- Article Information
- Written by Uwe Stahl
- Category: Uncategorised
- Date Published
- Last updated on 01. Oktober 2025
- Created on 30. September 2025
- Hits: 73
Sie sprechen wieder von großen Zeiten:
Ein Liederabend zu Krieg und Frieden
In dem Ankündigungstext des Kieler Schauspielhauses für diese Veranstaltung heißt es: „Gibt es einen Weg, die Menschen vom Verhängnis des Krieges zu befreien?“
Mit dieser Frage beginnt der Physiker Albert Einstein seinen berühmten Briefwechsel mit dem Psychoanalytiker Sigmund Freud aus dem Jahre 1933. Für den Humanisten und Pazifisten Einstein ist der Krieg ein Skandal als solcher – ein Verbrechen wider die Natur des Menschen, gespeist aus Destruktion, Propaganda und militaristischer Erziehung. Sigmund Freud antwortet differenziert auf der Basis seiner psychoanalytischen Erkenntnisse und Theorien. Auch wenn er die Aggression als dem Menschen immanent sieht, bleiben seine Gedanken nicht ohne Hoffnung: „Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.“
Fast 100 Jahre nach diesem so bedeutenden Austausch zweier Jahrhundertgenies ist diese Thematik „Krieg und Frieden“ wieder allgegenwärtig. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wird auch in unserer Gesellschaft wieder vermehrt über Ursachen und Folgen des Zivilisationsbruchs Krieg gestritten.
Von „Kriegstüchtigkeit“ und einem womöglich „letzten Sommer in Frieden“ ist im öffentlichen Diskurs die Rede.
Unser Ensemblemitglied Stefan Bone, seit 2017 Kapellmeister und Solorepititor am Theater Kiel ist Mitglied des Erhard-Eppler-Kreises, eines Zusammenschlusses sozialdemokratischer Wissenschaftler*innen und Künstler*innen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, das Erbe des ehemaligen Entwicklungshilfeministers und Friedenspolitikers Erhard Eppler ins 21. Jahrhundert hinüberzutragen.
Zusammen mit seinem Ensemblekollegen, dem Tenor Michael Müller-Kasztelan widmet er sich der Frage, wie Dichter und Komponisten aus verschiedenen Jahrhunderten auf das Menschheitsthema Krieg blickten und sich diese Beschäftigung in ihren Werken niederschlug. Auf der literarischen Grundlage von Werken Joseph von Eichendorffs, Eduard Mörikes, Heinrich Heines und Bertolt Brechts erklingen Werke u. a. von Franz Schubert, Robert Schumann, Hanns Eisler, Gustav Mahler, Kurt Weill und Hugo Wolf.
Kieler Opernhaus,
Sonntag, 19.10.2025 um 18 Uhr
- Article Information
- Written by Uwe Stahl
- Category: Uncategorised
- Date Published
- Last updated on 01. Oktober 2025
- Created on 30. September 2025
- Hits: 76
Stiefel bleibt Stiefel
Wo bleiben literarischer Protest und Zeitsatire
angesichts der Mobilmachung zur Kriegstüchtigkeit?
Bei der im Sommer ausgetragenen Frauen-Fußball-EM wurde auf ARD und ZDF ein Werbespot gesendet, der junge Frauen in Deutschland zum Eintritt in die Bundeswehr motivieren sollte.
Dies ist ein aktuelles Beispiel für die stattfindende „kulturelle Zeitenwende“: Militärisches Denken, Aufrüstung und Krieg gelten wieder als Normalität – ja, als notwendig. Stimmen, die für Diplomatie und Abrüstung werben, ja sogar einem Pazifismus das Wort reden, werden als Realitätsverweigerung diskreditiert.
Das hat leider Tradition. Auch der erste Prozess der Remilitarisierung und Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ab 1950 bis 1956, als die ersten Wehrpflichtigen eingezogen wurden, vollzog sich ohne lautstarken Protest des herrschenden Kulturbetriebes.
