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Afghanistan:
Jetzt solidarisch handeln!
Bild oben: In Kiel demonstrierten am 22.8.2021 mehrere Hundert Menschen für Solidarität mit den Menschen in Afghanistan. Das Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI), Seebrücke und Flüchtlingsrat hatten dazu aufgerufen.
Im Folgenden veröffentlichen wir den Redebeitrag von Bettina Jürgensen für „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus - Kiel“ auf der Kundgebung „Luftbrücke sofort“ am 19.8.21 / überarbeitet für die Demo am 21.8.2021:
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
ich spreche für den Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel.
In unserem Bündnis arbeiten Mitglieder vieler Organisationen und Parteien und Einzelpersonen. Bei durchaus unterschiedlichen politischen Positionen eint uns die Überzeugung, dass wir gemeinsam gegen rassistische und faschistische Umtriebe kämpfen müssen.
Und weil gerade Wahlkampf ist: wir kämpfen auch darum, dass rassistische Parteien keine Stimme in den Parlamenten mehr bekommen!
Obwohl dies allein kein Garant dafür ist, dass die Politik in diesem Land sich grundlegend verändert. Rassismus in Parlamenten und Institutionen gibt es über Parteien wie die AfD hinaus. Täglich gibt es rassistische Übergriffe, Anmache bis hin zu Gewalt.
Was hat diese Frage auf einer Demo zur Solidarität mit der Bevölkerung in Afghanistan zu tun, fragt ihr?
Die Debatte zur Sicherheit für die afghanische Bevölkerung unter den Taliban macht es deutlich. Denn die Sicherheit der Menschen spielte bereits vor dem Einsatz der NATO 2001 keine große Rolle. Der Bundeskanzler Schröder, SPD, und Außenminister Fischer, Grüne, haben den Einsatz der Bundeswehr, an der Seite der USA, durchgesetzt. Peter Struck, SPD-Verteidigungsminister, erklärte 2004: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt.“
Die damals vorgetragenen Argumente wie Demokratie und Frauenrechte waren vorgeschoben, um dort NATO-Truppen zu stationieren. Es ging wie in so vielen anderen Militäreinsätzen um die geostrategische Bedeutung. In Afghanistan gibt es viele Rohstoffe wie Eisen, Kupfer, Gold, Uran, Lithium, um nur einige zu nennen. Die Lage des Landes bildet einen Zugang weiter nach Asien hinein. Beides sollte im Interesse der Profite gesichert werden.
Der ehemalige Präsident Hamid Karsai, der jetzt gerade auch wieder Gespräche mit den Taliban führte, hatte schon 2010 die Verteilung der Ressourcen im Blick: „Afghanistan sollte zunächst den Ländern Zugriff gewähren, die uns in den vergangenen Jahren massiv unterstützt haben.“ Gemeint waren die USA und Japan, aber auch Deutschland.
Die Bevölkerung wurde in Sicherheit gewiegt, während gleichzeitig die Verteilung der Rohstoffe des Landes in Angriff genommen werden sollte.
Umso erbärmlicher der Umgang mit der Bevölkerung, wie wir ihn jetzt erleben!
Die Worte der afghanischen Frauenrechtlerin Mahbouba Seraj können zutreffender nicht sein: „Schande über die ganze Welt für das, was ihr Afghanistan angetan habt. Warum habt Ihr das getan? Waren wir in Euren Händen nichts als ein Spielball? …..Ihr widert uns an!“ hat sie gesagt.
Die Wahrheit kann so klar sein, auch wir sagen: Ihr widert uns an! Die Regierungen des Westens incl. der deutschen Regierung mit ihren Lügen widert uns an. Die Unmenschlichkeit und die Profitgeilheit widert uns an. Kein Fünkchen Moral ist da.
Es werden alle in Afghanistan verraten und im wahrsten Sinne des Wortes verkauft. Die, die den Versprechungen geglaubt haben, die für Demokratie und Frauenrechte gekämpft, sich für ein Leben in Frieden eingesetzt haben.
