Daten/Fakten  

   

Sozialistische Zeitung für Kiel

Aktuelle Ausgabe vom 01. Januar 2022

7,9 ha erschlossenes Gewerbegebiet Boelckestraße Nord – Naturzerstörung für gewerbliche Nutzung – im Dezember 2021 Brachland.

Inhalt LinX Januar 2022 – Die Druckausgabe 01-2022 als PDF

 

Die LinX auf TELEGRAM, Kanal LinX-Kiel: https://t.me/linxkiel

Gewerbegebiet Boelckestraße Nord: 

Natur zerstört – Gewerbefläche liegt brach

Das Gewerbegebiet Boeckestraße Nord/„Groß Hasselrod“ liegt immer noch brach. Für 4,5 Mio. Euro hatte die Stadt Kiel 2020 eine 7,9 ha große Fläche zum Teil als zukünftiges Gewerbegebiet erschlossen, mit 50 % Förderung durch Bund und Land. Die Fläche gehört zur schleswig-holsteinischen Knicklandschaft mit erheblichem Umfang allgemeiner Bedeutung für den Naturschutz und grenzt an ein Landschaftsschutzgebiet im Norden.

Bezüglich der Entscheidung zwischen gewerblicher Nutzung und Naturzerstörung heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 910: „In Abwägung zwischen den umweltbezogenen Belangen und den öffentlichen und privaten Belangen werden die Belange der Wirtschaft und die Auswirkungen auf die Gesamtstadt (vordringlich Belange der Arbeitsplatzschaffung/-erhaltung, Ausbildung) höher gewichtet.“ 

Bild: 7,9 ha erschlossenes Gewerbegebiet Boelckestraße Nord – Naturzerstörung für gewerbliche Nutzung – im Dezember 2021 Brachland.

Die BUND Kreisgruppe Kiel und die NABU Ortsgruppe Kiel forderten 2017 einen Stopp des Bauleitverfahrens für das derzeit 9,1 ha große geplante Gewerbegebiet „Boelckestraße Nord“ und stattdessen die Umsetzung auf dem Flughafengelände zu forcieren. Die Stellungnahme wurde zur Kenntnis genommen und dann am 26.10.2017 auf der Ratsversammlung die Umsetzung beschlossen. Wir berichteten und dokumentierten mit Landschaftsbildern in der Ausgabe der LinX 06-2020: „Insgesamt ergibt sich ein Kompensationsbedarf von 31.260 m2 Neuschaffung von Grünland, 760 lfm Ersatzknick, 55 Ersatzbaumpflanzungen und 30.099 m2 Umwandlung extensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen in Grünland. Ausgleichsmaßnahmen sind zugesichert und einzeln beschrieben. Wer kontrolliert das?“

Eine Kleine Anfrage des Ratsherrn Burkhardt Gernhuber (Ratsfraktion DIE LINKE) vom 21.1.2021, mit der Frage, wieviel Fläche bereits an Gewerbeunternehmen vergeben wurde, antwortete der Kieler Oberbürgermeister, dass bisher nur ca. 25% der Gewerbefläche verkauft sind. Nachdem Ende Oktober 2020 die Erschließungsarbeiten abgeschlossen waren, sind 14.800 m2 für 1.270.000 Euro verscherbelt worden (ca. 85 Euro pro m2). Das Geld geht in die Refinanzierung. Es ist eine Gewerbe-Neuansiedelung dabei, die angeblich 50 Arbeitsplätze in Kiel schaffen will. Das Interesse an den Grundstücken sei groß. Der städtische Eigenbetrieb KiWi steht mit fünf Unternehmern im Kauf-Gespräch, während es ca. 20 weitere Interessenten gäbe.

Bisher ist nur ein Teil des historischen Landschaftgeländes Boelckestraße Nord für die Gewerbenutzung erschlossen. Noch besteht die Möglichkeit diesen Gewerbewahn zu stoppen. Es sind genügend ungenutzte Gewerbeflächen vorhanden.

Während es bereits einen Beschluss der Stadt Kiel gibt, dass vorrangig die brachliegenden Flächen auf dem Flughafengelände bereitgestellt werden sollen, steht jetzt auch das ehemalige MFG 5-Gelände/neuer Stadtteil „Holtenau Ost“, mit reichlich Gewerbeflächen in der Planung, die mit geringem Aufwand bereitgestellt werden könnten. Zusätzlich gibt es immer mehr Platz auf dem Friedrichsorter Gewerbegebiet rund um Caterpillar (siehe Kasten).

Immerhin hat DIE LINKE am 1.12.2021 im Wirtschaftsausschuss erreicht, dass der Bebauungsplan Nr. 1022 „Boelckestraße Süd“ geändert wird und damit ein kleines Stück Naturland, angrenzend an den Flughafen, erhalten bleibt. „Eine ökologische Aufwertung und die entsprechende Pflege als arten- und strukturreiches Dauergrünland sind vorzunehmen.“ heißt es im Beschluss.

Ein kleiner Anfang! Das Gelände Boelckestraße Nord muss wieder renaturiert werden! Keine weitere Naturvernichtung durch Gewerbeflächen!

boelckestrae Nord Bebaungsplan web

Bebauungsplan Nr. 910 des Gewerbegebietes Boelckestraße-Nord. Bisher wurden nur die Teilgebiete 3 und 4 erschlossen sowie das Regenrückhaltebecken gebaut.

(uws)

Stadt Kiel kauft Gewerbegebiet Kiel-Friedrichsort

Die Kleine Anfrage des Ratsherrn Burkhardt Gernhuber (Ratsfraktion DIE LINKE) vom 21.1.2021 (Drs. 0031/2021) brachte auch noch interessante Informationen über die Zukunft des Gewerbegebietes Kiel-Friedrichsort zutage.

Frage: Welche Änderungen der Flächennutzung hat es in den vergangenen zehn Jahren im benachbarten Gewerbegebiet Kiel-Friedrichsort gegeben und wie viele Flächen sind dort aktuell zu vergeben?

Antwort der Stadt Kiel:

Das Gewerbe- und Industriegebiet Friedrichsort befand sich in den letzten zehn Jahren im Eigentum eines privaten Grundstückseigentümers, der die darauf befindlichen Hallen- und Bürogebäude an mehrere Großmieter wie z.B. Vossloh Locomotives, Caterpillar & McPack langfristig vermietet hat. Der Hauptmieter Vossloh Locomotives hat den Standort 2017 verlassen und hat einen neuen Produktionsstandort in Kiel-Suchsdorf bezogen. Dementsprechend standen zunächst mehrere Hallen auf dem Grundstück leer. In der Folgezeit konnte der private Eigentümer in einem deutlich kleinteiligeren Maßstab allerdings wieder Hallenteile neu vermieten. Gleichzeitig haben die LH Kiel und die KiWi Gespräche mit dem privaten Eigentümer zum Ankauf des Gewerbe- und Industriegebietes aufgenommen mit dem Ziel, dieses vollständig zu revitalisieren, zukunftsfähig herzurichten und einen modernen Gewerbestandort in Friedrichsort mit Strandlage zu schaffen. Der Kaufvertrag wurde Ende 2019 geschlossen. Die Besitzübergabe an die LH Kiel erfolgte zum 1.1.2020. Um die Interimszeit bis zum Beginn der Erschließungsarbeiten sinnvoll gewerblich zu nutzen und durch die Vermietung Einnahmen zur Refinanzierung der Erschließungsarbeiten zu generieren, hat die LH Kiel mehrere Hallen in unterschiedlichen Größenordnungen mit kurzen Laufzeiten an Unternehmen vermietet. Zusätzlich zu den oben genannten Unternehmen Caterpillar & McPack, die immer noch am Standort sind, haben z.B. die Unternehmen Dataport, Thyssen Krupp Marine Systems und der Bahndienstleister LKM Hallen- und Büroflächen angemietet. Der Fokus liegt auch künftig auf einer gewerblich-industriellen Nutzung.

Die LH Kiel beabsichtigt, das Gesamtareal komplett neu zu erschließen. Die hierfür erforderlichen (Vor-)Planungen laufen derzeit. Aufgrund des laufenden Planungsprozesses stehen die endgültig benötigten Erschließungstrassen und der Flächenbedarf für öffentliche Einrichtungen sowie die Entscheidung, welche Hallen aufgrund eines schlechten baulichen Zustandes abgerissen werden sollen und welche erhalten werden, noch nicht fest. Insofern werden weder die KiWi noch die LHK bis zum Abschluss der Baumaßnahmen Flächen vermarkten bzw. verkaufen. Kurzfristige Anmietungen mit kurzen Kündigungsfristen sind allerdings möglich, da die dann bestehende Flexibilität den Erschließungsprozess der LH Kiel positiv unterstützen kann. (LH Kiel, Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister)

Kommentar:

Gute und böse Autokraten

Joe Biden, Präsident eines Landes zu dessen außenpolitischen Werkzeugkasten die Unterstützung von Staatsstreichs und Mordanschläge auf Staatschefs anderer Länder gehört, hatte kürzlich zu einem Demokratiekongress eingeladen, um ausgiebig vor dem Vormarsch von Autokraten zu warnen.

Gemeint waren weder der marokkanische König, dessen Annexion der Westsahara Bidens Amtsvorgänger abgesegnet hatte, noch die Ölmonarchien am persischen Golf, in denen Frauen froh sein können, wenn sie ein Auto steuern dürfen, und die einen mörderischen Krieg im Jemen führen. Auch NATO-Mitglied Türkei war nicht gemeint, in dem es für Parlamentarier schon zu langjährigen Gefängnisstrafen reicht, ihre Muttersprache in der Öffentlichkeit zu benutzen, oder das im Bündnis mit islamistischen Terrormilizen Krieg gegen Kurden in Syrien und Irak führt. Fast zeitgleich mit Bidens Demokratie-Show hatten türkische Drohnen kurdisch-jesidische Lokalpolitiker im Nordosten Iraks mit Drohnen ermordet, Vertreter jener Kräfte, die sich vor wenigen Jahren gegen einen völkermörderischen Krieg des von der Türkei seinerzeit unterstützten sogenannten Islamischen Staates zur Wehr setzen mussten. 

