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Germany First:
Pulverdampf und Handelskriege?
01. Mai 2017 Berlin trägt die Hauptschuld an der wirtschaftlichen Spaltung Europas. Nicht nur der französische Ökonom Piketty kritisiert den deutschen „Exportnationalismus“. "Berlin führe sich »als Besserwisser auf, was für den Rest der Europäer schlicht unerträglich ist. Es ist auch irrational, denn dadurch, dass man die Länder Südeuropas in den Würgegriff nimmt, werden die Kredite nicht schneller zurückgezahlt (siehe Griechenland hg). Man spürt dahinter die Lust, die bestrafen zu wollen, die mit Nationalismus zu tun haben. Dies sei zwar nicht der Nationalismus von rechten Parteien, wie der britischen Ukip oder dem französischen Front National – aber ein »softer Nationalismus«, einer durch Exportpolitik. Deutschland hat einen Handelsbilanzüberschuss von acht Prozent des Bruttosozialproduktes – für Piketty ist das »absurd«, der Ökonom sagt, "das habe es auch seit der industriellen Revolution nicht gegeben". (ND Juli 2016)
Dumm gelaufen. Kurz vor Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump veröffentlichte destatis die Export-Importzahlen für das Jahr 2016. Noch nie hatte die deutsche Wirtschaft so viele Waren (für 1.207,5 Mrd. Euro) exportiert wie im Jahr 2016. Das bedeutete ein Exportüberschuss von 253 Mrd. Euro. Dieser rekordträchtige Überschuss dürfte auch Amerikas Kritik am deutschen Exportüberschuss bestärken. Donald Trump könnte das neue Argumente für Strafzölle liefern, schrieb die SZ am 10.02.2017. Angeblich riecht es nach Pulverdampf und Handelskrieg. Im Januar 2017 steigerte sich die „deutsche Export-Droge“ um 11,8 Prozent gegenüber dem Vergleich zum Januar 2016.
Quelle :destatis (LinX-Archiv hg)
Wegen seiner Überschüsse im Kapital- und Handelsverkehr befindet sich Deutschland international immer mehr in der Defensive. Da der Überschuss schon länger als 6 Prozent beträgt, hätte die EU-Kommission Sanktionen gegen Deutschland verhängen müssen. Es blieb 2014 aber nur bei einer Rüge. Auch die IWF-Chefin Lagarde findet die Ungleichgewichte schädlich für ein stabiles und nachhaltiges weltweites Wirtschafts-wachstum.
„Die Leistungsbilanz, die auch die Handelsbilanz mit dem Verhältnis aus Ex- und Importen umfasst, sei für die Bundesregierung keine sogenannte Steuerungsgröße“, heißt es in einem Schäuble-Papier. Sie lasse sich nur in sehr begrenztem Rahmen durch politische Maßnahmen beeinflussen. Etwa die Hälfte des Überschusses sei zurückzuführen auf strukturelle Rahmenbedingungen, an denen die Politik kurzfristig nichts zu ändern vermöge. Hierzu zählten „die hohe Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter auf den Weltmärkten“, aber auch „die qualitativ hochwertige, industriell geprägte und komplexe Güterstruktur“. Auch das hohe Auslandsvermögen der Deutschen zähle zu den unveränderlichen Ursachen der hohen Überschüsse. „Dieses Auslandsvermögen wirft Gewinne ab, die den Leistungsbilanz-Überschuss erhöhen.“ (Handelsblatt vom 21.04.2017)
Die Ursachen
Deutschland ist exportabhängiger als alle anderen Industrieländer. 38,5 Prozent betrug 2016 der Anteil am BIP. Nicht die Höhe und Umfang der deutschen Exporte sind für die ökonomischen Verwerfungen verantwortlich, sondern der extrem hohe Überschuss. Die Importe machten nur 30,5 Prozent des BIP aus. In Deutschland wird erheblich weniger konsumiert, als Unternehmer produzieren. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung ist in Deutschland erheblich höher als in vielen anderen Industriestaaten.
