Daten/Fakten  

   

Über alte Nazis und gegen neue Nazis:

Ausstellung „Naziherrschaft von 1933 - 45“ in Elmschenhagen

Im Juli 2021 haben Menschen im Stadtteil Kiel-Elmschenhagen ein Bündnis gebildet und sind aktiv geworden gegen rechte rassistische Propaganda. Den Aufklebern der Identitären Bewegung im öffentlichen Raum, Drohungen gegen Personen und rassistischen Aussagen sollte etwas entgegengesetzt werden.

Der Name des großen, über 20 Jahre bestehenden, stadtweiten organisationsumfassenden und von Gewerkschaften getragene Bündnis „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel“ wurde mit dem Zusatz „Elmschenhagen“ in den Stadtteil getragen. Nun wird von Menschen, die im Stadtteil leben und arbeiten, Bündnisarbeit gemacht. Auch gegen Nazis, aber dennoch mit eigenem Profil.

Zu den regelmäßigen Treffen kommen bis zu 30 Personen, Informationsstände werden durchgeführt und in gemeinsamer Aktion rechte und rassistische Aufkleber im Stadtteil entfernt. Die Aktiven aus unterschiedlichen sozialen und politischen Organisationen haben seitdem viele Veranstaltungen durchgeführt, unter anderem zu rassistischer und faschistischer Symbolik, Auftreten und Parolen heute. Unterstützt wird dies durch kostenfreie (Stadtteil)-Räume in Kulturstation, Kirche, Jugendtreff, Djido Kher der Sinti und Roma und in Schulen.

Welche Bedeutung der 8. Mai als Tag der Befreiung im Stadtteil hatte war ebenfalls Thema. Auch die Zusammenhänge zwischen sogenannten Reichsbürgern und faschistischen Organisationen wurden schon diskutiert, ebenso die Politik der rassistischen AfD und ihre Rolle als parlamentarischer Arm der extremen Rechten und ob sich diese in Elmschenhagen zeigen. Das Ergebnis der Kommunalwahl für die AfD mit 9 % in Elmschenhagen-Süd und 12,6 % in Elmschenhagen-Nord zeigen die Notwendigkeit antifaschistischer Arbeit im Stadtteil.

Bei der Planung zu einer Veranstaltung „1933 in Elmschenhagen“ wurde im Oktober 2022 die Idee für eine Ausstellung genannt. Über ein Jahr hat eine Arbeitsgruppe des Bündnis dazu recherchiert, diskutiert, getextet, Tafeln erstellt und mögliche Ausstellungsorte und die Medien angeschrieben. Klar war: es sollte inhaltlich um die Zeit der Machtübergabe an die Faschisten 1933 gehen und wie sie in Elmschenhagen stattgefunden hat. Wie war die politische Wende in einem Stadtteil mit vor 1933 großem Anteil an SPD- und KPD-Wahlstimmen? Wie hat sich das Leben der Bevölkerung verändert? Welchen Widerstand gab es? Unterstützt wurde die Arbeitsgruppe vom Historiker Eckhardt Colmorgen, der auch im AKENS mitarbeitet.

Geplant waren 15 bis max. 20 Tafeln, das Ergebnis sind nun 30 Ausstellungstafeln. Auf ihnen wird in Rubriken über die Täter aus Elmschenhagen, den Widerstand, die im gesamten Stadtteil errichteten Zwangsarbeiterlager – deren Insassen zur Arbeit in Kieler Unternehmen vornehmlich für die Rüstung und weitere Mobilmachung gezwungen waren, die aus dem Boden gestampften Wohnsiedlungen für die Beschäftigten der naheliegenden Rüstungsbetriebe und -werften, die Straßennamen, die Rolle der Kirche, die Bunker zum Schutz vor den Bomben der Alliierten, die das Ende der Zeit des Faschismus brachten.

Viel wurde in der Arbeitsgruppe und auch in den Treffen des Plenums am "Runden Tisch … Elmschenhagen" diskutiert. Nicht immer konnte ein gemeinsames Verständnis hergestellt werden, wie z.B. zur Frage, ob es Nationalsozialismus (Eigenbezeichnung der Nazis), Faschismus oder Drittes Reich heißt – Nazizeit ist dann in den Titel genommen. Und wie es oft so geht: bei der Arbeit an der Ausstellung fand sich in einigen Bereichen mehr Material als bearbeitet werden kann und gleichzeitig gibt es immer wieder neue Fragen. Diskussionen werden daher folgend weitergeführt.

