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Druck machen für die Abschaltung aller AKW:
Brokdorf blockieren
01. Juni 2011 Mitte Juni läuft das Moratorium der Bundesregierung aus. Dann könnten, sollte der politische Druck nachlassen, die derzeit stillstehenden sieben Alt-AKW wieder anlaufen. Derzeit sind noch weiter AKW vom Netz, wegen technischer Probleme, wie Krümmel, oder wegen Brennelementewechsel und jährlicher Revision.
Mitte Mai liefen von den 17 deutschen AKW nur noch fünf, ohne dass es zu Versorgungsengpässen gekommen wäre. Die Linksfraktion im Bundestag hatte Anfang Mai vorgerechnet, dass wir auf elf AKW sofort verzichten und die verbleibenden sechs bis Ende 2014 schrittweise stilllegen können. Greenpeace und andere, wie zum Beispiel der Energie-Ökonom Olav Hohmeyer von der Uni Flensburg, haben ähnliche Rechnungen präsentiert.
Alle Fotos von Edda Lechner.
Aber ohne nachhaltigen politischen Druck wird das sicherlich nicht durchsetzbar sein. Nach Redaktionsschluss sollte es am 28. Mai in 21 Städten, darunter auch in Kiel, koordinierte Demonstrationen für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen geben. Der nächste Schritt wird dann eine Blockade des AKW Brokdorf an der Unterelbe sein, die am 11. Juni beginnen und mehrere Tage dauern soll.
Aufgerufen wird von einem Bündnis verschiedener linker und Antiatom-Gruppen. Mit dabei ist unter anderem Avanti; mehr oder weniger handelt es sich um das gleiche Spektrum, das schon im Herbst beim letzten Castor-Transport ins niedersächsische Wendland die sehr erfolgreiche Kampagne „Castor? Schottern!“ organisiert hatte. Im folgenden geben wir eine Presseerklärung des Aktionsbündnisses wieder, die den geplanten Ablauf und die politischen Ziele beschreibt. Die beiden zitierten Anna-Lena Zinzek und Christoph Kleine sind SprecherInnen des Bündnisses.
(wop)
Welche politischen Ziele verfolgen wir mit der Blockade des AKW Brokdorf? Warum ausgerechnet Brokdorf?
Christoph Kleine: Unsere Aktion hat zwei zentrale politische Ziele. Erstens die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen, da das Risiko unbeherrschbar ist und sich die nächste Atomkatastrophe nicht an den Zeitplan der Bundesregierung halten muss. Zweitens die Enteignung und Vergesellschaftung der Energiekonzerne, da es die Interessen dieser Konzerne sind, die uns die Atomenergie eingebrockt haben und die jetzt der sofortigen Stilllegung entgegenstehen.
Wir haben Brokdorf aus drei Gründen für unsere Aktion ausgesucht. Erstens weil Brokdorf ein politisches Symbol für den Kampf der Anti-AKW-Bewegung seit den 70er Jahren ist. Zweitens weil Brokdorf als zweitneuester Reaktor in Deutschland nach allen Plänen besonders lange am Netz bleiben soll und wir deshalb gerade hier die verlogene Propaganda von den angeblich „neuen“ und „sicheren“ Anlagen angreifen wollen. Immerhin hat selbst der Bericht der Reaktorsicherheitskommission festgestellt, dass auch Brokdorf nicht gegen Abstürze großer Flugzeuge und Flutkatastrophen ausgelegt ist. Und drittens weil in Brokdorf ab Pfingsten Revisionsarbeiten stattfinden. Diese bedeuten viel Verkehr von Arbeitskräften und Material, Arbeiten rund um die Uhr, die besonders leicht zu blockieren sind. Während dieser Revisionsarbeiten ist der Meiler ohnehin abgeschaltet. Wir wollen, dass es dabei bleibt.
Warum sind Aktionen des Zivilen Ungehorsams und des kollektiven Regelübertritts trotz des angekündigten Atomausstieges notwendig und gerechtfertigt?
Anna-Lena Zinzek: Auf die Ausstieg-Ankündigungen der Bundesregierung ist kein Verlass. Der rot-grüne „Atomkonsens“ und die Laufzeitverlängerungen von CDU und FDP haben gezeigt, wie kurz die Laufzeit solcher Versprechungen sein kann.
Die Empfehlung der Ethikkommission, die Stilllegung der Meiler bis 2021 zu verzögern, geht in die gleiche Richtung. Es geht nicht um das Ende der Atomenergie, sondern um die Besänftigung des Widerstandes.
