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Der 1. September mahnt:

Der Krieg beginnt hier! Gegen den Rüstungsstandort Kiel!

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„Der Krieg beginnt hier. Kiel ist ein Rüstungsstandort. Hier werden Mordwerkzeuge für die Konflikte dieser Welt hergestellt. Und gleichzeitig ist es die Stadt, in der die Matrosen und Arbeiter_innen mit ihrem Aufstand dem Ersten Weltkrieg ein Ende setzten, von der 1918 der Ruf nach „Friede, Freiheit, Brot!“ ausging, der Ruf nach einer demokratischen, gerechten Gesellschaft, die an die Stelle der alten, überkommenen treten sollte. Doch die Errungenschaften der Novemberrevolution von 1918 wurden rasch von einem Bündnis aus Wirtschaft, Militär und alten Eliten angegriffen. Diese Entwicklungen verhalfen schließlich 1933 der nationalsozialistischen Bewegung zur Macht. Ihr Terror richtete sich gegen die organisierte Arbeiter_innenbewegung, gegen politisch Andersdenkende, Jüdinnen und Juden, Menschen anderen Glaubens, anderer kultureller Herkunft, anderer sexueller Orientierung, kurz gegen alle die, die nicht der von ihnen ausgewählten Norm entsprochen haben.“

So heißt es im Aufruf von Gewerkschaften, Friedensbewegung und linken Organisationen zu einer Demo und Kundgebung in Kiel anlässlich des diesjährigen Antikriegstages. Vor 75 Jahren wurde vom deutschen Faschismus mit dem Beschuss der polnischen Garnison auf der Westernplatte vor Danzig durch das Kriegsschiff „Schleswig-Holstein“ der Zweite Weltkrieg ausgelöst.

250 Kieler*innen folgten diesem Aufruf und demonstrierten durch die Kieler Innenstadt, um an den Beginn von erstem und zweitem Weltkrieg zu erinnern und aktuell ihren Protest gegen die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen und grundsätzliche Kritik am Rüstungsstandort Kiel zu üben. Zusätzliche Aktualität erhielt der Protest durch die am selben Tag im Bundestag abgesegnete Waffenlieferung in den Nordirak.

Die Demonstrationsroute und die Reden bezogen dabei geschichtsträchtige Orte in Kiels Innenstadt bewusst mit ein. Die Auftaktkundgebung fand am "Revolutionsdenkmal" statt, dass an den Kieler Matrosenaufstand von 1918 erinnert. Der DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Hornschu erinnerte an Streiks und Demonstrationen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung während des 1. Weltkrieges in den Kieler Betrieben, die dann im November 1918 zur Bildung des Arbeiter- und Soldatenrates führten und den Beginn der Novemberrevolution markierte. Frank Hornschu verurteilte die Absicht der Bundesregierung, Waffen in den Nahen Osten zu liefern. Er könne nicht sehen, dass Waffenlieferungen in Spannungsgebiete zur Verbesserung der humanitären Situation der dort lebenden Bevölkerung beitrügen. Das zeigen alle Beispiele der jüngsten Vergangenheit und das werde auch im Nordirak nicht anders sein.

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Die erste Zwischenkundgebung fand an Barlachs "Geistkämpfer" vor der Nicolaikirche statt. Andreas Zeddel vom Gesprächskreis für christliche Friedensarbeit veranschaulichte am Schicksal dieser Großplastik das politische Klima Kiels in den zwanziger und dreißiger Jahren. Der damalige Kieler Stadtoberbaurat Willy Hahn bewies Mut als er 1924 den modernen, expressionistischen Bildhauer Ernst Barlach bat, eine Großplastik zur Verschönerung Kiels zu schaffen. Die Enthüllung des Kunstwerkes erfolgte dann 1928 aber nicht mehr in aller Öffentlichkeit sondern heimlich und ohne Feier; man wollte kein Aufsehen um die Person Barlachs erregen. Denn nationalistische Kreise hatten an ihm Kritik geübt, weil sein Name zusammen mit denen von Künstlern und Wissenschaftlern unter einem Aufruf gegen den Bau eines Panzerkreuzers gestanden hatte. In Kiel aber spielten die Werften mit ihren Arbeitsplätzen eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Zudem stieß den Kieler Honoratioren sauer auf, dass Barlachs Werk kein heroisierendes Denkmal im Sinne der national-chauvinistischen Weltanschauung war, sondern das Werk „den Zügen eines kulturbolschewistischen Kunst-Schaffens erlegen“sei. 1937 entfernten die Faschisten die Plastik als entartete Kunst; sie konnte jedoch vor dem Einschmelzen gerettet werden. Andreas Zeddel zur Symbolkraft der Plastik: „Wer Waffen anfertigt, sie verkauft oder anhäuft, wer militärische 'Optionen' als Mittel der Durchsetzung von Interessen andenkt oder androht – der setzt die Würde von Menschen herab. Der setzt den Wert seines Lebens über den von anderen und akzeptiert im Äußersten ihren Tod. Wer ganze Gruppen, Nationen, Religionen für minderwertig hält, öffnet das Tor zum Krieg. Dieses Tor führte zum Grauen der Massenvernichtung, zu Auschwitz und Hiroschima.“