AusstellungNaziherrschaftElmschenhagen

Die Ausstellung wurde in Elmschenhagen in der Maria-Magdalenen-Kirche Anfang November 2023 vor über 200 Gästen eröffnet und in den folgenden drei Wochen von mehr als 1000 Menschen, überwiegend aus dem Stadtteil, angesehen. Erfreulich ist der Zuspruch, die kritischen und nachfragenden Kommentare. Spontan und kurzfristig wird sie anschließend gleich im Gymnasium Elmschenhagen gezeigt. Eine nächste Station wird im Januar der „Waldhof – Marie-Christian-Heime“ sein.

Der Wunsch nach einer Broschüre, in der das Gezeigte nachlesbar ist, wurde geäußert. Ein Stadtteilrundgang zu auch in der Ausstellung genannten Orten ist in Planung. Insgesamt ist diese Form der Erforschung und das Sichtbarmachen ein zeitaufwändiger aber Kenntnis bringender Beitrag von Stadtteilgeschichte.

Wichtig bleibt es jedoch, sich aufgrund der Geschichte den aktuellen Herausforderungen gegen eine zunehmende Rechtsentwicklung zu stellen. Und diese sollte nicht nur darin bestehen, die soziale Demagogie und den Rassismus und den Faschismus der AfD aufzudecken, sondern sich auch den Versuche von regierenden Parteien, den Abbau von Demokratie zu betreiben, entgegenzustellen. Repression und Überwachung gegen antifaschistische Kräfte, gegen klimaaktive Kräfte stellen jetzt mit der „vorbeugenden Ingewahrsamnahme“ demokratische Rechte außer Kraft, die Polizeigesetze in den Bundesländern bieten weitere Möglichkeiten zur Unterbindung und Reglementierung von Protest.

Jede Stärkung von Militarisierung und Kriegspolitik, durch „Sondervermögen“, Erhöhung des Wehretats, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und in Forderungen wie „kriegstüchtig werden“, sollen dazu beitragen, Entscheidungen von Regierungen als alternativlos zu akzeptieren. Das spielt den Befürwortern eines „starken Staats“ in die Hände, den ultranationalen und faschistischen Kräften. Deshalb muss der Kampf gegen neue Nazis immer verbunden werden mit dem Erhalt und dem Ausbau demokratischer und auch sozialer Rechte.
Ausstellungen über die Geschichte zeigen uns, wie notwendig dies und wie wichtig die Einbeziehung großer Teile der Bevölkerung ist.

Bettina Jürgensen,
aktiv bei „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel“ und … Elmschenhagen

Interview der KUHLEN WAMPE KIEL mit HEINZ RATZ:

Liedermacher, Schriftsteller, Theatermann und Anarchotyp!

Zu seinem neuen Projekt „Die Grenze der Gier“ gemeinsam mit der Band STROM & WASSER und warum Heinz unsere Solidaritätsaktion: Ein Bus für kubanische Kinder des Rehabilitationszentrum Neurologie „Rosa Luxemburgo“ unterstützt!


Moin Heinz!
Bevor wir uns mit deinem neuen Projekt „Die Grenze der Gier“ etwas konkreter beschäftigen würde ich gerne ein paar Fragen an dich richten, die dich zu der Idee deines neuen Projektes geführt haben.

Frage: Guschi
Rechte Parteien und Neofaschisten sind in Europa und in Deutschland auf dem Vormarsch. Es ist nicht mehr zu übersehen dass durch diese Parteien die bürgerliche Demokratie ins Wanken gerät. Wie siehst du diese Entwicklung?

Heinz Ratz
So wie ich die Sache sehe, hat der Überlebenskampf der Demokratien bereits begonnen - insbesondere dadurch, dass sie einen unmöglichen Spagat versuchen zwischen einer weiterhin auf Gewinnmaximierung und Wachstum setzenden Industrie und den dringenden Anforderungen des Klimawandels und Artensterbens, der wachsenden Armut, des globalen Ungleichgewichts an Wohlstand, der erneuten Aufrüstung und ihrer wahnwitzigen Kosten. Wenn sich die etablierten Parteien aber weiterhin als Interessenvertretung der Wirtschaft verstehen, wird die notwendige Veränderung gewaltsam und undemokratisch gesucht werden. Da ich aber aus tiefstem Herzen ein Demokrat bin, möchte ich mich in den kommenden Jahren bemühen, etwas Bewegung in die Sache zu bringen - nämlich ein Umgestalten unserer bestehenden Werte.

HeinzRatz02

Frage: Guschi
Umgestalten bestehender Werte heißt gesellschaftliche Veränderungen! Hierzu sind bestehende Werte in der Gesellschaft zum Positiven zu verändern. Wie sollte dieses deiner Meinung nach aussehen?

