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ver.di-Streik im Öffentlichen Dienst:

Über Streik, Schlichtung und Kettensäge

Seit Januar 2025 fanden Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigen im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen statt.
Die Gewerkschaft ver.di forderte gemeinsam mit dem dbb insgesamt acht Prozent mehr Lohn, jedoch wenigstens 350 Euro mehr pro Monat, zusätzlich mindestens drei freie Tage (für Mitglieder vier freie Tage) und mehr Souveränität bei der Arbeitszeit. Es sollten persönliche Arbeitszeitkonten eingeführt werden, mit denen Beschäftige entscheiden können, ob sie sich Überstunden auszahlen lassen oder als zusätzliche freie Tage nehmen wollen.

Von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) mit Karin Welge und der Bundesinnenministerin Nancy Faeser wurde in den ersten beiden Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt. Stattdessen wiesen sie darauf hin, die Verhandlungen zu führen mit Blick auf die: „... Interessen des öffentlichen Dienstes und dem notwendigen Respekt vor den Beschäftigten - und auf der anderen Seite aber auch vor den schwierigen Haushaltslagen".

Das führte zu Null-Angebot im Januar und Februar. Erst in der dritten Verhandlung am 14./15. März gab es überhaupt etwas Bewegung, d.h. es wurde über die Null hinaus geredet und „Angebote“ an ver.di unterbreitet.

Den bereits im Januar gezeigten Unwillen zu Gesprächen mit ver.di untermauerten VKA und der Bund jedoch mit dem Abbruch der Tarifverhandlungen und der Forderung nach einer Schlichtung.

Jetzt sollen Roland Koch (CDU, früher MP Hessen) und Hans-Henning Lühr (SPD, früher Bremer Finanzstaatsrat) als „unabhängige Vermittler“ einen Kompromiss finden. Innerhalb einer Woche soll eine erste Empfehlung kommen. Darüber wird dann beraten, wenn nötig weiter diskutiert.
Während dieser Phase gibt es die Friedenspflicht. Es ist ein schönes Wort, dass jedoch auch als Maßnahme mit einseitiger Wirkung verstanden werden kann. Arbeitskämpfe dürfen nicht stattfinden, Streik ist untersagt. Die Arbeit läuft weiter.

Nun kann man trefflich darüber streiten, wem diese Zeit nutzt. Im Prinzip wird ja nur eine Seite damit zur Ruhe gezwungen. Ver.di zeigte kein Verständnis für den Abbruch der Verhandlungen, nachdem gerade erst begonnen wurde miteinander zu sprechen. Jedoch gabt es dagegen keinen Weg. Also entsendet ver.di, ebenso wie die Gegenseite, zwölf Mitglieder als Schlichtungskommission, um auf dieser Ebene eine Einigung zu erzielen.

Der VKA schrieb in einer Pressemitteilung dazu: „Wir stehen in der Pflicht, gute Arbeitsbedingungen für unsere Beschäftigten zu bieten, sichere und verlässliche Leistungen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten, verantwortungsvoll mit den Steuergeldern umzugehen und eine umfassende Daseinsvorsorge zu gewährleisten".
Und fügt hinzu: „Deswegen könnten nach unserer Überzeugung auch ein oder zwei weitere Verhandlungstage die Differenz zwischen den nach wie vor überproportionalen Forderungen und einer unseren Bürgerinnen und Bürgern in Hinblick auf weitere Steuern und Beitragsbelastungen zumutbaren Lösung nicht überbrücken“.
Um dem dann die Krone aufzusetzen: „Immerhin haben wir ja bereits sieben volle Tage und zum Teil sehr lange Nächte versucht, diese Brücke zu bauen. Leider ohne den gewünschten Erfolg. Aus diesem Grunde kamen wir nicht umhin, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären.“ (2.)

Der ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke stellte kritisch fest:
„Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt. Die Arbeitgeber haben unsere Einigungsvorschläge abgelehnt“.

