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Corona:

Die allgemeine Impfpflicht greift nicht nur drastisch in Grundrechte ein, sie ist auch in ihrer Begründung schwer nachvollziehbar.

Die Befürworter der allgemeinen Impfpflicht gehen davon aus, dass dies das einzige Mittel sei, das uns aus der Corona-Krise befreien wird. Dafür nehmen sie verfassungsrechtlich höchst umstrittene Einschränkungen und weitgehende Kontrollen sowie Strafen in Kauf. Eine genaue Betrachtung des derzeitigen Infektionsgeschehens zeigt jedoch, dass eine allgemeine Impfpflicht nicht nur rechtlich unverhältnismäßig ist, sondern dass dieses vermeintlich „scharfe Schwert“ ein stumpfes ist. 

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Überlastungen der Intensivstationen 

Die Überlastung der Intensivstationen und des Gesundheitswesens durch sog. Ungeimpfte ist ein zentrales Argument für die Begründung der allgemeinen Impfpflicht. Selbstverständlich ist es sinnvoll, dass sich besonders gesundheitlich gefährdete Menschen durch Impfungen schützen und eine hohe Impfquote in diesem Bereich schwere Krankheitsverläufe und die Zahl der Todesfälle deutlich verringert. 

Doch die Quote der doppelt geimpften Menschen liegt bereits bei den über 60-jährigen bei 87 Prozent, und bei den über 80-jährigen bei 90 Prozent. Viele von ihnen haben inzwischen zur „Auffrischung“ eine sog. Booster-Impfung erhalten. Wenn dennoch geimpfte Menschen aus diesen Altersklassen auf den Intensivstationen liegen, liegt das daran, dass für sie die Schutzwirkung der Impfstoffe nicht mehr ausreicht. 

Die Tatsache dass, die bundesweite Hospitalisierungsrate (Corona-Patient*innen pro 100.000 Einwohner*innen) am 20.1.2022 mit 3,3 fast um das Fünffache niedriger lag als im Dezember 2020 (über 15) verdeutlicht allerdings, dass die derzeitige Überlastungen des Gesundheitssystems, nicht an einer zu niedrigen Impfquote liegen können. Selbst in dem ehemaligen „Hotspot“ Sachsen liegt die Hospitalisierungsrate inzwischen wieder bei unter 5.

Die Überlastung des Gesundheitssystem liegt auch nicht an fehlenden Betten oder Atemgeräten für die Intensivstationen. Die stehen zu einem großen Teil ungenutzt in den Kellern der Krankenhäuser und können durch einen dramatischen Mangel an Pflegerinnen und Pflegern nicht eingesetzt werden. Denn aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen und zu geringer Einkommen vollzog sich in den letzten Jahren in den Krankenhäusern eine regelrechte Flucht aus der Pflege. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben vier von fünf Krankenhäusern Probleme, offene Pflegestellen auf ihren Allgemein- und Intensivstationen zu besetzen. Bundesweit sind 22.300 Pflegestellen unbesetzt. Das entspricht nach Angaben der DKG einer Verdreifachung der unbesetzten Stellen seit 2016. Diese Situation führte dazu, dass während der Pandemie zeitweise oder dauerhaft Intensivkapazitäten abgebaut werden mussten. 

Darüber hinaus befinden sich viele Krankenhäuser vor allem über das Finanzierungssystem der Fallpauschale unter einem ständigen Kostendruck und Einsparungszwang. So verzeichnen 60 Prozent von ihnen rote Zahlen.

Das bedeutet, dass das Corona-Infektionsgeschehen auf einen bereits vorhandenen drastischen Pflegenotstand und auf weitgehend unterfinanzierte Krankenhäuser trifft.

In diesem Zusammenhang ist es schon erstaunlich, dass sich viele Menschen, angeregt von Politiker*innen und Medien, wie das berühmte Kaninchen auf die Schlange fast ausschließlich auf den Verlauf der Ansteckungsrate (Inzidenz) fixieren, obwohl es doch viel wichtiger ist, wie viel Menschen an Corona erkranken und in die Krankenhäuser müssen (Hospitalisierung). 

