorgung als Daseinsvorsorge geht verloren oder wird verhindert (siehe Stadtwerke).
Ähnliches würde die Modern Monetary auch für Bildung und Gesundheit bewirken. Es wird nicht erkannt bzw. verschwiegen, dass alles den Gesetzmäßigkeiten des neoliberalen Marktes und der Profitwirtschaft untergeordnet ist. Der Staat und die Bevölkerung werden enteignet und dem neoliberalen Markt ausgeliefert. Die steuerfinanzierte Daseinsvorsorge geht so immer weiter verloren.
Nicht eine moderne Finanztheorie ist hier meiner Meinung nach die Lösung, sondern leider nur der schwere Weg in eine Wirtschaftsform im Interesse des Gemeinwohls ohne profitorientierte Wertabschöpfung, die allen Menschen eine Arbeit und ein gesichertes Einkommen und gute Daseinsvorsorge ermöglicht.
Aber um die Auswirkungen in unserer an Kapitalakkumulation orientierten Gesellschaft etwas abzumildern, wäre eine Vermögenssteuer und eine Finanztransaktionssteuer zum Wohle der Bürger, wie bei der Gründung von Attac gefordert, nötig. Außerdem bräuchten die Kommunen wesentlich mehr Geld um aus der Privatisierung wieder herauszukommen. Laut Bundesministerium der Finanzen 2019 erhalten die Gemeinden 15 Prozent von dem Aufkommen der Einkommensteuer und 12 Prozent von der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Davon ist aber offensichtlich bisher nicht viel bei den Kommunen angekommen.
Demgegenüber sieht es in den skandinavischen Ländern sehr viel besser aus. Die Einkommensteuer deckt z. B. in Finnland 40 Prozent der kommunalen Ausgaben. (Uwe Stahl)

Hierarchie der Banken, Buchgeldkonten, Zentralbankgeldkonten sowie Buchgeldschöpfung und Schöpfung von Zentralbankgeld.
Grafiken: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Geldsch%C3%B6pfung)

 

Eine grundsätzliche Kritik an der Modern Monetary Theory gibt es in der jungenWelt:
„Der Gott aus der Druckmaschine“, 4.12.2020 von Alfred Müller

https://www.jungewelt.de/artikel/391864.kritik-der-politischen-%C3%B6konomie-der-gott-aus-der-druckmaschine.html?sstr=MMT

Aktionstag Abrüsten statt Aufrüsten:

Für Frieden, Abrüstung und Entspannungspolitik – Gegen neue Atomwaffen und bewaffnete Drohnen

Die bundesweite Aktion am Samstag (5.12.2020) am Exerzierplatz/Kiel anlässlich der Haushaltsdebatte wurde unterstützt von etlichen Aktiven und traf bei Wochenmarktbesuchende auf gute Resonanz. An den Infotischen wurden rund 200 Unterschriften unter den Appell „Abrüsten statt aufrüsten“ gesammelt.
Eine gemeinsame Aktion von Attac Kiel, DFG-VK Kiel, DGB Kiel Region, DKP-Kiel, VVN, IPPNW Kiel, Kieler Friedensforum, Kuhle Wampe und SDAJ Kiel.

Der dezentrale Aktionstag fand in über 100 Städten erfolgreich statt. Mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern war der Aktions- und Protesttag der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ – unter den Corona-Bedingungen ein großer Erfolg.

Friedensinitiativen überall im Land, zusammen mit Gewerkschaften und Umweltverbänden haben diesen Tag zu ihren gemacht und sind ideenreich und fantasievoll angesichts der beschränkten Handlungsmöglichkeiten bundesweit für Frieden und Abrüstung auf die Straße gegangen. Menschenketten, Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, öffentliche Veranstaltungen, Unterschriftensammlungen, Informationsstände prägten das Bild der über 100 Aktionen.

Weitere Unterschriften unter dem Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ wurden in Vorbereitung und Durchführung des Aktionstages gesammelt. Bis jetzt haben 180.000 Personen den Aufruf unterzeichnet.

Grundlage aller Aktionen war die Ablehnung der weiteren Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland mit neuen Atomwaffen und Bewaffnung der Drohnen. Der Verteidigungsetat steigt auf 46.8 Milliarden, und soll damit noch einmal um fast 2% erhöht werden, nach NATO-Kriterien, die auch Militär und Rüstungsausgaben aus anderen Haushaltstiteln, in denen sie versteckt sind, berücksichtigt sind es 51 Milliarden.

