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Ratsversammlung:
Kiel erhält kommunale Wohnungsbaugesellschaft
01. Oktober 2018 Nach 18 Jahren hat die Kieler Ratsversammlung endlich eine schwerwiegende Fehlentscheidung rückgängig gemacht, die in den Zeiten überschwenglichen Privatsierungswahns durch den sozialdemokratischen Oberbürgermeister Norbert Gansel begangen wurde: den Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG).
Für 250 Millionen DM (ca. 125 Millionen Euro) wurde die KWG 1999 verkauft und wechselte bald von Hand zu Hand. 2014 landete sie schließlich bei der von Deutsche Annington (inzwischen Vonovia). Wert: schätzungsweise 460 Millionen Euro. Über die Jahre haben diverse Konzerne einen Verkaufserlös von 335 Millionen Euro erzielt. Hinzu kommen die Gewinne, die mit Mieten gemacht wurden und die entgangenen Steuereinnahmen, die natürlich meist an den Firmensitzen entrichtet werden. Arne Wulff (CDU): „Wir werden andere Wege zur Schaffung von Wohnraum für sozial Schwache finden.“ „Wohnungsbaupolitik hängt nicht an städtischem Wohnungseigentum,“ Jürgen Fenske (SPD). Solcherlei Fehleinschätzungen hatten vor allem überhöhte Mieten und fehlende Sozialwohnungen zur Folge. Nach 18 Jahren wird nun festgestellt: „Wir sehen in Kiel ja deutlich: Der Markt regelt eben nicht alles von alleine.“ (Sozialdezernent Gerwin Stöcken).
Am 20.9.2018 hat die Kieler Ratsversammlung (gegen die Stimmen der CDU) eine Forderung der sozialen Bewegung erfüllt und die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft (KiWoG) beschlossen.
Ein breites Bündnis für sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum hatte sich zusammengefunden und zuletzt mit einem Bürgerentscheid zur Zukunft des Verkehrlandesplatzes Holtenau darauf hingewiesen hatte, dass in Kiel für die Zukunft weit über 20.000 neue Wohnungen fehlen. Auch der Kieler Mieterverein unterstützt die Neugründung einer kommunaleigenen Kieler Wohnungsbaugesellschaft. Der Verein hält allerdings ein weiteres Gutachten dazu für überflüssig, da die bekannten Zahlen für sich sprechen:
„In Kiel lebten Ende 2016 bereits 5.191 Personen, die langzeitarbeitslos waren und 4.295 Personen, die trotz monatlicher Einkommen auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen waren. Diesen und anderen insgesamt 10.000 Leistungsbeziehern standen nach der geschäftlichen Mitteilung der Stadt (DS0179/2018) zur heutigen Ratsversammlung Ende 2016 noch 6.271 preisgebundene Wohnungen gegenüber. Das waren damals schon nur noch 6,9 % des Wohnungsbestandes (91.000 Wohnungen). Ende 2018 fallen bis auf 1.500 Wohnungen alle weiteren aus der Bindung, sodass unter 2 % des Kieler Wohnungsbestandes für niedrige und mittlere Einkommen zur Verfügung stehen. Das entspricht dann gerade einmal der Zahl der Wohnungsnotfälle des Jahres 2016 (1.660).
Dass die Stadt bei dieser Wohnungssituation die Steuerungsmittel für bezahlbaren Wohnraum in der Stadt verloren hat, zeigte der letzte veröffentlichte Mietspiegel, der innerhalb von zwei Jahren über alles Steigerungen von durchschnittlich 12 % ausgewiesen hatte.“
In einem Änderungsantrag auf der Ratsversammlung wurde jetzt auf weitere Gutachten verzichtet und nach Angaben des Sozialdezernenten Gerwin Stöcken könnte die KiWoG möglicherweise bereits ab Mitte kommenden Jahres als GmbH aktiv werden.
Außerdem wurde erfreulicherweise mit aufgenommen, dass die Bildung einer Genossenschaft mit Bürgerbeteiligung geprüft wird.
Der Ratsbeschluss lautet jetzt wie folgt:
1. Die Verwaltung wird beauftragt, die Gründung einer städtischen Wohnungsgesellschaft vorzubereiten. Der Beschluss vom 16.03.2017 (Drs. 0115/2017) wird insoweit abgeändert, dass nicht mehr geprüft wird, welche Voraussetzungen für die Gründung einer Wohnungsgesellschaft vorliegen bzw. geschaffen werden müssen.
2. Die Ziele der zu gründenden Gesellschaft sind die Errichtung, der Erwerb, die Betreuung, Bewirtschaftung und die Verwaltung von Wohneinheiten zu Mietzwecken auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Kiel. Es wird eine Öffnungsklausel geschaffen, die es zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht, Grundstücke zu erwerben, zu entwickeln und unter anderem für geförderten Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen.
3.Die Vorbereitungen zur Gründung einer Wohnungsgesellschaft sollen durch externe Expertise (z.B. bei Fragen zur Rechtsform, zum Portfolio und zur Wirtschaftlichkeit) unterstützt werden. Hierbei sind sowohl eine Bau- und Projektierungsgesellschaft und eine davon getrennte Verwaltungseinheit als auch die Zusammenfassung beider unter einem organisatorischen Dach zu prüfen. Darüber hinaus ist die Organisationsform einer Genossenschaft mit der finanziellen Beteiligungsmöglichkeit aller Kieler Bürger*innen zu prüfen. Entsprechende Beratungsleistungen sind auszuschreiben.
4. Die Ergebnisse der Vorbereitung zur Gründung einer Wohnungsgesellschaft sind den Gremien der Selbstverwaltung zu berichten und zur endgültigen Entscheidung vorzulegen.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist weiterhin angespannt. Die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringerem Einkommen ist erheblich eingeschränkt. Eine Änderung der Situation zeichnet sich nicht ab. Insbesondere sind Menschen mit besonderen Problemlagen vom Wohnungsmarkt abgehängt. Eine kommunale Wohnungsgesellschaft muss die Landeshauptstadt Kiel in die Lage versetzen, auf aktuelle Nachfragesituationen jetzt und in Zukunft reagieren und dadurch Einfluss auf das Wohnungsmarktgeschehen nehmen zu können.
Die Landeshauptstadt Kiel beteiligt sich daher mit der Gründung der Kieler Wohnungsgesellschaft (KiWoG) aktiv als Akteur am Wohnungsmarkt.
Zweck der KiWoG
Die KiWoG errichtet, erwirbt, betreut, bewirtschaftet und verwaltet Wohngebäude zu Mietzwecken auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Kiel. Die Landeshauptstadt Kiel verfolgt mit der Gründung der KiWoG insbesondere folgende Zwecke:
1. Schaffung bezahlbaren Wohnraums für Personengruppen ohne/mit geringem Einkommen in allen Stadtteilen
2. Versorgung besonderer Bedarfsgruppen mit Wohnraum (z.B. Obdach- u. Wohnungslose)
3. Förderung besonderer Wohnformen wie z.B. Wohnprojekte und Wohngemeinschaften
4. Ankauf und Aufwertung von sogenannten Schrottimmobilien
5. Erhalt und Aufwertung der bereits im kommunalen Eigentum befindlichen Wohneinheiten
6. Schaffung einer Möglichkeit, in Zukunft auch Grundstücke zu erwerben, zu entwickeln und dem Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung zu stellen
Hoffen wir also, dass dieser Ratsbeschluss dann auch zügig umgesetzt wird.
(uws)