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Hörnbebauung in Kiel:
Sozialer Wohnungsbau im Abseits
Die Versorgungslücke an bezahlbaren Wohnungen liegt bei 23.895*!
Sozialer Wohnungsbau dauert etwas länger!
Das überspringen „bürokratischer Hürden“ bei Luxuswohnen und Hotelneubau wird leicht gemacht!
Während sich Gründung und Ausstattung der KiWog (kommunale Wohnungsbaugesellschaft i. G.) quälend hinziehen, schießen aus der Sicht vieler Kieler Bürger Hotelhochhäuser und quadratisch-praktische Blöcke für Luxuswohnen, Banken- und Versicherungsgewerbe wie Pilze aus dem Boden. So auch in der Hörn-City. Aus „Studieren, Arbeiten und Wohnen“ (Slogan für die Neugestaltung der mit EU-Förderung sanierten Flächen an der Hörn) aus den 90igern, wurde „Arbeiten und weniger Wohnen für Gut-Betuchte und Anleger“.
Das ändert sich auch nicht mit den neuen Plänen nach dem Verkauf an die Baum-Unternehmensgruppe und dem Immobilienunternehmen Meravis, die keine öffentlich geförderten Wohnungen bauen wollen. Auf 11.000 m² sollen bis 2025 200 Wohnungen und Gewerbe entstehen. Das Grundstück kauften sie für 190 Mio. € von Frau Schmid-Sindram, Waterkant Immobilienfond Kiel, die dort damals keine Wohnungen bauen wollte, weil „OB Kämpfer so frech war“ (Schleswiger Nachrichten vom 28.10.2019). Schmid-Sindram kaufte nach der Pleite von Mobilcom-Schmid das Grundstück und den Rohbau am Germaniahafen für 13 Mio. €
Auf dem übrigen Gelände sollen weitere 440 Wohneinheiten (davon 20% gefördert) mit einem Mietpreis von 6-8 €/m² entstehen. Darunter auch Studentenwohnungen im unteren Preissegment.
Vage Versprechungen der beauftragten Architekten wie „optisch ansprechender Form“, „Fassaden, Gebäudehöhen und Grundrisse sollen möglichst vielfältig angelegt werden“ reichen Baudezernentin Doris Grondke schon, trotz Masterplan-Anspruch der Stadt Kiel:
„Bei allen Wohnungsbauplanungen will die Stadt darauf achten, dass der soziale Wohnungsbau einen entsprechend starken Anteil hat. Neben bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten werden aber auch vielfältige, bunte, lebendige Wohnquartiere gebraucht, die für ein Gefühl der sozialen und infrastrukturellen Zusammengehörigkeit im Stadtteil sorgen.
Neben dem Mehr an Wohnungen ist es also auch wichtig, Kiel als gut vernetzte und sozial durchmischte Stadt weiterzuentwickeln. Denn Wohnungsbaupolitik ist zugleich auch Sozialpolitik, Stadtentwicklungspolitik und Wirtschaftspolitik.
Das im Masterplan Wohnen für Kiel genannte Handlungsfeld ist entsprechend groß und zeigt, dass Wohnen und Stadtentwicklung nicht nur Bauen ist. Bedarfe und der Wohnungsmarkt sind regelmäßig zu ermitteln und zu beobachten sowie Baupotenziale zu erschließen.“
Wo ist noch Platz für 23.895 fehlende Wohnungen für Menschen mit geringem und mittleren Einkommen?
In Kiel ist der größte Wohnungsbestand (50,9%) in den Jahren zwischen 1949 und 1978 entstanden. Ab 2011 sind 1% neu entstanden! Wegfallende Wohnungsbauförderung, Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände und auslaufende Sozialbindung sind der Grund dafür. In Kiel gibt es kaum noch Flächen, die für kommunalen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Dabei wäre ein hoher Bestand an bezahlbarem Wohnraum ein Garant für ein insgesamt niedrigeres Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt.
