Rechtswidriger Einsatz von Gummigeschossen und brutaler koordinierter Angriff auf Demonstration nur der Gipfel des Eisbergs
Polizeigewalt während des G20 Gipfels in Hamburg
Während des G20-Gipfels in Hamburg kam es zu massiver Polizeigewalt in unterschiedlichen Formen. Eine Form dieser Gewalt, die bisher erstaunlicherweise öffentlich noch nicht skandalisiert wurde, war der offensichtlich rechtswidrige Einsatz von Gummigeschossen durch die Polizei gegen Demonstrant*innen. In Bezug auf den äußerst brutalen Angriff der Polizei auf die bis dahin völlig friedliche Demonstration am Donnerstag, 06.07.17 ist nun ein planmässiges Vorgehen der Polizei mit dem Ziel, möglichst viele Demonstrant*innen zu verletzen, zu traumatisieren und einzuschüchtern, belegbar.
Einsatz von Gummi-Geschossen durch die Polizei
Dass während des G20-Gipfels in Hamburg durch die Polizei sogenannte „40 mm Gummigeschosse“ gegen Demonstrant*innen eingesetzt wurden, erscheint unstrittig. Mindestens ein Einsatz solcher lebensgefährlicher Geschosse erfolgte am Abend des Freitag, 7.7.17, im Schanzenviertel. Dies wurde u.a. bei der Sitzung des Innenausschusses des Hamburger Senats am 19.07.17 durch den verantwortlichen Einsatzleiter, Norman Großmann, bestätigt und von verschiedenen Medien berichtet (1,2).
Ebenfalls unstrittig ist, dass der Einsatz solcher Gummigeschosse in Deutschland rechtswidrig ist. „In Ländern wie der Türkei setzt die Polizei gelegentlich Gummigeschosse ein, um Demonstranten auf Distanz zu halten. In Deutschland darf die Polizei das nicht“ schreibt das kritischer Ambitionen unverdächtige Magazin „Focus“ wenige Tage nach dem G20-Gipfel in Hamburg (3). Gummigeschosse als polizeiliche Waffe sind in den meisten Ländern der EU verboten, da sie häufig schwere Verletzungen verursachen und nicht selten tödliche Wirkung haben.
„Es ist ein weiterer Skandal, dass während des Gipfels in Hamburg lebensgefährliche, verbotene Waffen durch die Polizei gegen Demonstrant*innen eingesetzt wurden“, sagt Maria Schüttler vom Initiativkreis gegen Polizeigewalt Berlin. „Schwere Verletzungen bis hin zum Tod von Demonstrant*innen wurden hier durch die Polizei in Kauf genommen. Dieses Vorgehen wird offenbar nicht nur durch die Polizeiführung, sondern auch durch den rot-grünen Hamburger Senat gedeckt und unterstützt.“
Zerschlagung der „Welcome to Hell“-Demonstration am 06.07.17
Mittlerweile ist bekannt, dass die „Welcome to Hell“-Demonstration am Donnerstag abend, 6.7.17, durch äußerst brutal vorgehende Polizeieinheiten, darunter vor allem auch Berliner Hundertschaften, angegriffen wurde, ohne dass es vorher eine einzige aggressive Handlung von Demonstrationsteilnehmer*innen, etwa einen Flaschen- oder Steinwurf gegen Polizeibeamt*innen, gegeben hatte.
Bei diesem Angriff durch die Polizei auf die Demonstration gab es unzählige Verletzte unter den Demonstrant*innen durch Schläge, Tritte,
Schlagstockeinsatz, Pfefferspray und Stürze von Mauern, darunter auch schwer Verletzte.