Nein. Gemeint waren natürlich Chinas Xi Jinping und Russlands Wladimir Putin, gegen dessen brutalen Bürgerkrieg in Tschetschenien der Westen seinerzeit keinerlei Einwände hatte, solange Russland schwach und beeinflussbar erschien.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin hatte darauf eine interessante Antwort: „Demokratie ist ein gemeinsamer Wert der ganzen Menschheit und kein geostrategisches Werkzeug. Die USA privatisieren dieses öffentliche Gut Demokratie, betreiben Spaltung und Konfrontation im Namen der Demokratie und unterminieren die internationale vom Völkerrecht gestützte Ordnung. All das wird getan, um die durch und durch undemokratische US-Hegemonie zu verteidigen.“

Da kann man ihm eigentlich nur beipflichten, was allerdings noch lange nicht heißt, China zum Hort der Menschenrechte zu verklären, oder zur jüngsten Unterdrückung von Gewerkschaften und demokratischen Bewegungen in Hongkong zu schweigen. Doch es geht nicht um Menschenrechte. Es geht darum, dass der Westen sich nicht mit dem Aufstieg Chinas zur neuen Supermacht abfinden will. Aufhalten wird er diesen aber nur mit einem Krieg können. Das ist der Hintergrund der auch von den Grünen unterstützten Aufrüstung. (wop)

Stadtentwicklungspolitik im dänischen Aarhus: 

Vorbildliche Wohnungspolitik?

Die Stadtentwicklungspolitik im dänischen Aarhus wird von vielen Kieler Kommunal-politiker*innen oft als vorbildlich angesehen. Doch auf einer gemeinsamen Veranstaltung, die am 21.11.2021 in der Hansa48 gemeinsam vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum und Mietwucher-Gaarden organisiert wurde, machten die Berichte dreier wohnungspolitischer Aktivisten einer Mieterorganisation aus Aarhus deutlich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. 

Die Referenten wiesen zunächst auf einige Strukturdaten und Regulierungen in der dänischen Wohnungspolitik hin. 

Danach wohnen in Dänemark 50 Prozent der Bevölkerung in Privatwohnungen. Das ist in etwa vergleichbar mit deutschen Verhältnissen. Doch anders als bei uns leben 50 Prozent der dänischen Mieter*innen in öffentlich geförderten Wohnungen und 50 Prozent in privaten Wohnungen zu  Marktpreisen. 

Die Mietpreise orientieren sich an drei Kategorien: 

1. Kostenmiete (aktuell zwischen 4,50 und 12,-pro qm)

2. Marktmiete 15 /qm 

3. Für modernisierte Wohnungen sind Mieterhöhungen bis zu 180 Prozent möglich.

Probleme zwischen Mieter*innen und Ver-mieter*innen können in Dänemark kostenfrei in Mietausschüssen behandelt werden. Sie werden von staatlich finanzierten Anwälten bzw. Anwältinnen moderiert und zu gleicher Parität von Mieter*innen und Vermieter*innen besetzt. 

Im öffentlichen Wohnungsbau gibt es darüber hinaus verbindlich jährliche Mieterversammlungen, die auch Vertreter*innen in übergeordnete Vertretungen auf der Regional- bzw. Landesebene wählen.

Dieser zum Teil positiven Seite steht eine inzwischen sehr düstere Seite der dänischen Wohnungspolitik gegenüber, die auch in Aarhus durchgesetzt werden soll. 

Damit ist eine sog. „Ghettopolitik“ gemeint. Zur Vermeidung sog. Ghettos werden für bestimmte Stadtteile, in denen Menschen in prekären Verhältnissen leben, Kriterien entwickelt, die bei der Überschreitung von Grenzwerten zu Abbrüchen ganzer Häuserblöcke und und gegebenenfalls zu Zwangsumsiedlungen führen. Zu diesen Kriterien gehören:

die durchschnittliche Einkommenshöhe

die Kriminalitätsrate

das Bildungsniveau

die ethnische Zusammensetzung (mindestens 50 Prozent müssen Bio-Dänen sein)

Wenn zukünftig Wohnungsquartiere vier Jahre lang über den nach diesen Kategorien festgelegten Grenzwerten liegen, kommt die Abrissbirne und die Zwangsumsiedlung in andere Stadtteile. Dabei werden den Mieter*innen allerdings preislich gleichwertige öffentlich geförderte Wohnungen angeboten. 

Im Zuge dieser Politik werden voraussichtlich in Aarhus 2000 Wohnungen entmietet und zerstört. Dabei handelt es sich nicht um eine heruntergekommene Bausubstanz, sondern vorwiegend um Plattenbauten mit Grünanlagen, die weitgehend noch in einem guten Zustand sind.

Skandalös an dieser Politik ist ihre sozial diskriminierende und rassistische Ausrichtung. Denn als wichtigstes Kriterium zur Vorbereitung von Zwangsmaßnahmen hat sich der Anteil nicht-weißer, nicht westlicher Ausländer erwiesen.  Wenn über 30 Prozent von ihnen in einem Wohnquartier leben, handelt es sich um ein sog. „Präventionsgebiet“, in dem die beschrieben Maßnahmen möglich werden. 

Nach Ansicht der drei Referenten reiht sich diese Wohnungspolitik bruchlos in die zunehmend ausländerfeindliche Politik der großen dänischen Parteien ein, die sie auch als rassistisch bezeichnen. In diesem Zusammenhang wurde der ehemalige Staatsminister Lars Löcke zitiert, der davon sprach, dass es „schwarze Flecken“ auf der dänischen Landkarte gäbe. 

Andreas Meyer 

Bild: Aarhus Wohnanlage am Wasser – Gestrandete Eisberge an der dänischen Ostseeküste – diese Assoziation weckt das 200 Wohnungen umfassende Projekt des internationalen Architektenteams, das den bereits 2007 ausgelobten Wettbewerb der Stadt Aarhus für sich entscheiden konnte. »Isbjerget« – so auch der offizielle Name, ist eine der ersten realisierten Wohnanlagen des ambitionierten Stadtentwicklungsplans, dessen Ziel ein voll funktionierendes Viertel für 7000 Einwohner samt ... neuer Arbeitsplätze ist. Ein Drittel der Wohnungen ist mit einer Mietpreisobergrenze belegt, die eine soziale Vielfalt gewährleisten soll.

Bild: Wikimedia: By Villy Fink Isaksen - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28193523

Grundsteuer: 

Deutscher Mieterbund will keine weitere Belastung für Mieter*innen

Durch das Bundesverfassungsgericht wurde im Oktober 2018 entschieden, dass die damalige bzw. noch aktuell gültige Berechnung der Grundsteuer verfassungswidrig ist und der Bundesgesetzgeber angehalten ist, ein neues Modell zur Berechnung der Grundsteuer zu entwickeln, welches ab 2025 gelten solle. Im weiteren Verlauf wurde sich nun für das Modell des Bundesfinanzministeriums entschieden. Allerdings gibt dieses Modell vor, dass nicht nur die Fläche des in Rede stehenden Objektes zu Grunde gelegt werden soll, sondern auch der Bodenwert und die durchschnittlichen Mieten.

Der Deutsche Mieterbund hat sich bereits von Beginn an dafür ausgesprochen, dass das sogenannte Bodenwertmodell als Grundlage der Berechnung dienen soll. Dieses sollte nun auch im Rahmen der Landesöffnungsklausel umgesetzt werden, so würde nur der Bodenwert des betroffenen Grundstücks herangezogen. Insofern würde berücksichtigt, wo sich das Objekt befinde und welche Grundstücksfläche es habe und nicht welche Nutzfläche. Im Ergebnis würden die Bewohner von Mehrfamilienhäusern in nicht begehrten Lagen, die grundsätzlich weniger Geld zur Verfügung haben, weniger belastet als Bewohner von Einfamilienhäusern, die sich in besseren Vierteln befinden. Gleichzeitig würde die Besteuerung auch erstmalig die Eigentümer, die ein bebaubares Grundstück haben, dieses allerdings aus Spekulationsmotiven heraus unbebaut lassen (sagenannte Baulücken), betreffen. Gleichzeitig fordert der Deutsche Mieterbund Landesverband Schleswig-Holstein, dass die Grundsteuer aufkommensneutral ausgestaltet sein muss. Unter diesem Aspekt verhält sich das Bodenwertmodell als „gerechte“ Lösung.

„Von enormer Wichtigkeit ist für uns, dass keine Durchschnittsmieten in die Berechnung mit einfließen und dass Baulücken nun erstmalig auch besteuert werden“, so Ann Sophie Mainitz Geschäftsführerin des Deutschen Mieterbundes Landesverband Schleswig-Holstein.

Sollten Durchschnittsmieten bei der Berechnung berücksichtigt werden, müssen die betroffenen Mieter*innen zweimal „bluten“. Zudem ist bei dem Scholz-Modell undurchsichtig, in welchem Turnus die Berechnung in den darauffolgenden Jahren erfolgt soll.

Unabhängig davon setzt sich der Deutsche Mieterbund seit geraumer Zeit dafür ein, dass die Grundsteuer nicht von Mieter*innen zu tragen ist, da es sich um eine Besteuerung des Eigentums handelt.

Quelle: Deutscher Mieterbund Landesverband Schleswig-Holstein, Kiel, 19.10.2021

Öffentlicher Dienst der Länder: 

5 Prozent Inflation – und was ist mit den Löhnen?

In der letzten LinX hatten wir noch getitelt, dass der Tarifkampf im Öffentlichen Dienst (Länder) Fahrt aufgenommen hätte. Doch bereits bei Auslieferung der Ausgabe war mit dem Kampf Schluss.

Die Tarifparteien hatten sich darauf geeinigt, dass die Beschäftigten der Landesbetriebe Anfang des kommenden Jahres eine steuerfreie Zahlung nach den Corona-Regelungen in Höhe von 1.300 Euro erhalten; Auszubildende, Praktikant*innen und Studierende erhalten zur gleichen Zeit 650 Euro steuerfrei. Am 1. Dezember 2022 werden die Entgelte dann um 2,8 Prozent erhöht. Die Entgelte von Auszubildenden, Praktikant*innen und Studierenden werden ab Dezember 2022 um 50 Euro bzw. um 70 Euro im Gesundheitswesen angehoben. Der Tarifabschluss hat eine Laufzeit von 24 Monaten. 

„Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen werten wir das Ergebnis als einen in weiten Teilen gelungenen Kompromiss für die Menschen im öffentlichen Dienst. Insbesondere die Einkommenszuwächse für Beschäftigte im Gesundheitswesen sind ein wichtiger Schritt für die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen“, so Susanne Schöttke, Leiterin des ver.di Landesbezirks Nord. „Ein wesentlicher Erfolg für ver.di ist die Abwehr der massiven Angriffe der Länderarbeitgeber auf die Eingruppierungsregeln, die die Arbeitgeber immer wieder fordern.

Die vielfältigen Streikaktivitäten im Gesundheitsbereich im Norden haben zu spürbaren Erhöhungen der Zulagen ab 1. Januar 2022 geführt. Beispielsweise wird in den Unikliniken die Intensiv- und Infektionszulage von 90 auf 150 Euro erhöht und steigt damit um bis zu 67 Prozent. Das Tarifergebnis bringt beispielsweise für eine Intensivpflegekraft eine durchschnittliche monatliche Einkommenssteigerung von 230 Euro, für Physiotherapeut*innen von durchschnittlich mehr als 180 Euro und für Beschäftigte in Laborberufen ebenfalls von mehr als 220 Euro. Hinzu kommt jeweils noch die einmalige steuerfreie Zahlung von 1.300 Euro.“

Unter dem Strich muss aber festgestellt werden: Bei einer Laufzeit von 24 Monaten steigen die Löhne erst nach 14 Nullmonaten ab Dezember 2022 um bescheidene 2,8 %. ver.di hatte zu Beginn der Verhandlungen noch 5 %, mindestens aber 150 pro Monat für eine Laufzeit von einem Jahr gefordert. 

Dabei ist zusätzlich in Rechnung zu stellen, dass die Inflationsrate für das Jahr 2021 bei über 3 Prozent liegt - im November stieg sie auf mehr als 5 Prozent. So hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und den Prognosen zufolge wird diese hohe Inflationsrate auch im Jahr 2022 andauern. Der nun erfolgte Abschluss im ÖD (Länder) führt für die dort Beschäftigten unter diesen Vorzeichen leider zu einem Reallohnabbau. 

Die Perspektive für zukünftige Tarifkämpfe im öffentlichen Dienst kann letztlich nur sein: Rein in die Gewerkschaft und sich gemeinsam mit den Kolleg*innen für eine aktive Lohnpolitik einsetzen. „Es wird in den nächsten Jahren darauf ankommen, die Mobilisierung der Beschäftigten zu steigern, um auch in Zukunft standhaft bleiben zu können. Der öffentliche Dienst ist mehr als nur der Gesundheitsbereich, der diese Tarifrunde maßgeblich bewegt hat“, so Susanne Schöttke von ver.di Nord.

Im Wirtschaftsteil der „Frankfurter Allgemeinen“ sieht man angesichts der Inflation schon erste düstere Wolken am Horizont des Kapitals heraufziehen: „Bei Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften könnte das Begehrlichkeiten wecken, die verlorene Kaufkraft zurückzugewinnen.“ (FAZ 3.12.21).

ver.di-Presseerklärung/gstLa

Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein: 

8. Mai – Landtag Nazifrei!

Die Unterstützer*innen der Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein“ haben Ende November die Aktivitäten im Bundestagswahlkampf 2021 ausgewertet und erste Planungen für das Jahr 2022 beraten. Die Vorhaben ordnen sich in das bundesweite Ziel ein, rechte und rassistische Hetze zurückzudrängen.

In Schleswig-Holstein wird „Aufstehen gegen Rassismus“ im Jahr 2022 an erfolgreiche Aktivitäten des Bundestagswahlkampfes anknüpfen.

Zu den Landtagswahlen im Mai wird „Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein“ eine  landesweite Kampagne durchführen, mit der die Politik der AfD als rassistisch und faschistisch entlarvt werden soll.

Die Menschen im ganzen Land sind aufgerufen, gemeinsam den Kampf gegen rechte Hetze fortzuführen!

Eine solidarische Gesellschaft, in der Rassismus und Faschismus keinen Nährboden mehr finden, ist das langfristige Ziel. 

Die Pressesprecherin der Kampagne, Bettina Jürgensen, sagt: 

„Wir organisieren Widerstand gegen die Politik der AfD und anderer rassistischer und faschistischer Organisationen. Wir wollen die AfD stoppen und ihren Wiedereinzug in den Landtag von Schleswig-Holstein verhindern.

Unser Ziel für 2022 heißt: 8. Mai – Landtag Nazifrei!“

An den Europaausschuss des Landtags von Schleswig-Holstein: 

Unterschrift unter den Atomwaffenverbotsvertrag

An die Mitglieder des Europaausschusses des Landtags von Schleswig-Holstein. 

Sehr geehrte Damen und Herren! 

Der Antrag der SPD-Fraktion, der Landtag von S.-H. möge auf die Bundesregierung einwirken, dass diese den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichne, wurde an den Europaausschuss überwiesen. Damit kommt Ihrem Votum eine hohe Bedeutung bei. Wir hoffen, dass die nachfolgenden Argumente Sie erreichen können. 

Zwar ist die Entscheidung über die Unterschrift unter den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) Bundessache, doch ist das Land S.-H. mit seinen Werften, Marine- und Luftwaffenstützpunkten im Kriegsfall als ein vorrangiges Ziel potentieller gegnerischer Verteidigungs- oder gar Präventivschläge zu betrachten, nicht zuletzt selbst bei einer entfernteren Nuklearexplosion durch radioaktiven Fallout bedroht. 

Von daher muss S.-H. ein großes Interesse daran haben, diese Risiken weitestgehend zu minimieren. Laut dem gerade veröffentlichten Koalitionsvertrag planen die Parteien der künftigen Bundesregierung, an der Wiener Überprüfungskonferenz des AVV als Beobachter teilzunehmen und „die Intention dieses Vertrags konstruktiv zu begleiten“. 

Damit wird Deutschland nach Norwegen der zweite NATO-Staat und das erste Land, in dem Atomwaffen stationiert sind, das als Beobachter an der AVV-Staatenkonferenz teilnimmt. Deshalb könnten Sie der Meinung sein, dass sich nun der im Europaausschuss zu behandelnde Antrag doch eigentlich erübrigen würde. Doch die Bereitschaft der Bundesregierung zur Teilnahme an der AVV-Staatenkonferenz ist nur ein erster, wiewohl sehr wichtiger und erfreulich hoffnungsvoller Schritt. 

Ein unterstützendes Votum des S.-H. Landtags an die Bundesregierung zum Beitritt zum AVV, wie bereits von vier anderen Bundesländern und auch der Landeshauptstadt Kiel erfolgt, ist jedoch gerade deshalb von Bedeutung, weil im Koalitionsvertrag von der neuen BR explizit das Ziel „Deutschland frei von Atomwaffen” angestrebt wird, wie dies ja auch die große Mehrheit der Bevölkerung fordert.

Unzweifelhaft liegt Ihnen allen, die Sie Verantwortung für das Wohl unseres Landes tragen, die Sicherheit von uns Bürgern am Herzen. Strittig ist jedoch offenbar, welche Methoden am besten geeignet sind, diese Sicherheit zu gewährleisten. 

Über das Ziel, die US-Atomwaffen aus Deutschland zu entfernen, herrscht Uneinigkeit, meist mit Verweis auf unsere Bündnisverpflichtungen und das Risiko, dass dadurch die NATO destabilisiert würde. Deshalb sollte sich Deutschland unbedingt dafür einsetzen, den schon 2011 mit dem NATO „Deterrence and Defense Posture Review Committee“ begonnenen Dialog, bei dem ein Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe diskutiert wurde, wieder aufzunehmen. 

Der Sorge, dass die USAtomwaffen dann in Polen stationiert würden muss mit Verweis auf die NATO-Russland-Charta von 1997 begegnet werden, in der dies eindeutig verboten ist. Auch dürfen unsere „Bündnisverpflichtungen“ nicht bedeuten, dass wir uns zu Geiseln politischer Entscheidungen machen, die nicht in unserer Hand liegen! Denn die „nukleare Teilhabe Deutschlands“ bedeutet nicht, dass Deutschland im Ernstfall Einfluss auf die Entscheidung über einen Atomwaffeneinsatz hätte. 

Diese Entscheidung liegt letztlich allein beim US-Präsidenten, auch die für einen Ersteinsatz von Atomwaffen! Weiter wird von Gegnern des AVV argumentiert, dass alle Atomwaffenstaaten, wie im Atomwaffensperrvertrag (Nichtverbreitungsvertrag NVV) von 1970 beschlossen, zunächst abrüsten müssten. Doch wurde der AVV ja gerade deshalb initiiert, weil die Reduktion der Atomwaffen seit langem stagniert und deren „Modernisierung“ einer Aufrüstung gleichkommt. 

Wie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages am 19.1.2021 bestätigt, steht der AVV nicht im Widerspruch zum NVV, sondern ergänzt diesen vielmehr, indem er die Verhandlungen des NVV befördern kann, statt zu einer Schwächung der Verhandlungsposition zu führen. 

Zentraler Konfliktpunkt in der Frage des Beitritts Deutschlands zum AVV ist die Strategie der Abschreckung. 

Nukleare Abschreckung ist bis heute die zentrale Sicherheitsstrategie der Großmächte. Abschreckung bedeutet, dass im Fall eines nuklearen Angriffs der Angreifer durch einen Zweitschlag mit für ihn inakzeptablen Schäden und Nachteilen zu rechnen hätte. Der Abschreckungslogik ist also die nukleare Zweitschlagslogik immanent. 

Hauptargument der Vertreter einer atomaren „Abschreckungsstrategie“ heute ist jedoch immer noch, dass dank der Abschreckungsstrategie im Kalten Krieg durch das „Gleichgewicht des Schreckens“ ein Atomkrieg verhindert worden sei. Dabei wird zum einen verschwiegen, dass es aufgrund von Fehlalarmen und Fehlinterpretationen vermeintlicher Angriffe wiederholt um Haaresbreite zu einem „Atomkrieg aus Versehen“ gekommen wäre. – Je kürzer die Vorwarnzeit, umso höher ist dieses Risiko! 