Die 2 % BIP für Rüstung und Militär stehen weiter fest auf der politischen Agenda der übergroßen Mehrheit des Bundestages. Dies heißt mindestens 80 Milliarden für Krieg und Profite der Rüstungsindustrie.

Gesundheit statt Bomben, Bildung statt Militär, die Protestierenden forderten entschieden Priorität für Soziales und Umwelt. Eine sozial ökologische Friedenstransformation wurde eingefordert.

Dieser Aktionstag macht Mut zu weiteren Aktivitäten und Aktionen. Besonders der Bundestagswahlkampf ist eine Herausforderung, in denen sich mit Forderungen nach Frieden, Entspannungspolitik und Abrüstung eingemischt werden sollte.

Die Anschaffung von bewaffneten Drohnen scheint nicht so zu laufen, wie Befürworter das gerne hätten. Mit ausdrücklichem Hinweis auf die Protest der Friedensbewegung fordert die SPD-Spitze weitere Diskussionen. Das sollten wir für unsere ablehnende Argumentation nutzen!

Am vergangenen Sonntag (6.12.2020) ging der diesjährige digitale Friedensratschlag 2020 erfolgreich über das Netz.
Teilweise nahmen bis zu 500 Aktive teil. Über die Homepage des Friedensratschlages können die Reden und Workshops abgerufen werden: www.friedensratschlag-digital.de

Kieler Friedensforum:
Video-Vortrag: Militarisierung der Ostsee

Der am 28. November 2020 als Video-Webinar gehaltene Vortrag von Dr. Horst Leps (Hamburg, ZAA) kann unter
https://youtu.be/4AfnhQdWtD0 abgerufen werden. Die Langfassung des Vortrages kann als Broschüre (64 Seiten mit Abb. und Quellen- und Literaturverzeichnis) bestellt werden über b.stahn@kieler-friedensforum.de

Zusammenstellung: uws

 

Kasseler Friedensratschlag:
Erklärung des Friedensratschlags 2020

Weltkriegsgefahren entgegentreten – Wandel zum Frieden einleiten!

Die nächste Bundestagswahl, die voraussichtlich im September 2021 stattfindet, muss ein wichtiger Bezugspunkt für die Aktivitäten der Friedensbewegung und der Bürger*innen sein, die an einer wirkungsvollen Friedenssicherung und Kriegsprävention interessiert sind.
Es gilt, den friedenspolitischen Druck auf die Straße, in die Gewerkschaften, in die Kirchen, in NGOs und die politischen Parteien zu tragen.

Weltkriegsgefahren entgegentreten – Wandel zum Frieden einleiten bedeutet Entspannung und Abrüstung statt atomaren Wettrüstens, Anschaffung von Kampfdrohnen, steigenden Waffenexporte in Spannungsgebiete, statt sich ausbreitender Kriege, sich ausweitender NATO-Manöver, insbesondere an der Grenze zu Russland, statt der zunehmenden ökologischen Zerstörung durch Militär und Kriege.

Die Bundestagswahl 2021 stellt Weichen für eine Entscheidung von existenzieller Reichweite. 
Wir wollen nicht, dass auf Jahrzehnte hinaus die deutsche Luftwaffe mit 30 Atombombern sowie 15 sie begleitende Kampfjets aus den USA erneuert wird, um damit von Deutschland aus US-Atombomben präzise gegen unterirdisch verbunkerte Ziele in Russland lenken zu können. Das erhöht nicht nur die Spannungen in Europa gewaltig sondern auch die Gefahr eines Atomkriegs. Da die Entscheidung darüber erst nach der Bundestagswahl 2021 fällt, muss das von uns zu dem Thema des Wahlkampfs gemacht werden. Wir lehnen die Anschaffung von Atombombern für die Bundeswehr ab. Die 30 bis 35 Mrd. Euro, die das Gesamtprojekt einschließlich der Nachfolgekosten zu verschlingen droht, braucht unsere Gesellschaft wahrlich dringender für die Daseinsvorsorge und nicht für die Zerstörung der Zivilisation. 

So erwarten wir, dass die Bundesregierung den UN-Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und der Bundestag ihn ratifiziert. Dies bedeutet dann auch, dass die in Büchel eingelagerten US-Atomwaffen aus Deutschland zu entfernen sind.
Eine Steigerung der Rüstungsausgaben auf 2% der Wirtschaftsleistung  bis 2031, wie sie Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer anstrebt, ist nicht hinzunehmen. Es würde eine Verdopplung auf fast 100 Mrd. Euro jährlich bedeuten. Das Geld würde bei der notwendigen sozialökologischen Transformation unserer Gesellschaft fehlen, u.a. in der Klimakrisenbekämpfung, bei der Sozial- und Bildungspolitik, der Rüstungskonversion und im Gesundheitswesen.