Quelle: destatis (LinX-Archiv hg)
Dumpinglöhne und niedrige Lohnnebenkosten haben erheblich zur Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen beigetragen. Die Lohnstück-kosten sind in Deutschland zwischen 2000 und 2014 um nur 1 Prozent im Jahresschnitt gestiegen. Im Euroraum stiegen die Lohnstückkosten um 1,7 Prozent. Das sind Ergebnisse der Lohnzurückhaltung der Industriegewerkschaften und die Schaffung von Niedriglohnsektoren im Rahmen der
Agenda 2010
Auch die Senkung der Lohnnebenkosten brachten erhebliche Vorteile für die deutschen Unternehmen. Neben der Senkung der Gewinnsteuern durch Rot-Grün wirkte sich auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent, seit 2007, aus. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde die Senkung der Lohnnebenkosten finanziert. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wirkt wie eine Art Zoll, da sie die Importe ausländischer Unternehmen verteuerte. Die deutschen Unternehmen bekommen bei der Ausfuhr die enthaltene Mehrwertsteuer vergütet. Außerdem wirkte sich die Mehrwertsteuererhöhung negativ auf die Binnenkaufkraft, in Deutschland, aus.
Ein weiterer Wettbewerbsvorteil für die deutsche Wirtschaft sind die Leistungsbilanzdefizite vieler Euro-Länder, da sie zu niedrigen Bewertungen des Euros führen. Deutschland hat in den letzten Jahren durch niedrige Zinsen bis zu 90 Mrd. Euro „gespart“. Auch die Politik der EZB, durch den Ankauf von Staatsanleihen und Firmenobligationen spülen den Euro weich. Fachleute gehen davon aus, dass der Euro gegenüber dem Dollar um bis zu 20 Prozent unterbewertet ist. Ein weiterer Faktor ist die Nullzinspolitik der EZB. Davon profitierten nicht nur die deutschen Konzerne, sondern auch der deutsche Mittelstand.
Der Leistungsbilanzüberschuss betrug 266 Mrd. Euro. Damit ist Deutschland auch Weltmeister im Kapitalexport. Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss führt zur Verschuldung vieler Länder. Das im Export verdiente Geld wird zu wenig in Deutschland investiert. Der größte Teil geht als Kredit ins Ausland, vergrößert dort die Schulden und erhöht Jahr für Jahr Deutschlands Auslandsvermögen.
Quelle :destatis (LinX-Archiv hg)
Nicht nur die deutsche Politik, auch die „America First“-Politik kann für die Weltwirtschaft gefährlich werden. „Die Vereinigten Staaten und ihre „America First“-Politik werden derzeit als eine der größten Gefahren für den internationalen Handel und als Bedrohung für den Erfolg der Globalisierung gewertet. Die Regierung von Donald Trump will das nordamerikanische Handelsabkommen Nafta neu verhandeln. Das pazifische Abkommen TPP sowie der europäische Pakt TTIP liegen auf Eis. Trump setzt stattdessen auf bilaterale Abkommen.“ (FAZ 20.04.2017)
USA Außenhandel
Die USA sind weltgrößter Absatzmarkt für Importgüter. Als Exporteur (nur Waren) standen sie 2014 nach China an zweiter Stelle. Das Handelsbilanzdefizit betrug 2016 USD 502,3 Mrd., eine Steigerung von 0,3% (USD 1,9 Mrd.) verglichen mit dem Vorjahr (2015: USD 500,4 Mrd.). Das Exportvolumen für Waren und Dienstleistungen (USD 2.209,4 Mrd.) hat sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr (USD 2.261,1 Mrd.) verkleinert. Auch das Importvolumen für Waren und Dienstleistungen (USD 2.711,7 Mrd.) ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr (USD 2.761,8 Mrd.) gesunken.
Hauptabnehmerländer für US-Warenexporte 2015 waren: China, Kanada, Mexiko, Japan, Großbritannien und Deutschland. Dabei hat Deutschland US-Waren im Wert von 49,4 Milliarden US-Dollar eingeführt und lag damit im Jahr 2016 auf Rang 6 der US-Absatzmärkte. Bei den Warenimporten der USA liegt die Bundesrepublik Deutschland als Exporteur mit USD 114 Mrd. unverändert auf Rang 5. Die USA hatten 2016 mit Deutschland das zweithöchste Handelsbilanzdefizit; es erreichte einen Umfang von USD 64,9 Mrd. Ein höheres Defizit verzeichnete die USA lediglich mit China (USD 347,0 Mrd.).“ (Auswärtiges Amt)
Was tun ?
Zum Ausgleich des Welthandels muss Deutschland endlich massive Schritte unternehmen, um den Binnenmarkt für Investitionen wieder attraktiver machen. Dafür sind Zukunftsinvestitionen u. a. in Bildung, Infrastruktur, Wohnungsbau, Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernver-kehrs, die digitale Infrastruktur, Städtesanierung und Ausbau der E-Mobilität notwendig.
Aber auch die Massenkaufkraft muss massiv gestärkt werden, z. B. durch Erhöhung des Mindestlohnes, der Renten der Sozialleistungen sowie der Löhne.
(hg)