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Kieler Stadthaushalt:

Unterfinanzierung stürzt die Stadt in ein Milliarden-Loch

In den letzten Jahren hatte die Kommunalaufsicht mit der Schuldenbremse die Investitionen der Stadt Kiel gebremst, um die zunehmenden Verschuldung der Stadt Kiel zu begrenzen. Notwendige Investitionen bei Schulen, Abwasser, Straßen und Wohnungsbau wurden hinausgeschoben und bei 10 Mio. Neuverschuldung gedeckelt. In der Folge häuften sich die Kassenkredite (kurzfristig) immer mehr an, denn die Zinsen dafür waren fast im Minus. 2018 waren die Kassenkredite mit auf 231 Mio. auf dem Höchststand. Nun wurde beschlossen, dass die Kassenkredite max. 300 Mio. betragen dürfen. 

Mittlerweile ist die Finanzverwaltung aber kreativ geworden, wie denn trotz Schuldenbremse die nötigen Investitionen getätigt werden können. Neu ist jetzt, dass sie festgestellt haben, dass es ja auch rentierliche Kredite gibt und die kann man der Kommunalaufsicht gut schmackhaft machen, weil die ja eigentlich auch wieder Einnahmen für die Stadt bringen. Der Zuschuss von 40 Mio. für die Stadtwerke zum Bau des neues Kraftwerkes waren offensichtlich problemlos. Beim fehlenden sozialen Wohnungsbau und dem zunehmenden Druck endlich wieder eine eigene Wohnungsbaugesellschaft zu gründen, wurde klar, dass es ohne städtische Investitionen nicht geht. Mittlerweile ist wohl selbst jedem Sozialdemokraten klar geworden, dass der Privatisierungwahn von Bürgermeister Gansel der größte Fehler war. Keine kommunalen Wohnungen mehr und nur noch die halbe Dividende von den abgespeckten Stadtwerken. Alles was rentabel war, ist verkauft. Bis auf, glücklicherweise, das Abwasser. Derzeit der städtische Betrieb mit dem größten Überschuss von 45 Mio Euro. 

Bei den Schulen ist der Renovierungsdruck schließlich so groß geworden, dass auch hier schnell Geld in die Hand genommen werden muss, bevor die Politik für die Bildungsmisere verantwortlich gemacht wird. Diese werden natürlich finanziell nicht als rentierliche Kredite gesehen. Aber es ist nötig, damit es nicht heißt, für den Hafenausbau und die Infrastruktur für Kreuzfahrer werden Bürgschaften für Kredite von über 150 Mio. übernommen, aber für die Schulen ist kein Geld da. Mit den Straßen ist es ähnlich. 

Der Trick ist also jetzt, die Investitionen als rentierlich zu erklären. Und damit schafft es die Stadt, die bitter nötigen Kreditaufnahme zu tätigen, in einer bisher einmaligen Höhe von über 76 Mio. Neuverschuldung für 2019. 

GesamtverschuldungS132 2018 LH Kiel Band 1 132

Zitat: „Im Planungszeitraum 2019 bis 2022 bewegt die Landeshauptstadt für absolut notwendige Infrastrukturmaßnahmen ein Investitionsvolumen in einer bisher noch nicht dagewesenen Größenordnung von 454,1 Mio. EUR auf der Auszahlungsseite. Dem entspricht als städtischer Eigenanteil ein Kreditvolumen von 408,0 Mio. EUR. In dieser Höhe sind die Investitionen auch erforderlich, weil die in den vergangenen Jahren erteilten Kreditgenehmigungen den Entwicklungserfordernissen einer wachsenden Stadt nicht genügten.“ 

Aber es bedurfte dazu eines weiteren Tricks: Gesetzliche Bedingung für die Aufnahme von beliebig hohen Krediten ist ein ausgeglichener Haushalt. Und hier konnte mit Zauberhand so an dem Haushaltsergebnis gedreht werden, dass aus dem im Haushaltsbericht 2018 erreichten Defizit von 8 Mio. durch viel Zahlenjonglieren schließlich im Haushaltsentwurf 2019 daraus ein Überschuss von 60 Mio. errechnet wurde. 

