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Seebataillon:

Marine wird neu ausgerichtet

01. Juni 2014  Die deutsche Marine hat seit dem am 1. April in Dienst gestellten Seebataillon eine neue Spezialeinheit und schließt damit „endlich eine Lücke, die es bislang bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gab. Die Marine macht damit einen der größten Schritte auf dem Weg der Neuausrichtung.“ So titelten die Kieler Nachrichten am 31.3.2014 und widmen dieser Meldung außer der Titelgeschichte noch eine ganze Sonderseite, auf der die neue „Kampftruppe“ und deren Kommandeur in allen Facetten präsentiert wurde. Der Kieler Kommandant, „der hochgewachsene, sportliche Offizier ist das Idealbild eines Marineinfanteristen.“ Tauchen, der Umgang mit Minen und der Einsatz im küstennahen Landbereich haben ihn während der Ausbildungbegeistert “und lassen noch heute seine Augen leuchten.” Die 800 Soldaten des Seebataillons sollen demnach Häfen und Schiffe in Übersee schützen und bei Evakuierungseinsätzen weltweit zum Einsazt kommen. Dabei gehört die Verflechtung der bisher existierenden Marineeinheiten, so des Kommandos Spezialkräfte der Marine (deren Kern die Kampfschwimmer bilden) mit Fallschirmspringern und Heerestruppen zum integrativen Konzept. Das in Eckernförde stationierte Seebataillon ist Teil der Einsatzflottille 1, die von Kiel aus U-Boote, Minenjäger und Korvetten kommandiert. „So eine Einheit macht beim Blick auf die Anforderungen schon Sinn“, sagt Hans-Peter Bartels (SPD), Kieler Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Wer hätte von ihm auch anderes erwartet.

Hatte doch wenige Tage vorher derselbe Hans-Peter Bartels in einer Diskussionsrunde im Flandernbunker unter der Fragestellung „Militärisches Eingreifen oder Runder Tisch? Zur Rolle der Bundeswehr im Weltgeschehen“ eifrig für Auslandseinsätze und Rüstungsproduktion die Werbetrommel gerührt.. Neben ihn waren Benno Stahn als Sprecher des Friedensforum Kiel und Ruben Reid vom Arbeitskreis Zivilklausel an der Christian Albrechts-Universität Kiel die Diskutanten. Veranstalter der Diskussionsrunde war der Verein „Mahnmal Kilian“ e.V., der die Ruine des Flandernbunkers am Eingang des  Kieler Marinehafen als Ort der Bildung und der Völkerverständigung etabliert hat.

Hans-Peter Bartels nahm in seinem Eingangsstatement den Argumentsfaden seiner „Vorgesetzten“ von der Münchner Sicherheitskonferenz auf, in dem er feststellte: „Deutschland sollte selbstbewusst eine aktive Rolle spielen, wenn es um Friedensfragen in Europa und der Welt geht. In der Globalisierung ist Wegschauen keine Alternative mehr.Wir dürfen uns in Zukunft nicht wegducken.“ In Afrika sieht er das deutsche Militär aber eher „in der zweiten Reihe.“ Dort solle es lediglich als Ratgeber und Ausbilder „Hilfe zur Selbsthilfe“ für die jeweiligen heimischen Militärs  leisten. Auf Pläne der Regierung angesprochen, Auslandseinsätze “flexibler” ohne jeweilige  Zustimmung des Bundestages zu händeln, musste er unfreiwillig eingestehen, dass ja auch bisher am Parlamentsvorbehalt kein Auslandseinsatz gescheitert ist. „Niemals war die Beteiligung des Parlaments ein Hindernis“ ...für Auslandseinsätze der Bundeswehr. In der Diskussion auf den Jugoslawien-Krieg angesprochen bekannte sich Bartels ohne Wenn und Aber zu „humanitären Interventionen“ - auch jenseits von UNO-Beschlüssen und Völkerrecht. Auf den Rüstungsstandort Kiel angesprochen, war Bartels der Auffassung, dass deutsche Rüstungsbetriebe schon deshalb notwendig seien, “weil die Bundeswehr mit dem besten Material ausgestattet sein müsse” und Waffenlieferungen an Israel vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte eine Selbstverständlichkeit seien.