An zwei kritische Stimmen, die nicht schwiegen und sich vernehmlich gegen die Wiederaufrüstung zu Wort meldeten, soll hier erinnert werden. Alte antimilitaristische Literatur, die heute leider wieder höchst aktuell ist.
Pelle Igel

1957 veröffentlichte der Schriftsteller und Karikaturist Hans-Peter Woile alias Pelle Igel (Pseudonym und politischer Tarnname) sein Buch „Stiefel bleibt Stiefel. Zeitsatire in Vers und Prosa“, in dem er die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik aufs Korn nimmt.
Ein Jahr darauf wird das Buch verboten und beschlagnahmt, gegen den Autor wird Anklage wegen „Staatsgefährdung“ und „Landesverrat“ eröffnet. Erst 1969 erfolgt die Einstellung des Verfahrens.
Zur 1976 erfolgten Neuauflage des Buches schreibt Prof. Thomas Metscher im Nachwort: „Wie die Repression der Adenauer-Ära auch den literarischen Bereich erfaßte, so wird, wenn wir heute nicht auf der Hut sind, auch die gegenwärtige Repression vor einer erneuten Unterdrückung der Meinungsfreiheit der Literatur nicht zurückschrecken.“
Pelle Igel (1905-1981) hatte den Vorsitz der Bremen-Oldenburgischen Sektion des Bundes Proletarischer Schriftsteller inne und war Leiter der der Agitprop-Gruppe „Rote Reporter“. Noch in der Nacht des Reichstagsbrandes war Hans-Peter Woile verhaftet worden. Er kam nach ein paar Monaten frei, Woiles Identität mit Igel konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Ab 1945 hat Pelle Igel vor allem als Karikaturist gewirkt und gegen die Wiederbewaffnung getextet. In den 1970er Jahren beteiligte er sich am Aufbau des Werkkreises Literatur der Arbeitswelt; 1981 gehörte er zu den Erstunterzeichnern des Krefelder Appells.
Und was kam dann?
Als dein Großvater an die Front ging, / trug er Blumen am Gewehr.
Seine Frau, die an seinem Arm hing, / trug davon für ihn noch mehr.
Auf dem Bahnhof steckte sie ihm dann / diese Blume an die Brust.
Und sie schmückte ihren Mann / für den Tod - noch unbewußt.
Dein Großvater fiel für Kaiser und Ehre.../ Blumenlos verrosteten Gewehre.
Und was dann?
Dann marschierte dein Vater kreuz uns quer / durch Europa. Ohne Blumen am Gewehr. /
Die ihm befahlen, liebten nicht diesen Firlefanz: / sie schickten ihn ohne Blumen in den Totentanz. /
Das Menschenschlachtvieh marschierte / „für Volk und Reich“ – und krepierte.
Dein Vater fiel für Führer und Ehre … / Es versanken Großdeutschland und seine Heere.
Und was kam dann?
Dann kamen die Generäle in Scharen, / die uns noch erhalten geblieben waren /
Die Ballistiker und die Sandkastensieger / die Etappenherrscher und die Heimatkrieger. /
Und da sie ansonsten nichts weiter gelernt, / so haben sie sich aufs neue mit Sternen besternt /
und haben eiserne Mienen aufgesetzt.
Und was tun sie jetzt?
Jetzt holen sie dich, den Enkel, den Sohn. / Sie greifen nach dir und sie drillen dich schon /
für den nächsten großeuropäischen Totentanz. / Dabei geht es mechanisch zu ohne Firlefanz, /
ohne Blumen an Brust und Gewehr. / Weißt du das alles? - So wisse noch mehr: /
Das Ziel ist klar, und die Richtung steht fest: / nach Osten! - Wenn du Dich treiben läßt!
Arno Schmidt

Ebenfalls ein Ausnahmefall im BRD-Literaturbetrieb der 50er Jahre war Arno Schmidt (1914-1979). Wegen seiner entschiedenen antimilitaristischen Stimme war auch er von Zensur betroffen und von der Justiz verfolgt.