Doch die Streikbereitschaft der Mitglieder war groß und zeigte sich vor allen Dingen vor der dritten Verhandlungsrunde. Ein neuer Tarif soll her, die Forderung der Kolleg*innen lautet: „Wie ist die Parole? Mehr Kohle!“

Mit der Kraft von 150.000 Streikenden zur dritten Verhandlung im Rücken sagte Werneke weiter:
„Egal, ob bei einer ausreichenden linearen Erhöhung oder einem Mindestbetrag als soziale Komponente, Altersteilzeit oder einem zeitgemäßen Arbeitszeitkonto – die Arbeitgeber haben sich vielen für die Beschäftigten wichtigen Forderungen weitgehend verweigert“.
Die Kommunen haben auch die längst überfällige Ost-West-Angleichung beim Kündigungsschutz abgelehnt. Werneke: „Bis kurz vor dem Erklären des Scheiterns der Verhandlungen durch die Arbeitgeber hat es immer neue Lösungsvorschläge durch ver.di gegeben, von daher bedaure ich es sehr, dass sich Bund und Kommunen in die Schlichtung flüchten.“ (3. Pressemitteilung ver.di )

Was Werneke nicht sagte: Dass es von den Beschäftigen auf den Streikkundgebungen sehr klare und deutliche Aussagen in Richtung Kommunen und Bund gegeben hat.

Was Anlass für die Aussage des Bezirksgeschäftsführers Manuel Gellenthin von ver.di Kiel-Plön sein kann: "Klar ist: Das anstehende Schlichtungsverfahren führt nicht automatisch zu einem Abschluss, sondern zunächst zu einer Schlichtungsempfehlung. Über diese wird dann in einem erneuten Termin verhandelt. Inwieweit die Empfehlung als Abschluss akzeptiert werden kann, entscheiden die ver.di-Mitglieder".

Mit dem Blick auf die gerade fast gleichzeitig verhandelte Riesensumme von einer Billion Euro für Rüstung und Sondervermögen wurde in vielen Reden auf Streikversammlungen die Aussage gemacht: „Für das Militär, die Sicherheit ist Geld da, jedoch für die Beschäftigten gebt ihr nichts.“

Zu dem im Bundestag diskutierten Geld für Infrastruktur kam die Klarstellung der Kolleg*innen an Bund und Kommunen: „Mit Infrastruktur meint ihr nicht Geld für unsere Kitas, für Schulen, Schwimmbäder, zivile Einrichtungen der Feuerwehr für Notsanitäter, die Stadtreinigung und Müllabfuhr. Ihr meint damit die Infrastruktur für alles was Sicherheit im militärischen Sinne bedeutet. Das hilft hier überhaupt nicht weiter.“

Es fehlte nicht der Hinweis auf bereits jetzt rund 500.000 unbesetzte Stellen, ebenso auf die laut dem dbb (Beamtenbund) erwartbaren 1,4 Millionen Beschäftigten, die in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gehen. Frank Werneke, ver.di, warnte: "Es geht darum, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten".

Erfreulich deutlich wurde, dass die Streiks Wirkung zeigen, dass die Arbeitsniederlegungen spürbar sind, in den Chefsesseln von Bund und Kommunen gesehen und gehört werden. Vor allen Dingen in den Medien wurde über den Einfluss der Streiks auf Abläufe im gesellschaftlichen Leben berichtet.
Noch besser sollte es vermittelt werden, dass der Boykott der Verhandlungen durch den Öffentlichen Dienst den Stillstand bewirkt.
Denn die Versuche sind wiederkehrend, die Verantwortung für das Nichtfunktionieren staatlicher und kommunaler Aufgaben auf die Streikenden zu schieben. Geschlossene Kitas, Schwimmbäder, liegengebliebener Müll, Notdienste im Rettungsdienst bis zum Schließen der Passage durch den Nord-Ostsee-Kanal und des Elbtunnels durch Hamburg – der Streik machte dies und mehr möglich.
Besser geht es fast nicht, die Wirkung von Streik zu zeigen!


