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Erklärung des Kieler Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum:

Gegen soziale Segregation und Diskriminierungen

Vorwort
Die Erklärung des Kieler Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum ist die im Konsens verabschiedete wohnungspolitische Grundlage aller Bündnispartner*innen. Organisationen, die dem Bündnis beitreten wollen, müssen dieser Erklärung zustimmen.

Erklärung des Kieler Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum

Wohnen ist ein Grund- und Menschenrecht. Bezahlbarer Wohnraum ist daher eine Voraussetzung, um das im Grundgesetz verbriefte Recht auf die freie Wahl des Wohnortes (Art.11 GG) auch tatsächlich ausüben zu können. Dies darf nicht durch Marktgesetze verhindert werden. Eine bezahlbare Wohnung ist darüber hinaus eine wesentliche Grundlage für individuelle Freiheit, soziale Absicherung und für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Gegen soziale Segregation und Diskriminierungen

Der sozialen Spaltung der Kieler Wohnbevölkerung ist durch eine sozial ausgewogene Stadtplanung entgegenzuwirken.
Neubauprojekte müssen schon in der Bebauungsplanung eine soziale Mischung zum Ziel haben. Das ist besonders für Kiel dringend erforderlich, da diese Stadt im Großstadtvergleich Westdeutschlands hinsichtlich der Wohnquartiere die höchste soziale Spaltung aufweist (Mettenhof, Gaarden, Düsternbrook).
Um die Gentrifizierung gewachsener und sozial durchmischter Wohnquartiere zu vermeiden, ist der Einsatz aller kommunalrechtlichen Möglichkeiten wie Erhaltungssatzungen, Milieuschutzsatzungen, Belegungsbindungen erforderlich.
Soziale Gruppen, die es auf dem Wohnungsmarkt schwer haben, eine Wohnung zu finden, dürfen nicht diskriminiert und gegeneinander ausgespielt werden.

Unsere Forderungen an die Politik

Die Forderungen des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum richten sich an die verschiedenen politischen Ebenen. Um nachhaltig für alle bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, muss an Stellschrauben auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene gedreht werden.

Kommunale und genossenschaftliche Wohnungswirtschaft

Auf der kommunalen Ebene ist es dringend nötig, den öffentlichen und gemeinnützigen Wohnraum erheblich zu erweitern. Wenn die öffentliche Hand Eigentümerin von Wohnungen ist, kann sie am ehesten über die Höhe der Miete entscheiden und auch über die Frage, wer die verfügbaren Wohnungen bezieht. So lässt sich sicherstellen, dass nicht allein die Größe des Geldbeutels entscheidet, wer Wohnungen mieten kann. Auch Diskriminierungen z.B. gegenüber Empfänger*innen von Transferleistungen oder Geflüchteten kann so am effektivsten entgegengewirkt werden.
In Kiel kommt in diesem Zusammenhang der kommunalen Wohnungsgesellschaft KiWoG eine zentrale Rolle zu. Für sie ist als Ziel ein Mindestbestand von 15.000 Wohnungen nötig, um einen spürbaren Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen und um den Bestand an geförderten und bezahlbaren Wohnungen deutlich zu erhöhen.
Dazu gehört auch eine vorausschauende Wohnungs- und Baulandbewirtschaftung, die über die Ausübung von Vorkaufsrechten und eine Ausweisung von Boden als Wohnungsbauland zukünftig einen ausreichenden Bestand an bezahlbarem und gefördertem Wohnraum sicherstellt.

Spekulationen mit Wohnraum und Boden

Ein zentraler Grund für steigende Mieten sind Spekulationen mit Wohnungen und Boden sowie Gentrifizierung und das Bestreben, möglichst hohe Rendite zu erzielen. Um dem entgegenzuwirken, müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden:
Den Ausverkauf öffentlichen Baulands an private Investoren lehnen wir ab. Auch Gewerbeflächen dürfen nur noch im Erbpachtverfahren vergeben werden, um den Boden als öffentliches Eigentum auch für die Zukunft zu sichern.
Der private Wohnungsmarkt, soweit er von großen Wohnungsgesellschaften wie Vonovia, Deutsche Wohnen u.a. beherrscht wird, muss durch Steuern und Regulierungen zurückgedrängt werden (z. B. Spekulationssteuer).
Abbruch, Zerstörung, Unbewohnbarmachen und Leerstand von Wohnraum muss mittels eines Wohnraumschutzgesetzes auf Landesebene verhindert werden.
Solange es ein solches nicht gibt, müssen teure Modernisierungen, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, die Nutzung von Mietwohnungen als Ferien- oder Monteurswohnungen oder über Airbnb mittels Milieuschutzsatzungen der Kommunen genehmigungspflichtig gemacht werden.
Kommunen sollten außerdem einen kommunalen Leerstandsmelder einrichten, an den länger leer stehende Wohnungen gemeldet werden können.
In letzter Konsequenz muss die Zweckentfremdung von Wohnraum zu dessen Enteignung führen.
Die Kommunen müssen ihr Vorkaufsrecht so weit wie möglich für Erhalt und Schaffung von Wohnraum und sozialer Infrastruktur in Anspruch nehmen.
Baugenehmigungen müssen mit befristeten Baugeboten gekoppelt werden. Bei Nichteinhalten der Fristen und bei Weiterverkauf von Boden verfällt die Baugenehmigung.