Bemerkenswerte ist, dass in den heutigen Zeiten von Kriegstreiberei, die Geschäftsführerin der Arno-Schmidt-Stiftung, Susanne Fischer gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Michaela Nowotnick das Arno-Schmidt-Lesebuch „Es ist also Krieg irgendwo“ herausgegeben haben.
„Nichts hat Arno Schmidt so empört wie die Wiederaufrüstung in der jungen Bundesrepublik und die Gleichgültigkeit seiner Zeitgenossen gegenüber den Kriegen in der Welt“, heißt es im Vorwort.
Und zu Recht wird dabei die Verdrängungsleistung der übrigen bundesdeutschen Nachkriegsliteratur kritisiert – mit dem Fazit: „Schmidts dystopische Romane hingegen erzählen vom Leben nach den vernichtenden Atomschlägen eines dritten Weltkriegs: Mutanten auf der Erde, letzte Menschenkolonien auf dem Mond.“
Die eindeutige Westorientierung der Bundesrepublik hält Schmidt für einen fatalen Schritt hin zum nächsten Krieg. Bei der Bundestagswahl 1953 hofft er, dass die GVP (Gesamtdeutsche Volkspartei) Gustav Heinemanns gemeinsam mit der SPD und der KPD im Parlament die Wiederaufrüstung verhindern können. Doch weder GVP noch KPD schaffen es ins Parlament.
„Die Menschen sind nie lästiger, als wenn sie Soldaten spielen. (Kommt bei ihnen wohl periodisch in jedem Jahrzwanzicht, ungefähr wie Malaria, neuerdings noch schneller)“ heißt es z. B. in einem Roman, der 1953 veröffentlicht wurde.
In seinem letzten vollendeten Roman „Abend mit Goldrand“ lässt Arno Schmidt einen alten Major sein Fazit ziehen: „Bild’n Se sich ja nicht ein, meine Herrschaftn, dass es keine Kriege mehr geben werde! Für uns dürfte der Große Designer noch die attraktivstn Todesartn bereit habm.“
Einen künftigen Dritten Weltkrieg, einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen, sieht Schmidt als durchaus realistisches Szenarium.
„Nein, nach dem nächsten Kriege, (also in diesem Jahrhundert noch) werden nun wieder lange, kulturlose Zeiträume komm’m – wie damals; zwischen 400 und 1100 – durchaus möglich, dass die Schrift verloren geht; (es wird nicht das erstemal gewes’n sein: was wissen Wir denn, was in den Eis=beziehungsweise Zwischen=Eiszeitn alles vor sich gegangn iss?“ (...)
„Aber es wird ein Krieg kommen, danach Menschen gebraucht werdn=werdn: die ohne Häuser leben können, und aus Teichen trink’n; die nackt gehen, und keine Bücher mehr kennen (mögen); die der Schuhe nicht dedürf’n im wildn und ungebahntn Lande, im dürren und finstern Lande, im Lande da Niemand wandelt noch kein Mensch wohnet.“
Günther Stamer
• Pelle Igel, Stiefel bleibt Stiefel. Zeitsatire in Vers und Prosa. Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1976, 100 Seiten (antiquarisch)
• Arno Schmidt: Es ist also Krieg irgendwo. Ein Lesebuch. Hrsg. v. Susanne Fischer u. Michaele Nowotnick. Suhrkamp-Verlag, Berlin 2024, 264 Seiten
- Article Information
- Written by Uwe Stahl
- Category: Uncategorised
- Date Published
- Last updated on 27. Dezember 2023
- Created on 27. Dezember 2023
- Hits: 470
Über alte Nazis und gegen neue Nazis:
Ausstellung „Naziherrschaft von 1933 - 45“ in Elmschenhagen
Im Juli 2021 haben Menschen im Stadtteil Kiel-Elmschenhagen ein Bündnis gebildet und sind aktiv geworden gegen rechte rassistische Propaganda. Den Aufklebern der Identitären Bewegung im öffentlichen Raum, Drohungen gegen Personen und rassistischen Aussagen sollte etwas entgegengesetzt werden.