Mittlerweile hat die Polizeiführung bestätigt, dass sie den Ort des Angriffs auf die Demonstration bewusst ausgewählt hat (4). Die Demonstration wurde brutal an einem Ort angegriffen, auf dem sich an einer Seite der Straße ein etwa zwei Meter hoher Hochwasser-schutzdeich befindet. Oben befindet sich ein einige Meter breiter Weg, auf dessen anderer Seite eine bis zu drei Meter tiefe Mauer nach unten geht. Durch die Polizeieinheiten wurden die bis dahin völlig friedlichen Demonstrationsteilnehmer*innen zuerst auf diesen höher gelegenen Weg auf dem Deich hinauf- und dann auf der anderen Seite die bis zu ca. drei Meter hohe Mauer wieder hinuntergeprügelt.
Maria Schüttler: „Dass die Polizei diesen ganz offensichtlich lebensgefährlichen Ort für einen bewußten, äußerst brutal durchgeführten, umfassenden Angriff auf die bis zu diesem Zeitpunkt völlig friedliche Demonstration gewählt hat, macht deutlich, dass schwere Verletzungen bis hin zu Todesfällen unter den Demonstrierenden von der Polizei auf jeden Fall einkalkuliert, wenn nicht sogar zu Zwecken der Abschreckung gewünscht waren.“
Maria Schüttler weiter: „Dass bei diesem völlig enthemmten Angriff auf die Demonstration auch Berliner Hundertschaften beteiligt waren, die
bereits seit langem für ihr äußerst brutales Auftreten bekannt sind, wundert uns nicht.“ Auch Menschen, die bereits am Boden lagen, wurden vielfach weiter von Polizist*innen geschlagen und getreten.
Eine ausführliche Analyse des Polizei-Angriffes auf die Demonstration am 6.7.17 findet sich im Anhang.
Maria Schüttler: „Der strategisch geplante Polizei-Angriff auf die bis dahin völlig friedliche Demonstration am 6.7.17 und der rechtswidrige Einsatz von potentiell tödlichen Gummigeschossen gegen Demonstrant*innen sind nur zwei Facetten einer von krasser Polizeigewalt auf allen Ebenen geprägten Woche in Hamburg.“
Maria Schüttler weiter: „Während der Gipfeltage und auch schon davor wurden hunderte Menschen durch Polizeigewalt verletzt, viele davon schwer. Es ist davon auszugehen, dass die wenigsten der Straftäter*innen in Uniform dafür belangt werden. Die meisten Polizist*innen waren während ihrer Prügelorgien mit Sturmhauben vermummt, eine individuelle Kennzeichnung gab es nicht, und es ist bekannt, dass deutsche Polizist*innen sich bei eventuellen Strafverfahren gegenseitig decken.“ (5)
Pressemitteilung, Berlin, 26.07.2017
Initiativkreis gegen Polizeigewalt, Berlin, 26.07.2017
Kontakt: ikgpg@riseup.net
Im Netz: http://ikgpg.blogsport.de
Quellen
1 „Norman Großmann, Leiter der Bundespolizei in Hamburg, oblag es, die Situation am Abend des 7. Juli im Schanzenviertel zu erläutern ... Es habe nicht ausgereicht, dass man die Leute auf den Dächern mit 40mm-Gummigeschossen - die hierzulande normalerweise nicht eingesetzt werden - beschossen hat.“
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1058090.g-ist-vorbei-jetzt-gibt-es-nette-bilder-von-den-royals.html
2
http://www.abendblatt.de/hamburg/article211307449/Was-lief-beim-G20-Gipfel-in-Hamburg-falsch.html
3
http://www.focus.de/politik/deutschland/massive-angriffe-beim-g20-gipfel-was-polizisten-alles-nicht-duerfen-um-sich-zu-wehren_id_7340525.html
4 „Einsatzleiter Dudde bezeichnete den Ort des "Aufstoppens" der Demonstration am Fischmarkt wegen der Flutschutzmauer als geeignet.“
http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article211315773/G20-Krawalle-Warum-die-Polizei-den-Mob-nicht-eher-stoppte.html
5 Amnesty International zu Polizeigewalt und unzureichender Aufklärung von Polizeiübergriffen in Deutschland:
https://www.amnesty.de/2010/7/8/amnesty-bericht-zu-polizeigewalt-deutschland-taeter-unbekannt