Zum anderen setzte diese gegenseitige Abschreckung damals und setzt heute wieder einen ungeheuren, Ressourcen verbrauchenden und die Umwelt belastenden, äußerst gefährlichen Rüstungswettlauf in Gang. Der auf diese Weise in Gang kommende Rüstungswettlauf verringert so die Chancen einer friedlichen Lösung politischer Konflikte. Die Abschreckungslogik sorgte im damaligen bipolaren atomaren Patt zwischen den Blöcken USA/NATO und Sowjetunion/Warschauer Pakt für eine gewisse, jedoch durch Fehlalarme immer gefährdete Stabilität und sollte die damalige konventionelle Überlegenheit des Warschauer Pakts in Schach halten. 

Heute ist die NATO jedoch auch konventionell Russland weit überlegen. In dem heute multipolaren Kräftefeld von mindestens sieben Atommächten funktioniert diese gegenseitige Abschreckungsstrategie nicht mehr. Außerdem beinhaltet die neue, auf eine Vormachtstellung ausgerichtete US-Nuklearstrategie schon seit 2014/15, Atomwaffen auch in einem Ersteinsatz als sog. nukleare Gefechtsfeldwaffen mit vorwählbarer Sprengkraft von 0,3 - 50 kt(!) einzusetzen. (Zum Vergleich: die Hiroshimabombe hatte eine Zerstörungskraft von 20 kt!). 

Das potentielle nukleare Gefechtsfeld wäre Deutschland und Europa! Ein Einsatz von strategischen Atomwaffen wäre ein „game changer“! Er lässt sich nicht auf ein „Gefechtsfeld“ begrenzen und würde zwangsläufig zur atomaren Eskalation führen! Diese zunehmende Atomkriegsgefahr, die durch das Vorrücken der Zeiger auf der „Doomsday Clock“, der Weltuntergangsuhr, auf 100 Sekunden vor 12 symbolisiert wird, muss durch völkerrechtlich verbindliche Verträge wie den AVV unbedingt verhindert werden! 

Die Befürworter der nuklearen Teilhabe Deutschlands stützen sich jedoch noch immer auf die schon im Kalten Krieg gefährliche Strategie „Frieden durch Abschreckung“. Sie verkennen dabei die Gefahr, dass Deutschland und Europa im Ernstfall, wenn ein militärischer Konflikt atomar eskalieren würde, zum nuklearen Schlachtfeld werden würde! 

Nicht zuletzt braucht eine Abschreckungsstrategie zu ihrer Rechtfertigung den „absoluten Feind“, d.h. Feindbilder werden geschürt, statt sich in die Situation des Gegners, der sich ebenfalls bedroht fühlt, hinein zu versetzen und Frieden durch vertrauensbildende Maßnahmen zu befördern. Insbesondere das Festhalten der Bundesregierung an der nuklearen Teilhabe durch die auf deutschem Boden stationierten US-Atombomben wird auf russischer Seite als Bedrohung seiner nationalen Sicherheit bewertet und führt wiederum zu den Westen beunruhigenden Gegenmaßnahmen. 

„Frieden durch Abschreckung“ heute bedeutet Aufrüstung auf Grund der vermeintlich oder tatsächlich empfundenen Bedrohung der Sicherheit Deutschlands und Europas speziell durch Russland. Wir empfinden es deshalb als sehr beunruhigend, dass seit vielen Jahren einseitig die Bedrohung durch Russland vermittelt wird und nicht die gegenseitige Bedrohtheit durch Großmanöver beidseits der russischen Grenze anerkannt wird, die fatalerweise auf beiden Seiten zu Aufrüstungsmassnahmen führt. Diese Aufrüstungsmassnahmen verschlingen Unmengen an finanziellen und materiellen Ressourcen, die dringend für die Abwendung der die ganze Welt bedrohenden Klimakatastrophe benötigt würden. 

Deshalb ist der Beitritt Deutschlands zum AVV eine wichtige Möglichkeit, Abrüstungswillen zu signalisieren und dadurch die gegenseitige Rüstungs- und Bedrohungsspirale zu durchbrechen. Es wäre ein wichtiges Signal an Russland, dass Deutschland einen Beitrag für die gemeinsame Sicherheit mit Russland zu leisten bereit wäre. Der Beitritt zum AVV ist ein wichtiger Beitrag für Rüstungskontrolle und Abrüstung und damit ein Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt, ein Aufbruch in eine Welt, in der jeder Staat sich dadurch für die eigene Sicherheit einsetzt, dass er dafür sorgt, dass andere Staaten sich vor ihm sicher fühlen können. 

Wir bitten Sie deshalb dringend, das Votum des S.-H. Landtages an die Bundesregierung für einen Beitritt zum AVV zu ermöglichen! 

gez. Siegfried Lauinger

AG Atomwaffenverbotsvertrag Schleswig-Holstein Kiel, 28.11.2021 

c/o Siegfried Lauinger Dorfstr. 80 24232 Tökendorf Tel: 04348-9132264 

Bilder: Aktion am 22.01.2021 beim Kanzleramt in Berlin

NATO-Außenminister erhöhen Druck auf Moskau:

Rote Linien

Blinken fordert Russland zur Verlegung seiner Truppen auf. Putin dringt auf Vereinbarungen zum Stopp der Konflikteskalation.

MOSKAU/BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) - Mit neuen Drohungen gegen Russland ist am gestrigen Mittwoch das Treffen der NATO-Außenminister in der lettischen Hauptstadt Riga zu Ende gegangen. US-Außenminister Antony Blinken verlangt, Moskau müsse seine Truppen umgehend von der Grenze zur Ukraine abziehen. Sein scheidender Amtskollege Heiko Maas lobt, man habe „zu den russischen Truppenbewegungen“ eine „gemeinsame“ Sprache gefunden. Worauf die NATO-Außenminister den Anspruch gründen, Moskau den Aufenthalt seiner Streitkräfte an einem bestimmten Ort auf seinem Territorium verbieten zu wollen, ist unklar. Gleichzeitig bringen mehrere NATO-Staaten neue Truppen gegen Russland in Stellung; Großbritannien stationiert Kampfpanzer in Deutschland, um bei einer Eskalation schneller in Richtung russische Grenze aufbrechen zu können. Russlands Präsident Wladimir Putin warnt die NATO-Staaten eindringlich, Moskaus rote Linien nicht zu überschreiten, fordert, das „Vorschreiten der NATO nach Osten“ zu beenden, und dringt auf Vereinbarungen mit „Sicherheitsgarantien“, um die Konflikteskalation zu stoppen.

Oktober 1962

Mit Blick auf das gestern zu Ende gegangene Treffen der NATO-Außenminister hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Warnung vor dem Überschreiten der roten Linien seines Landes wiederholt. Putin hatte bereits im April erklärt, Moskau werde diese roten Linien verteidigen und dazu, falls nötig, mit massiver Vergeltung reagieren. Zuletzt hatte er das am 18. November bekräftigt, hatte präzisiert, es gehe etwa um den Ausbau militärischer NATO-Infrastruktur in der Ukraine, und kritisiert, die westlichen Staaten nähmen seine Warnungen nicht ernst. Am Dienstag konkretisierte der russische Präsident die roten Linien weiter und nannte als Beispiel eine etwaige Stationierung eines Raketenabwehrsystems vom Typ Aegis Ashore, wie es in Rumänien bereits aufgestellt ist und im kommenden Jahr in Polen in Betrieb gehen soll, in der Ukraine.[1] Abschussrampen von Aegis Ashore können genutzt werden, um offensive Marschflugkörper in Gang zu setzen.[2] Diese wären, würden sie in der Ukraine abgefeuert, binnen weniger Minuten in Moskau, das dann kaum noch zu verteidigen wäre. Welche Folgen es haben kann, wenn solche roten Linien überschritten werden, ist auch im Westen seit der Kubakrise vom Oktober 1962 bekannt.

„Voranschreiten nach Osten“

Gestern hat Putin ergänzend angekündigt, Moskau werde sich um Vereinbarungen mit den westlichen Mächten bemühen, die auf Dauer Sicherheit schaffen könnten; darin müssten die NATO-Staaten allerdings „verlässliche und langfristige Sicherheitsgarantien“ abgeben, die „jedwedes weitere Vorschreiten der NATO nach Osten und die Stationierung von bedrohlichen Waffensystemen in unmittelbarer Nähe des Gebiets der Russischen Föderation ausschließen“.[3] Worauf Putin mit „Vorschreiten der NATO nach Osten“ abzielte, hat am Dienstag in anderem Zusammenhang NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg skizziert. Stoltenberg schilderte, wie das Militärbündnis nach der Eskalation des Konflikts um die Ukraine erstmals „kampfbereite Truppen in den östlichen Teil der Allianz“ geschickt habe - „nicht nur in die Ostseeregion, auch zum Schwarzen Meer“.[4] Außerdem hätten NATO-Mitglieder der Ukraine „politische Unterstützung, praktische Unterstützung“ angedeihen lassen: „Die Verbündeten sorgen für Training, für den Aufbau von Kapazitäten, auch militärischer Kapazitäten, Ausrüstung“. Es gebe eine ganze Reihe „verschiedener Arten von Unterstützung, um die ukrainischen Streitkräfte zu stärken“, fügte Stoltenberg hinzu.[5]

Auf dem Weg nach Osten

Ein weiteres „Vorschreiten der NATO nach Osten“ ist längst im Gang. So hat der britische Verteidigungsminister Ben Wallace Ende November angekündigt, die britischen Streitkräfte würden rund 250 gepanzerte Fahrzeuge - darunter Kampfpanzer -, zudem Militär-Lkw und weiteres Gerät nach Deutschland verlegen, auf den Truppenübungsplatz Sennelager bei Paderborn; dort waren bis 2020 britische Truppen fest stationiert. Das Militärlager soll unter der Bezeichnung „Land Regional Hub“ eine ähnliche Funktion erfüllen wie die US-Lager in Deutschland, Belgien und den Niederlanden, die als „Army Prepositioned Stock“ (APS) bekannt sind: Im Kriegsfall sollen Soldaten aus Großbritannien eingeflogen werden, die Militärfahrzeuge besteigen und sofort in Richtung Russland vorrücken. Aktuell ist vorgesehen, dass regelmäßig sogenannte Battle Groups von einigen hundert Soldaten nach Sennelager entsandt werden, um dort Manöver durchzuführen. Von da aus könnten sie unmittelbar weiter nach Estland verlegt werden, heißt es; dort führt Großbritannien eine der NATO-Battle Groups, die in den baltischen Staaten und Polen unweit der Grenze zu Russland stationiert sind.[6]

Der NATO-Krisenreaktionsmechanismus

Weitere Maßnahmen mit Stoßrichtung gegen Russland sind beschlossen, in Vorbereitung oder werden zumindest diskutiert. So hat die Biden-Administration bereits im Februar die unter Präsident Donald Trump festgelegte Obergrenze von 25.000 Soldaten für die US-Truppen in Deutschland aufgehoben. Im April gab US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bekannt, zusätzlich rund 500 Soldaten in die Bundesrepublik zu verlegen. Am Montag hieß es, die US-Streitkräfte bereiteten gemeinsam mit nicht näher beschriebenen Verbündeten weitere Maßnahmen vor, die künftig die „glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland stärken“ sollten.[7] Ebenfalls am Montag verlangte die Regierung Lettlands, die USA müssten auf lettischem Territorium Truppen dauerhaft stationieren sowie zusätzlich Patriot-Luftabwehrraketen an der Grenze zu Russland in Stellung bringen. Ergänzend hat jetzt die NATO ihren Krisenreaktionsmechanismus aktiviert: Sie wird ein gemeinsames Lagebild erstellen sowie Optionen für ein mögliches militärisches Vorgehen gegen Russland entwickeln.