Der Name des großen, über 20 Jahre bestehenden, stadtweiten organisationsumfassenden und von Gewerkschaften getragene Bündnis „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel“ wurde mit dem Zusatz „Elmschenhagen“ in den Stadtteil getragen. Nun wird von Menschen, die im Stadtteil leben und arbeiten, Bündnisarbeit gemacht. Auch gegen Nazis, aber dennoch mit eigenem Profil.
Zu den regelmäßigen Treffen kommen bis zu 30 Personen, Informationsstände werden durchgeführt und in gemeinsamer Aktion rechte und rassistische Aufkleber im Stadtteil entfernt. Die Aktiven aus unterschiedlichen sozialen und politischen Organisationen haben seitdem viele Veranstaltungen durchgeführt, unter anderem zu rassistischer und faschistischer Symbolik, Auftreten und Parolen heute. Unterstützt wird dies durch kostenfreie (Stadtteil)-Räume in Kulturstation, Kirche, Jugendtreff, Djido Kher der Sinti und Roma und in Schulen.
Welche Bedeutung der 8. Mai als Tag der Befreiung im Stadtteil hatte war ebenfalls Thema. Auch die Zusammenhänge zwischen sogenannten Reichsbürgern und faschistischen Organisationen wurden schon diskutiert, ebenso die Politik der rassistischen AfD und ihre Rolle als parlamentarischer Arm der extremen Rechten und ob sich diese in Elmschenhagen zeigen. Das Ergebnis der Kommunalwahl für die AfD mit 9 % in Elmschenhagen-Süd und 12,6 % in Elmschenhagen-Nord zeigen die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit im Stadtteil.
Bei der Planung zu einer Veranstaltung „1933 in Elmschenhagen“ wurde im Oktober 2022 die Idee für eine Ausstellung genannt. Über ein Jahr hat eine Arbeitsgruppe des Bündnis dazu recherchiert, diskutiert, getextet, Tafeln erstellt und mögliche Ausstellungsorte und die Medien angeschrieben. Klar war: es sollte inhaltlich um die Zeit der Machtübergabe an die Faschisten 1933 gehen und wie sie in Elmschenhagen stattgefunden hat. Wie war die politische Wende in einem Stadtteil mit vor 1933 großem Anteil an SPD- und KPD-Wahlstimmen? Wie hat sich das Leben der Bevölkerung verändert? Welchen Widerstand gab es? Unterstützt wurde die Arbeitsgruppe vom Historiker Eckhardt Colmorgen, der auch im AKENS mitarbeitet.
Geplant waren 15 bis max. 20 Tafeln, das Ergebnis sind nun 30 Ausstellungstafeln. Auf ihnen wird in Rubriken über die Täter aus Elmschenhagen, den Widerstand, die im gesamten Stadtteil errichteten Zwangsarbeiterlager – deren Insassen zur Arbeit in Kieler Unternehmen vornehmlich für die Rüstung und weitere Mobilmachung gezwungen waren, die aus dem Boden gestampften Wohnsiedlungen für die Beschäftigten der naheliegenden Rüstungsbetriebe und -werften, die Straßennamen, die Rolle der Kirche, die Bunker zum Schutz vor den Bomben der Alliierten, die das Ende der Zeit des Faschismus brachten.
Viel wurde in der Arbeitsgruppe und auch in den Treffen des Plenums am "Runden Tisch … Elmschenhagen" diskutiert. Nicht immer konnte ein gemeinsames Verständnis hergestellt werden, wie z.B. zur Frage, ob es Nationalsozialismus (Eigenbezeichnung der Nazis), Faschismus oder Drittes Reich heißt – Nazizeit ist dann in den Titel genommen. Und wie es oft so geht: bei der Arbeit an der Ausstellung fand sich in einigen Bereichen mehr Material als bearbeitet werden kann und gleichzeitig gibt es immer wieder neue Fragen. Diskussionen werden daher folgend weitergeführt.

