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Fracking:

Bundesregierung eröffnet Gesetzgebungsverfahren

Nach mehrjähriger Vorbereitung gewinnt das Fracking-Gesetzgebungsverfahren an Fahrt: Die Novellierungsentwürfe von Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Umweltverträglichkeitsprüfungsverordnung Bergbau (UVP-V Bergbau), Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und Allgemeiner Bundesbergverordnung (ABBergV) sollen noch im September in die Verbändebeteiligung gehen. Eine Novellierung des Bundesberggesetzes (BBergG) ist nicht vorgesehen. Im November soll das Regelungspaket dem Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt und anschließend mit dem Bundesrat abgestimmt werden.

Im Sommer 2010 hatte das Institut für Transformation der Bundeswehr vor einem unmittelbar bevorstehenden Überschreiten des „konventionellen“ Erdölfördermaximums auf unserm Planeten gewarnt („Peak Oil“): Die Kluft zwischen wachsendem Erdölverbrauch insbesondere durch die Schwellenländer China und Indien und sinkenden Fördermengen infolge Erschöpfung der Ölquellen nehme derart zu, dass sich die deutschen Streitkräfte angesichts dramatischer Verknappung und Verteuerung des Schwarzen Golds auf eine „systemische Krise“ ab Mitte der 2020er Jahre einstellen sollten.

Da kam die Nachricht aus den USA über die Förderung bislang unerschlossener Erdöl- und Erdgasvorkommen mittels „unkonventioneller Verfahren“ (Fracking) wie gerufen. Leider – aus Sicht der Fracking-Befürworter – blieb die begeisterte Zustimmung der Deutschen aus. Warnungen vor den gewaltigen Risiken der neuen Technologie machten die Runde, worauf die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung das Umweltbundesamt UBA mit einer „Risikostudie Fracking“ beauftragte. Deren Teil 1 lag nach einigen Monaten vor:

Fracking sei in der Tat eine Risikotechnologie, deren Auswirkung auf Gesundheit, Umwelt und Klima gründlich erforscht werden müsse. Das lief auf eine Regulierung des Frackings hinaus – nach geltendem Bergrecht ist Fracking, von einigen Detailregelungen etwa im Wasserrecht abgesehen, grundsätzlich erlaubt. Wie weit sollten die Regelungen gehen? Oder solle man zugunsten einer konsequenten Energiewende ganz auf Fracking verzichten? Allerdings stand das Problem der schwindenden „konventionellen“ Öl- und Gasressourcen weiter im Raum, mitsamt drohendem Ölpreisanstieg, der nur durch Fracking in den USA auf unbestimmte Zeit eingedämmt werden konnte. –

Wenige Wochen nach der Katastrophe von Fukushima und dem deutschen Ausstieg aus der Kernenergie begann der weltgrößte Erdöl- und Erdgaskonzern Exxon-Mobil für zwölf Monate die Forschung eines spartenübergreifenden „neutralen Expertenkreises“ von dreißig bis vierzig WissenschaftlerInnen zu finanzieren, um Erkenntnisse über eine künstliche Stimulation von Untergrund und öffentlicher Meinung zu gewinnen. Ein „freiwilliges Moratorium“ der Erdölkonzerne flankierte diesen Prozess – im Juni 2014 wurde der Fracking-Verzicht bei Saal (MV) aufgehoben.

Doch es nützte ihnen zunächst wenig: Antifracking-Bürgerinitiativen schossen und schießen wie Pilze aus dem Boden. In der linken Denkfabrik „Institut solidarische Moderne“ setzte ein Dialog über den postfossilen Gesellschaftsumbau ein und erfasste neben Attac auch Teile von Linkspartei, SPD und Grünen. Die Zahl der „Transition Towns“ nahm sprunghaft zu. Immer mehr Kommunen, Kreistage und Stadtvertretungen sprachen sich parteiübergreifend gegen Fracking innerhalb ihrer Grenzen aus. Ein erster Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) und CDU-Umweltminister Altmaier zur Novellierung von Wasserhaushaltsgesetz WHG und Umweltverträglichkeitsprüfungsverordnung Bergbau („Rösmaier-Entwurf“) scheiterte im Sommer 2013 nicht nur am Widerstand von Bürgerinitiativen, sondern auch von CDU-Bundestagsabgeordneten aus dem Wassereinzugsgebiet des Bodensees, denen ihre Wähler mächtig auf die Pelle gerückt waren.

