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Gedanken über den „Volkstrauertag“


"Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg." Kurt Tucholsky

Wie alljährlich, so wurde auch im Jahr des 100. Jahrestages der Novemberrevolution an zahlreichen „Ehrenmalen“ in Kiel der „Volkstrauertag“ begangen. Seit 1952 wird zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag „an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltbereitschaft und Gewaltherrschaft aller Nationen“ erinnert. Inzwischen wird am Volkstrauertag auch ausdrücklich der bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gefallenen deutschen Soldaten gedacht. Vor 100 Jahren leisteten die Kieler Matrosen und Arbeiter mit ihrem Aufstand einen wichtigen Beitrag für die Beendigung des 1. Weltkrieges und sie machten sich auch für ein Gesellschaftssystem stark in dem „ein für allemal die Möglichkeit eines solchen Massenmordens aus der Welt geschaffen“ wird, wie sie in einem der ersten Aufrufe formuliert hatten.


Vor diesem Hintergrund lohnt ein kritischer Blick auf einige Veranstaltungen zum diesjährigen Kieler Volkstrauertag.


Marine-Ehrenmal Laboe


Den Anfang machte der Stadtpräsident Hans-Werner Tovar am Freitag, den 16. November, bei der Gedenkveranstaltung der Deutschen Marine, des Deutschen Marinebundes und der Marine-Offiziers-Vereinigung am Marine-Ehrenmal Laboe, wo er einen Kranz für die Landeshauptstadt Kiel niederlegte.  Zwei Wochen vorher wollte dielinke.SDS Hochschulgruppe am selben Ehrenmal einen Kranz in Gedenken an alle Deserteure, Saboteure und Kriegsdienstverweigerer der deutschen Geschichte niederlegen. Obwohl die Delegation dem Marinebund, die das Ehrenmal betreiben, angekündigt wurde und beim Kranz und der Veranstaltung bewusst auf Symbole und Namen von Organisationen verzichtet wurde, sprachen die Betreiber vor Ort ein Hausverbot aus. Das gesamte Ehrenmal wurde kurzfristig geschlossen und von Polizeibeamt*innen abgeschirmt.

Hochkreuz und Ankerdenkmal auf dem Kieler Nordfriedhof


Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer legte nach einer Gedenkrede am Sonnabend, den 17. November, am Hochkreuz auf dem Nordfriedhof für die Toten beider Weltkriege im Namen der Landeshauptstadt Kiel einen Kranz nieder. Die Ehrung wird ausgerichtet vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit Beteiligung der Bundeswehr und in Verbindung mit dem Land Schleswig-Holstein, der Landeshauptstadt Kiel. Die Inschrift des Kreuzes lautet: „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung.“ Das Kreuz steht an der Stirnseite eines Ehrengräberfeldes in Sichtweite zum Ankerdenkmal.


Auf diesem „Ehrenmal“ für die 34 833 Toten der Kriegsmarine heißt es: „Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht". Die Inschrift appelliert nicht an die Trauer und die Erschütterung, sondern sie nimmt die nächste Generation in in die Pflicht, in „opferwilliger Bereitschaft" das Leben für die „Freiheit unseres Vaterlandes"einzusetzen. Die Zukunft soll der Tradition unterworfen werden, ohne dass ein Bruch durch das Ende des Krieges spürbar wird. Nur wenn es gelingt, Fragen nach Ursachen und Verantwortung zu verdrängt, kann die Sinngebung des „Heldentodes“ bewahrt werden. (diese Beschreibung ist gekürzt entnommen aus : Günter Kaufmann, Historische Denkmäler in Kiel. Demokratische Geschichte 7. Kiel 1992).

Mahn- und Gedenkveranstaltung an der „Gedenkstätte Arbeitserziehungslager Nordmark (AEL)“
Am Sonntag, den 18. November fand an der Gedenkstätte am Drachensee eine Kranzniederlegung mit Ansprachen von Stadtpräsident Hans-Werner Tovar und Pastorin Diana Wegener von der Claus-Harms-Kirchengemeinde statt, die umrahmt wurde vom Posaunenchor der Michaeliskirchengemeinde Kiel-Hassee. Im AEL wurden insgesamt 5.000 Menschen inhaftiert, 600 davon überlebten es nicht. Die meisten waren sowjetische oder polnische Zwangsarbeiter. Nach Berichten von Augenzeugen war die Behandlung der Gefangenen KZ-ähnlich. Sie wurden bis zur völligen Erschöpfung zur Arbeit angetrieben, geprügelt und auch willkürlich erschossen.


Der „Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS)“ gestaltete auf Initiative des Kieler Kulturausschusses Anfang 2003 einen „Gedenkort ‚Arbeitserziehungslager Nordmark‘“. Am 4. Mai 2003 wurden ein Gedenkstein sowie drei Stelltafeln auf dem Gelände aufgestellt, die detailliert über die Geschichte des Lagers informieren. Regelmäßige Teilnehmer der Veranstaltung berichteten erfreut, dass der Zuspruch zu dieser Ehrung von Jahr zu Jahr zunehme – für die Zukunft sei zu wünschen, dass bei den Ansprachen auch Redner mit antifaschistischem „Background“ Berücksichtigung fänden.            

(gst)