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Erneute Streiks im Einzelhandel in Schleswig-Holstein:

Arm trotz Milliarden-Gewinne

01. November 2013 Im laufenden Tarifstreit für die rund 90.000 Beschäftigten im schleswig-holsteinischen Einzelhandel hatte die Gewerkschaft ver.di am 2.10. Beschäftigte der Kieler Betriebe der Unternehmen Coop / Sky, H&M und Ikea zum Streik aufgerufen. Beschäftigte legten in den bestreikten Betrieben ganztägig die Arbeit nieder und zogen in einem Demonstrationszug durch die Kieler Innenstadt. „Arm trotz Milliarden Gewinne“ und „Wohnst du noch oder bettelst du schon. Ikea“ konnte man dort auf Protestplakaten lesen.

Die langwierige Tarifauseinandersetzung geht damit in eine neue Runde; schon in der Vorwoche waren Betriebe in Lübeck und Ostholstein bestreikt worden. Die Arbeitgeber hatten den Verhandlungstisch am 13. Juni 2013 ohne neue Terminansetzung verlassen. Ver.di-Vertreter äußerten schon damals den Verdacht, dass der Einzelhandelsverband offensichtlich damit spiele, ganz aus dem Flächentarif auszusteigen. Deshalb wird es immer offenkundiger, dass es ohne Streiks zu keinem Vertragsabschluss im Einzelhandel kommen wird.

„Die Arbeitgeber wollen die Arbeitsbedingungen für neue Arbeitsverträge verschlechtern, die Kassiererinnen sollen weniger verdienen und für Warenverräumer soll eine Niedriglohngruppe eingeführt werden. Damit werden Beschäftigte erster und zweiter Klasse im Einzelhandel eingeführt. Die Verschlechterungen, die die Arbeitgeber unter dem Deckmantel der Modernisierung umsetzen wollen, wird es mit uns nicht geben“, so Susanne Kraus, die zuständige Gewerkschaftssekretärin.

ver.di Nord fordert für die im Einzelhandel in Schleswig-Holstein Beschäftigten eine Erhöhung der Entgelte um 6,5 %, mindestens 140 Euro; eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 10 % und kein Tarifentgelt unter 8,50. Laut ver.di verdienen Ungelernte im Einzelhandel anfangs 7,50 Euro pro Stunde und kommen auf 1.223 Euro im Monat. Ein Verkäufer erhält 1.536 bis 2.247 Euro, ein Kassierer 1764 bis 2428 Euro. Der Einzelhandel ist die Branche mit den meisten Aufstockern.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht sich dagegen in dem Tarifkampf falsch dargestellt: „Durch mutwillige Fehlinterpretationen und gezieltes Weglassen wesentlicher Fakten wird wird hier auf völlig inakzeptable Weise ein Zerrbild des Einzelhandels verbreitet“, so der HDE-Präsident Sanktjohanser gegenüber der FAZ (13.6.13) und sieht sich einer unheilvollen „Achse aus ver.di und Linkspartei“ gegenüber. Dabei spielt er auf die Anfrage der LINKEN an die Bundesregierung zu „Lohndumping im Einzelhandel“ an. In der Anfrage musste die Bundesregierung mitteilen, dass jährlich rund 1,5 Milliarden Euro aus Hartz-IV-Mitteln an Beschäftigte des Handels flössen (Aufstocker), weil deren Einkommen nicht zum Leben reicht. Zudem gebe es in der Einzelhandelsbranche einen rapiden Rückgang von Vollzeitstellen. Das muss der HDE-Präsident im Grunde bestätigen, ebenso die Tatsache, dass die Stundenlöhne von gut einem Fünftel der Beschäftigten im Einzelhandel unter 8,50 Euro liegen. Aber: Er wertet diese Tatsache als Beleg dafür, wie gefährlich ein gesetzlicher Mindestlohn für die Sicherheit von Arbeitsplätzen im Handel sei!

Erinnert sei im Zusammenhang mit den schwierigen Tarifauseinandersetzungen im Einzelhandel an die Beschlüsse des letzten ver.di-Bundeskongresses, wo eine engere Zusammenführung von Warnstreiks, Streiks und Tarifkämpfen der unterschiedlichen Fachbereiche in der Dienstleistungsgewerkschaft eingefordert wurde. Das ist jetzt nötiger denn je das Gebot der Solidarität mit den Verkäufer_innen. Und: Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich bei gleichzeitiger Verringerung der Ladenöffnungszeiten gehören mit in die tarif- und gesellschaftpolitischen Auseinandersetzungen – jetzt und in Zukunft.

(Text: gst)