Wir fordern für die zukünftige Regierungspolitik entschiedene Schritte zur Abrüstung und zur Konversion der Rüstungsindustrie in eine Friedensindustrie. Abrüstung und Vertrauensbildung sind das Gebot der Stunde.
Dies alles gilt es in Demonstrationen, Kundgebungen, Informationsveranstaltungen und Workshops deutlich zu machen.
Alle bei der Bundestagswahl zur Wahl stehenden Parteien und Politiker*innen sind daraufhin zu befragen, inwieweit sie die hier formulierten friedenspolitischen Grundsätze mittragen. 
Wir werden keine Partei und keine Kandidat*innen wählen, die der Aufrüstung und den Kriegseinsätzen zustimmen.

Bilder: Aktionsstand in Kiel am 5.12.2020

Das nächste Jahrzehnt der NATO

NATO-Bericht macht Vorschläge zur Dämpfung bündnisinterner Konflikte und zur Stärkung der Allianz gegen Russland und China.

BERLIN/BRÜSSEL (Bericht german-foreign-policy, 3.12.2020) - Die NATO soll ihre innere Geschlossenheit stärken und sich mit neuen Schritten gegen Russland und China in Stellung bringen. Dies fordert ein Bericht ("NATO 2030"), den das Militärbündnis anlässlich seines gestern zu Ende gegangenen Außenministertreffens offiziell vorgelegt hat. Demnach soll zukünftig ein Veto gegen unliebsame Bündnisbeschlüsse erschwert werden; zugleich müsse die Allianz die Kooperation mit Staaten an den Grenzen zu Russland und im regionalen Umfeld Chinas intensivieren. Der Bericht war im vergangenen Dezember in Auftrag gegeben worden, um offen eskalierende Differenzen innerhalb der Allianz zu kitten, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zuvor in einer pointierten Formulierung ("Hirntod der NATO") angeprangert hatte. Erstellt wurde er unter Leitung von Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière und dem US-Diplomaten Wess Mitchell. Der Bericht, der in die Erstellung eines neuen "Strategischen Konzepts" münden soll, wird von Außenminister Heiko Maas lautstark gelobt, von Experten aber als "sicherheitspolitischer Bauchladen" abgetan.

Der "Hirntod" der NATO

Offizieller Auslöser für die Erstellung des Berichts, den die NATO-Außenminister auf ihrem Treffen in den vergangenen zwei Tagen diskutierten, war die Äußerung von Frankreichs Präsident Emmanuel Anfang November 2019, man erlebe gegenwärtig "den Hirntod der NATO".[1] Anlass für Macrons Äußerung wiederum war, dass kurz zuvor die Türkei nach Syrien einmarschiert war und die Vereinigten Staaten mitgeteilt hatten, ihre Truppen von dort abzuziehen. Frankreich hatte, über beides nicht vorab in Kenntnis gesetzt, seine in Syrien operierenden Spezialkräfte überstürzt aus dem Land beordern müssen. Dabei konnte das Vorgehen weder der USA noch der Türkei als Ausrutscher gewertet werden: Washington setzte unter Präsident Donald Trump zusehends auf Alleingänge; Ankara nutzt unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan sein gewachsenes ökonomisch-politisches Gewicht, um die eigene Expansion ohne besondere Rücksichtnahme auf die Allianz voranzutreiben. Zwar werden die USA unter ihrem künftigen Präsidenten Joe Biden wohl wieder stärker auf Bündniskooperation setzen; doch kann mit Blick auf die tiefe Zerrissenheit des Landes nicht fest davon ausgegangen werden, dass dies auf Dauer, etwa nach der nächsten Wahl im Jahr 2024, auch so bleibt.

