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Landtagswahl:

Küstenkoalition gekentert

 01. Juni 2017 Schleswig-Holstein hat gewählt und einige reiben sich erstaunt die Augen. Die Wahl machte deutlich: Das Ergebnis zählt – Umfragen und Vorhersagen verlieren dadurch an Bedeutung. Persönlichkeitswahlen braucht politische Persönlichkeiten. Jugendlichkeit und Jugend wird gewählt – das ist aber keine Garant für gute Politik. Aber die Wahl zeigt auch: Eine aktive außerparlamentarische Bewegung kann Einfluss nehmen auf Wahlentscheidungen! 

 

Die AfD ist in den Landtag eingezogen mit 5,9%. Das ist zu viel, doch weitaus weniger, als sie selbst angestrebt hatte, als es nach den Wahlen in anderen Bundesländern vorhergesagt wurde. Das ist ein Erfolg von Aufstehen gegen Rassismus, das Bündnis schreibt in einer Pressemitteilung noch am Wahlabend:

„Gemeinsam haben wir einen öffentlichen Druck erzeugt, der die AfD landesweit in die Defensive gedrängt hat. Der Versuch, sich mit ihrer widerwärtigen rassistischen, antifeministischen und homofeindlichen Position als "normale" Partei zu etablieren, ist grandios gescheitert. Vielmehr haben wir der AfD mit unserem Engagement einen Wahlkampf aufgezwungen, wie wir ihn sonst von anderen rechten Kleinstparteien kannten: Hermetisch abgeriegelte, klandestine Veranstaltungen und einen kaum nennenswerten Wahlkampf auf der Straße. Das haben die Menschen im Land wahrgenommen. Niemand, der die AfD im Wahlkampf erlebt hat, konnte die Erzählung glauben, es hier mit einer normalen Partei zu tun zu haben.“ Weiter wird festgestellt: „Zentral ist aber: Die AfD hat nicht nur den Wahlkampf einer rechten Kleinstpartei geführt, sie wird - und das ist unser Verdienst - auch die parlamentarische Existenz einer solchen führen. Sie wird - wie zuvor DLVH und DVU - von den anderen politischen Akteur_ innen isoliert werden und keinerlei diskursive oder politische Wirkung entfalten können. Deswegen gehen all jene, die mit uns aufgestanden sind, die für Solidarität eingetreten sind, dennoch als Sieger_innen aus diesem Abend hervor.“ Hingewiesen wird auch auf die Tatsache, dass der Kampf gegen Rechts, gegen die AfD nicht beendet ist, er tagtäglich weiter geführt werden muss.

Die anderen Parteien haben die Wähl*innen mit sehr unterschiedliche Werbemaßnahmen über die Kandidat*innen und ihre politischen Aussagen informiert.

DIE LINKE führte einen politischen Wahlkampf, warb mit ihrem Wahlprogramm für Stimmen. Die plakative Werbung waren nicht Gesichter von Kandidat*innen, sondern die inhaltlichen Forderungen auf den Punkt gebracht. Mehr eigene Veranstaltungen hätten eine Diskussion um politische Standpunkte fördern können. DIE LINKE ist gerade zu sozialen Fragen, zur Friedensarbeit und gegen die Rechtsentwicklung auch über die Aktivist*innen in außerparlamentarischen Bewegungen hinaus als Partei bekannt geworden. In ihrer Erklärung nach der Wahl sagen die Landessprecher*innen: „Im Mittelpunkt standen der Kampf gegen Niedriglohn und prekäre Arbeit, die in Schleswig Holstein weit überdurchschnittlich sind. Gegen Armut und Kinderarmut, für gebührenfreie Kitas, gute Versorgung und gute Arbeit in Krankenhaus und Pflege, für soziale Ökologie, gute Mobilität und bezahlbaren Wohnraum im Land.“ Doch sie müssen feststellen, dass 3,8% der Stimmen nicht reichen, um diese Forderungen im Landesparlament zu vertreten.

Im Gegensatz zu DIE LINKE, die einen politischen und inhaltlichen Wahlkampf führte, wollte der bisherige Ministerpräsident und Spitzenkandidat der SPD, Torsten Albig, mit persönlichen Einblicken die Gunst der Wähler*innen erreichen. In einem Interview mit „Bunte“, gab er die Hochzeit mit seiner Lebensgefährtin für 2018 bekannt, seine Ex-Frau beschrieb er als „nicht mehr auf Augenhöhe“, weil er immer unterwegs und sie zu Hause bei den Kindern war. Dass die neue Frau sich bei Auftritten als zukünftige First-Lady präsentierte, war dann wohl nicht nach dem Geschmack der eher bodenständigen Bevölkerung und rief auch den Protest vieler Frauen hervor. Sein Aussage vom „Ministerpräsidenten als Moderator“ zeigte weniger ein Politikverständnis, als dass nach einer persönlichen, beruflichen Perspektive im Landeshaus.