Auch die dramatischen Bilder aus Intensivstationen werden bei der Corona- Berichterstattung selten im Zusammenhang mit einem Pflegenotstand gesehen. Sie dienen in erster Linie der Emotionalisierung, um die Impfquote zu erhöhen und schärfere Maßnahmen, wie 2G+ als Zugangsvoraussetzung oder eine allgemeine Impfpflicht, zu begründen. Für die desolate Situation in der Pflege „Ungeimpfte“ verantwortlich zu machen (z. B. nach dem Motto: sie sind schuld, wenn in den Krankenhäusern Menschen an Corona sterben), ist polemisch und ein politisches Ablenkungsmanöver.

Aktionismus im Zahlennebel 

War am Anfang der Pandemie noch nachvollziehbar, dass man aufgrund zu geringer Kenntnisse über das Infektionsgeschehen mit Lockdowns reagierte, ist die unzureichende Datenlage nach zwei Jahren nicht mehr akzeptabel.

Es gibt bis heute noch keine validen Untersuchungen über wesentliche Ansteckungsorte. So beschweren sich beispielsweise Gastronomen, Theater und Einzelhändler zu recht, dass sie es mit scharfen Einschränkungen zu tun haben, obwohl von ihnen in der Regel weitreichende Schutzmaßnahmen installiert wurden. Trotz Ausgleichszahlungen führen die Corona- Regeln in vielen Fällen zu Existenznöten und Pleiten. 

Es gibt auch keine Zahlen über die einzelnen Wirkungen der Corona-Maßnahmen und Regeln. Natürlich wirken Lockdowns als schärfste Maßnahme, weil sie die Ansteckungsmöglichkeiten reduzieren. Durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen sind sie jedoch vorwiegend unverhältnismäßig und auf Dauer nicht durchzuhalten. Das gilt besonders für Schulen und Kitas und Arbeitsplätze.

Auch hinsichtlich der Immunisierungsrate durch doppelt Geimpfte und Genesene stochert man im Nebel. So geht das RKI am 20.1.2022 von einer Quote der „doppelt Geimpften“ von rund 73 Prozent aus. Das entspricht dem Durchschnitt in der EU. Gleichzeitig vermutet aber auch das RKI, dass die Quote faktisch wegen einer hohen Dunkelziffer höher ist. 

Noch unklarer sind die Werte hinsichtlich der Genesenen. Viele Menschen sind nicht getestet worden und haben die Corona-Infektion symptomfrei oder mit einem milden Verlauf überstanden. Sie fallen zwangsläufig aus der Statistik. So geht das RKI von über 4 Millionen erfassten „Genesenen“ aus, nimmt aber an, dass jede zweite Person, die sich infiziert hat, nicht getestet wurde. Aus dieser vermuteten Dunkelziffer ergibt sich nach Einschätzung des RKI, dass etwa 9 Millionen Menschen in Deutschland genesen sind. 

Das wären immerhin bei einer Bevölkerung von rund 83 Millionen Einwohner*innen knapp 11 Prozent. Dabei ist völlig unklar, wie viel davon geimpft waren. So ist die vermeintliche Gesamtimmunisierung durch „vollständige Impfung“ und Genesung schwer einzuschätzen. Das Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig ging im September 2021 von 80 Prozent aus. Da das Zahlen sind, die Mitte letzten Jahres ermittelt wurden, kann man davon ausgehen, dass der Wert inzwischen höher ist, zumal die Dunkelziffer bei der Omikron-Variante mit z.T. symptomfreien bzw. milderen Verläufen wesentlich höher ist als bei der Delta-Variante. 

Auch hinsichtlich der Hospitalisierung durch Corona gibt es erhebliche statistische Ungenauigkeiten. So wurden Patienten, die beispielsweise mit einer Blinddarmentzündung eingeliefert wurden und bei denen auch eine symptomfreie Corona- Infektion festgestellt wurde, in die Kategorie „mit und an Corona erkrankt“ eingeordnet.

Die alarmistische Behauptung von dem Hamburger Bürgermeister Tschentscher, dass die Corona Patienten zu 90 Prozent ungeimpft seien, erwies sich im Nachhinein als ein Irrtum. Denn von den 3.463 Corona-Patienten in den Hamburger Kliniken wurde bei weniger als der Hälfte der Impfstatus überhaupt erfasst. Dennoch wurden sie einfach den „Ungeimpften“ zugerechnet. Inzwischen hat Herr Tschentscher dieses peinliche Verfahren bedauert und zugegeben, dass es für seine Behauptung keine valide Datenbasis gab. In Bayern wurde ähnlich verfahren. 