Die Ausstellung wurde in Elmschenhagen in der Maria-Magdalenen-Kirche Anfang November 2023 vor über 200 Gästen eröffnet und in den folgenden drei Wochen von mehr als 1000 Menschen, überwiegend aus dem Stadtteil, angesehen. Erfreulich ist der Zuspruch, die kritischen und nachfragenden Kommentare. Spontan und kurzfristig wird sie anschließend gleich im Gymnasium Elmschenhagen gezeigt. Eine nächste Station wird im Januar der „Waldhof – Marie-Christian-Heime“ sein.
Der Wunsch nach einer Broschüre, in der das Gezeigte nachlesbar ist, wurde geäußert. Ein Stadtteilrundgang zu auch in der Ausstellung genannten Orten ist in Planung. Insgesamt ist diese Form der Erforschung und das Sichtbarmachen ein zeitaufwändiger aber Kenntnis bringender Beitrag von Stadtteilgeschichte.
Wichtig bleibt es jedoch, sich aufgrund der Geschichte den aktuellen Herausforderungen gegen eine zunehmende Rechtsentwicklung zu stellen. Und diese sollte nicht nur darin bestehen, die soziale Demagogie und den Rassismus und den Faschismus der AfD aufzudecken, sondern sich auch den Versuche von regierenden Parteien, den Abbau von Demokratie zu betreiben, entgegenzustellen. Repression und Überwachung gegen antifaschistische Kräfte, gegen klimaaktive Kräfte stellen jetzt mit der „vorbeugenden Ingewahrsamnahme“ demokratische Rechte außer Kraft, die Polizeigesetze in den Bundesländern bieten weitere Möglichkeiten zur Unterbindung und Reglementierung von Protest.
Jede Stärkung von Militarisierung und Kriegspolitik, durch „Sondervermögen“, Erhöhung des Wehretats, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und in Forderungen wie „kriegstüchtig werden“, sollen dazu beitragen, Entscheidungen von Regierungen als alternativlos zu akzeptieren. Das spielt den Befürwortern eines „starken Staats“ in die Hände, den ultranationalen und faschistischen Kräften. Deshalb muss der Kampf gegen neue Nazis immer verbunden werden mit dem Erhalt und dem Ausbau demokratischer und auch sozialer Rechte.
Ausstellungen über die Geschichte zeigen uns, wie notwendig dies und wie wichtig die Einbeziehung großer Teile der Bevölkerung ist.
Bettina Jürgensen,
aktiv bei „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel“ und … Elmschenhagen
- Article Information
- Written by Uwe Stahl
- Category: Uncategorised
- Date Published
- Last updated on 27. Dezember 2023
- Created on 27. Dezember 2023
- Hits: 467
Interview der KUHLEN WAMPE KIEL mit HEINZ RATZ:
Liedermacher, Schriftsteller, Theatermann und Anarchotyp!
Zu seinem neuen Projekt „Die Grenze der Gier“ gemeinsam mit der Band STROM & WASSER und warum Heinz unsere Solidaritätsaktion: Ein Bus für kubanische Kinder des Rehabilitationszentrum Neurologie „Rosa Luxemburgo“ unterstützt!

Moin Heinz!
Bevor wir uns mit deinem neuen Projekt „Die Grenze der Gier“ etwas konkreter beschäftigen würde ich gerne ein paar Fragen an dich richten, die dich zu der Idee deines neuen Projektes geführt haben.
Frage: Guschi
Rechte Parteien und Neofaschisten sind in Europa und in Deutschland auf dem Vormarsch. Es ist nicht mehr zu übersehen dass durch diese Parteien die bürgerliche Demokratie ins Wanken gerät. Wie siehst du diese Entwicklung?
Heinz Ratz
So wie ich die Sache sehe, hat der Überlebenskampf der Demokratien bereits begonnen - insbesondere dadurch, dass sie einen unmöglichen Spagat versuchen zwischen einer weiterhin auf Gewinnmaximierung und Wachstum setzenden Industrie und den dringenden Anforderungen des Klimawandels und Artensterbens, der wachsenden Armut, des globalen Ungleichgewichts an Wohlstand, der erneuten Aufrüstung und ihrer wahnwitzigen Kosten. Wenn sich die etablierten Parteien aber weiterhin als Interessenvertretung der Wirtschaft verstehen, wird die notwendige Veränderung gewaltsam und undemokratisch gesucht werden. Da ich aber aus tiefstem Herzen ein Demokrat bin, möchte ich mich in den kommenden Jahren bemühen, etwas Bewegung in die Sache zu bringen - nämlich ein Umgestalten unserer bestehenden Werte.