Die Wahlkampfunterstützung aus dem Bund, u.a. durch Gabriel und Schultz, kann teilweise auch eher als kontraproduktiv bezeichnet werden. Die Landesregierung von SPD/Grüne/SSW hat einen Abschiebestopp für Geflüchtete aus Afghanistan durchgesetzt. Aus der Bundespartei und deren Vertretung wird dieser kritisiert. Dass trotz des Abschiebestopps nach Afghanistan der Innenminister Studt sich wenige Tage vor der Wahl für ein neues Abschiebegefängnis im Norden einsetzte, macht den Zickzackkurs der SPD im Land deutlich, kann die Aussage des Innenministers nur als Einknicken vor der Bundespolitik seiner Partei bzw. als Stimmenfang für die Wahl verstehen. Albig, der auf Fragen nach dem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU nur antwortete „ich habe noch nie eine Abstimmung verloren“ wurde auf den Boden der (Wahl)Realität zurückgeholt. Dass es in dem SPD-Landesverband, der bundesweit als links gilt, keine Mitglieder und Vorstände gegeben hat, die mit politischem Auftreten in den Wahlkampf eingegriffen haben, zeigt eine Partei, in der ein Kanzlerkandidat mit 100% Zustimmung nominiert wird. Die Sprach- und Konfliktlosigkeit in der SPD scheint jedes politische Auftreten zu ersticken.

Trotzdem ist die Schwäche der SPD nur eine Antwort auf den Wahlerfolg der CDU. Die CDU hat mit ihrem Spitzenmann Daniel Günther und anderen Kandidat*innen auf Jugend gesetzt. Dabei ging es weniger um die, die erstmalig ab 16 Jahren wahlberechtigt sind, sondern es wurde generationenübergreifend Jugendlichkeit als ein Wert für politische Arbeit anerkannt wird. Die CDU hat das Ziel, das vor Jahren von der CDU-Regierung vor 2012 vorbereitete und von der „Küstenkoalition“ durchgesetzte Turbo-Abi G8 zurückzunehmen. Zu G9 soll die Bildungspolitik der CDU in Schleswig-Holstein verändert werden. Außerdem sollen mehr Stellen für die Polizei aufgebaut werden. Günther hat der SPD im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen, dass sie keine Koalitionsaussage macht, womit er vor allem die Frage eine rot-rot-grünen Regierung im Vorfeld geklärt haben wollte.

Einer Antwort ging Albig aus dem Weg, bekannte seinen Wunsch, die „Küstenkoalition“ aus  SPD/GRÜNE/SSW vorantreiben zu wollen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Ralf Stegner hatte als ein Ziel genannt, der Einzug von DIE LINKE ins Landesparlament müsse verhindert werden. In seiner Wahlauswertung setzt er in Phönix am 8.5. nach: „Der Gerechtigkeitswahlkampf war, glaub ich, schon richtig, das sehen sie daran, dass die Linkspartei nicht in den Landtag gekommen ist, das war ja unser Ziel. Das ist uns schon gelungen." Möglich ist, dass er damit auch nur die Stimmen für die SPD dabei im Visier hatte.

Die grüne Politik hatte mit der Finanzministerin des Landes eine Spitzenkandidatin gewählt, doch an Robert Habeck, dem aktuellen Umweltminister, kommt niemand vorbei. Die Grünen punkten mit ihm, politisch ist er der Spitzenmann, ohne den sich wohl auch die Grünen in Schleswig-Holstein auf das prozentuale Ergebnis der bundesweiten Werte eingepegelt hätte.

Der SSW als Partei der dänischen Minderheit ist in Schleswig-Holstein von der 5%-Klausel befreit und wird weiter im Landtag vertreten sein. Sie haben umgehend erklärt nun wieder in die Opposition zu gehen.

Die Grünen werden für eine mögliche schwarz-grün-gelbe Koalition mit CDU und der FDP mit Wolfgang Kubicki gefragt. Grüne und FDP haben zusammen fast 25 % der Stimmen bei dieser Wahl geholt. Die neoliberale Politik findet in den sich unterschiedlich wähnenden Bevölkerungsgruppen Wähler*innen, beide Parteien fremdeln noch ein wenig miteinander, werden aber bestimmt in einer Koalition mit der CDU zusammenfinden. Das lässt nichts Gutes für Schleswig-Holstein erwarten, bei der Bekämpfung von Kinder- und Altersarmut, in der Bildungspolitik, im Umgang mit Geflüchteten oder etwa bei der Bekämpfung von Niedriglöhnen.

 (Bettina Jürgensen)