Antwort: Heinz
Nicht, wer viel Besitz anhäuft, soll wertgeschätzt sein in unserer Gesellschaft, sondern wer sich für andere engagiert, wer abgibt von seinem Reichtum, seinem Talent, seiner Arbeitskraft. Nicht Profi-Fußballer, Schlagersänger, Bankberater und Bundestagsabgeordnete sollen gut bezahlt werden, sondern Krankenschwestern und -pfleger, Kindergärtnerinnen, Polizisten, Hebammen, Gärtner etc. – alle sozialen Berufe, alle Berufe, die dem Wohl des Menschen dienen und dem Schutz der Natur. Nicht diejenigen sollen Aufmerksamkeit bekommen, die am lautesten schreien, sondern die, die tatsächlich etwas tun.

Frage: Guschi
In einer Gesellschaft in der es Menschen gibt, welche sozial engagierte Menschen verächtlich als Gutmenschen auslachen und sie dabei als dumm und einfältig darstellen wird es schwer sein die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen. Woher nimmst du diese Zuversicht und Kraft?

Antwort: Heinz
Wir gehen unter in einer Flut aus Geschwätz und narzisstischer Selbstinszenierung, statt die Dinge ohne großes Gerede anzupacken. Und doch wird unendlich viel gute Arbeit getan – von den verlachten und verächtlich gemachten „Gutmenschen“ – gesellschaftlich nicht anerkannt, völlig unterbezahlt, ohne jeden Applaus. Ich glaube, wenn wir dieser ganzen derzeitigen Hysterie den Rücken kehren könnten und mit Gelassenheit daran arbeiten, dass nicht mehr das Geld und die Gier nach immer mehr Reichtum diese Welt und auch unsere demokratischen Systeme beherrschen, sondern das soziale und verantwortungsvolle Handeln im Mittelpunkt der Anerkennung steht, dann besteht durchaus noch Hoffnung auf eine gute Zukunft. Denn wir Menschen sind ja nicht nur die alles zerstörenden Monster – wir können, wenn wir wollen, durchaus auch großartiges leisten. Wir haben viel Kraft – setzen wir sie vernünftig ein!

Frage: GuschiHeinzRatz03

Vernünftig mit viel Kraft und Zuversicht kämpfen und handeln. So wie du und deine Band STROM & WASSER es in 2024 mit der Aktion „Die Grenze der Gier“ vorhaben.
Wie sind die Forderungen der Aktion?

Antwort: Heinz
Ja, Die Grenze der Gier – so heißt meine Aktion 2024, in der ich fordere: Stärkt die sozialen Berufe! Bezahlt die Menschen anständig, die dafür sorgen, dass unsere Welt menschlich bleibt! Verstaatlicht die Krankenhäuser, damit sie nicht mehr gewinnbringend agieren müssen! Macht überhaupt diesen ganzen Privatisierungs-Wahnsinn rückgängig, der ja nichts anderes ist als der Verrat der sozialen Idee ans Geld. Bewundert Großzügigkeit – nicht Macht, Engagement – nicht Reichtum! Entwickelt Ideen, wie wir die bestehenden Werte durch bessere ersetzen können.

Frage: Guschi
Wie ich weiß werden alle eure Konzerte im Jahr 2024 dazu dienen, die Missstände und Verbesserungsmöglichkeiten in den sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen der Städte aufzuzeigen. Dieses wird sich nicht nur in euren Liedern und Texten widerspiegeln sondern auch mit konkreten Aktivitäten vor Ort, mit denen die es betrifft. Wie willst du das umsetzen?

Antwort: Heinz
Dazu kontaktiere ich Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Heime … besuche sie am Tag des Konzerts und gebe am Abend meinen Eindruck weiter – wie auch die Wünsche, Sorgen und Forderungen der Einrichtungen.

Frage: Guschi
Was versprichst du Dir davon?

Antwort: Heinz
Ich hoffe damit Aufmerksamkeit zu schaffen für die Missstände in den Städten und Gehör zu finden bei den Medien und der lokalen, aber auch überregionalen Öffentlichkeit. So können wir in vielen Städten einen Protest gegen das bestehende, gewinnorientierte System formulieren und sozialere Alternativen suchen. Und das Ganze nicht mit depressivem Gemecker, sondern lebensfroh, mit der Kraft der Musik – aber eben auch mit einer klaren, druckvollen Botschaft. Denn bei allem Optimismus, dass wir die Demokratien und damit eine lebenswerte Zukunft noch retten können – viel Zeit bleibt uns nicht mehr! Es muss jetzt endlich etwas geschehen.