„Eine gemeinsame Sprache“

Weit davon entfernt, sich auf eine Vereinbarung mit Moskau einzulassen, die den sich gefährlich zuspitzenden Konflikt zumindest einfrieren könnte, eskaliert Washington weiter. US-Außenminister Antony Blinken behauptete gestern, die Vereinigten Staaten hätten Belege dafür, dass Russland „Pläne für mögliche militärische Aktivitäten in der Ukraine“ schmiede; die Pläne umfassten „Anstrengungen, die Ukraine von innen zu destabilisieren, aber auch groß angelegte militärische Operationen“.[8] Beweise für die Anschuldigungen legte Blinken nicht vor. Dafür forderte er Russland auf, seine Streitkräfte umgehend von der Grenze zur Ukraine abzuziehen. Anders, als der US-Außenminister suggeriert, steht zumindest ein erheblicher Teil der russischen Truppen, denen der Westen attestiert, für einen möglichen Einmarsch in die Ukraine bereit zu sein, mehrere hundert Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt im Gebiet Smolensk (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Worauf der US-Außenminister den Anspruch gründet, russischen Truppen den Aufenthalt an bestimmten Orten innerhalb Russlands untersagen zu wollen, ist unklar. Der scheidende Außenminister Heiko Maas wird mit der Äußerung zitiert, es sei „sehr wichtig gewesen“, dass man „eine klare Sprache gefunden“ habe „zu den russischen Truppenbewegungen“ - „gemeinsam“.[10]

[1] Vladimir Soldatkin, Andrew Osborn: Putin warns Russia will act if NATO crosses its red lines in Ukraine. yahoo.com 30.11.2021.

[2] S. dazu Abschied vom INF-Vertrag (II).

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7804/

[3] Ukraine-Konflikt: Putin stellt Forderungen an die Nato. rnd.de 01.12.2021.

[4], [5] Press conference by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the Meeting of NATO Ministers of Foreign Affairs, Riga. nato.int 30.11.2021.

[6] Deborah Haynes: British Army restructure sees hundreds of tanks and troops return to Germany after withdrawal less than a year ago. news.sky.com 25.11.2021.

[7] Andrew Eversden: Pentagon’s Global Posture Review emphasizes China, but lacks major strategic changes. breakingdefense.com 29.11.2021.

[8] David M. Herszenhorn: Blinken urges Russia to ’de-escalate’ and return to diplomacy on Ukraine. politico.eu 01.12.2021.

[9] S. dazu Nützliche Kriegsszenarien.

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8778/

[10] USA werfen Russland geplante Aggression in der Ukraine vor. vol.at 01.12.2021.

(Quelle: 2.12.2021, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8781/)

Herausforderungen für die Friedensbewegung:

Die Deutsche Marine und ihr „einzigartiger und unverzichtbarer Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt“

Drei Wochen vor Veröffentlichung des Ampel-Koalitionsvertrages wurde der „Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ der Öffentlichkeit übergeben. Auf den 184 Seiten geht es um die „maritime Sicherheit“ für den Welthandel und um die deutsche maritime Rüstungswirtschaft.

Nachzulesen unter https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/downloads 

„Dieser Bericht soll durch Zahlen, Daten und Fakten verdeutlichen, warum die See für unser aller Leben von entscheidender Bedeutung ist und so deutlich machen, warum unser Land nicht umhinkommt, seine maritimen Interessen zu schützen“, so der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral  Schönbach, im Vorwort der Studie. 

Und weiter: „Für Deutschland als Industrie- und Handelsnation ist die uneingeschränkte Nutzung der globalen Seewege von existenzieller Bedeutung. Der zuverlässige Import von Rohstoffen sowie der gesicherte Export von Gütern garantieren die Funktionalität unserer Wirtschaft und damit unserer Gesellschaft. Die Deutsche Marine leistet hier einen einzigartigen und unverzichtbaren Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt und ist somit ein wesentlicher Garant unseres Wohlstands sowie der sozialen Sicherheit. Als Mitglied der NATO stehen wir dafür ein, dass unsere Handels- und Passagierschiffe die Weltmeere weiterhin frei und sicher befahren können.“

Ein Dank geht dann auch noch an die alte Regierung: „Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im Juni 2021 die Mittel für wichtige Vorhaben der Marine freigegeben, darunter für die Neubeschaffung von zwei U-Booten der Klasse 212 CD in Kooperation mit Norwegen, drei Flottendienstbooten, zwei Marinebetriebsstoffversorgern und fünf Seefernaufklärern P-8A Poseidon. Zusammen mit dem Auftrag für die neuen Fregatten der Klasse F126 wird die dringend notwendige Modernisierung der Flotte weiter vorangetrieben. Zudem konnte mit der Indienststellung der Fregatte „Sachsen-Anhalt“ in diesem Jahr ein weiteres Schiff verfügbar gemacht werden, um die Flotte zu entlasten.“

Wofür „die Industrie- und Handelsnation“ ihre Kriegsschiffe in erster Linie fit machen muss, ist gleich zu Beginn der Studie in einem Grundsatzbeitrag heraus gehoben: „Der Indo-Pazifik: Raum geostrategischer Rivalitäten und sicherheitspolitischer Herausforderungen.“

Darin heißt es u.a. „Seit dem August dieses Jahres ist die Fregatte ‚Bayern‘ auf einer sechsmonatige Reise in den indopazifischen Raum. Ein Gebiet, in dem die Deutsche Marine seit nahezu 20 Jahren nicht mehr aktiv war. Maßgeblicher politischer Anstoß dieser Entsendung sind die im August 2020 von der Bundesregierung erlassenen Leitlinien für den Indo-Pazifik. Davon abgeleitet soll sich das deutsche außen- und sicherheitspolitische Engagement in der Region verstärken und verfestigen. (...) In diesem maritimen Raum treten neue und komplexe Herausforderungen und Konfliktpotenziale zutage, wie es Auseinandersetzungen um Ressourcen oder Rechtsnormen in Teilen der Welt zeigen. Die Entsendung der Fregatte ‚Bayern‘ in diesem Jahr ist sichtbarer Ausdruck des deutschen Engagements...“

In den nachfolgenden Grundsatzbeiträgen unter „Kapitel I – Maritime Sicherheit“ geht es um den „Kampf um den Nordpol“ und um „Illegale Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen“.

In Kapitel 3 „Deutsche Marine“ wird dann ausführlich aufgelistet, welche konkreten Beschaffungsvorhaben für die Deutsche Marine in Angriff genommen werden: Das Produktportfolio umfasst U-Boote, Fregatten, Korvetten, Minenabwehreinheiten, Patrouillen- und Kampfboote, Hilfs- und Versorgungsschiffe und komplette Subsysteme. Also eine breite Palette, um zukünftig auf den Weltmeeren „regelbasiert Ordnung“ zu schaffen.

Rot-gelb-grüner Koalitionsvertrag: Bekenntnis zu NATO-Zielen, Drohnen, atomarer Teilhabe und Aufrüstung

Der „Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr“ liest sich als konkretisierende Anlage zum entsprechenden Abschnitt im Ampel-Koalitionsvertrag. Die Koalitionäre  bekennen sich darin „zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials. Auftrag und Aufgabe der Bundeswehr müssen sich an den strategischen Herausforderungen und Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit orientieren. ... Die Bundeswehr muss entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell, materiell sowie finanziell verlässlich ausgestattet werden.“ Die Einsatzbereitschaft soll erhöht werden, ebenso die rüstungstechnische Zusammenarbeit in Europa. 

Ein Konzept für eine Entspannungspolitik, geschweige denn konkrete Abrüstungsvorschläge sucht man im Koalitionsvertrag vergebens. Der entsprechende Abschnitt des Vertrages atmet den Geist des Kalten Krieges und fügt sich damit passgenau in die NATO-Globalstrategie ein. 

Trotz anfänglicher Bedenken und Widerständen von Teilen der SPD und Grünen sind bewaffnete Kampfdrohnen für die Bundeswehr koalitionsvertraglich eingeplant. Als Begründung für die Anschaffung bewaffneter Drohnen wird angeführt, der Schutz der Bundeswehrsoldaten mache diese Drohnen-Entscheidung notwendig. Im Klartext bedeutet das also, dass von weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr ausgegangen wird.

Geradezu grotesk sind die Positionen im Koalitionsvertrag zum Thema Atomwaffen. Da heißt es: „Unser Ziel bleibt eine atomwaffenfreie Welt und damit einhergehend ein Deutschland frei von Atomwaffen.“ Aber gleichzeitig wird an dem Konzept der „atomaren Teilhabe“ festgehalten. Das Bekenntnis zu einem atomwaffenfreien Deutschland ist jedoch nichts wert, so lange US-Atomwaffen weiterhin hier gelagert werden und deren Einsatz von der Bundeswehr regelmäßig geprobt wird. 

