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Herausforderungen für die Friedensbewegung:
Die Deutsche Marine und ihr „einzigartiger und unverzichtbarer Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt“
Drei Wochen vor Veröffentlichung des Ampel-Koalitionsvertrages wurde der „Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ der Öffentlichkeit übergeben. Auf den 184 Seiten geht es um die „maritime Sicherheit“ für den Welthandel und um die deutsche maritime Rüstungswirtschaft.
Nachzulesen unter https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/downloads
„Dieser Bericht soll durch Zahlen, Daten und Fakten verdeutlichen, warum die See für unser aller Leben von entscheidender Bedeutung ist und so deutlich machen, warum unser Land nicht umhinkommt, seine maritimen Interessen zu schützen“, so der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Schönbach, im Vorwort der Studie.
Und weiter: „Für Deutschland als Industrie- und Handelsnation ist die uneingeschränkte Nutzung der globalen Seewege von existenzieller Bedeutung. Der zuverlässige Import von Rohstoffen sowie der gesicherte Export von Gütern garantieren die Funktionalität unserer Wirtschaft und damit unserer Gesellschaft. Die Deutsche Marine leistet hier einen einzigartigen und unverzichtbaren Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt und ist somit ein wesentlicher Garant unseres Wohlstands sowie der sozialen Sicherheit. Als Mitglied der NATO stehen wir dafür ein, dass unsere Handels- und Passagierschiffe die Weltmeere weiterhin frei und sicher befahren können.“
Ein Dank geht dann auch noch an die alte Regierung: „Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im Juni 2021 die Mittel für wichtige Vorhaben der Marine freigegeben, darunter für die Neubeschaffung von zwei U-Booten der Klasse 212 CD in Kooperation mit Norwegen, drei Flottendienstbooten, zwei Marinebetriebsstoffversorgern und fünf Seefernaufklärern P-8A Poseidon. Zusammen mit dem Auftrag für die neuen Fregatten der Klasse F126 wird die dringend notwendige Modernisierung der Flotte weiter vorangetrieben. Zudem konnte mit der Indienststellung der Fregatte „Sachsen-Anhalt“ in diesem Jahr ein weiteres Schiff verfügbar gemacht werden, um die Flotte zu entlasten.“
Wofür „die Industrie- und Handelsnation“ ihre Kriegsschiffe in erster Linie fit machen muss, ist gleich zu Beginn der Studie in einem Grundsatzbeitrag heraus gehoben: „Der Indo-Pazifik: Raum geostrategischer Rivalitäten und sicherheitspolitischer Herausforderungen.“
Darin heißt es u.a. „Seit dem August dieses Jahres ist die Fregatte ‚Bayern‘ auf einer sechsmonatige Reise in den indopazifischen Raum. Ein Gebiet, in dem die Deutsche Marine seit nahezu 20 Jahren nicht mehr aktiv war. Maßgeblicher politischer Anstoß dieser Entsendung sind die im August 2020 von der Bundesregierung erlassenen Leitlinien für den Indo-Pazifik. Davon abgeleitet soll sich das deutsche außen- und sicherheitspolitische Engagement in der Region verstärken und verfestigen. (...) In diesem maritimen Raum treten neue und komplexe Herausforderungen und Konfliktpotenziale zutage, wie es Auseinandersetzungen um Ressourcen oder Rechtsnormen in Teilen der Welt zeigen. Die Entsendung der Fregatte ‚Bayern‘ in diesem Jahr ist sichtbarer Ausdruck des deutschen Engagements...“
In den nachfolgenden Grundsatzbeiträgen unter „Kapitel I – Maritime Sicherheit“ geht es um den „Kampf um den Nordpol“ und um „Illegale Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen“.
In Kapitel 3 „Deutsche Marine“ wird dann ausführlich aufgelistet, welche konkreten Beschaffungsvorhaben für die Deutsche Marine in Angriff genommen werden: Das Produktportfolio umfasst U-Boote, Fregatten, Korvetten, Minenabwehreinheiten, Patrouillen- und Kampfboote, Hilfs- und Versorgungsschiffe und komplette Subsysteme. Also eine breite Palette, um zukünftig auf den Weltmeeren „regelbasiert Ordnung“ zu schaffen.
Rot-gelb-grüner Koalitionsvertrag: Bekenntnis zu NATO-Zielen, Drohnen, atomarer Teilhabe und Aufrüstung
Der „Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr“ liest sich als konkretisierende Anlage zum entsprechenden Abschnitt im Ampel-Koalitionsvertrag. Die Koalitionäre bekennen sich darin „zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials. Auftrag und Aufgabe der Bundeswehr müssen sich an den strategischen Herausforderungen und Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit orientieren. ... Die Bundeswehr muss entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell, materiell sowie finanziell verlässlich ausgestattet werden.“ Die Einsatzbereitschaft soll erhöht werden, ebenso die rüstungstechnische Zusammenarbeit in Europa.
Ein Konzept für eine Entspannungspolitik, geschweige denn konkrete Abrüstungsvorschläge sucht man im Koalitionsvertrag vergebens. Der entsprechende Abschnitt des Vertrages atmet den Geist des Kalten Krieges und fügt sich damit passgenau in die NATO-Globalstrategie ein.
Trotz anfänglicher Bedenken und Widerständen von Teilen der SPD und Grünen sind bewaffnete Kampfdrohnen für die Bundeswehr koalitionsvertraglich eingeplant. Als Begründung für die Anschaffung bewaffneter Drohnen wird angeführt, der Schutz der Bundeswehrsoldaten mache diese Drohnen-Entscheidung notwendig. Im Klartext bedeutet das also, dass von weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr ausgegangen wird.
Geradezu grotesk sind die Positionen im Koalitionsvertrag zum Thema Atomwaffen. Da heißt es: „Unser Ziel bleibt eine atomwaffenfreie Welt und damit einhergehend ein Deutschland frei von Atomwaffen.“ Aber gleichzeitig wird an dem Konzept der „atomaren Teilhabe“ festgehalten. Das Bekenntnis zu einem atomwaffenfreien Deutschland ist jedoch nichts wert, so lange US-Atomwaffen weiterhin hier gelagert werden und deren Einsatz von der Bundeswehr regelmäßig geprobt wird.
Weiterhin heißt es im Koalitionsvertrag, man wolle „drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln“ investierten und so „seine Diplomatie und seine Entwicklungspolitik“ stärken – um dann im entscheidende Nachsatz festzustellen: „und seine in der NATO eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Die NATO bleibt unverzichtbare Grundlage unserer Sicherheit. Die NATO-Fähigkeitsziele wollen wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern erfüllen und entsprechend investieren.“ Heißt übersetzt: An der Aufrüstungspolitik und der 2-Prozent-Forderung der NATO sollen festgehalten werden.
Mein Fazit nach dem Studium beider Papiere: Der „Jahresbericht des Marinekommandos“ und der Koalitionsvertrag sind eine Herausforderung für die Friedensbewegung.
(gst)