Doch diese Zahlen sind inzwischen der Schnee von gestern, weil die Impfstoffe u.a. aufgrund von Virusmutationen nicht das halten, was man sich von ihnen versprach. Das zeigen die zahlreichen Impfdurchbrüche, bei Besucher*innen von Discotheken und Bars, bei denen selbst G2+ nicht ausreichte. 

Das wird auch in den Krankenhäusern deutlich. So lagen laut RKI bereits in der 49. Kalenderwoche 2021 49,9 Prozent vollständig geimpfte Menschen in den Kliniken, 40,7 Prozent davon auf den Intensivstationen. 

In Zukunft wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der weitaus größte Anteil der Corona-Infizierten in unseren Krankenhäusern mindestens doppelt geimpft sein. Das ist zwar statistisch logisch, weil es mehr Menschen mit doppelter Impfung gibt als ungeimpfte Menschen und sich die Ansteckungsgefahr durch Omikron deutlich erhöht. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass zukünftig überwiegend geimpfte Menschen in den Kliniken liegen werden. 

Auch die derzeitigen Booster-Impfungen lassen im Laufe der Zeit in ihrer Wirkung nach. Erste Studien in Israel weisen darauf hin, dass die vierte Dosis die Zahl der Antikörper anfangs sogar verfünffacht, dass ihre Anzahl aber schon bald danach wieder sehr stark zurückgeht. Manche Virologen gehen bei den Booster-Impfungen von einem „Verfallsdatum“ von maximal einem halben Jahr aus. Unklar ist bisher auch die Wirkung der vorhanden Impfstoffe bei der Omikron-Variante.

Das heißt unter dem Strich, dass die Impfungen keinen wesentlichen Einfluss mehr auf das Ausmaß der Infektionen haben und besonders ihre zeitliche Wirkung unklar ist. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung und auch aufgrund fehlender Daten geht Gerd Antes, der in Deutschland als Wegbereiter evidenzbasierter Medizin gilt, in einem Interview des Deutschlandfunks davon aus, dass die bisherige Datenlage viel zu unzuverlässig ist, um weitreichende Entscheidungen zu treffen. Er bezeichnet an anderer Stelle die vorherrschende Corona-Kommunikation von Politik und Medien als eine „populistischen Epidemiologie“. 

Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), sagt bezüglich der unzuverlässigen Datenlage in einem TAZ-Interview (29.12.21): „Solange es zu den wesentlichen Fragen keine abschließenden Antworten gibt, sollte sich die Politik mit Impfpflicht-Ankündigungen bedeckt halten, sonst werden einerseits unerfüllbare Erwartungen geweckt und andererseits unnötig gesellschaftliche Konflikte geschürt.“

Die Verbreitung von Omikron 

Hinsichtlich der zukünftig dominanten Omikron-Variante gibt es bisher wenig Gewissheiten. Klar ist, dass sie sich ganz offensichtlich wesentlich schneller verbreitet als bisherige Varianten. Erste Erfahrungen aus Südafrika, GB, Dänemark und inzwischen auch aus Deutschland weisen allerdings auf deutlich schwächere Krankheitsverläufe hin. Intensivmediziner hoffen, dass die Patientenzahl auf den Intensivstationen noch vor einer vermuteten nächsten Welle deutlich sinken wird. 

„In Punkto Covid 19 Patienten können wir zum Glück weiterhin rückläufige Zahlen vermelden.“ sagte laut KN der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx. Der Anteil der Corona-Patient*innen in den Intensivstationen ist bundesweit laut RKI vom 10.12.2021 bis zum 10.1.2022 von 6 Prozent auf 4 Prozent gesunken. Die Dynamik zwischen den Inzidenzwerten und der Hospitalisierungsrate hat sich also längst entkoppelt. 