Lieber Heinz,
abschließend noch eine Frage in eigener Sache. Im Juli 2023 gab es zwischen dir und Mitgliedern des Motorradclub Kuhle Wampe Kiel ein Gespräch in dem wir unser Projekt „Ein Bus für die Kinder des Rehabilitationszentrum Neurologie „Rosa Luxemburgo“ – auf Cuba vorgestellt haben. Du hast diese Aktion mit einigen guten Ideen unterstützt. In einem Land das seit über 60 Jahren einer schweren Wirtschaftsblockade durch die USA ausgesetzt ist, wird mit absolut geringen Mitteln versucht, die Idee von einer sozial gerechten Gesellschaft, mit einem Gesundheitswesen welches in Lateinamerika seines gleichen sucht aufzubauen. Siehst du weitere Möglichkeiten unser Projekt auch während deiner Tour zu unterstützen?

Antwort: Heinz
Wir nehmen gerne Infomaterial zu eurem Busprojekt mit und können bei jedem Konzert darauf aufmerksam machen. Desweiteren geben wir euch gerne etwas von unserem Merchandising ab, um es für eine Crowdfunding-Aktion zu nutzen. Und ganz vielleicht komme ich auch mit nach Cuba, um das Krankenhaus einmal kennenzulernen. Das hängt aber von meiner finanziellen Situation ab. Lust hätte ich – ein tolles Projekt!

Immer dabei:HeinzRatz Spendenbus

Die Spendenbusse

Vielen Dank für das Interview, Heinz Ratz!
Kuhle Wampe Kiel freut sich auf die weitere gute solidarische Zusammenarbeit auch über 2023 hinaus. Vielleicht ist ja noch Platz in eurer Tour-Planung 2024 und macht einen Auftritt von STROM & WASSER auf dem Sommertreffen von Kuhle Wampe vom 16.-20. August 2024 möglich.

Wer aber nicht solange warten und mehr von Heinz Ratz und der Band STROM & WASSER hören möchte, sollte unbedingt bei seiner Tour „Die Grenze der Gier“ vorbeischauen.

Im Netz findet ihr ihn und seine Band unter: kuhle wampe kiel

www.heinz–ratz.de

 

Das Interview hat Guschi, KW Kiel im Nov. 2023 geführt. www.kuhle-wampe-kiel.de

Newsletter 12-2023:

transform:changethesystem

Zitat des Monats

„In einer Demokratie“ so schrieb ich 2023, als es unter anderem um die Proteste der Letzten Generation ging, „ist das letzte Wort nie gesprochen“. Demonstranten wie die in Wackersdorf, im Hambacher Forst und in Lützerath sind deshalb ein Glück für die Demokratie, weil „nur mit Langweilern und Duckmäusern kein kreativer Staat zu machen ist.“ (Heribert Prantl, Mensch Prantl, S. 166).

Antifaschismus

• Die AfD ist so rechts wie noch nie
https://ogy.de/0svt

Audio / Video

• Omri Boehm - Lässt sich ohne Hass über Nahost sprechen?
https://ogy.de/oyga

• Der Balkon – Wehrmachtsverbrechen in Griechenland
https://ogy.de/ljvn

Bücher

• Prantl, Heribert. Mensch Prantl. Ein autobiografisches Kalendarium

• Mau, Stefan. Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft

Edition Le Monde. Geschröpfter Planet

Frieden / Internationales

• Crome: Deutschland kriegstüchtig?
https://ogy.de/6hyh

• Gegen die Logik der Gewalt (RLS)
https://ogy.de/beg3

• DGB-Jugend zu Nahost-Konflikt – eine Erwiderung
https://ogy.de/1pup

• Medien-Anforderung: Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen
https://ogy.de/4vfa

Demokratische Grundrechte

• X: Musks Plattform für Desinformation.
https://ogy.de/db9x

• Trend weg von ‚X‘ - hin zu bluesky – eine Alternative?
https://ogy.de/enzl

• Robert Habeck und die Grundrechte:
Wie rassistisch ist der Vizekanzler?
https://ogy.de/8130

• Hessen auf Hardliner-Kurs mit mehr Videoüberwachung, mehr Staatstrojaner und mehr Big-Data-Unterstützung für die Polizei.
https://ogy.de/y2ix

• Hört auf, eure Daten zu verschenken!
https://ogy.de/4u8f

• Julian Assange in Berlin ausgezeichnet – Exklusiv-Interview mit Stella Assange
https://ogy.de/ytps

• FDP: „Grundrecht, das nur Deutschen zusteht“
https://ogy.de/iwvz

Links

• Gesundheitsexpert:innen fordern Ausstieg aus fossilen Energien
https://ogy.de/m88e