Da ist es sehr verständlich, wenn die ehrenamtlichen Politiker in der Ratsversammlung erklären, der Haushaltsentwurf sei so unübersichtlich und schwer zu lesen und außerdem viel zu wenig Zeit gewesen, die fast 1100 Seiten Material zu lesen und auch noch zu verstehen. Es gab also Tumult und beim SSW wurde sogar ein demokratisches Problem erkannt: „Die Vorlage eines kryptischen Haushaltes, der in viel zu kurzer Zeit von uns durchgearbeitet werden muss, erschwert uns die Kontrolle der Verwaltung und damit unsere Hauptaufgabe als demokratisches Korrektiv erheblich.“ Soll Marcel Schmidt gesagt haben, der sich dann noch einen „Bürgerhaushalt“ zur Mitbestimmung der Bürger-Innen wie in Norderstedt gewünscht hat. 

Zurück zum Haushalt und der zunehmenden Verschuldung: In der kommunalen Finanzwelt geht jetzt die Angst um, dass die kurzfristigen Kassenkredite sehr teuer werden könnten, wenn demnächst wie erwartet die Zinsen steigen. Diese müssen also möglichst bald umgewandelt werden in langfristige günstigere Kredite. Es kommt also noch schlimmer für die Verschuldung als gedacht. 

Zitat aus dem Haushaltsentwurf 2019: „Als Folge dieses kreditfinanzierten „Investitionsbooms“ steigt die langfristige Verschuldung im Planungszeitraum um gut 50 v.H. von 472 Mio. EUR auf 730 Mio. EUR. Mit diesen Schulden werden aber auch städtisches Vermögen und dabei als „rentierlich“ zu bezeichnende Investitionsprojekte geschaffen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihren Kapitaldienst selber refinanzieren, wie beispielsweise sozial geförderter Wohnraum durch Mieteinnahmen oder die Stadtentwässerung über ihre Gebühren.“Kredite haushaltsentwurf 2019 89

Ziel der ganzen Zahlenakrobatik ist ein ausgeglichener oder positiver Haushalt, wie er in Kombination der Haushaltsergebnisse 2017 und 2018 erreicht wurde. Dann können beliebig hohe Kredite aufgenommen werden. So steht es im Gesetz: 

„Nach § 95g Abs. 6 Gemeindeordnung „…bedarf die Gemeinde für den Gesamtbetrag der Kredite … keiner Genehmigung, wenn der Ergebnisplan des Haushaltsjahres und der drei nachfolgenden Jahre nach dem mittelfristigen Ergebnisplan ausgeglichen ist sowie der Ergebnisplan oder die Ergebnisrechnung in den beiden Vorangegangenen Haushaltsjahren ausgeglichen war.“ 

Die für die geplanten Investitionen benötigten Kredite unterliegen somit nicht mehr der Genehmigungspflicht durch das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration. (Zitat aus dem Haushaltsentwurf 2019) 

Und noch einen Trick haben die Finanzjongleure nach 10 Jahren herausgefunden: Jahr für Jahr verschwand das städtische Vermögen (das Eigentum aller Bürgerinnen und Bürger der Stadt). Ursprünglich auf 457 Mio. (2009) berechnet, um die Konzernbuchhaltung in den Städten und Gemeinden einzuführen. Das Vermögen wurde als Sicherheit den Bankkrediten gegenübergestellt und war dann bis 2017 auf 208 Mio. abgeschmolzen. Jetzt wurde festgestellt, dass getätigte Investitionen ja auf der Vermögensseite verbucht werden können. In der Folge stieg es 2018 wieder auf 251 Mio. und nennt sich neuerdings Eigenkapital. 

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass Politiker in Tüdel kommen und nicht mehr wissen, in welchem Haushaltsbericht eigentlich die richtigen Zahlen stehen. Aber etwas Vertrauen in unsere Finanzexperten wird wohl nötig sein, denn im neuen Haushaltsentwurf für 2019 ist alles neu berechnet. 

Aber eins steht wohl fest, auch wenn es nicht gerne gesagt wird: Die Gesamtverschuldung der Stadt Kiel (2018: 959,8 Mio.) wird wohl nächstes Jahr erneut die Milliardengrenze überschreiten. 

