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Digitalisierung 4.0:
Auswirkungen in der Medienproduktion
01. September 2017 Wird alles besser und schneller, weil die Programme und die Computer die Arbeit übernehmen? Das Gegenteil ist der Fall:
• Immer mehr Verwaltungsschritte und Aufwand z.B. für Software-Pflege
• Immer mehr Aufgaben, die immer schneller erledigt werden können und sollen.
Ergebnis: Immer weniger Zeit für die eigentliche Arbeit und kaum Zeit für schöpferische und gestalterische Tätigkeiten mit befriedigenden Ergebnissen.
Das Gefühl, dass die eigene Arbeit etwas Wert ist bzw. Werte produziert, geht verloren, weil alles nur noch unter Zeitdruck erledigt werden kann. Eigentlich sollte mit zunehmender Digitalisierung weniger Arbeitszeit und mehr Freiraum das Ergebnis sein. Tatsächlich erleben wir aber das Gegenteil.
Computer und Software werden zum Kontrollinstrument der Arbeit ausgebaut. Die Arbeitsergebnisse werden nicht mehr gewürdigt, sondern verschwinden hinter Zeitdruck, Stress und Überforderung. Die Arbeit selbst verschwindet häufig im Nirwana von Servern, Mails und Internet.
Wie selbstverständlich werden Software-Programme mit immer mehr Funktionen, Möglichkeiten, Effekten oder sog. Plugins erweitert. Auch die notwendigen und richtig gewählten Einstellungen und Profile erfordern viel Hintergrundwissen. Es ist fast unmöglich alle Funktionen eines Programms z. B. für die Bildbearbeitung mit allen Filtern, Effekten und Ebenen zu beherrschen und mit jedem Update kommt Neues hinzu, aber auch Unsicherheiten. Zeit für das gründliche Erlernen aller Funktionen und Neuerungen gibt es während der Arbeit kaum.
Fortbildung auf Firmenkosten findet in der Regel nicht statt. Sehr selten geben die Mitarbeiter untereinander ihre Erfahrungen und Kenntnisse weiter, sondern meist funktioniert es über „learning by doing“.Das führt dann oftmals zu der üblichen Frage: „Und warum haben Sie solange dafür gebraucht? Wir haben für Sie doch gerade den schnellsten Computer und die aktuellste Software angeschafft! Sie sind doch Fachkraft, können Sie das etwa nicht? Denken Sie bitte auch noch daran, Ihre Datenerfassung zu erledigen und die Dateien geben Sie bitte noch in den vereinbarten Formaten weiter. Vergessen Sie auch nicht die Internetseite zu aktualisieren... usw. usw.“
Hinter dem Begriff Digitalisierung 4.0 verbirgt sich in Wirklichkeit der Zwang und der Versuch der Firmen, die Produktivität auf Kosten der Beschäftigten zu erhöhen und bei Ihnen gleichzeitig das Gefühl zu erzeugen, dass ihre Produkte und Arbeitsergebnisse wertlos und zu kostspielig sind. Es ist auch tatsächlich so, dass der Einsatz von moderner Technik und Software im Verhältnis zum Ergebnis immer teurer wird und auch zunehmenden Verwaltungsaufwand erfordert.
Da aber an moderner Technik nicht gespart werden kann, wenn man nicht im Wettbewerb untergehen will, sieht es scheinbar so aus, als wenn die Arbeitskraft das Hauptübel der Produktion ist. Und es stellt sich heraus, dass immer mehr Wissen erforderlich ist, um die Technik zu beherrschen und viele Firmen müssen feststellen, dass teure Technik eben auch eine gute fachliche Arbeitskraft benötigt.
Die soll dann aber nicht so viel kosten und dann beißt sich die Katze in den Schwanz.
• Vernüftig wäre es, bei zunehmender Produktivität die Arbeitszeit zu verringern, mehr Pausen zu schaffen und mehr Freiraum für Gestaltungsmöglichkeiten zu geben.
• Ohne eine qualifizierte Ausbildung geht es nicht und die zunehmende „Digitalisierung“ erfordert eine ständige Fortbildung und dafür die nötige Zeit.
• Der Verwaltungsaufwand und die Mitarbeiterkontrolle sind zu minimieren und dürfen nicht zum Selbstzweck oder Druckmittel für die Firmenleitung werden. Arbeitsfremde Anwendungen und verwaltungsmäßige Aufgaben müssen verhindert werden und gehören nicht in die Medienproduktion.
Hinter der „Digitalisierung 4.0“ steckt in Wahrheit das Kontrollbedürfnis der Firmenleitung um eine Gewinnoptimierung in der Produktion zu erreichen. Diese Art der Digitalisierung kann Minderwertigkeitskomplexe durch Überforderung und Erniedrigung erzeugen. Stress, Krankheit und Burnout sind die Folgen für die Beschäftigten. Die Frage ist also nicht: Welche Vorteile hat „Digitalisierung und Industrie 4.0“, sondern wie verhindern wir die negativen Auswirkungen auf die Arbeitskräfte, wie schützen wir die Kollegen vor dem Digitalisierungswahn der Unternehmen.
In den Betrieben ist eine rechtzeitige Antwort über Arbeitszeitverkürzung, Qualifizierungsoffensive und eine demokratische Mitgestaltung der Arbeit notwendig.
(Uwe Stahl, Ortsverein Medien Kiel, Sprecher für die Freien und Selbstständigen Kiel/Plön