Das scheint auch die FAZ so zu sehen, hinter der ja angeblich immer ein kluger Kopf steckt. Es zeigt sich bei dieser Zeitung jedoch besonders, wie sie sich ganz in den von ihr ständig propagierten „Dienst für die Gesellschaft“ stellt. In der Ausgabe am 18.3.25 wird geradezu die Mobilmachung gegen ver.di geführt, am Beispiel vergangener sozialer Kämpfe:
"Es scheint ein Spiegelbild der SPD-Parole „Rüstung nicht gegen Rente ausspielen“ auf, und aus der Ferne erschallt das Echo linker Schlachtrufe gegen Bankenrettungen: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ Aber was teilt die Gesellschaft in den heutigen Krisen in „wir“ und „die“?“

So fragt die FAZ und möchte mit der nächsten Zeile die Antwort geben:
„In einer solidarischen Gesellschaft wäre es nicht weltfremd, dass Bezieher öffentlicher Mittel – ob Staatsbedienstete oder Sozialleistungsempfänger – jetzt ihre Ansprüche an die Allgemeinheit relativierend überprüfen. Die meisten Steuer- und Beitragszahler, Unternehmer wie Arbeitnehmer, sind von vornherein nicht in der Position, sich auszusuchen, ob sie Zugeständnisse an die Welt- und Wirtschaftslage machen oder nicht.“ (1. faz.net)

 


Mit diesen Vorzeichen, dem Argument des durch die Rüstung geschrumpften Staatsetats, der medialen Aufmerksamkeit und damit oft verbundenen Kritik an den Gewerkschaften Maß und Mittel verloren zu haben, soll nun geschlichtet werden. Es gibt Zweifel, dass dies gelingt.

Gehen die Schlichter ergebnislos ohne Einigung nach Hause, folgt eine weitere Verhandlungsrunde der Tarifparteien. In dieser können die Gewerkschaften wieder zum Streik aufrufen, um den Kampf für die Interessen der Mitglieder und Beschäftigten fortzusetzen.

Sollten die Gewerkschaften dann weiterhin bei ihren Forderungen bleiben, was den Beschäftigten und nachfolgenden Tarifverhandlungen zu wünschen ist, sieht die FAZ, sprachlich Elon Musk angepasst, für Bund und Kommunen nur noch dies:
„Ihnen bleibe letztlich nur der Weg, sich für ein radikales Zurückschneiden des öffentlichen Sektors mit der sprichwörtlichen Kettensäge starkzumachen.“

Dann sollte Christoph Schmitz-Detlefsen vom verdi-Bundesvorstand beim Wort genommen werden. Am 13.3.2025 bei der Versammlung auf dem Kieler Rathausplatz hat er vor 6.000 Streikenden aus Schleswig-Holstein den Arbeitgebern in Bund und Kommunen „Arbeitsverweigerung“ wegen fehlender Angebote in den ersten zwei Verhandlungsrunden vorgeworfen.
Er stellte auch klar: „Wir haben keine Probleme, noch mehr Streiks auf die Beine zu stellen“.
Die dritte Tarifrunde hatte kein Ergebnis gebracht. Direkt am folgenden Tag kamen wiederum 1.500 Kolleg*innen aus Kiel zum Streikfrühstück auf das Nordmarksportfeld. An anderen Orten im gesamten Bundesgebiet lief es ähnlich.

Susanne Schöttke, Landesbezirksleiterin von ver.di Nord, erklärte:
„Das könnte ein sehr, sehr heißer Frühsommer werden – bis in die Sommerferien hinein!
Die Verantwortung für die katastrophalen Auswirkungen liegt bei den Arbeitgebern von Bund und Kommunen. Wir sind weiterhin für konstruktive Verhandlungen offen, bereiten uns aber auch auf ein Szenario nach der Schlichtung vor und werden jetzt mit unseren Mitgliedern entsprechende Maßnahmen besprechen“.

Sollte es kein Ergebnis in der Schlichtung geben, weil Bund und Kommunen weiterhin meinen mit Nullrunden bei den Beschäftigten die Rüstung finanzieren zu wollen, wird eine weitere solidarische Unterstützung des Arbeitskampfes anstehen. Streik wirkt, wenn er bemerkt wird!


Bettina Jürgensen

streik 04 2025 09

Links zum Artikel:
1.)
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/gescheiterte-tarif-verhandlung-in-welcher-welt-lebt-verdi-eigentlich-110364509.html

2.)
https://www.vka.de/pressemitteilungen/2025-03-17-tarifverhandlungen-fuer-den-oeffentlichen-dienst-gescheitert-2677

3.)
https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++d5cf4e9c-0375-11f0-9bef-49878bd2d31f