"Vereint für eine neue Ära"

Vor diesem Hintergrund hatte auf Initiative von Außenminister Heiko Maas der Londoner NATO-Gipfel Anfang Dezember 2019 beschlossen, einen "Reflexionsprozess" zur Konsolidierung des Bündnisses zu starten. Zu diesem Zweck setzte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im April eine "Reflexionsgruppe" ein, die unter Vorsitz von Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière und dem zuletzt im State Department für Europa zuständigen US-Diplomaten Wess Mitchell den jetzt vorgelegten Bericht "NATO 2030: Vereint für eine neue Ära" erstellte. In die zehnköpfige "Reflexionsgruppe" eingebunden waren sämtliche relevanten Strömungen in der NATO. Explizit beteiligt waren der türkische Diplomat Tacan İldem und Frankreichs Ex-Außenminister Hubert Védrine. Schwerpunktmäßig geht es darum, den politischen Zusammenhalt des zumindest partiell auseinanderdriftenden Militärbündnisses zu stärken, um mit größtmöglicher Geschlossenheit die Machtkämpfe gegen Russland und China führen zu können. Dazu bietet der aktuelle Bericht nicht nur Kernaussagen über vorgebliche "globale Bedrohungen" der kommenden Jahre, sondern auch 138 konkrete Empfehlungen für die praktische Arbeit der Allianz.

Bedrohungsszenarien

"Bedrohungen" diagnostiziert der Bericht der "Reflexionsgruppe" rund um den Globus. Hatte die NATO in ihrem "Strategischen Konzept" aus dem Jahr 2010 noch festgestellt: "Heute lebt der euro-atlantische Raum in Frieden", so ist nun von einer "Rückkehr der Systemrivalität" und von einem "Aufstieg globaler Bedrohungen" die Rede.[2] Russland etwa sei zwar "nach wirtschaftlichen und politischen Maßstäben eine absteigende Macht"; es habe sich aber als "fähig zu territorialer Aggression" erwiesen und bleibe "im kommenden Jahrzehnt wahrscheinlich eine Hauptbedrohung" für die Allianz. China hingegen, heißt es in dem Bericht, stelle "eine ganz andere Art von Herausforderung für die NATO" dar: Es sei "gegenwärtig keine direkte militärische Bedrohung für die euro-atlantische Region", habe aber dennoch "eine globale strategische Agenda" und werde in den Jahren bis 2030 wohl "die Fähigkeit" des Bündnisses herausfordern, "kollektive Resilienz herauszubilden". Die Formulierung ist unter anderem auf Chinas heftig attackierte Beteiligung am Aufbau von Infrastruktur wie den 5G-Netzen in Europa gemünzt. "Terrorismus" bleibe "eine der unmittelbarsten asymmetrischen Bedrohungen für die Allianz", heißt es weiter; darüber hinaus bestünden "andere Bedrohungen und Herausforderungen" im Süden fort - in einem riesigen Gebiet von Nordafrika über den Nahen und Mittleren Osten "bis nach Afghanistan".

Gegen Russland, gegen China

Die konkreten Empfehlungen des Berichts für die praktischen Aktivitäten der NATO haben eine doppelte Dimension: Zum einen sollen sie die zunehmenden Differenzen innerhalb des Bündnisses wenigstens dämpfen; zum anderen zielen sie auf eine strategische Stärkung der Allianz vor allem gegen Russland und China. So heißt es, "im Norden" solle die "Partnerschaft" mit Schweden und Finnland fortgesetzt und intensiviert werden. Faktisch werden beide Länder schon längst als informelle Mitglieder behandelt und sind bei zahlreichen NATO-Treffen vertreten, so zum Beispiel gestern beim Außenministertreffen. "Im Osten" müssten "die Partnerschaften mit der Ukraine und Georgien gestärkt" werden, heißt es weiter; beide Länder fungieren seit Jahren als vorgeschobene Verbündete unmittelbar an den russischen Grenzen. Mit Blick auf Asien plädiert der Bericht schließlich dafür, "Konsultation und Kooperation mit indo-pazifischen Partnern zu vertiefen" - mit Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea. Die vier Länder zählen bereits zu den "globalen Partnern" des Kriegsbündnisses; man könne die schon bestehende Zusammenarbeit im "NATO+4-Format" ausbauen, heißt es. Als weitere Option nennt der Bericht eine Kooperation mit dem Quad ("Quadrilateral Security Dialogue"), einem lockeren Bündnis der USA, Australiens, Japans und Indiens, das sich gegen China richtet - auch militärisch.[3]