Bettina Jürgensen vom Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus ging in ihrer Rede auf dem Europaplatz auf die gegenwärtige kriegstreiberische Rolle Deutschlands im „gemeinsamen Haus Europa“ ein. „Hatte der damalige Außenminister der BRD, Genscher, noch 1990 erklärt: 'Uns ist bewusst, dass die Zugehörigkeit eines vereinten Deutschlands zur Nato komplizierte Fragen aufwirft. Für uns steht aber fest: Die Nato wird sich nicht nach Osten ausdehnen.' so sieht die Realität jetzt anders aus: Beitritte ehemaliger Länder des Warschauer Paktes zur Nato seit 1999, seit 1997 kann die Ukraine als einziges Nicht-NATO-Land an Nato-Manövern unter UN-Mandat teilnehmen. Während dieser Militäraufbau im Osten Europas erfolgt, malen die Regierenden aus den westlichen Staaten und ihre Medien weiter das Feindbild Russland an die Wand, jetzt soll es die Bedrohung durch das kapitalistische Russland sein. Die Entwicklungen in der Ukraine, die Einmischung westlicher Staaten hier zeigen: 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges betreiben Deutschland und die EU in eine brandgefährliche Politik. Mit dem Krieg gegen Jugoslawien 1999 wurden nach 1945 erstmals wieder innerhalb Europas die Interessen des Kapitals nach Rohstoffen, nach Absatzmärkten, nach mehr und schnellerem Profit mit Bomben durchgesetzt. Und das Säbelrasseln geht weiter.

Heute ist die Gefahr einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine greifbar. Statt dem zu begegnen, werden jetzt offen die Wege für noch mehr NATO-Einsätze in den baltischen Staaten ausgebaut, die Stationierung von Truppen und die Planung von Manövern vorangetrieben. NATO-Staaten, auch aus Europa, sind mit an vorderster Front in den aktuell über 40 Kriegen weltweit, in denen insbesondere die Zivilbevölkerungen Opfer der militärischen Gewalt werden.Die Bundeswehr ist mit Auslandseinsätzen am Morden beteiligt, die Waffenlieferungen aus der BRD tun ein Übriges.“

Bei der dritten Zwischenkundgebung auf dem "Platz der Kieler Matrosen" am Hauptbahnhof sprach eine Vertreterin vom Bündnis Frieden, Freiheit, Brot zu den Zuhörer/innen. Sie erinnerte an die Erkenntnis Karl Liebknechts vor 100 Jahren:

„Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“. Dies träfe nach wie vor zu. „Im Gegensatz zu Verschwörungstheoretikern, die behaupten, die FED (Federal Reserve) und somit die USA insgesamt seien an allem schuld, stellen wir fest, dass der Hauptgegner hier im Kampf gegen den Militarismus und die Expansionsbestrebungen das deutsche Kapital ist.

Daran sollten wir uns auch heute erinnern. Viel zu häufig gelingt es, diese Erkenntnis zu verhindern. Kiel ist aber nicht nur Ort für Rüstungsproduktion. Auch Forschung für den Krieg, Rekrutierung in Schulen sowie Jobcentern und das öffentliche Auftreten der Bundeswehr sind hier Alltag. Der Widerstand dagegen muss vielfältig sein und ebenso hier beginnen: Ob Störaktionen gegen die Bundeswehr auf Jobmessen und in der eigenen Schule, das Eintreten der Kieler Studierenden für eine Zivilklausel, das öffentliche Anprangern von Kriegsprofiteuren oder auch die Diskussionen in den Gewerkschaften um Konversion, also der Umstellung von militärischer auf zivile Produktion. All das kann einen Teil dazu beitragen, den Kriegstreibern das Wasser abzugraben.“

Die Abschlusskundgebung fand auf dem Ernst-Busch-Platz im Germania-Hafen statt. Der Ort und die beiden Namensgeber veranschaulichten abschließend noch einmal in aller Härte die Klassengegensätze auch in Kiel. Auf der einen Seite die Benennung eines Teils des Kieler Hafens nach der Germaniawerft des Kriegsverbrechers Friedrich Krupp – auf der anderen Seite im selben Areal die Benennung eines Platzes nach dem Teilnehmer am Matrosenaufstand, dem Antifaschisten, Kommunisten und Sänger Ernst Busch. Die Germaniawerft war die erste deutsche Werft, die U-Boote in größerem Umfang herstellte. Ab 1933 wurde die Werft zu einem bedeutenden Auftragnehmer der Kriegsmarine, sie lieferte insgesamt 131 U-Boote. Die Werftanlagen wurden nach Ende des Zweiten Weltkrieges demontiert und das Unternehmen aufgelöst. Ein Teil des früheren Werftgeländes wird jetzt von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS, früher HDW) eingenommen – und es werden wie vor 75 Jahren wieder U-Boote produziert und in alle Spannungsgebiete dieser Welt geliefert. Uwe Stahl von "Bündnis antimilitaristische Stadtrundfahrt" prangerte in seiner Rede die Rüstungsproduktion in Kiel an und forderte u.a.:

• Die Landesregierung in Schleswig-Holstein und die Landeshauptstadt Kiel fordern wir auf, keine Unterstützung für Einsätze der Bundeswehr zu geben. Schleswig-Holstein darf nicht länger Umschlagplatz für Kriegsmarine, Raketen und Jagdflieger in alle Welt sein!

• Wir fordern das Ende der Waffenexporte und der Rüstungsproduktion. Rüstungskonversion ist die Alternative, d.h. die Gelder, die bislang für Rüstungsproduktion investiert wurden, für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der zivilen Produktion einzusetzen.

• Forschung und Lehre dürfen nicht länger für militärische Zwecke erfolgen. Wir fordern die Zivilklausel für Universitäten und Bildungseinrichtungen.

Text/fotos: gst