Zitat: „Nur bei einer schnellen und strukturell deutlich verbesserten Grundfinanzierung insbesondere der kreisfreien Städte wird eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung und ein Eindämmen der kommunalen Verschuldung – auch angesichts stetig steigender städtischer Aufgaben - nicht zu verhindern sein. Nur wenn hier deutlich nachgebessert wird, kann sich die Landeshauptstadt Kiel aus der starken konjunkturellen Abhängigkeit auf der Ertragsseite befreien, die positive Haushaltsentwicklung nachhaltig stabilisieren und weiter verbessern.“ 

Die Unterfinanzierung der Gemeinden geht so weiter, wenn nicht endlich, wie z.B. in Dänemark, die Einkommensteuer und Umsatzsteuer vor allem in den Kommunen landet. Nur 2,2% der gesamten Umsatzsteuer bekommen die Städte und der Anteil der Einkommensteuer an den Gesamtausgaben der Stadt Kiel liegt knapp über 10 %. Er müsste auf mind. 20 Prozent gesteigert werden.

Unter anderem Attac fordert zusätzlich ein transparentes Schulden-audit und auf der Basis eines transparenten finanzwirtschaftlichen Vorgehens einen Schuldenerlass.

Es muss keine verarmten Kommunen geben – wir leben in einem reichen Land. Das Geld muss nur anders verteilt werden! 

(uws)

 kassenkredite haushaltsentwurf 2019 91

Bild oben: Entwicklung der Kassenkredite der Stadt Kiel

Zahlen Kieler Stadthaushalt 2018

ZAHLEN AUS DEM KIELER STADTHAUSHALT 2018

Erträge: 1003,7 Mio. (2017: 970,1 Mio.)

Aufwendungen: 998,5 (2017: 991,0 Mio.)

Jahres-Ergebnis: 8.3 Mio (2017: 20,9 Mio.)

Schuldenstand Verwaltung Stadt Kiel: 

475,9 Mio. (2017: 444,9)

Schulden incl. Eigenbetriebe und Beteiligungen:

746,1 Mio. (2017: 686,9 Mio.)

Gesamtverschuldung 2018:

959,8 Mio. (2017: 895,6 Mio.)

Kassenkredite: 170,8 Mio. (2017: 231,5 Mio.)

Zinsen: 14,3 Mio. (2017: 14,6 Mio.)

Schuldentilgung: 34 Mio. (2017: 32,5 Mio.)

Kreditaufnahme: 76,4 Mio. (2017: 47,7 Mio.)

 

Einnahmen aus komm. Finanzausgleich: 

239,2 Mio. (2017: 211,7 Mio.)

Einnahmen Anteil Einkommensteuer: 

102,9 Mio. (2017: 95,1 Mio.)

Einnahmen aus Gewerbesteuer: 

159 Mio. (2017: 118 Mio.)

Einnahmen aus der Umsatzsteuer (2,2%):

25,6 Mio. (2017: 21,5 Mio.)

Gesamte Einnahmen aus Finanzzuweisungen von Bund und Land: 

433,3 Mio. (2017: 407,5 Mio.)

Einnahmen aus Konzessionsabgabe (Stadtwerke): 

12,7 Mio. (2017: 12,9 Mio.) 

Dividende Stadtwerke: 9,6 Mio. (2017) 

(2016: 16,9; 2015: 20,7 Mio.)

Eigenkapital 2009: 457 Mio. (bilanziert)

Eigenkapital (neue Berechnungsmethode) 2018: 

251 Mio. (2017: 208 Mio.)

Hauptinvestitionen in 2019:

Kitas und Schulen: 38,8 Mio. (2018: 15,2 Mio.)

Straßen, Verkehr, ÖPNV: 17,1 Mio. (2018: 8.8 Mio.)

Abwasserbeseitigung: 15,0 Mio. (2018: 12,2 Mio.)

Kommun. Wohnungsbau: 10,0 Mio (2018: 6,3 Mio.)

 

Bürgschaften für Investitionen und 

Verpflichtungen der Eigenbetriebe 2018: 

153 Mio. (Seehafen Kiel)

 

Zusammengestellt: uws Quellen: Haushaltsplan 2018 LH Kiel u. Vorbericht Haushaltsentwurf 2019