Inzwischen gehen auch viele Virologen in Deutschland davon aus, dass es die Omikron-Variante sein könnte, „die uns in die endemische Lage begleitet“. (Drosten in der Süddeutschen Zeitung) 

Die dänische Epidemiologin Grove Krause von dem staatlichen Forschungslabor SSI sagt laut KN vom 7.1.2022: „Ich denke es wird die Pandemie noch in den nächsten zwei Monaten geben. Dann hoffe ich, dass die Infektionen sinken werden und wir unser normales Leben zurückbekommen.“

Auch die Medikamentenentwicklung gibt zu weiteren Hoffnungen Anlass. Die vor der Zulassung stehenden Medikamente schützten zwar nicht vor Infektionen, sollen aber schwere Erkrankungen verhindern. Wird beispielsweise Paxlovid von Pfizer nach Angaben des Konzerns in den ersten fünf Tagen nach Symptombeginn eingenommen, reduziert sich das Risiko eines Krankenhausaufenthaltes oder des Todes um 88 Prozent. Natürlich sind solche Angaben des Konzerns mit Vorsicht zu genießen. Doch von einer hohen Schutzwirkung kann man wohl ausgehen. Herr Lauterbach hat jedenfalls schon einmal eine Million dieses Medikaments gekauft. 

Fazit 

„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ (Artikel 2/Abs.2 des Grundgesetzes) 

Ein gesetzlicher Eingriff in dieses wesentliche Grundrecht kann immer nur das letzte Mittel zu Abwendung einer schweren gesundheitlichen Bedrohung der gesamten Bevölkerung sein. Das aber bewirkt eine allgemeine Impfpflicht nicht, denn zusammenfassend ist festzuhalten: 

Anders als Polio- oder Masernimpfungen verhindern Corona-Impfungen erneute Infektionen nicht.

Die Überlastungen der Krankenhäuser liegt nachweislich an einem chronischen Pflegenotstand, der schon seit Jahren besteht. 

Die Hospitalisierungsrate bei Corona-Infektionen ist im Januar 2022 um ein Fünffaches niedriger als 2021. Der Anteil der Corona-Patienten ist von 6 Prozent im Dezember 2021 auf 4 Prozent gesunken. Absehbar liegen zukünftig mehr Menschen mit Impfungen in den Intensivstationen als Menschen ohne Impfung.

Die Datenlage hinsichtlich des Infektionsgeschehens, der Infektionswege, des Infektionsschutzes und der Hospitalisierung ist völlig unzureichend.

Die bisherigen Erfahrungen mit der Omikron-Variante weisen darauf hin, dass das Infektionsgeschehen durch Impfungen nicht mehr aufzuhalten ist. 

Andererseits ist wahrscheinlich, dass diese Variante noch im Verlauf dieses Jahres von einer Pandemie in eine sog. endemische Lage übergehen wird. Sie wäre dann hinsichtlich ihres Erkrankungspotenzials mit einer Grippe vergleichbar. 

Da sich eine allgemeine Impfpflicht überhaupt nur auf den kommenden Herbst und den nächsten Winter beziehen kann, wäre sie auch wegen einer solchen wahrscheinlichen Entwicklung überflüssig. 

Vor diesem Hintergrund eine allgemeine Impfpflicht zu beschließen, wäre also völlig unverhältnismäßig und im Effekt sinnlos. Das gilt auch für alle Regelvarianten, wie etwa eine Pflicht zur Boosterimpfung, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Das wäre eine allgemeine Impfpflicht durch die Hintertür und schlicht ein Etikettenschwindel. 

Die Behauptung von Herrn Lauterbach, dass nur durch eine allgemeine Impfpflicht die Pandemie besiegt werden könne, ist durch eine valide Datenlage nicht belegt. Wie das Infektionsgeschehen im kommenden Herbst und Winter aussehen wird, weiß heute verlässlich niemand. Höchst wahrscheinlich werden die Corona-Infektionszahlen wieder steigen. Doch ob mit Omikron oder neuen Varianten ist völlig unklar. Welche Wirkung die Impfstoffe, die im Frühjahr verimpft werden, dann noch haben ist ebenfalls unklar. 

Wollte man eine allgemeine Impfpflicht „wirksam“ durchsetzen, ginge das nur mit einem zentralen Impfregister, das den Impfstatus jedes Bürgers und jeder Bürgerin festhält und mit harten Strafen für „Ungeimpfte“. Diese Strafen können von hohen Busgeldern bis zur Beugehaft (bei Nichtzahlung) reichen. All das erfordert einen großen Kontroll-Apparat. Auch das ist völlig unverhältnismäßig und hoch problematisch.

Andreas Meyer