Mietpreisregulierungen

Neben einer konsequenten Durchsetzung der Mietpreisbremse und einer abgesenkten Kappungsgrenze ist für Kommunen mit einer überdurchschnittlichen Mietpreisentwicklung ein Mietendeckel der Nettokaltmiete dringend erforderlich. Zusätzliche Kosten einer Wohnungsmodernisierung wie z.B. Wärmedämmung, Nutzung erneuerbarer Energien, energetische Fenstersanierung, Heizungsaustausch oder Abbau von Barrieren dürfen maximal zu einer Mietumlage von 1 € pro qm Wohnfläche führen und müssen nach erfolgter Refinanzierung wieder entfallen.
Darüber hinaus sind Mieterhöhungen aufgrund von energetischen Sanierungen nur zulässig, wenn sie nachweislich den Energieverbrauch der Mieter*innen senken.
Das Land SH muss über ein Gesetz den betroffenen Kommunen einen Mietendeckel ermöglichen.
Die Mietobergrenzen für Transferleistungsbezieher *innen müssen auf ein Niveau angehoben werden, das der Preisentwicklung des Wohnungsmarktes entspricht. Gibt es im Rahmen der bestehenden Mietobergrenzen keine zumutbaren Wohnungen, müssen Mietsteigerungen von den zuständigen öffentlichen Stellen übernommen werden.
Erhöhte Mieten dürfen nicht zu Kündigungen und Zwangsumzügen führen.

Sozial geförderter Wohnraum

Der soziale Wohnungsbau ist in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt worden.
Während Tausende von Wohnungen aus der Sozialbindung herausfielen, wurden viel zu wenig neue gebaut. So fehlen momentan in Kiel mindestens 14.000 Wohnungen, um den Bedarf der Anspruchsberechtigten abdecken zu können.
Angesichts dieser Tatsache müssen auslaufende Sozialbindungen von der Kommune oder vom Land aufgekauft werden, Bindungsfristen sollten generell entfallen. Zudem muss über den Bebauungsplan bei Neubauprojekten auf öffentlichem oder privatem Boden, unabhängig von den Investoren (privat, kommunal, genossenschaftlich) ein Anteil von mindestens 50 Prozent geförderten Wohnraum gebaut werden. Diese Quote ist solange zu halten, bis es einen ausreichenden Bestand an Sozialwohnungen gibt.

Mieter*innenräte

Vermieter*innen mit mehr als 50 Wohnungen in einem Wohnkomplex müssen Mieter*innenräte einrichten. Diese Räte müssen bei der Planung, Renovierung, Modernisierung und der Mietpreisgestaltung verbindlich einbezogen werden.

Wohnen und ÖPNV

Die Wohnqualität in städtischen Randlagen wie z.B. Mettenhof, Diedrichsdorf oder Schilksee hängt sehr stark von der Anbindung an das Zentrum mit seiner medizinischen, ökonomischen und kulturellen Zentralversorgung ab. Daher ist ein eng getakteter und kostengünstiger ÖPNV (1 € -Ticket) mit einem engen Netz von Haltestellen auch außerhalb der Stoßzeiten unerlässlich.

Studentischer Wohnraum

Der bezahlbare studentische Wohnraum wird in Kiel immer knapper. Die angespannte Wohnungssituation in Kombination mit steigenden Studierendenzahlen führt zu einem kontinuierlichen Anstieg der Mieten auf dem privaten Wohnungsmarkt. Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen sind kaum zu erschwinglichen Mieten zu finden.
Die BAFöG-Wohnkostenpauschale deckt bei weitem nicht einmal mehr die durchschnittlichen Mieten in einer Wohngemeinschaft ab. So belastet der Mietkostenanteil am stärksten die durchschnittlich geringen Budgets der Studierenden.
Die bestehenden Studierendenwohnheime bieten hier keine nennenswerte Alternative. Im Bundesvergleich der Universitätsstädte Deutschlands liegt Kiel mit dem Angebot an Wohnheimplätzen weit im unteren Bereich. Diese prekäre Situation erfordert einen erheblichen Neubau an öffentlich geförderten Wohnheimplätzen, deren Mietkosten die BAföG-Wohnkostenpauschale nicht überschreiten darf.