Die Bundestagswahl von 2013 brachte dem Gesetzgebungsverfahren neuen Schwung. Mit der SPD trat ein Akteur in die Bundesregierung ein, der sich bislang mehrheitlich in Bezug auf Umweltschutzprobleme eher bedeckt gehalten hatte. Als auf der Konstanzer Umweltministerkonferenz am 8. Mai 2014 unter Teilnahme von Bundesumweltministerin Hendricks der einstimmige Beschluss gefasst worden war, die Bundesregierung zu veranlassen, das toxische Fracking in unkonventionellen Lagerstätten durch BBergG-Novellierung zu verbieten, kam vom Wirtschafts- und Energieminister Gabriel sofort ein Veto. Mit dem Eckpunktepapier fanden im Juni beide SPD-Mitglieder – Hendricks und Gabriel – einen fragwürdigen Kompromiss, der sich rasch zu einer immer größeren Kluft zwischen den Verfechtern von Rohstoffsicherung und Schutzbedürfnissen ausweitete:

Unter Wahrung eines „sicheren Abstands zu den Trinkwasservorkommen“ solle im Schiefergestein und in Kohleflözen, den „unkonventionellen Lagerstätten“, bis zu jeweils 3.000 Metern Tiefe in den nächsten sieben Jahren Fracking verboten sein, danach werde man neu prüfen, aber tiefer als dreitausend Meter sowie im gesamten Sandstein, also zusammen in mehr als Dreivierteln aller Öl- und Gasvorkommen, solle „unter höchsten Sicherheitsstandards“ gefract werden dürfen.

Im Juni veröffentlichte das UBA Teil 2 seiner Fracking-Risikostudie. In deren Gefolge kam es zu einem stark beachteten Dissens zwischen der erst seit Mai im Amt befindlichen UBA-Präsidentin Maria Krautzberger (SPD) und dem Leiter der Studie Uwe Dannwolf. Bei der Vorstellung des zweiten Teils unterlief Frau Krautzberger insofern ein Missgeschick, als sie beide Teile in gewisser Weise vermengte. Während Dannwolf den Schwerpunkt auf die Beherrschbarkeit des Frackings bei Einhaltung der strengen Auflagen legte, betonte die UBA-Präsidentin die in Teil 1 deutlich stärker gewichteten Risiken, vor allem die bislang ungelöste Aufbereitung des Lagerstättenwassers (Flowback).

Hier bestünde noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Auch aus Klimaschutzgründen „wäre (es) besser, unser Land konzentrierte sich stärker auf nachweislich umweltverträgliche Energieformen wie die erneuerbaren Energien“. Dannwolf kritisierte zum Beispiel, dass es nahezu unmöglich sei, dass Lagerstättenwasser alleine durch Rissbildung von vielen Hundert Metern Länge nach oben in die trinkwasserführenden Schichten gelangen könne. Selbst unterirdische Atombombentest hätten bei doppelter Sprengkraft der Hiroshimabombe lediglich Risse bis zu 270 Metern Länge erzeugt – fracbedingte Risse reichten da bei weitem nicht heran. Sollten Havarien auftreten, was auch Dannwolf als Möglichkeit nicht bestreitet, dann liege es an undichten Rohren und anderen Schlampereien, woraus er folgere, dass bei konsequenter Anwendung der Sicherheitsvorschriften Fracking beherrschbar sei. – Diese Sicht teilten einflussreiche Experten wie der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Prof. Dr. Kümpel und Prof. Dr. Rolf Emmermann, Leiter von Acatech, einem weiteren Forschungsprojekt zur Desinformation bezüglich der Frackingtechnologie.

In der Summe solcher Äußerungen kommt eine Kampagne von Frackingbefürwortern zum Ausdruck, als deren Speerspitze in jüngster Zeit Panorama auftrat. In extrem einseitiger Weise hat das Magazin während der ersten Septemberdekade die Herren Dannwolf, Kümpel und Emmermann ausführlich zu Wort kommen lassen, während der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz mitsamt den Antifrac-BI’en nicht einmal erwähnt wurden. In einer 51 Seiten umfassenden detaillierten Stellungnahme hat sich z. B. der Diplomphysiker Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden BBU-Vorstand schon im Februar zu Teil 2 des UBA-Gutachtens geäußert (auch zwanzig Bürgerinitiativen, darunter der Autor dieser Zeilen, unterschrieben sie). Davon war aber in den Panorama-Sendungen nicht die Rede. Stattdessen wurden völlig kritiklos mehrere Exxon-Mitarbeiter gezeigt, wie sie Wasser tranken, bei dem es sich angeblich um Frac-Flüssigkeit handelte. Dem chemischen Kataster entsprechend hätten sie schwere gesundheitliche Schäden davontragen müssen. –

Dieses Vorgehen erinnert an die Blütezeit der Antiatombewegung und zeigt, in welch hohem Maße interessengeleitet Magazine wie Panorama in Wirklichkeit sind.

Die Auseinandersetzung spitzt sich zu und es wird für die Bürgerinitiativen immer wichtiger, sich fachlich und politisch zu qualifizieren. Dabei bieten selbst die nicht immer „neutralen“ Beiträge des von Exxon gesponserten „neutralen Expertenkreises“, darunter vorrangig von Werner Zittel, geeignete Ansatzpunkte, sofern es uns gelingt, eine kritische Distanz zu wahren.

Hansjürgen Schulze, Aktionsgemeinschaft „Stoppt Fracking im Großraum Kiel – für eine postfossile Zukunft!“