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Zehn Jahre Agenda 2010:

„Arm durch Arbeit“ als Billiglöhner oder „Arm durch Gesetz“ als Hartz-IV-Empfänger

hartziv-montagsdemo

01. April 2013  Am 14. März jährte sich der Tag der Ankündigung der Agenda 2010 durch SPD-Kanzler Schröder 2003. Die ideologische Vorarbeit leistete 1999 das Schröder-Blair-Papier, mit dem SPD und Labour sich endgültig vom sozialdemokratischen Reformismus zugunsten einer offen neoliberalen Herrschaftsvariante verabschied eten.Die Hartz-Gesetze dienen der Bekämpfung der Erwerbslosen, sie sind auch der Knüppel, mit dem Belegschaften zu Zugeständnissen gezwungen werden wie längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich oder Verzicht auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Ein „Jobwunder“ habe sie bewirkt, Schröders soziale Konterreform – so  der Tenor von Kapital, Kabinett und Teilen der SPD-Führung - viele Jobs wie noch nie, zwei Millionen Beschäftigte mehr als im Spitzenjahr 2000 und weniger Arbeitslose. Allerdings: Das Gesamtvolumen der geleisteten Arbeitsstunden ist gleich geblieben (+ 0,25%). Der Grund?!
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Immer mehr Menschen arbeiten in zerstückelten, atomisierten Beschäftigungsverhältnissen. Das Proletariat wurde zunehmend zum Prekariat. Die Zahl der in Teilzeit arbeitenden Frauen und Männer hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf 8,7 Millionen verdoppelt. Die Leiharbeit hat sich seit 2003 von 328.000 auf über 900.000 verdreifacht. Immer mehr Beschäftigte werden zu Lückenbüßern, die Arbeitenden zum total flexibilisierten „Anhängsel der Maschine“ (Marx). Hartz IV, das Herzstück der Agenda 2010, zwingt Arbeitssuchende in prekäre Beschäftigungsverhältnisse, nötigt ihnen jede Arbeit als zumutbar auf. Mit der Folge, dass immer mehr Billig-Jobs entstehen und der Niedriglohnsektor sich immer weiter ausweitet. Vier Millionen Menschen arbeiten für einen Bruttoverdienst von weniger als sieben Euro, mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnbereich: zehn Euro und weniger. Die zyklisch schwankende „industrielle Reservearmee“ aus dem 19. Jahrhundert wurde ersetzt durch das stehende Zwanzig-Millionen-Heer des Prekariats: Zusammen mit den Arbeitslosen macht es die Hälfte der Erwerbspersonen aus (vgl. isw-wirtschaftsinfo 46, S. 54). Dieses wird eingesetzt, um die Ware Arbeitskraft noch mehr zu verramschen, solide Arbeitsverhältnisse zu sprengen. Es dient als Kanonenfutter für die deutschen Exportschlachten – u.a. gegen die südlichen EU-Länder.

Es gab große Proteste gegen die Hartzerei, Hunderttausende beteiligten sich wochenlang an Montagsdemos. Was fehlte, war der entschlossene Widerstand der Gewerkschaften. Vielen fehlte trotz eindeutiger Warnungen die Einsicht, dass es auch um deren Schwächung ging. In Regierungskommissionen arbeiten Gewerkschafter mit, möglicherweise in dem alten Irrglauben, „Schlimmeres“ verhindern zu können. Als gäbe es nicht genügend Erfahrungen damit, dass das Aufspringen auf einen in falscher Richtung rasenden Zug nichts bewirkt. Ob der mit 150 km/h oder 160 km/h aus der Kurve fliegt ist nicht mehr entscheidend.

Der von der SPD-Führung jetzt an den Tag gelegte Eifer, Schönheitsreparaturen an den Folgen ihrer Politik der Umverteilung von unten nach oben vorzunehmen, riecht nach Wahlkampfgetöse. Dass mittlerweile die Hälfte von Wähler- und Mitgliedschaft ging, kratzt diese Herren dabei scheinbar wenig, die Herren in Konzernen und Banken eh nicht. Nicht die trügerische Hoffnung, durch die Wahl der SPD etwas verändern zu können sollte Gewerkschafter bewegen. Sich auf die eigene Kraft besinnen, in betrieblichen und tariflichen Auseinandersetzungen und auf der Straße, tut jetzt Not.

Am 13. April wird wieder UmFAIRteilen gefordert werden, am 1. Mai der gesetzliche Mindestlohn und Schluss mit der Prekarisierung. Und massenhafte Proteste gegen eine Agenda 2020, die weitere Millionen in die Armut abdrängte, die Milliardäre noch (zahl) reicher machte und die Gewerkschaften schwächte, wenn denn dieser Zug nicht schon vor der Abfahrt auf Abstellgleis geschoben werden wird.

(gst)