Weiterhin heißt es im Koalitionsvertrag, man wolle „drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln“ investierten und so „seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik“ stärken – um dann im entscheidende Nachsatz festzustellen: „und seine in der NATO eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Die NATO bleibt unverzichtbare Grundlage unserer Sicherheit. Die NATO-Fähigkeitsziele wollen wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern erfüllen und entsprechend investieren.“ Heißt übersetzt: An der Aufrüstungspolitik und der 2-Prozent-Forderung der NATO sollen festgehalten werden. 

Mein Fazit nach dem Studium beider Papiere: Der „Jahresbericht des Marinekommandos“ und der Koalitionsvertrag sind eine Herausforderung für die Friedensbewegung.

(gst)

Die neue Regierung:

Die Ampel und der „Dreck am Stecken“ 

Nun ist es also vollbracht: Drei Parteien finden einen Koalitionsvertrag. Die „Ampel-Koalition“ steht. Ein kurzes geheimes Techtelmechtel im Hinterzimmer und man will „Mehr Fortschritt wagen“.

Nach den Regierungsprogrammen der vergangenen Jahre mit „Aufbruch und Erneuerung“ von SPD und Grünen 1998 und „Ein neuer Aufbruch für Europa“ der GroKo von CDU/CSU/SPD 2018, scheint der Aufbruch beendet und der Fortschritt muss kommen.

Mangels anderer Regierungsalternative und weil die rechnerischen Möglichkeiten keine Verbesserungen bieten, müssen wir uns auf die Politik dieser Ampel einstellen. Das heißt nicht, kritiklos die neue Regierung ins Amt zu tragen. 

Es gibt bereits eine ganze Anzahl von Einschätzungen des gesamten Koalitionsvertrags und zu einzelnen Themen. Diesen soll hiermit keine neue Analyse hinzugefügt werden.

Es soll der Blick auf einige nachwirkende Fragen aus der politischen Verantwortung von SPD und Grüne gelenkt werden, die auch nach Jahrzehnten noch  „Dreck am Stecken“ genannt werden. 

Zu einigen Personalien

Der Bundeskanzler Scholz ist geschickt vergesslich 

Verfolgen wird den Kanzler Scholz hoffentlich, seine bis heute noch untersuchte Mitwisserschaft in der CUM-Ex-Affäre. Pünktlich vor der Verkündung seiner SPD-Ministerriege, war dies wieder in großen bundesdeutschen Zeitungen Thema. Es gilt zu klären, ob der Hamburger SPD-Bürgermeister Olaf Scholz und sein SPD-Finanzsenator (jetzt Bürgermeister) Tschentscher der Warburg-Bank Steuer“erleichterungen“ geebnet haben.

Scholz Wirecard

Olaf Scholz zeigt hier, wie auch im Wirecard-Skandal, dass sein Erinnerungsvermögen nicht auf der Höhe der Anforderung ist. Über Fragen von Journalist*innen zu diesen Themen geht Scholz grinsend hinweg. Für die Zukunft lässt es einen „verklemmten“ Politikstil mit wenig Aufklärung erwarten. Der „Scholz-omat“ zeigt mit einer Attitüde der Scheinheiligkeit, wie er Gesetze auslegt: in Hamburg die versuchte Rechtfertigung der Polizeigewalt gegen die G20-Proteste, ebenso das Innensenator Scholz in Hamburg 2001 den Tod eines 19-jährigen Nigerianers nach einem Brechmitteleinsatz hinnahm, danach bis 2006 die Hamburger Behörde insgesamt 530-mal Brechmittel gegen vermeintliche Drogenkuriere einsetzte, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem ein Ende setzte.    

Es bleibt nicht nur abzuwarten, sondern genau hinzusehen, woran sich ein Kanzler Scholz noch erinnert, ob er seine „harte-Hund-Linie mit Dauergrinsen“ weiterführt. 

Ob mit oder ohne Fliege, nicht immer eine glückliche Figur.

Jens Spahn muss das Gesundheitsministerium räumen. Aber man muss sich deshalb auf einen Minister Lauterbach freuen. Interessant, dass dies auch in „politisch linken Kreisen“ teilweise geschieht. Mit Daumen hoch im sozialen Netzwerken, wird die Verkündung des neuen Gesundheitsministers begleitet. Aber ist er wirklich derjenige, als der er sich in den Talkshows der letzten zwei Jahre präsentiert hat? Lauterbach war auf seinem Weg bis zur Weihe als Minister seit 1998 Berater der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Als Abgeordneter setzte er dies ab 2003 fort. Die Fallpauschale ist das Werk der damaligen SPD/Grüne-Regierung, unter Mithilfe von Lauterbach.  Die bis 2012 geltende die Praxisgebühr setzte die SPD ebenfalls durch. 

Lauterbach tw2019 Kliniken

Bei der Kritik Karl Lauterbachs zum Handeln in der Corona-Pandemie, darf gefragt werden, weshalb der „Gesundheitsexperte der SPD“ keinen größeren Einfluss auf die Regierungspolitik hatte? Jetzt ist er als Minister ins Amt gehievt und findet sich schnurstracks in einem Corona-Krisenstab unter der Leitung eines Bundeswehrmajors wieder. Entweder er hat diesem vorher zugestimmt oder wird die militärische Ausrichtung der Gesundheitspolitik und Pandemiebekämpfung umgehend beenden! Sehen wir genau hin, wie das weiter geht!

Null Sympathiepunkte für Postengeschacher

Der Wechsel im Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner zu Cem Özdemir löst keine Begeisterung aus. Null Sympathiepunkte gibt es für grüne Politiker*innen, die ein Postengeschacher veranstalten. Es ging um den Ministerposten für den sich gern im Militärdress abgelichteten und grünes Stehaufmännchen Özdemir. Wegen privater Nutzung von dienstlichen Bonusmeilen und einer Kreditnahme beim Lobbyisten Hunzinger hatte Özdemir sein Bundestagsmandat 2002 nicht angenommen (ging aber 2004 EU ins Parlament). Das ist 20 Jahre her. Ob daraus Lehren gezogen wurden ist nicht belegt. Allerdings tauchte im Zuge der Nachmeldungen von Nebeneinkünften der Abgeordneten im Mai 2021 auch der Name Özdemir auf. Wer da noch Fragen hat...? Hinzugefügt sei, dass Özdemir die Militarisierung der EU mit einer eigenen Armee befürwortet. Das ist zwar nicht sein Ressort, jedoch die Deutlichkeit seiner Positionierung in dieser Frage lässt annehmen, dass dies die Durchsetzung dieser Frage nicht an ihm scheitern wird. Als Landwirtschaftsminister kann er Ackerland für Manöver suchen. Cem Özdemir hat mit dieser zweifelhaften „Durchsetzungskraft“ ja immerhin schon den Ministerposten ergattert.

Cem Oezdemir Uniform

Annalena Baerbock wird es egal sein, was der Maas macht. Sie wird Außenministerin. Die Außenpolitik sei ihr „Steckenpferd“ wird geschrieben. Die politischen Aussagen von Barebock sowie der Koalitionsvertrag lassen eher auf eine stärkere Europapolitik schließen. International ist der Fokus nur auf die starke Positionierung gegen Russland und gegen China gerichtet. 

In Verbindung mit der Außenpolitik weist auch Barbock immer auf die Sicherheitspolitik hin. Die Forderung ihres Parteifreundes Özdemir für den Aufbau einer EU-Armee wird bekannt sein.

Das Kriegsministerium war noch nicht besetzt, da hatte die Ampelkoalition bereits festgelegt, die Bundeswehreinsätze Out-of-Area fortzuführen. In Zukunft sind außerdem bewaffnete Drohneneinsätze geplant. Diese Option hatte erst im Juni 2021 der Grünen-Parteitag mit einer Mehrheit von 4 Stimmen bei 728 Delegierten beschlossen und sind der Meinung von Annalena Baerbock gefolgt. 

Die SPD und Bündnis90/Die Grünen in der Regierung

Bereits im Wahlkampf ist aufgefallen: Immer wenn es um Beschlüsse, Gesetze der Großen Koalition geht, redet die SPD so, als habe sie mit der Großen Koalition nichts zu tun. Beharrlich wird vermittelt,  nur die kleine Juniorpartnerin gewesen zu sein und habe sich sehr zum Bedauern nicht durchsetzen können. Bei Olaf Scholz heißt es: Schuld sind immer die Anderen! 

Die Wahrheit ist: die SPD kommt seit 1998 auf insgesamt 19 Jahre Regierungsbeteiligung im Bund! Nur von 2009 – 2013 gibt es eine Regierungspause.

Für alle Gesetzesänderungen ist die SPD ebenso verantwortlich wie die CDU/CSU: für die Krisenpolitik, den Abbau sozialer und demokratischer Rechte, für Kriegspolitik und Militarisierung, für die völlig unmenschliche und die von Regierung und Wirtschaft gewollte Abschottung Deutschlands und Europas vor den Geflüchteten.

Die SPD bleibt sich treu: sie regiert und beschließt mit, und möchte dann nicht erinnert werden, wenn deutlich wird, dass die Bevölkerung die politischen Wirkungen des Regierens negativ erfahren. 

Die schlechte Übung der SPD

Als 1968 die Notstandsgesetze gegen große Proteste der Bevölkerung verabschiedet wurden, regierte die erste Große Koalition von CDU und SPD mit dem (Nazi)Kanzler Kiesinger. Willy Brandt hat damals als Außenminister gegen diese Gesetze gesprochen, nichtsdestotrotz stimmten 3/4 der SPD-Abgeordneten für dieses Gesetz, das die Einschränkung des Grundgesetzes möglich macht. Aber: Schnee von gestern könnte man meinen. 

Jedoch der Abbau demokratischer Rechte in den letzten Jahren, die neuen Polizei- und Versammlungsgesetze, sie erweitern die Möglichkeiten Grundrechte auszuhebeln, und dies auch losgelöst von Pandemiebedingungen. Dies zeigt die Notwendigkeit dagegen heute die Kämpfe zu organisieren. 

Im Januar 1972 wurde der sogenannte „Radikalenerlass“ von SPD-Kanzler Willy Brandt unterzeichnet. Als Blaupause diente ein Erlass von 1971 aus dem Hamburger Senat unter SPD-Bürgermeister Peter Schulz. Die Berufsverbote wirken bis heute bei den Betroffenen, jedoch auch insgesamt hatten sie  Auswirkungen auf das politische Handeln. Auch wenn die sogenannte „Regelanfrage“ seit 1985 in der Mehrheit der Bundesländer abgeschafft wurde, gibt es auch in 2020-er-Jahren noch die Drohung mit Berufsverbot, wie es Kerem Schamberger aus München erfahren musste. Eine Entschädigung der Betroffenen gibt es bis heute nicht.