• Das Ende der »Ampel-Regierung«?
https://ogy.de/qypr

• Sigmar Gabriel und Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel
https://ogy.de/z5k0

Sozial-ökologische Transformation / Gewerkschaften

• Für eine gemeinsame Weiterentwicklung der Gewerkschaftspolitik in der LINKEN
https://ogy.de/csv5

• Die IG Metall ringt um Position in der Transformation der Industrie
https://ogy.de/kvv5

Vorschau / Save-the-Date

• 2024 – Bildungsurlaub mit ver.di Nord:
Seminarreihe „Neoliberalismus“

Bitte meldet euch an: https://ogy.de/3rc6

(Abruf aller Links: 19.11. 2023)

Mit solidarischen Grüßen, Roland
(ver.di Mitglied, Kiel)

 

Kieler „Griechenland-Solidaritätskomitee“:

Die globale antiimperialistische Perspektive und die lokale Praxis

Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Kieler „Griechenland-Solidaritätkomitees“ und 50. Jahrestags des „Pinochet-Putsches“ veranstaltete dieses gemeinsam mit der Kieler Lateinamerika-Gruppe und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Schleswig-Holstein am 23.09. in der Hansa48 eine ganztägige Veranstaltung unter dem Motto „Perspektive Antiimperialismus“. Mit Gästen aus Griechenland, Chile und Dänemark wurde in Vorträgen, Diskussionen, Gesprächen, einer Foto-Ausstellung und einem Film über globale antiimperialistischen Perspektiven informiert und diskutiert. Auf den Tag bezogen beteiligten sich an die einhundert Personen an dieser Veranstaltung.

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Nachfolgend Auszüge aus dem zum Abschluss gehaltenen Vortrag des dänischen marxistischen Aktivisten Torkil Lauesen über „Antiimperialistische Perspektive und lokale Praxis“:

„Ich werde über die Praxis sprechen, den Kampf gegen den Imperialismus in unserem Teil der Welt. Wenn ich an antifaschistischen oder antiimperialistischen Kundgebungen und Treffen in Kopenhagen teilnehme, bei denen die Redner über die Notwendigkeit einer Revolution sprechen und die Menge auffordern, den Kapitalismus zu „zerschlagen“, fällt mir die Distanz auf zwischen den Worten und dem, was auf der Straße passiert.

• Zunächst ist es wichtig zu beachten, dass man sich an der „radikalen Politik“ beteiligen kann und aus der man wieder aussteigen kann, wenn man keine Zeit und kein Interesse daran mehr hat. Der Kampf ist kein notwendiger integraler Bestandteil des täglichen Lebens, sondern etwas, das man in seiner Freizeit tut. Das bedeutet, dass es schwierig ist, das Engagement und die Disziplin zu mobilisieren, die für eine revolutionäre Organisation in unserem Teil der Welt erforderlich sind.

• Zweitens sollten wir bedenken, dass die Revolution keine „Partei“ ist. Schauen Sie sich die Geschichte an. Der Kapitalismus wird sich nicht einfach hinlegen. Die nächsten Jahrzehnte werden dramatisch sein. Es ist nicht einfach, nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen die Mehrheit der umgebenden Gesellschaft zu sein. Wenn unser Kampf mehr als nur Worte ist, wird er Konsequenzen haben. Darauf sollten wir auf persönlicher und organisatorischer Ebene vorbereitet sein.

• Drittens brauchen wir eine solide Strategie. Was machen wir kurz-, mittel- und langfristig? In einem Artikel, den Rosa Luxemburg kurz vor ihrer Ermordung verfasste, bewertete sie die deutsche Revolution. Der Grund für die Niederlage war der Mangel an Organisation, Strategie und der Fähigkeit, entsprechend zu handeln.

Was können wir tun?
Was können wir hier tun, um den Niedergang der US-Hegemonie zu unterstützen? Trotz der derzeitigen Unterstützung der NATO in ganz Europa halte ich es für möglich, ein breites Bündnis gegen Kriege aufzubauen, da die Gefahr einer Eskalation zu einem nuklearen Holocaust besteht und weil die Kosten für Rüstung das Wohlergehen beeinträchtigen. Eine solche Mobilisierung hat keine direkte sozialistische Agenda, verschiebt aber den Hauptwiderspruch in die richtige Richtung.
Was können wir tun, um die Entwicklung eines multipolaren Weltsystems voranzutreiben? Derzeit ist der globale Süden eine Mischung aus progressiven, nationalistischen und reaktionären Regimen, aber eines haben sie gemeinsam: Sie wollen nicht wie in den vergangenen Jahrhunderten vom „Westen“ regiert werden, und sie wollen auch nicht neue Form des Imperialismus, die auf gewaltsamen Formen der Unterdrückung basiert.