Nicht einmal für die, die für diese Regierung in Afghanistan gearbeitet haben, ist schnelle Hilfe gesichert. Erst recht nicht für die Menschen, die dort – viele von ihnen damals wie heute – in linken und fortschrittlichen Zusammenhängen aktiv sind. Aber auch nicht für die Bevölkerung, die nicht anderes hat, als ihre Arbeitskraft um zu überleben, denen das Geld und die Möglichkeit zur schnellen Flucht fehlen.
Die bundesdeutsche Regierung redet nicht oder sehr vordergründig darüber, wie schnelle Hilfe und eine zivile Luftbrücke zustande kommt. Es geht ihr mehr darum, wieviele Menschen kommen dürfen und zu betonen, dass in den umliegenden Staaten von Afghanistan Flüchtlingslager aufgebaut werden müssen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer, CSU, nennt schon wieder Zahlen und spricht von 300.000 bis fünf Millionen afghanischer Flüchtlinge. Heizt eine Stimmung gegen Flucht, Asyl und Solidarität an. Und Seehofer macht deutlich, dass er in Wahrheit wohl schon wieder seine „Obergrenze“ sucht.
Während viele Menschen weltweit voll Sorge und in Solidarität nach Afghanistan schauen, sind es deutsche Politiker*innen, die statt unbürokratischer Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan laut über die menschenunwürdige Begrenzung des Asylrechts nachdenken.
Äußerungen aus verschiedenen Parteien, die meinen „2015 darf sich nicht wiederholen“, richten sich gegen die humanistische Aufnahme Geflüchteter und gegen das geltende Asylrecht.
Ganz deutlich macht dies die Aussage von Alice Weigel für die AfD, die am 16.8. getwittert hat:
„2015 darf sich nicht wiederholen. Dazu braucht es jetzt ein #Asylmoratorium, das Raum für einen Übergang zum Null-#Asyl-Modell nach Vorbild schafft. Echten #Flüchtlingen muss möglichst in ihrer Heimatregion geholfen werden.“
Dem setzt Sebastian Wippel, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag, noch eins drauf: „.... Die Regierung muss finanzielle Unterstützung leisten, damit die Afghanen in ihren muslimischen Nachbarländern eine neue Heimat finden. Im kulturfremden Deutschland haben es die oftmals bildungsfernen Afghanen schwer sich zu integrieren und selbst zu ernähren.“
Wir kennen es bereits: Beatrice von Storch, AfD, wollte im Januar 2016 sogar Schusswaffen gegen Geflüchtete an den Grenzen einsetzen.
Das ist abgrundtiefer Rassismus! Dem haben wir den Kampf angesagt! Natürlich darf sich 2015 wiederholen, als unzählige Menschen solidarisch Seite an Seite mit Geflüchteten deren Ankommen organisierten!
Wir fordern, dass Flucht nach Europa nicht kriminalisiert werden darf. Die bundesdeutsche Regierung muss ihre Abschottungspolitik aufgeben und dies ebenso im europäischen Parlament durchsetzen!
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel unterstützt die Forderungen des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein.
Wir fordern die Einrichtung einer Luftbrücke sofort – nicht nur für sogenannte „Ortskräfte“, nicht nur für die Menschen, die auf Listen stehen. Alle Menschen, die nicht in Afghanistan bleiben können und wollen, haben das Recht auf einen Flug!
Und wir kämpfen darum, dass die ankommenden Menschen keine rassistische Gewalt erfahren müssen. Wir kämpfen gemeinsam mit ihnen für eine solidarische Gesellschaft.
Eine Gesellschaft in der Geflüchtete willkommen sind und Rassismus und Faschismus keinen Nährboden mehr finden.
Unsere Alternative heißt Solidarität!
Auf der Kundgebung am 19.8.2021 auf dem Rathausplatz für Solidarität mit den Menschen in Afghanistan