Das Festhalten an der Atomenergie entspricht nicht dem Willen der Bevölkerung, das haben die Proteste und Großdemonstrationen nach der Katastrophe in Fukushima nachdrücklich gezeigt. Da die Regierung aber offensichtlich nicht gewillt ist, diesen Willen der Bevölkerung umzusetzen, sondern den Profit der Energiekonzerne in den Vordergrund stellt, muss die Anti-AKW-Bewegung jetzt den politischen Druck erhöhen.
An jedem einzelnen Tag, an dem die Meiler weiterlaufen, kann eine atomare Katastrophe eintreten. Wir sind nicht bereit, dieses Risiko für uns und alle folgenden Generationen zu akzeptieren, noch werden wir tatenlos zusehen, wie die ökologischen und sozialen Folgen verschwiegen und schöngeredet werden.
In dieser Situation haben wir nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht diesen Gefahren auch durch kollektive Regelverletzungen entgegenzutreten, die notwendige Stilllegung selbst in die Hand zu nehmen und die Reaktoren zu blockieren.
Wie soll die Aktion konkret ablaufen? Wo wird blockiert? Wie lange wird blockiert?
Anna-Lena Zinzek: Am 11. Juni ist der Auftakt für mehrtägige Massenblockaden. Die Blockierer_innen werden zunächst in einem oder mehreren Camps unterkommen, die in der Nähe des Kraftwerkes liegen, deren genauen Ort wir jetzt aber noch nicht nennen können. Diese Infrastruktur wird für alle Blockierer_innen ab dem 10. Juni, bis mehrere Tage nach dem Auftakt zur Verfügung stehen.
Die Blockierer_innen werden sich in ihren Bezugsgruppen und auf großen Plena auf die Aktion vorbereiten und dann gemeinsam basisdemokratisch bestimmen, wann sie sich zu Tausenden auf die Zufahrtsstraßen vor dem AKW begeben und dort bleiben.
Das AKW Brokdorf hat zwei Tore, also muss es – auch in Abstimmung mit der parallelen Blockadeankündigung von x-tausendmal quer – mindestens zwei Blockadepunkte geben, um das AKW komplett dichtzumachen.
Unser Ziel ist es, den Verkehr aus und in das AKW blockieren und so die laufenden Revisionsarbeiten effektiv zu verhindern.
Wenn die Polizei uns räumt, werden wir uns wieder und wieder auf die Straßen begeben und so lange wie möglich blockieren. Die Massenblockaden werden nicht nur ein Symbol, sondern eine praktische Behinderung des AKW-Betriebes sein, die mehrere Tage andauern.
Unsere Blockade soll eine Massenblockade sein. Unser wichtigstes Mittel ist unsere massenhafte, körperliche Anwesenheit. Das wird sitzende und stehende Blockaden beinhalten, aber innerhalb dieses Konzeptes ist viel Raum für die verschiedensten Ideen und Umsetzungen. Diese Vielfalt ist unsere Stärke und steht für den Widerstand aller AKW-Gegner_innen, ob diese schon seit Jahren aktiv sind oder gerade ihre erste Demo besuchen.
Wie wollen wir unser Aktionsziel trotz der erwarteten massiven Polizeipräsenz umsetzen? Wie will das Aktionsbündnis Block Brokdorf eine Eskalation vermeiden?
Christoph Kleine: Das Aktionsbündnis Block Brokdorf will keine Auseinandersetzungen mit der Polizei. Von uns wird keine Eskalation ausgehen und wir wollen niemanden durch unsere Aktionen verletzen. Durch unsere Erfahrungen in vorangegangenen Blockaden sind wir darauf vorbereitet, Polizeiabsperrungen zu umgehen oder zu durchfließen, um unsere Blockadepunkte zu erreichen. Das werden wir im Vorfeld auch in vielen Trainings noch einmal gemeinsam üben.
Natürlich sind wir so realistisch, dass wir mit gewalttätigen Übergriffen der Polizei rechnen müssen. Es gibt dabei relativ einfache Mittel, um sich vor Pfefferspray oder Knüppelschläge zu schützen, aber unser wichtigstes Mittel ist die Solidarität untereinander, die Entschlossenheit uns nicht an der Polizei abzuarbeiten, sondern unser Aktionsziel zu verfolgen und die Öffentlichkeitsarbeit vor und während der Aktion, die die Legitimität unserer Blockaden erklärt.