In jedem dieser Staaten bestimmt der Klassenkampf die Richtung der Entwicklung – nationalistischer Kapitalismus oder Übergang zum Sozialismus. Das wichtigste Land in diesem Zusammenhang ist China aufgrund seiner Bevölkerungsgröße und seines wirtschaftlichen Gewichts, aber vor allem auch, weil China von einer kommunistischen Partei regiert wird, die die Möglichkeit hat, den Sozialismus zu entwickeln. China rutscht derzeit nach links. Wir werden die Bauern und Arbeiter in ihrem Kampf gegen den verbleibenden Kapitalismus und auf dem Weg zum Sozialismus unterstützen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass dies geschieht, ohne China zu schwächen und damit den Interessen der USA zu dienen. Der Niedergang der US-Hegemonie ist eine Voraussetzung für die Stärkung des antiimperialistischen Kampfes.

Aktivist aus Dänemark: Torkil Lauesen

Torkil Lauesen hansastrWie können wir ein Zahnrad in der großen Transformationsmaschinerie vom Weltkapitalismus zum Sozialismus sein?
Es könnte sich um den Versuch handeln, Arbeiter im Norden und Süden entlang transnationaler Produktionsketten zu organisieren. Es könnte sich um materielle und politische Unterstützung der Befreiungsbewegungen handeln. Es könnte darum gehen, Klimakämpfe auf globaler, eindeutig antikapitalistischer Ebene zu organisieren. Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass der Norden kein sicheres „Hinterland“ für den Imperialismus ist. Dies impliziert einen Kampf gegen rechten Nationalchauvinismus, Rassismus und imperialistische Militärintervention.

In Ermangelung einer Kommunistischen Internationale brauchen wir zumindest eine transnationale antisystemische Bewegung. Wie bauen wir eine solche Bewegung auf? Es gibt keine Einheit in der kommunistischen Bewegung wie damals, als die Kommunistische Internationale 1919 auf Initiative Lenins und der neugeborenen Sowjetunion gegründet wurde. Heute muss von unten nach oben aufgebaut werden. Dies kann hier und jetzt geschehen, beginnend mit der Schaffung eines Netzwerks, über das die Teilnehmer Ressourcen, Erfahrungen und Informationen austauschen können; Proteste, Streiks und Aktionen koordinieren; Solidarität und Unterstützung mobilisieren; Kurz gesagt, organisatorisch die Grenzen zwischen isolierten Kämpfen aufheben und sie zu einem gemeinsamen Kampf verbinden. Die spezifischen Bereiche des transnationalen Kampfes können vielfältig sein: transnationaler Gewerkschaftskampf (über globale Warenketten hinweg); transnationaler Klima- und Umweltkampf; Bewegungen gegen imperialistische Kriege; antirassistischer, antifaschistischer, antikolonialer Kampf; globale Bewegung für grundlegende Lebensbedingungen usw.

In unserer politischen Arbeit haben wir oft das Gefühl, dass das, was wir tun, zu wenig ist – unwichtig für die Veränderung der Welt. Es ist jedoch wichtig zu bedenken, dass es keine „kleinen“ Kämpfe und keine „kleinen“ Widerstände gibt. Es gibt verschiedene Aktions- und Interventionspakete, die manchmal zusammenlaufen, um unter der richtigen Praxis und unter den richtigen Umständen „große“ Veränderungen zu erzwingen.
Neben dem Internationalismus muss der Kampf eine radikale, antikapitalistische Perspektive haben. Es gibt keinen sozialdemokratischen Weg zum Sozialismus. Wenn Reformen im globalen Norden nicht mit der Dekonstruktion des Imperialismus einhergehen, dann sind sie kein Fortschritt – sie sind parasitär.

Wenn der Imperialismus im globalen Süden besiegt wird und die Arbeiterklasse in den kapitalistischen Zentren wieder die gesamte kapitalistische Gesellschaft aufrechterhält, wird auch sie in der Lage sein, die Ausbeuter zu stürzen. Dieser letzte Kampf erfordert ein Eingreifen sowohl des Südens als auch des Nordens, um erfolgreich zu sein. Die neue Weltordnung wird aus feurigen Kämpfen hervorgehen. Es geht um viel. Wird sich das System bei einer ökologischen oder nuklearen Katastrophe selbst zerstören? Wird es sich in Form eines globalen Apartheidsystems unter faschistischer Herrschaft neu erfinden? Oder wird es starke antikapitalistische und antiimperialistische Bewegungen hervorbringen? Unser Kampf wird Teil der Antwort sein.“

(Zusammenstellung: gst)

Kurdistan-Kulturwochen:

Gedenkveranstaltung für Rojava und die Politik der AKP

Nach dem Sieg Erdoğans und der AKP – Die Situation der Kurd*innen nach den Wahlen in der Türkei

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Nach den „Kulturwochen-Kiel“ zu Afghanistan, Syrien und Iran, wird 2023 die Region Kurdistan mit Politik, Kultur und den Kämpfen für ein menschenwürdiges Leben dargestellt. Mit Ausstellungen, Musik, Theater, Tanz, Kochkursen, Filmen, Lesungen, Vorträgen und Diskussionsangeboten soll sich der Region Kurdistan genähert werden.