Frage: Guschi
Umgestalten bestehender Werte heißt gesellschaftliche Veränderungen! Hierzu sind bestehende Werte in der Gesellschaft zum Positiven zu verändern. Wie sollte dieses deiner Meinung nach aussehen?
Antwort: Heinz
Nicht, wer viel Besitz anhäuft, soll wertgeschätzt sein in unserer Gesellschaft, sondern wer sich für andere engagiert, wer abgibt von seinem Reichtum, seinem Talent, seiner Arbeitskraft. Nicht Profi-Fußballer, Schlagersänger, Bankberater und Bundestagsabgeordnete sollen gut bezahlt werden, sondern Krankenschwestern und -pfleger, Kindergärtnerinnen, Polizisten, Hebammen, Gärtner etc. – alle sozialen Berufe, alle Berufe, die dem Wohl des Menschen dienen und dem Schutz der Natur. Nicht diejenigen sollen Aufmerksamkeit bekommen, die am lautesten schreien, sondern die, die tatsächlich etwas tun.
Frage: Guschi
In einer Gesellschaft in der es Menschen gibt, welche sozial engagierte Menschen verächtlich als Gutmenschen auslachen und sie dabei als dumm und einfältig darstellen wird es schwer sein die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen. Woher nimmst du diese Zuversicht und Kraft?
Antwort: Heinz
Wir gehen unter in einer Flut aus Geschwätz und narzisstischer Selbstinszenierung, statt die Dinge ohne großes Gerede anzupacken. Und doch wird unendlich viel gute Arbeit getan – von den verlachten und verächtlich gemachten „Gutmenschen“ – gesellschaftlich nicht anerkannt, völlig unterbezahlt, ohne jeden Applaus. Ich glaube, wenn wir dieser ganzen derzeitigen Hysterie den Rücken kehren könnten und mit Gelassenheit daran arbeiten, dass nicht mehr das Geld und die Gier nach immer mehr Reichtum diese Welt und auch unsere demokratischen Systeme beherrschen, sondern das soziale und verantwortungsvolle Handeln im Mittelpunkt der Anerkennung steht, dann besteht durchaus noch Hoffnung auf eine gute Zukunft. Denn wir Menschen sind ja nicht nur die alles zerstörenden Monster – wir können, wenn wir wollen, durchaus auch großartiges leisten. Wir haben viel Kraft – setzen wir sie vernünftig ein!
Frage: Guschi
Vernünftig mit viel Kraft und Zuversicht kämpfen und handeln. So wie du und deine Band STROM & WASSER es in 2024 mit der Aktion „Die Grenze der Gier“ vorhaben.
Wie sind die Forderungen der Aktion?
Antwort: Heinz
Ja, Die Grenze der Gier – so heißt meine Aktion 2024, in der ich fordere: Stärkt die sozialen Berufe! Bezahlt die Menschen anständig, die dafür sorgen, dass unsere Welt menschlich bleibt! Verstaatlicht die Krankenhäuser, damit sie nicht mehr gewinnbringend agieren müssen! Macht überhaupt diesen ganzen Privatisierungs-Wahnsinn rückgängig, der ja nichts anderes ist als der Verrat der sozialen Idee ans Geld. Bewundert Großzügigkeit – nicht Macht, Engagement – nicht Reichtum! Entwickelt Ideen, wie wir die bestehenden Werte durch bessere ersetzen können.
Frage: Guschi
Wie ich weiß werden alle eure Konzerte im Jahr 2024 dazu dienen, die Missstände und Verbesserungsmöglichkeiten in den sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen der Städte aufzuzeigen. Dieses wird sich nicht nur in euren Liedern und Texten widerspiegeln sondern auch mit konkreten Aktivitäten vor Ort, mit denen die es betrifft. Wie willst du das umsetzen?