Benno Stahn vom Kieler Friedensforum verwies auf das prinzipielle NEIN der Friedensbewegung gegen Auslandseinsätze, die seiner Ansicht nach im offenen Widerspruch zum Grundgesetz ständen. Mit den Reden von Gauck, Steinmeier und von der Leyen auf der Münchner “Sicherheitskonferenz” wurde “eine Neuvermessung der deutschen Weltpolitik” vorgenommen, wonach Deutschland nicht mehr nur wirtschaftlich und politisch sondern jetzt auch miltärisch ein Global Player sein will.

Ruben Reid vom Arbeitskreis Zivilklausel verwies auf den Leitspruch der Christian-Albrechts-Universität (CAU) „Pax Optima Rerum“ - „Frieden ist das höchste Gut“ und dem offensichtlichen Widerspruch dazu: Zwischen 2007 und 2012 flossen vom Bundesverteidigungsministerium und der NATO 2,7 Millionen Euro an Projekte der CAU, vor allem an das an die Uni angegliederte Institut für Sicherheitspolitik Kiel (ISPK): So etwa für „Aufstandsbekämpfung in Afghanistan“, eine Studie erstellt für das Verteidigungsministerium. Weiterhin wurden zum Beispiel der Einfluss von U-Boot- und Schiffsbewegungen auf Meeressäuger oder physiologische Auswirkungen auf Kampfaucher untersucht. Dabei arbeite die Uni eng mit Kieler Rüstungsbetrieben zusammen, die wiederum nachweislich Teil von US-Konzernen sind, die sich einer engen Zusammenarbeit mit dem NSA rühmen.

Nach Ansicht von Bartels stellen diese und andere Forschungsaufträge aber keinesfalls „genuin militärische Projekte“ dar. Das sehen allerdings viele Studenten anders. Bei einer Abstimmung, an der sich Ende Juni letzten Jahres 4000 der 24.000 CAU-Studenten beteiligten, befürworteten zwei Drittel eine Zivilklausel, also die Selbstverpflichtung der Universität, Forschung und Lehre von militärischen Einflüssen freizuhalten. Dem steht allerdings Prof. Joachim Krause als Leiter des ISPK vehement entgegen. „Erfahrungen mit der Einführung von Zivilklausel an deutschen Universitäten lassen erkennen, dass derartige Klauseln von linken und vor allem linksextremen Gruppen unterschiedlicher Provenienz als Einfallstor genutzt werden, um den Betrieb an der Universität entweder in ihrem Sinne zu steuern oder diesen zu stören,“ schrieb er. „Die politische Stoßrichtung der Zivilklausel besteht darin, die Universität zu nutzen, um eine Verfassungsinstitution wie die Bundeswehr zu diskreditieren und Stimmung gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen von internationalen Friedensmissionen und Missionen der Friedenskonsolidierung zu machen“

Benno Stahn wies darauf hin, dass durch den beharrlich Einsatz der Friedensbewegung in den 90er Jahren das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften (SCHIFF)  als eigenständiges Institut für Friedensfordchung an der Kieler Uni gegründet worden war. Das Institut wandte sich insbesondere an alle, die sich in ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit, praktisch oder wissenschaftlich, mit Aspekten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Ostseeregion befassten. Ein Arbeitsschwerpunkt lag – neben Fragen der Rüstungskonversion -  in der wissenschaftlichen Erforschung der Beziehungen zwischen Russland und der EU. Ein Thema, das gerade jetzt von herausragender friedenspolitischer Bedeutuung ist. Aber: Im Jahr 2011 wurde das SCHIFF institutionell abgewickelt und ging in den Arbeitsbereich „Internationale Politische Soziologie“ auf, ohne dort nachhaltige Spuren hinterlassen zu haben.

Nach einer recht hitzigen Diskussion, in der die Kieler Friedensbewegten den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses nicht schonten, verließen die 60 Teilnehmer die Veranstaltung,versorgt mit Flugblättern zum diesjährigen Ostermarsch in Kiel („Wir sagen NEIN zu Auslandseinsätzen!“) die Veranstaltung. 


(gst)