Die SPD war zwar 1993 keine Regierungspartei, dennoch trägt diese Partei einen Anteil daran, dass mit dem sogenannten „Asylkompromiss“ das Recht auf Asyl abgebaut wurde. Die SPD sorgte mit ihren Stimmen für die notwendige 2/3 Mehrheit zur Änderung des Gesetzes. Seit dem Mai 1993 gibt es das Recht auf in diesem Land nur noch eingeschränkt, die Chance auf Asyl haben in der Regel die nicht mehr, die aus sogenannten „Sicheren Herkunftsländern“ kommen und auch die nicht, die über „sichere Drittstaaten“ einreisen. Die vollständige Wiederherstellung des Rechts auf Asyl hat die SPD während ihrer 19 Jahre Regierungszeiten nicht gefordert! Die neue Regierung wird auch daran gemessen, ob sie diesen Fehler nach fast 30 Jahren korrigiert. Das Bleiberecht, das Asylrecht und damit zusammenhängend politische Schritte zur Unterstützung und Aufnahme Geflüchteter müssen durchgesetzt werden.

Die erste als rot-grün bezeichnete Regierung von SPD/Bündnis90DieGrünen bleibt negativ im Bewusstsein. Was in den Jahren von 1998 bis 2005 beschlossen wurde, kann teilweise nur „Drecksarbeit“ genannt werden. „Aufbruch und Erneuerung“ sollte laut Koalitionsvertrag dieser Regierung der Maßstab sein. Kein halbes Jahr später stand Deutschland im März 1999 mit der NATO im Krieg gegen Jugoslawien. Es war der erste bewaffnete Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach dem Ende des Faschismus und des Zweiten Weltkrieges. Der grüne Außenminister Fischer und SPD Kanzler Schröder schickten deutsche Soldaten. Getötete Zivilist*innen wurden von der NATO als „Kollateralschäden“ bezeichnet, der Außenminister Fischer verglich die Teilnahme am Krieg mit dem Faschismus als er sagte „Nie wieder Krieg – Nie wieder Auschwitz“. 

Dieser Krieg hatte bei der Regierung den Damm gebrochen. Der nächste Einsatz führte die Bundeswehr 2001 nach Afghanistan, 2003 meinte der SPD-Verteidigungsminister Peter Struck: „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“

Ausgerechnet diese Regierung war es, die Deutschland wieder in den Krieg führte. Beide Parteien stimmen seither auch immer wieder für die Entsendung deutscher Soldaten in alle Welt, der Export deutscher Kriegsmaschinerie kommt hinzu. 

Die Agenda 2010 wurde im März 2003 verkündet. Die Hartz-IV-Gesetze stehen für eine „Sozialgesetzgebung“, die ihrem Namen absolut widerspricht. Mit Sanktionen bis zur Repression, mit Schnüffelei und weit übertriebener Forderung nach „Transparenz“ der persönlichen Lebensverhältnisse wird finanzielle Unterstützung zu einem Minimum geleistet. Dieses Gesetz hat sich in das Gedächtnis aller gebrannt, die jemals einen Antrag stellen und von Hartz-IV leben müssen. Nun folgt nach dem Willen der Koalition die Umbenennung in „Bürgergeld“. Sonst ändert sich nicht viel. Hartz-IV und die Agenda 2010 werden so weiter wie „Dreck am Stecken“ von SPD und Grüne kleben.

Die dritte Ampelpartei fehlt in diesem Kommentar völlig. Es ist die Partei von der Erstens nicht wirklich etwas erwartet wird an sozialer, gerechter, friedensstiftender Politik, die für die Mehrheit der Menschen entwickelt und umgesetzt wird. Zweitens hat der gelbe Teil der Ampel bereits gezeigt, dass ihre Wähler*innen damit rechnen können eine durchsetzungsfähige Vertretung in der Regierung zu haben. Der Koalitionsvertrag und die Aufteilung der Ministerien unter den Ampel-Partner*innen machen dies deutlich. 

Im aktuellen Koalitionsvertrag gibt es wenig konkrete Arbeitsvorhaben, auf 178 Seiten finden sich viele unklar formulierte Wünsche für Veränderung. Es bleiben Zweifel, ob die Regierung die vagen wenigen positiven Ansätze ihres Programms in „Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ umsetzen kann und wird. 

Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit, bessere gesunde Arbeitsbedingungen und sichere Arbeitsplätze, Gleichheit – nicht nur der Geschlechter, sondern der Menschen losgelöst von ihrer Herkunft, Antirassismus und Antifaschismus stärken, die Klimaziele erreichen – um all das müssen wir weiter kämpfen. 

Es lohnt vielleicht mit Mitgliedern von SPD und Grünen vor Ort Gespräche zu führen, in Bündnissen, Gewerkschaften, in der Nachbarschaft zu diskutieren. Diese Regierung in die Pflicht nehmen, sie ständig an die Versprechen vor der Wahl erinnern und deren Umsetzung einfordern.

Dabei sollten wir uns weiterhin auf unsere Kraft und Mobilisierungsfähigkeit verlassen. Aus verschiedenen Bündnissen eine Bewegung entwickeln. Damit unsere Interessen und Forderungen nicht auf der Strecke bleiben, müssen wir sie auf die Straße tragen!

Bettina Jürgensen

auch auf www.kommunisten.de

Flüchtlingsrat SH zum migrationspolitischen Teil des AMPEL-Koalitionsvertrags: 

Innovationen bei der Flüchtlingsintegration versus Kontinuität bei der Aufenthaltsbeendigung 

Die Ampel kündigt einen Paradigmenwechsel beim Familiennachzug Geflüchteter, beim Bleiberecht, bei Arbeitsverboten und bei der Beschäftigungsintegration Geduldeter an. Für Besorgnis sorgt indes, dass die alte Linie bei Kasernierung neuzugewanderter Asylsuchender und bei der Abschiebungspolitik offenbar verstetigt werden soll. 

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt es sehr, dass die Ampel-Koalition die Politik unterschiedlich ausgestalteter Flüchtlingsstatus beenden will. Subsidiär Geschützte sollen endlich mit Genfer Konventions-Flüchtlingen rechtlich gleichgestellt werden.

Nach Verlauten beinhaltet die im Ampel-Koalitionsvertrag avisierte Abkehr vom Konzept der AnkER-Zentren allerdings nicht das Ende der 18 bis 24-monatigen Wohnverpflichtung neu einreisender Asylsuchender in Erstaufnahmelagern. Damit fände das System der früh angelegten sozialen und gesellschaftlichen Isolierung Schutz suchender Menschen und Familien auch in der nächsten Legislaturperiode seine Fortsetzung, kritisiert der Flüchtlingsrat.

Die Ankündigung, die Opfer häuslicher Gewalt und von Menschenhandel aufenthaltsrechtlich besser abzusichern ist aller Ehren wert. Aber fast 50 Prozent der Asylsuchenden sind inzwischen weiblich. Die Tatsache, dass jedoch weiterhin eine frauenspezifische Flüchtlingspolitik ausbleibt, die auf die u.a. rechtlichen Bedarfe von Frauen abzielt, die durch Fluchtgründe und -wege traumatisiert, im Asylverfahren benachteiligt, durch fehlende Schutzkonzepte in den Lagern gefährdet und im Erleben eines rassistischen Alltags und der oft alleinigen Familienfürsorge mehrfach belastet sind, stellt eine aus Sicht des Flüchtlingsrats dringend zu kompensierende Leerstelle in der Ampel-Flüchtlingspolitik dar. 

Positiv aber sei, dass offenbar das Monopol des Asyl-Bundesamtes auf die Verfahrensberatung der Asylbewerber*innen zerschlagen werden soll. Eine „flächendeckende, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung“, wie sie die Ampel jetzt ankündigt, fordern Fachverbände und Flüchtlingsräte schon lange. 

„Dass das Asylbewerberleistungsgesetz nach bald 10 Jahren regierungsamtlicher Missachtung des Bundesverfassungsgerichts nun doch novelliert und – so hoffen wir – die Verwaltungspraxis grundrechtskonform umgestaltet werden soll, ist eine gute Nachricht“, erklärt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Hier gelte es aufmerksam zu beobachten, ob es der Ampel wirklich gelingen wird, der Unteilbarkeit der Menschenwürde ultimativ Rechnung zu tragen und der bis dato regelmäßigen sozialen Diskriminierung von Schutzsuchenden ein Ende zu bereiten. 

„Wir begrüßen sehr, dass jungen Geflüchteten und auch langjährig Geduldeten per Verkürzung der Wartefristen Brücken in das Bleiberecht geschlagen und bestehende gesetzliche Hürden – wie die ‚Duldung light‘ und ausländerrechtliche Arbeitsverbote abgeschafft werden sollen“ freut sich Astrid Willer, Koordinatorin des Arbeitsmarktnetzwerkes für Geflüchtete Alle an Bord! beim Flüchtlingsrat. Auch die vorgesehene Öffnung der Integrationssprachkurse ist ein wichtiger und lange überfälliger Schritt, um überhaupt die Möglichkeit für gesellschaftliche und arbeitsmarktliche Teilhabe zu schaffen.

Dass sich die Ampel-Koalition bei einer Bleiberechtsregelung allerdings für eine Stichtags- anstatt für eine regelmäßige gesetzliche Regelung entschieden habe, sei für den Rat ein Wehrmutstropfen. Doch noch besorgter ist Martin Link darüber, „dass Menschen, die nicht zuletzt jahrelang mittels lebensalltagsfeindlicher Kettenduldungsfristen an einer erfolgreichen Arbeitsmarkt-Integration gehindert worden sind, nun die Verstetigung der auf Probe zugestandenen Aufenthaltserlaubnis riskieren, wenn sie bei der Lebensunterhaltssicherung möglicherweise keinen Senkrechtstart hinbekommen“. Hier halte die allgemeine und erst recht die Corona bedingt schwierige Arbeitsmarktlage einige Stolpersteine für die Betroffenen bereit.