Antwort: Heinz
Dazu kontaktiere ich Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Heime … besuche sie am Tag des Konzerts und gebe am Abend meinen Eindruck weiter – wie auch die Wünsche, Sorgen und Forderungen der Einrichtungen.
Frage: Guschi
Was versprichst du Dir davon?
Antwort: Heinz
Ich hoffe damit Aufmerksamkeit zu schaffen für die Missstände in den Städten und Gehör zu finden bei den Medien und der lokalen, aber auch überregionalen Öffentlichkeit. So können wir in vielen Städten einen Protest gegen das bestehende, gewinnorientierte System formulieren und sozialere Alternativen suchen. Und das Ganze nicht mit depressivem Gemecker, sondern lebensfroh, mit der Kraft der Musik – aber eben auch mit einer klaren, druckvollen Botschaft. Denn bei allem Optimismus, dass wir die Demokratien und damit eine lebenswerte Zukunft noch retten können – viel Zeit bleibt uns nicht mehr! Es muss jetzt endlich etwas geschehen.
Lieber Heinz,
abschließend noch eine Frage in eigener Sache. Im Juli 2023 gab es zwischen dir und Mitgliedern des Motorradclub Kuhle Wampe Kiel ein Gespräch in dem wir unser Projekt „Ein Bus für die Kinder des Rehabilitationszentrum Neurologie „Rosa Luxemburgo“ – auf Cuba vorgestellt haben. Du hast diese Aktion mit einigen guten Ideen unterstützt. In einem Land das seit über 60 Jahren einer schweren Wirtschaftsblockade durch die USA ausgesetzt ist, wird mit absolut geringen Mitteln versucht, die Idee von einer sozial gerechten Gesellschaft, mit einem Gesundheitswesen welches in Lateinamerika seines gleichen sucht aufzubauen. Siehst du weitere Möglichkeiten unser Projekt auch während deiner Tour zu unterstützen?
Antwort: Heinz
Wir nehmen gerne Infomaterial zu eurem Busprojekt mit und können bei jedem Konzert darauf aufmerksam machen. Desweiteren geben wir euch gerne etwas von unserem Merchandising ab, um es für eine Crowdfunding-Aktion zu nutzen. Und ganz vielleicht komme ich auch mit nach Cuba, um das Krankenhaus einmal kennenzulernen. Das hängt aber von meiner finanziellen Situation ab. Lust hätte ich – ein tolles Projekt!
Immer dabei:
Die Spendenbusse
Vielen Dank für das Interview, Heinz Ratz!
Kuhle Wampe Kiel freut sich auf die weitere gute solidarische Zusammenarbeit auch über 2023 hinaus. Vielleicht ist ja noch Platz in eurer Tour-Planung 2024 und macht einen Auftritt von STROM & WASSER auf dem Sommertreffen von Kuhle Wampe vom 16.-20. August 2024 möglich.
Wer aber nicht solange warten und mehr von Heinz Ratz und der Band STROM & WASSER hören möchte, sollte unbedingt bei seiner Tour „Die Grenze der Gier“ vorbeischauen.
Im Netz findet ihr ihn und seine Band unter: 
www.heinz–ratz.de
Das Interview hat Guschi, KW Kiel im Nov. 2023 geführt. www.kuhle-wampe-kiel.de
- Article Information
- Written by Uwe Stahl
- Category: Uncategorised
- Date Published
- Last updated on 29. November 2023
- Created on 29. November 2023
- Hits: 1452
Newsletter 12-2023:
transform:changethesystem
Zitat des Monats
„In einer Demokratie“ so schrieb ich 2023, als es unter anderem um die Proteste der Letzten Generation ging, „ist das letzte Wort nie gesprochen“. Demonstranten wie die in Wackersdorf, im Hambacher Forst und in Lützerath sind deshalb ein Glück für die Demokratie, weil „nur mit Langweilern und Duckmäusern kein kreativer Staat zu machen ist.“ (Heribert Prantl, Mensch Prantl, S. 166).
