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Stadtentwicklungspolitik im dänischen Aarhus:
Vorbildliche Wohnungspolitik?
Die Stadtentwicklungspolitik im dänischen Aarhus wird von vielen Kieler Kommunal-politiker*innen oft als vorbildlich angesehen. Doch auf einer gemeinsamen Veranstaltung, die am 21.11.2021 in der Hansa48 gemeinsam vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum und Mietwucher-Gaarden organisiert wurde, machten die Berichte dreier wohnungspolitischer Aktivisten einer Mieterorganisation aus Aarhus deutlich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Die Referenten wiesen zunächst auf einige Strukturdaten und Regulierungen in der dänischen Wohnungspolitik hin.
Danach wohnen in Dänemark 50 Prozent der Bevölkerung in Privatwohnungen. Das ist in etwa vergleichbar mit deutschen Verhältnissen. Doch anders als bei uns leben 50 Prozent der dänischen Mieter*innen in öffentlich geförderten Wohnungen und 50 Prozent in privaten Wohnungen zu Marktpreisen.
Die Mietpreise orientieren sich an drei Kategorien:
1. Kostenmiete (aktuell zwischen 4,50 € und 12,-€ pro qm)
2. Marktmiete 15 €/qm
3. Für modernisierte Wohnungen sind Mieterhöhungen bis zu 180 Prozent möglich.
Probleme zwischen Mieter*innen und Ver-mieter*innen können in Dänemark kostenfrei in Mietausschüssen behandelt werden. Sie werden von staatlich finanzierten Anwälten bzw. Anwältinnen moderiert und zu gleicher Parität von Mieter*innen und Vermieter*innen besetzt.
Im öffentlichen Wohnungsbau gibt es darüber hinaus verbindlich jährliche Mieterversammlungen, die auch Vertreter*innen in übergeordnete Vertretungen auf der Regional- bzw. Landesebene wählen.
Dieser zum Teil positiven Seite steht eine inzwischen sehr düstere Seite der dänischen Wohnungspolitik gegenüber, die auch in Aarhus durchgesetzt werden soll.
Damit ist eine sog. „Ghettopolitik“ gemeint. Zur Vermeidung sog. Ghettos werden für bestimmte Stadtteile, in denen Menschen in prekären Verhältnissen leben, Kriterien entwickelt, die bei der Überschreitung von Grenzwerten zu Abbrüchen ganzer Häuserblöcke und und gegebenenfalls zu Zwangsumsiedlungen führen. Zu diesen Kriterien gehören:
• die durchschnittliche Einkommenshöhe
• die Kriminalitätsrate
• das Bildungsniveau
• die ethnische Zusammensetzung (mindestens 50 Prozent müssen Bio-Dänen sein)
Wenn zukünftig Wohnungsquartiere vier Jahre lang über den nach diesen Kategorien festgelegten Grenzwerten liegen, kommt die Abrissbirne und die Zwangsumsiedlung in andere Stadtteile. Dabei werden den Mieter*innen allerdings preislich gleichwertige öffentlich geförderte Wohnungen angeboten.
Im Zuge dieser Politik werden voraussichtlich in Aarhus 2000 Wohnungen entmietet und zerstört. Dabei handelt es sich nicht um eine heruntergekommene Bausubstanz, sondern vorwiegend um Plattenbauten mit Grünanlagen, die weitgehend noch in einem guten Zustand sind.
Skandalös an dieser Politik ist ihre sozial diskriminierende und rassistische Ausrichtung. Denn als wichtigstes Kriterium zur Vorbereitung von Zwangsmaßnahmen hat sich der Anteil nicht-weißer, nicht westlicher Ausländer erwiesen. Wenn über 30 Prozent von ihnen in einem Wohnquartier leben, handelt es sich um ein sog. „Präventionsgebiet“, in dem die beschrieben Maßnahmen möglich werden.
Nach Ansicht der drei Referenten reiht sich diese Wohnungspolitik bruchlos in die zunehmend ausländerfeindliche Politik der großen dänischen Parteien ein, die sie auch als rassistisch bezeichnen. In diesem Zusammenhang wurde der ehemalige Staatsminister Lars Löcke zitiert, der davon sprach, dass es „schwarze Flecken“ auf der dänischen Landkarte gäbe.
Andreas Meyer
Bild: Aarhus Wohnanlage am Wasser – Gestrandete Eisberge an der dänischen Ostseeküste – diese Assoziation weckt das 200 Wohnungen umfassende Projekt des internationalen Architektenteams, das den bereits 2007 ausgelobten Wettbewerb der Stadt Aarhus für sich entscheiden konnte. »Isbjerget« – so auch der offizielle Name, ist eine der ersten realisierten Wohnanlagen des ambitionierten Stadtentwicklungsplans, dessen Ziel ein voll funktionierendes Viertel für 7000 Einwohner samt ... neuer Arbeitsplätze ist. Ein Drittel der Wohnungen ist mit einer Mietpreisobergrenze belegt, die eine soziale Vielfalt gewährleisten soll.
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