Der Koalitionsvertrag macht getrennten Familien Hoffnung: Die Verbesserung bei den Rechtsgrundlagen und die vorgesehene Beschleunigung beim Familiennachzug bedeuten, dass die jahrelange Trennung Geflüchteter von ihren Familien absehbar ein Ende haben wird. „Doch nach der dringend notwendigen Novellierung des Rechts geht die Arbeit erst richtig los. Im Auswärtigen Amt und seinen Auslandsvertretungen muss sowohl für schnellere, digitale und unbürokratische Abläufe, aber auch für eine künftig nachhaltig aufgeschlossene Haltung gegenüber den Anliegen der Antragstellenden gesorgt werden“, mahnt Axel Meixner, Jurist und Rechtsberater beim Flüchtlingsrat.  

„Dass der Bund künftig neben den dezentralen Angeboten der Migrationsberatung auch die Arbeit der ‚Migrantenorganisationen angemessen fördern‘ will, ist für viele der größtenteils ehrenamtlich arbeitenden Organisationen sicher ein Lichtblick.“ schätzt Ludmilla Babayan, beim Flüchtlingsrat im Projekt Souverän zuständig für Angebote zur Unterstützung von Migrant*innenorganisationen im Bundesland. Diese bundespolitische Wertschätzung der Rolle der Migrant*innenorganisationen beim Ziel, einen größeren Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft zu erreichen, kommt im 60. Jahr des Anwerbeabkommens spät, aber nicht zu spät.

„Dass weiterhin Kranke und Traumatisierte abgeschoben werden können, stimmt uns allerdings sehr bedenklich“, erklärt Martin Link. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete werden im Koalitionsvertrag nicht klar ausgeschlossen. Insgesamt scheint die Ampel-Politik auf mehr Abschiebung, denn auf weniger angelegt. Dass die ‚freiwillige Ausreise stets Vorrang habe‘, ist dabei nichts Neues. Dass die staatliche Rückkehrförderung finanziell besser ausgestattet werden soll, hatte auch die alte Bundesregierung schon im Plan. „Ob denn die oberste Bundesbehörde – d.h. das nach Verlauten künftig SPD-geführte Bundesinnenministerium – tatsächlich Gebrauch machen wird von den im Koalitionsvertrag ‚angestrebten temporären nationalen Abschiebungsstopps‘, ist noch nicht ausgemacht“, vermutet Axel Meixner.

Bei der europäischen Dimension künftiger deutscher Flüchtlingspolitik überwiegt im Koalitionsvertrag die Uneindeutigkeit. Schon die seit Wochen stattfindenden rechtwidrigen Rückschiebungen ins belarussische Elend durch polnische Grenzschützer hatten die verhandelnden Koalitionäre nicht infrage gestellt, aber – wie jetzt auch im Koalitionsvertrag – betont, dass die EU und Deutschland nicht erpressbar sein dürften. Da bleibt es wohl bezüglich des im Koalitionsvertrag abgegebenen Versprechens, die „illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden“ zu wollen, für die solidarische Zivilgesellschaft gegenüber der neuen Bundesregierung ständige Pflichtübung, ein konsequentes Einlösen regelmäßig einzufordern. 

Die Ampel-Koalition will mit mehr Relocation die visafreie Binnenmigration von in den EU-Frontstaaten aufgenommenen Flüchtlingen bekämpfen. Doch 80 Prozent der in den vergangenen Jahren über das Relocation-Programm in Deutschland Aufgenommenen, sind nach negativer Asylentscheidung längst wieder in ihre Heimatländer abgeschoben worden. „Wenn sich an dieser Praxis des rechts-kosmetischen Drehtür-Missbrauch der Relocation-Idee nichts ändert, wird sich das Ampel-Versprechen, auf diesem Wege ‚die Bedingungen für Geflüchtete in ihren Ländern zu verbessern‘ in heiße Luft auflösen“, befürchtet Martin Link

„Ob das rote Kanzleramt, das ebenfalls rote Innen- und das grüne Außenministerium künftig zu wirksamem Druck auf andere EU-Staaten bereit sein werden, Schutzsuchende die Grenzen passieren zu lassen und den Zugang zum Recht in allen Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, wird zur Nagelprobe für die europa-flüchtlingspolitische Glaubwürdigkeit der Ampel-Regierung werden“, ist Martin Link überzeugt.

„Immerhin bietet das Ampel-Bekenntnis zur Schaffung von mehr legalen Einreisemöglichkeiten auch Perspektiven für endlich erfolgreiche Landesaufnahmestrategien“, erklärt Martin Link mit Blick darauf, dass der bisherige Bundesinnenminister solchen Anliegen der Länder regelmäßig die Zustimmung verweigert hat. Der Flüchtlingsrat hofft, dass die Landesregierung Schleswig-Holstein noch in der laufenden Landeslegislaturperiode der neuen Bundesregierung mit dem Anliegen eines Afghanistan-Angehörigen-Landesaufnahmeprogramms auf den Zahn fühlen wird. 

Presseerklärung des Flüchtlingsrat, Kiel, 25.11.2021 gez. Martin Link

BUND:

Naturschutz nicht gegen erneuerbare Energien ausspielen!

Zu den Äußerungen des neuen Staatssekretärs im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, Sven Giegold, der mit Änderungen im EU-Naturschutzrecht mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien machen will, erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): 

„Sven Giegold hat mit uns zusammen Vogelschutz- und andere Naturschutzrichtlinien in Europa verteidigt. Er täte gut daran, dies auch in Deutschland zu tun, um den Koalitionsvertrag einzuhalten. EU-Naturschutz ist kein Hindernis für die Energiewende.

Das Schrauben an Gesetzen be-schleunigt den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien nicht. Nötig sind eine bessere Personalausstattung, Digitalisierung und verlässliche Standards sowie eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Dies bestätigen sowohl der Sachverständigenrat für Umweltfragen als auch die Praktiker und Energieerzeuger. Dort wollen wir grüne Taten sehen. Giegolds Vorstoß hilft weder der dringend notwendigen Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren noch dem Naturschutz.“

(Quelle: BUND, 10.12.2021)

TRANSFORM 01-2022

Walter Benjamin vers 1928

"Dass es so weitergeht, ist die Katastrophe"

(Walter Benjamin)

Ukraine-Konflikt: Erler (SPD) für Dialog mit Russland

"...Er halte den Vorschlag von 27 Diplomaten und Militärs aus Deutschland für sinnvoll, eine hochrangige Konferenz in der Tradition des KSZE-Prozesses vorzubreiten. Diese hätte das Ziel, die europäische Sicherheitsarchitektur zu revitalisieren. ...

https://www.deutschlandfunk.de/erler-spd-fuer-dialog-mit-russland-102.html

Streiflichter

Von Graz lernen: Erfolg der Grazer KPÖ

https://www.ossietzky.net/artikel/von-graz-lernen/#

Nils Melzer (UN-Sonderbeauftragter) fordert alle demokratischen Politiker auf, jetzt endlich für Julian Assange einzutreten. Maskenfall aus Kiel schreibt dazu: 

https://www.maskenfall.de/?p=14565

Mobiles Beratungsteam (MBT) Kassel bekommt Walter Lübcke-Demokratiepreis des Landes Hessen

https://www.mbt-hessen.org/

Vor 50 Jahren: Georg von Rauch

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Der-Tod-des-Studenten-Georg-von-Rauch,shmag88744.html

Bücherkiste / Zeitschriften / online

Hintergründe Ende der NATO-Intervention in Afghanistan / Gefahren geopolitischer Auseinandersetzungen um eine neue Weltordnung in:

https://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de/

Lindner als Kanzlermacher

https://www.sozialismus.de/heft_nr_12_dezember_2021/

Andy Robinson. Gold, Öl und Avocados. Die neuen offenen Adern Lateinamerikas.

https://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/gold-oel-und-avocados-detail

Kim Stanley Robinson. Das Ministerium der Zukunft

https://www.penguinrandomhouse.de/ebook/Das-Ministerium-fuer-die-Zukunft/Kim-Stanley-Robinson/Heyne/e592913.rhd

Gewerkschaften

Wiethold, Franziska. Wie ernst nimmt Sahra Wagenknecht die soziale Frage?

https://www.sozialismus.de/vorherige_hefte_archiv/supplements/liste/detail/artikel/wie-ernst-nimmt-sahra-wagenknecht-die-soziale-frage/

Hören & Sehen

Am 10. Dezember wird Georg Stefan Troller nun 100 Jahre alt. 

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/georg-stefan-troller-autor-und-dokumentarfilmer-swr2-zeitgenossen-2021-08-07-100.html

CORRECTIV ist das erste spendenfinanzierte Recherchezentrum in Deutschland.
https://correctiv.org/
Ein Team versucht herauszufinden, ob hinter einer Werbekampagne zu Gunsten der AfD eine millionenschwere Parteispenden-Affäre steht. Wer sind die anonymen Finanziers, die mit ihrem Geld Einfluss nehmen wollen auf die Demokratie?

https://www.arte.tv/de/videos/100294-000-A/auf-der-spur-des-geldes/

Koalitionsvertrag (Auswahl von Einschätzungen)

Frieden

https://www.kieler-friedensforum.de/index.php/aktuelles

BUND

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/bundestagswahl/bund_Analyse_BewertungKoaV.pdf

Netzpolitik.org

https://netzpolitik.org/2021/analyse-schwerpunkt-digitalisierung-im-koalitionsvertrag-berlin/

„Sozial-ökologische Transformation“

„Um zu einer anziehenden Transformationskraft zu werden, muss die plurale Linke die politische Kultur in ihren eigenen Strukuren erneuern. ...“ (Klein. Acht Elemente linker Strategien / Sozialismus, Heft 12-2021).

https://www.sozialismus.de/heft_nr_12_dezember_2021/

Vorschau

31.01.2022 medico Ringvorlesung
Sehnsucht nach der Revolution für das Leben
Referent:innen: Eva von Redecker (GER), Nadia Mahmood (IRQ)

*****************************

(Abruf aller Links: 12.12.2021)

Mit solidarischen Grüßen, Roland

(ver.di Mitglied, Kiel)

//norden.social/@Keinweiterso">https://norden.social/@Keinweiterso

TERMINE

So., 23.01.2022, 18 Uhr

Redaktionsschluss LinX