Antifaschismus
• Die AfD ist so rechts wie noch nie
https://ogy.de/0svt
Audio / Video
• Omri Boehm - Lässt sich ohne Hass über Nahost sprechen?
https://ogy.de/oyga
• Der Balkon – Wehrmachtsverbrechen in Griechenland
https://ogy.de/ljvn
Bücher
• Prantl, Heribert. Mensch Prantl. Ein autobiografisches Kalendarium
• Mau, Stefan. Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft
Edition Le Monde. Geschröpfter Planet
Frieden / Internationales
• Crome: Deutschland kriegstüchtig?
https://ogy.de/6hyh
• Gegen die Logik der Gewalt (RLS)
https://ogy.de/beg3
• DGB-Jugend zu Nahost-Konflikt – eine Erwiderung
https://ogy.de/1pup
• Medien-Anforderung: Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen
https://ogy.de/4vfa
Demokratische Grundrechte
• X: Musks Plattform für Desinformation.
https://ogy.de/db9x
• Trend weg von ‚X‘ - hin zu bluesky – eine Alternative?
https://ogy.de/enzl
• Robert Habeck und die Grundrechte:
Wie rassistisch ist der Vizekanzler?
https://ogy.de/8130
• Hessen auf Hardliner-Kurs mit mehr Videoüberwachung, mehr Staatstrojaner und mehr Big-Data-Unterstützung für die Polizei.
https://ogy.de/y2ix
• Hört auf, eure Daten zu verschenken!
https://ogy.de/4u8f
• Julian Assange in Berlin ausgezeichnet – Exklusiv-Interview mit Stella Assange
https://ogy.de/ytps
• FDP: „Grundrecht, das nur Deutschen zusteht“
https://ogy.de/iwvz
Links
• Gesundheitsexpert:innen fordern Ausstieg aus fossilen Energien
https://ogy.de/m88e
• Das Ende der »Ampel-Regierung«?
https://ogy.de/qypr
• Sigmar Gabriel und Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel
https://ogy.de/z5k0
Sozial-ökologische Transformation / Gewerkschaften
• Für eine gemeinsame Weiterentwicklung der Gewerkschaftspolitik in der LINKEN
https://ogy.de/csv5
• Die IG Metall ringt um Position in der Transformation der Industrie
https://ogy.de/kvv5
Vorschau / Save-the-Date
• 2024 – Bildungsurlaub mit ver.di Nord:
Seminarreihe „Neoliberalismus“
Bitte meldet euch an: https://ogy.de/3rc6
(Abruf aller Links: 19.11. 2023)
Mit solidarischen Grüßen, Roland
(ver.di Mitglied, Kiel)
Weitere Artikel:
- 11-2023 Kieler „Griechenland-Solidaritätskomitee“: Die globale antiimperialistische Perspektive und die lokale Praxis
- 11-2023 Kurdistan-Kulturwochen: Gedenkveranstaltung für Rojava und die Politik der AKP
- 11-2022 Filmveranstaltung der DKP Kiel: „Rechtsfindung“
- 11-2021 DKP zeigt "Der Marktgerechte Mensch"
- 09-2021 Flandernbunker an der Kiellinie
- 05-2021 Fotogalerie zum Gedenken an Peter Werner
- 04-2021 Peter Werner: Du fehlst uns !
- 02-2021 Kultur - Mit ewo2 und „Avanti Popolo 3“
- 02-2021 - Erklärung von Shahin Charmi zum Iltisbunker
- 12-2020 This mess we're In - Sofia Talvik
- 10-2020 Die Stimme des anderen Geschlechts
- 09-2020 WER RETTET WEN? RELOADED
- 05-2020 Mit der Wilhelm-Bauer-Büste Werbung für heimtückische Waffen
- 04-2020 Fachtag Elementare Musikalische Bildung
- 10-2019 Warnstreik beim NDR
- Deklaration zum Venezuela-Konflikt
- 05-2019 Dokumentarfilm: The Balcony.
- Feine Sahne Fischfilet
- Kunst in Kiel:
- „Wachhund der Öffentlichkeit“