In Kiel zeigt sich, dass man den sozialen Wohnungsbau nicht der sogenannten Privatwirtschaft überlassen kann, wie es die Stadt im Rahmen des „Masterplan Wohnen“ mit der Wohnungswirtschaft und dem Mieterbund vereinbart hatte.
Vor allem in profitablen Wohngegenden erteilt die Behörde Ausnahmegenehmigungen, obwohl mit der Wohnungswirtschaft vereinbart wurde, dass 30 % des neugeschaffenen Wohnraums Sozialwohnungen sein sollen. Es müssen sowohl Ersatz für die auslaufenden Sozialbindungen als auch Neu- und Ausbau für den jährlichen Zuzug von Studenten und Flüchtlinge nach Kiel mit einem ermittelten Bedarf von 800 Wohnungen geschaffen werden.
Unsere Stadt zahlte 2015 17 Mio. € Wohngeld – das ist vor allem eine staatliche Förderung für die Vermieter. Dies Geld könnte nachhaltig reduziert werden, wenn die Kommunen wieder über eigenen Wohnungsbestand verfügen.
Mieten und Mietnebenkosten steigen vor allem bei kleineren Wohnungen, weil hier zwischen Angebot und Bedarf die größte Lücke klafft, wie das auch die beiden Autoren der Studie nachgewiesen haben.
Kiwog kontra Vonovia & Co.
Um ein Gegengewicht zur gewinnorientierten Wohnungswirtschaft zu bilden, braucht Kiel eine ausreichende Anzahl Wohnungen in kommunaler Hand. Aber das allein wird nicht reichen, denn ohne eine gesicherte Mitbestimmung durch die Mieter und die Kieler Einwohner, die das mit ihren Steuerbeiträgen finanzieren, entstehen keine Gebäude, die sich in das Stadtbild einpassen, innovativ in Ausstattung und Energieeffizienz sind sowie soziale Durchmischung gewährleisten.
All das wird man nicht bei Vonovia & Co. finden. Deren Unternehmensstrategie besteht in der Vermehrung des Kapitals ihrer Anleger und nicht in der Versorgung ihrer Mieter mit gesunden und bezahlbaren Wohnungen.
Was ist zu tun? Das Kieler Bündnis für bezahlbaren Wohnraum hilft !
Beim Bündnis für bezahlbaren Wohnraum melden sich immer wieder Mieter von Vonovia und anderen Wohnungsbaugesellschaften, die über unerträgliche Zustände in den Wohnungen und im Umfeld sowie fehlerhafte Abrechnungen klagen.
Wer ähnliche Probleme hat, der kann sich immer dienstags zwischen 10 und 13 Uhr bei der Mieterberatung in der Hansastr. 48 (Infoladen) beraten lassen.
Das Bündnis ist gern dabei behilflich Mietertreffen zu organisieren, damit man sich zusammenschließen kann, um sich gegen Ungerechtigkeiten oder Missstände zu wehren. Auf ihrer Internetseite findet man einige gute Anregungen: www.bezahlbar-wohnen.org
Neben konkreten Hilfen wird der Protest in die Öffentlichkeit gebracht, Demos organisiert, Info-Veranstaltungen durchgeführt und Fragen an die Ratsversammlung gestellt.
Zum Housing Action Day am 28. März 2020 finden in vielen Städten Aktionen von Bündnissen gegen Wohnungsnot statt. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum schließt sich an.
Mehr Information über die Organisation dazu unter: www.housing-action-day.net/index.php/deutsch/
Noch immer gilt: „Allein machen sie dich ein!“
*Eine von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene Studie vom März 2019 untersuchte die Wohnungssituation in 77 deutschen Großstädten. Die Autoren Andrej Holm und Stephan Junker aus Berlin haben in den Städten, darunter auch Kiel, den Bestand an Wohnungen, Ausstattung und Mietpreise, den Bedarf, bzw. die Unterversorgung ermittelt: Deutschland weit sind es rund 1,9 Mio. Wohnungen.
(Eva Börnig)
Ehemaliges Pleite-Objekt von Mobilcom-Schmid an der Hörn.