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Die LINKE.Kiel:

Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2023

Sehr geehrter Herr Stadtpräsident, liebe Kolleg*innen der demokratischen Ratsfraktionen,
der Haushalt sieht Ausgaben von etwa 1,2 Milliarden Euro vor. Das hört sich nach viel Geld an. In Wirklichkeit handelt es sich aber fast überwiegend um Pflichtausgaben. Die politischen Gestaltungsmöglichkeiten sind viel zu gering. Entsprechend gering ist das echte politische Streitvolumen.
Das Kernproblem ist und bleibt die Unterfinanzierung Kiels und allgemein der größeren Städte. In den Städten werden die kostenintensiven Leistungsgesetze des Bundes nicht auskömmlich finanziert. Wir fordern den Oberbürgermeister auf, nachdrücklich bei Land und Bund zu intervenieren und die Finanzklemmen auch an praktischen Beispielen zu verdeutlichen.

Diese Unterfinanzierung führt zur Reduzierung des Eigenkapitals. Es ist im aktuellen freien Finanzrahmen nicht möglich zu Nettoinvestitionen zu kommen, also zu Investitionen, welche die Abschreibungen auf alte Investitionen übersteigen.
Die Kieler*innen bekommen das zu spüren. Marode Infrastruktur, das städtische Krankenhaus vor dem Kollaps, die Stadtwerke notleidend. Und das sind nicht etwa Kriegsfolgen, sondern Resultate der neoliberalen Politik über mehr als eine Generation.
Der Investitionsrückstau der öffentlichen Infrastruktur beträgt aktuell etwa eine Milliarde Euro. Es wird die Absicht erklärt dies mittelfristig anzugehen.
Eine Idee, wie dies umzusetzen ist, sehen wir höchstens bei der LINKEN: Umverteilung - die Reichen zur Kasse!
Wenn das Tempo der Abschmelzung des Eigenkapitals anhält, droht schon in wenigen Jahren das Nothaushaltsrecht – dann sind keine freiwilligen Leistungen mehr möglich. Der politische Spielraum ist vollständig zerstört. Das bedeutet zugleich das Ende inhaltlicher Politik in der Stadt. Bei Kommunalwahlen ist es dann egal, was gewählt wird, das Resultat ist immer dasselbe. Der Aufbau dieses Haushalts ist auf Dauer nicht zukunftsfähig. Deshalb können wir dem Haushaltsplan in gesamt heute nicht zustimmen.
Aber es gibt auch Positives: Der Haushaltplan sieht kein Streichkonzert vor. Die freiwilligen Leistungen der Stadt, die wir befürworten, bleiben. Deshalb können wir den Haushaltsplan heute auch nicht ablehnen. Wir werden uns daher enthalten.
Innerhalb der Wirklichkeit des Haushalts gäbe es noch Spielräume. Aber anstatt diese gezielt für den Aufbau und die Verstärkung weiterer Investitionen zu nutzen, hält die Stadt an nicht angebrachten Prestigeprojekten fest, wie dem Kieler Schloss mit 28,5 Millionen. Dennoch, die politische Führung der Stadt ist um Investitionen stets bemüht. Aber, von den Investitionsvorhaben für dieses Jahr wurde haushaltswirksam ein Viertel nicht verausgabt.
Schaut man sich diese Vorhaben vor den Kürzungen der Kommunalaufsicht an, so ist tatsächlich nur die Hälfte des ursprünglich geplanten Volumens haushaltswirksam geworden. Das ist schon länger so. Dass man es immer wieder versucht, mag der Überzeugung geschuldet sein, dass es irgendwann schon klappen wird. Das entspricht nicht unserer Überzeugung. Wir sehen einen Zusammenhang zwischen der Unterfinanzierung der Stadt und ihrer mangelnden Investitionsfähigkeit.
Da geht es zum Beispiel um Arbeit. Und um die Beschäftigten im Baugewerbe. Zwischen 1991 und 2015 halbierte sich die Zahl der dort Beschäftigten und Kiel hatte 2015 nur noch ein Drittel der Baubetriebe von 1991. Im gleichen Zeitraum sanken die städtischen Investitionen um sage und schreibe neunzig Prozent, die privaten um siebzig Prozent. Wie sollen Investitionen ohne schlagkräftiges Baugewerbe bewerkstelligt werden?
Jeder fünfzigste Mensch in Kiel ist wohnungslos. Seit fast fünfzehn Jahren reden wir hier davon, dass die Wohnungen knapp werden, dass es Wohnungsnot gibt und die Verwaltungsspitze und die großen Fraktionen kümmern sich nicht.
Ein Linker Haushalt sähe anders aus: Wir würden sehr viel mehr Geld für den Kauf von Grundstücken ausgeben. Im Haushalt sind hierfür nur 4 Millionen eingestellt. Auch Bestandsobjekte fallen in diesen Topf. Für den schnellsten Weg günstigen Wohnraum zu schaffen, für den Ankauf von Belegbindungen mag man sich nicht entscheiden, obwohl das kaum Mittel braucht. Es kann nicht sein, dass in der Stadt ein Wettbewerb um das hässlichste Hotel stattfindet, welches dann Wohnungslose beherbergt, während SPD und Grüne schlafen. Sie merken nicht, dass diesem monströsen Marktversagen politisch zu begegnen ist. Auch deshalb können wir nicht zustimmen.
Zum Schluss: Beim zeitlichen Ablauf der Haushaltsberatungen ist das Vorgehen gerade der großen Fraktionen schon fast dreist.  Die Selbstverwaltung verlangt, dass die Verwaltung den Haushaltsentwurf bereits Ende September, Anfang Oktober vorliegt, damit darüber schon im November in den Ausschüssen beraten werden kann.
Trotzdem legen SPD, CDU und Grüne ihre Begleitanträge weder in den Fachausschüssen noch im Finanzausschuss vor, sondern erst zur Ratsversammlung selbst. Eigentlich sollten wir alle Begleitanträge, die erst heute erstmalig zur Beratung vorliegen vertagen!
Dazu kommt, die unglaubliche Zahl der Begleitanträge: Die Kooperation legt tatsächlich zu jedem noch so kleinen einzelnen Listenantrag einen Begleitantrag vor. Insgesamt dreißig Stück! Zum Teil mit geradezu lächerlichen Summen bis in den Cent-Bereich. Muss ein Antrag über 1000 Euro in einem Haushalt mit einem Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden Euro einzeln abgebildet werden? Sind gleich fünf verschiedene Anträge zur gleichen Produktnummern wirklich nötig? Alle Anträge der Kooperation zusammen haben ein Volumen von insgesamt etwa dreieinhalb Millionen Euro. Dies sind nicht einmal ein Drittel Prozent  des Gesamthaushalts.
Und dann tun sie so, als sei das „ihr rot-grüner Haushalt“, als hätten sie hier irgendetwas „gesteuert“. Bei allem Respekt: Das ist lachhaft! Ganz offensichtlich fehlt hier einfach der Mut, tatsächlich Verantwortung zu übernehmen und auch nur leicht an wirklich wichtigen Stellschrauben zu drehen! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!


(Rede der stellvertretenden Vorsitzenden der Ratsfraktion DIE LINKE, Margot Hein)