Alternative Wohnprojekte

Immer mehr Menschen wollen nicht in einer klassischen Mietwohnung wohnen, sondern organisieren sich ein eigenes Wohnumfeld. In einer Großstadt wie Kiel muss auch Platz sein für Tiny Houses, Mehrgenerationen-Wohnprojekte, Groß-WGs, Wagenplätze oder Hausboote.
Wir fordern, dass die Stadt Kiel zukünftig Wohnprojekte unterstützt und Flächen und Objekte ausweist, wo alternatives Wohnen ermöglicht wird.

Wohnen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen

Menschen, deren Mobilität infolge von Erkrankung oder infolge fortgeschrittenen Alters eingeschränkt ist, müssen die Möglichkeit haben, ihren Wohnort frei zu wählen und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Das erfordert ausreichenden barrierefreien Wohnraum und eine städtische Infrastruktur, die es Menschen mit körperlichen Handicaps ermöglicht, sich frei im Stadtgebiet zu bewegen.
Neubauprojekte sind so zu planen, dass Wohnungen barrierefrei erreichbar sind.
Darüber hinaus ist es notwendig, für die betroffenen Menschen ausreichenden Wohnraum in zentralen städtischen Lagen mit einer guten sozialen Durchmischung zu schaffen und zu sichern.
Das gilt bei zunehmender Altersarmut besonders für den geförderten Wohnraum.
Der Bau oder Kauf solcher barrierefreier Wohnungen muss daher ein bedeutendes Element im Wohnungsbestand der KiWoG sein.
Für die Bewegungsfreiheit für Menschen mit körperlichen Handicaps ist weiterhin ein barrierefreier ÖPNV mit einem dichten Netz von Haltestellen unerlässlich.

Wohnungslosigkeit

Seit Jahren steigt die Zahl der Wohnungslosen in Kiel erheblich auf mehr als 2.000 Menschen (Stand: 2019). Dies ist Folge knappen Wohnraums und steigender Mieten, von Flucht und Vertreibung oder persönlichen Problemen. Für die Betroffenen führt der Verlust der eigenen Wohnung zu menschenunwürdigen Lebensverhältnissen am Rande der Gesellschaft.
Das betrifft am stärksten Menschen, die als Obdachlose auf der Straße landen. Andere Wohnungslose müssen in runtergekommenen Hotelzimmern oder in Gemeinschaftsunterkünften mit Mehrbetträumen ihr Leben fristen.
Um solche skandalösen Verhältnisse zu vermeiden, müssen frühzeitig präventive Hilfsangebote zur Verfügung stehen. Dazu gehören Beratungen im Bereich der Schuldenregulierung und gegebenenfalls umfassende sozialpädagogische Begleitungen, die das Ziel haben, für die Betroffenen eine Wohnung zu finden und zu sichern.
Die Bereitstellung einer eigenen Wohnung ist auch dann zur Sicherung der Menschenwürde (Art. 1 GG) erforderlich, wenn die Hilfsangebote scheitern. (Housing First-Ansatz).
Lässt sich Wohnungslosigkeit nicht über den Wohnungsmarkt vermeiden, muss die Kommune durch den Bau bzw. den Kauf von Wohnungen oder durch Kooperationsvereinbarungen mit sozialen Trägern ein ausreichendes Wohnungsangebot für die Betroffenen vorhalten.

Wohnen für Geflüchtete

Wir lehnen eine Sondergesetzgebung ab, die das Recht auf Wohnen aufgrund der Herkunft einschränkt. Es darf keine Wohnverpflichtungen für Geflüchtete in Lagern des Landes oder in so genannten Gemeinschaftsunterkünften der Kommunen geben.
In solchen Zentren werden Betroffene in Zwangsgemeinschaften mit ihnen fremden Menschen in spartanisch möblierten Mehrbettzimmern gehalten.
Darüber hinaus bestehen erhebliche gesundheitliche Risiken, weil Sanitärräume sowie Küchen und Kantinen gemeinschaftlich genutzt werden müssen. Rückzugsräume für Schüler*innen oder Auszubildende sind in der Regel nicht vorhanden.
Auch Geflüchtete haben ein Recht auf Privatsphäre in einer eigenen Wohnung.
Alle Menschen müssen gleichbehandelt werden.

(Quelle: https://bezahlbar-wohnen.org)