Festgestellt wird auf der Internetseite zu den Kurdischen Kulturwochen: „Kurdinnen erleben als Geflüchtete in vielen Ländern anhaltende und systematische Diskriminierung. Kurdische Gebiete wurden in den letzten Monaten vermehrt durch Länder wie beispielsweise der Türkei angegriffen. Recepp Tayyip Erdogan benutzt in Bezug auf seine Ziele Wörter wie „Ausrotten“. Auch das iranische Regime geht besonders hart gegen die aktuellen Proteste in kurdischen Gebieten vor. Dennoch wissen viele Personen der deutschen Mehrheitsgesellschaft kaum etwas über die prekären Lebenssituationen von Kurdinnen.“
Ayse Fehimli, Mitglied im Kurdischen Frauenverein Jiyana Jin e.V., schreibt: „Wenn Kulturen miteinander bekannt werden, dann schwindet die rassistische Wand, vor der wir stehen, immer mehr.“

In zwei Veranstaltungen haben das Kurdistan Solidaritätskomitee Kiel, Defend Kurdistan Kiel und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Schleswig-Holstein über die politische Situation in den Ländern, in denen kurdische Bevölkerungen leben, informiert. Dies kann ein Beitrag zum Schwinden dieser rassistischen Wand sein.

Die Situation der Kurd*innen nach den Wahlen in der Türkei und dem Sieg Erdoğans und der AKP analysierte Kerem Schamberger, Kommunikationswissenschaftler und Autor. In dem zur Wahl im Mai 2023 geführten Wahlkampf wurden kurdische Aktivist*innen vom Erdoğan-Regime durch Festnahmen ausgeschaltet. Trotz der Krisen und Kriege, in denen sich die Türkei befindet, hat die AKP die Wahl gewonnen.
Der Referent gab zunächst einen Blick in die Geschichte der türkischen Republik seit 1923. Dabei wies er auf den mit der Gründung erfolgten Versuch hin, die ideologische Grundlage des Staates die „Homogenität des Staatsvolkes“ herzustellen. Dargestellt wird dies in dem Spruch: „Tek Vatan, Tek Millet, Tek Bayrak, Tek Devlet“, also „Ein Vaterland, ein Volk, eine Fahne, ein Staat“ und man könnte ergänzen: „eine Sprache und eine Religion“, so Schamberger.
„Alles, was nicht in das Identitätsbild des neuen türkischen Prototyps passte, wurde entweder vertrieben, assimiliert oder ermordet.“

Hinzu kommt die ökonomische Ebene. Die Enteignungen der ArmenierInnen, der kurdischen Bevölkerung, die Zwangsumsiedelungen, das Verbot der kurdischen Sprache, kurdischer Namen und kurdischer Kultur machten eine politische Beteiligung für diese Bevölkerungen unmöglich. Dies entwickelte andererseits den Widerstand der Kurd*innen gegen die türkische Politik und Regierung. Als Reaktion auf die Unterdrückung wurde die PKK 1978 gegründet.

Seitdem gab es einige Friedensprozesse in der Türkei, die jedoch von der AKP beendet wurden, als Reaktion auf den Wahlsieg der Partei der kurdischen Freiheitsbewegung HDP im Juli 2015 in Istanbul. Die daraufhin einsetzende Selbstermächtigung der kurdischen Bevölkerung über die von ihnen bewohnten Gebiete wird seit 2015 mit brutaler Gewalt des türkischen Militärs unterdrückt.