Konfliktpotenziale

Mit Blick auf den inneren Bündniszusammenhalt heißt es in den Empfehlungen des Berichts, "die transatlantische Konsultation" müsse "auf systematische, glaubwürdige und kraftvolle Art und Weise gestärkt werden". Dazu sollten die Absprachen der Außenminister intensiviert und generell mehr Ministertreffen abgehalten werden. Zu erwägen sei darüber hinaus, die Stellung des NATO-Generalsekretärs weiter aufzuwerten. Zudem sollen Blockaden erschwert werden; so haben jüngst Ungarn die Bündniskooperation mit der Ukraine und die Türkei diejenige mit Österreich systematisch torpediert, weil sie auf nationaler Ebene mit den Ländern im Streit liegen. Lege ein Staat - wie in den erwähnten Fällen Ungarn und die Türkei - sein Veto ein, dann müsse dies "auf Ministerebene geschehen, nicht in Gremien", fordert de Maizière: "Das erhöht den politischen Preis."[4] Allerdings erhöht es zugleich die politischen Kosten, wenn Konflikte in Zukunft nicht mehr in Gremien, sondern von den Ministern und damit näher am Blick der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Zudem soll in Zukunft, teilt de Maizière mit, "eine Gruppe von Staaten unter dem Dach der Nato" enger zusammenarbeiten können. Das eröffnet neue Optionen, schafft aber zugleich neues Konflikt- und Spaltungspotenzial.

"Der übliche sicherheitspolitische Bauchladen"

Erstaunliche Differenzen zeigen sich bei der Beurteilung des Berichts. Außenminister Heiko Maas lobt ausdrücklich, die "Empfehlungen" des Papiers hätten "Substanz" und seien "sehr ausgewogen": "Wir danken der Gruppe für ihre ausgezeichnete Arbeit".[5] Ganz anders stuft Patrick Keller, Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), das Dokument ein. "Das Beste an diesem Impulspapier ist, dass es keine Überraschungen enthält", urteilt Keller: Es mangele nicht nur "an echten Innovationen"; auch lasse "der traditionsbewusste Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung" die "anderen Kernaufgaben des Krisenmanagements und der Partnerschaften arg blass aussehen".[6] "Wirklich neue Ideen" etwa zur "Partnerschaft" mit nahestehenden Staaten im asiatischen Umfeld Chinas suche man "leider vergeblich". "Gut die Hälfte des Papiers" gerate darüber hinaus lediglich "zum üblichen sicherheitspolitischen Bauchladen".

[1] Emmanuel Macron warns Europe: NATO is becoming brain-dead. economist.com 07.11.2019.

[2] Zitate hier und im Folgenden: NATO 2030: United for a New Era. 25 November 2020.

[3] S. dazu Deutschland im Indo-Pazifik (IV).

[4] "Russland fordert uns heraus". Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.12.2020.

[5] Gemeinsame Erklärung der Außenminister Frankreichs und Deutschlands zum NATO-Reflexionsprozess. Berlin, 01.12.2020.

[6] Patrick Keller: Denkanstöße für die NATO 2030: Zum aktuellen Reflexionspapier. baks.bund.de.

Quelle: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8459/

Neue Broschüre – Herausgeber:
DIE LINKE im Europaparlament von Christoph Marischka

Eine autonome Aufrüstung?
Künstliche Intelligenz in der Europäischen Verteidigung

http://www.thegravity.de/download/Ruestungsexporte_V1g-Druck.pdf

TERMINE

- wegen Corona ohne Gewähr -

TERMINE in der Pumpe fallen aus.


Mi., 13.01.2021, 19 Uhr,
online-Videokonferenz ATTAC-Kiel -
Plenum, siehe www.attac-kiel.de

Mi., 27.01.2021, 19 Uhr,
online-Videokonferenz ATTAC-Kiel -
Plenum, siehe www.attac-kiel.de

„Wir haben es satt!“-Demo 2021

Für gewöhnlich beginnt unser Aktions-Jahr mit der „Wir haben es satt!“-Demo in Berlin, bei der wir immer lautstark und tatkräftig vertreten sind. Durch die Corona-Pandemie ist für die Demo am 16. Januar 2021 ein anderes Format geplant. Die Veranstalter behalten bei den weiteren Planungen das Infektionsgeschehen im Auge. Bisher ist geplant, dass vor Ort nur Menschen aus Berlin und Brandenburg teilnehmen sollen. Mit diesen soll am Kanzler*innenamt Corona-gerecht mit Abstand und Maske demonstriert werden. Wer eine weite Anreise hat, wird gebeten, zu Hause zu bleiben und den Protest durch die Fußabdruckaktion zu unterstützen. Weitere Infos unter:
https://wir-haben-es-satt.de

friedensratschlag