In dieser Situation haben die Wahlen im Mai 2023 stattgefunden. Dezidiert beschreibt Kerem Schamberger, die Wahlen und blickt dann auf das Ergebnis: „70% der Stimmen an rechte, nationalistische Parteien gegangen: AKP + MHP + IYI Partei + Zafer Parti + Teile der CHP – also an Repräsentanten des türkischen Nationalismus in unterschiedlichen Ausprägungen. Mal mehr mal weniger islamistisch. Davon fast 25% an offen faschistische Kräfte. Der türkische Nationalismus in all seinen Ausprägungen ist der Gewinner der Wahlen. Wieder einmal…GenossInnen des Bündnisses der Arbeit und Freiheit kommen auf 10,5% und 65 Abgeordnete, davon 4 von der TIP (2018: 67 Abgeordnete und 11,7%).“
Westliche Regierungen, wie Olaf Scholz für die BRD, gratulierten Erdoğan umgehend zum Wahlsieg. Dass dies trotz der Verhaftungen von Kritiker*innen der Erdoğan-Regierung erfolgte, nimmt dieser als Legitimation und setzt seine Politik der Unterdrückung und Gewalt fort.

Diese erschwert die Diskussionen in den kurdischen Gebieten über das gemeinsame Vorgehen nach den Wahlen. Dabei, so Schamberger, muss die „Konzentrierung auf Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht und einem gegenhegemonialen Projekt: Linke Kräfte, gewerkschaftliche Verankerung, Verankerung in den Städten und Stadtteilen“ folgen.
„Es muss eine Gegenhegemonie von unten aufgebaut werden. Ganz im Gramscianischen Sinne. Weg von reiner Fixierung auf Wahlen – insbesondere Parlament und Präsidentschaftswahlen. … auch (um) dem türkischen Nationalismus entgegenzuwirken. Darum muss es jetzt in der vor uns liegenden Phase gehen – auch um so einen Grundstein zu legen, die „kurdische Frage“ von unten zu lösen. Das ist nicht einfach, vor allem wenn man sich die aktuelle Weltkonjunktur ansieht – aber versuchen muss man es trotzdem.“

Das Gedenken an Konstantin Gedig - Sehid Andok Cotkar zwei Tage nach der Veranstaltung über die Wahlen machte noch einmal deutlich, wie brutal die um ihre Rechte kämpfende kurdische Bevölkerung unterdrückt wird.

Konstantin war ein junger Landwirt aus Schleswig-Holstein, der sich 2016 der YPG im Kampf gegen den IS angeschlossen hatte. Bei der Verteidigung der syrischen Grenzstadt Serêkaniyê (Raʾs al-ʿAin) wurde Andok Cotkar am 16.10.2019 durch die türkische Luftwaffe getötet.
Seine Eltern besuchten im März 2023 Nordostsyrien/Rojava um mit den Menschen zu sprechen, die mit ihrem damals 24-jährigen Sohn gekämpft haben. Auf der Gedenkfeier teilen sie ihre Erlebnisse und Eindrücke von Rojava und Nordostsyrien in einem Vortrag mit Fotos von ihrer Reise und den Erzählungen über Gespräche und Begegnungen. Über die Reise gibt es eine Dokumentation, in der die auf 2500 km besuchten Stationen im Film festgehalten sind.
Zu vielen Grußworten, in denen der Kämpfe und Gefallenen gedacht wurde, gab es eine Videobotschaft von Mazlum Abdi, dem Generalkommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Abdi betonte das Ansehen und die Ehrung, die internationalistischen Freiwilligen in Nord- und Ostsyrien widerfährt.

In einer Live-Schalte nach Rojava wurde von Internationalist*innen über die aktuellen Angriffe des türkischen Militärs, vor allem auf zivile Infrastruktur und Bevölkerung in den letzten Wochen, berichtet. „Der Widerstandsgeist der Bevölkerung ist ungebrochen“ lautet die deren Aussage.
Kerem Schamberger hat in seiner Rede zum Gedenken auf die Errungenschaften der Rojava-Revolution hingewiesen. Er erinnerte daran, dass grundsätzliche Alternativen zum bestehenden kapitalistischen System immer mit brutaler Gewalt von Kräften des Status quo bekämpft werden:
„Die Pariser Kommune 1871, die Arbeiter- und Soldatenräte in Russland 1917, die Spanische Republik 1936 und die sozialistische Regierung von Salvador Allende in Chile, die vor genau 50 Jahren durch einen faschistischen Putsch gestürzt wurde. Veränderung sollte als Ding der Unmöglichkeit erscheinen.
Doch Konstantin hat als Internationalist den Beweis verteidigt, dass die Emanzipation des Menschen und der Gesellschaft möglich ist.“

Wir verharren in der Defensive, sind oft überwältigt von dem derzeitigen Rechtsrutsch und nicht in der Lage eine Utopie zu entwerfen und sie zu leben, sagte Schamberger und endete mit Pablo Neruda: „Nur mit brennender Geduld werden wir die strahlende Stadt erobern, die allen Menschen Licht, Gerechtigkeit und Würde schenken wird.“

Bettina Jürgensen,
ungekürzt auf www.kommunisten.de