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Umbau der Stromnetze:
Wer kontrolliert die Netze?
01. Oktober 2011 Wer glaubt, in die Debatte um die künftige Stromversorgung sei mit der Grundsatzentscheidung gegen die Atomenergie Ruhe eingekehrt, hat sich ge- täuscht. Eine der Baustellen, die das Land in den nächsten Jahren beschäftigen wird, sind die Stromnetze. Wobei man bei diesen unterscheiden muss. Zum einen gibt es die niedrig- und Mittelspannungsnetze, die der regionalen und lokalen Verteilung dienen. Bei vielen dieser örtlichen Netze laufen in den nächsten Jahren die Konzessionsverträge aus. Mancherorts versuchen Bürgerinitiativen und Parteien wie der SSW, die Linke und örtlich zum Teil auch die Grünen, die Gelegenheit zu nutzen, die Netze wieder in kommunale Hände zu bekommen. In Hamburg hat sich zu diesem Zweck das Bündnis „Unser Netz“ gegründet, dass ein entsprechendes Volksbegehren anstrebt. Auch in Berlin gibt es derartige Überlegungen.
Eine andere Sache sind allerdings die Höchstspannungsnetze, die das Rückgrad der bundesweiten Stromversorgung bilden. Dieses war bis vor kurzem noch vollständig im Besitz der vier großen Stromkonzerne. Inzwischen hat E.on sein Netz an die niederländische TenneT TSO GmbH verkauft und Vattenfall 60 Prozent seiner Gesellschaft 50 Hertz Transmission an den belgischen Netzbetreiber Elia. Zuletzt hat Anfang September auch RWE 74,9 Prozent der Anteile an seiner Netzgesellschaft Amprion an ein von der Commerzbank vertretenes Konsortium abgegeben. Nur EnBW ist noch vollständig im Besitz seines Übertragungsnetzes. Auf jeden Fall wurde die Chance vertan, die Netze endlich in einer einheitlichen Gesellschaft und damit einer gemeinsamen Regelzone zusammenzufassen. Außerdem hätte diese Gesellschaft nach dänischem Vorbild unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle und nicht gewinnorientiert betrieben werden können. Immerhin handelt es sich bei den Netzen ja um ein natürliches Monopol auf die selbst gläubigsten Anhänge de Marktwirtschaft deren Regeln nicht so richtig zur Anwendung bringen können.
Jedenfalls sind diese Netzgesellschaften nun dabei, den notwendigen Aus- und Umbau der Netze nach ihren Vorstellungen anzugehen. Mitte September wurden neue Pläne bekannt, drei große Fernverbindungen von Nord nach Süd und von Ost nach West mit einer in Deutschland bisher nicht eingesetzten Technik zu schaffen. Der Baubeginn liegt dabei allerdings noch in weiterer Ferne, aber 50 Hertz Transmission, die den Raum Magdeburg mit der Rhein-Main-Region verbinden will, hat bereits einen ersten grundsätzlichen Antrag bei der Bundesnetzagentur gestellt. Bei der angestrebten Technik handelt es sich um Hochspannungsgleichstromübertragung kur HGÜ. Strom fließt normalerweise unter Wechselspannung durchs Netz. Hierzulande wechselt sich 50 mal in der Sekunde seine Fließrichtung. Das hat technisch manchen Vorteil, aber einen großen Nachteil: Die Verluste werden für Übertragungsstrecken von mehreren 100 Kilometern schnell groß. Bisher wird allerdings der meiste Strom mehr oder weniger in der Nähe des Verbrauches erzeugt, weshalb dieser Aspekt keine große Rolle spielt. Anders sieht es allerdings aus, wenn man Strom von der Nordsee nach Süddeutschland oder aus der Sahara nach Mitteleuropa transportieren will. Ab 600 Kilometern Entfernung, heißt es beim Kabelhersteller ABB, lohnt sich HGÜ. Als Begründung für die neuen Fernverbindungen wie auch für ältere Pläne, die damit nicht unbedingt aufgehoben sind, wird meist der Windstrom von der Küste angegeben. Gerne verschwiegen wird hingegen, dass es noch einen weiteren Grund für die neuen Leitungen gibt. Bisherige Planungen sind nämlich davon ausgegangen, dass an der Küste eine ganze Reihe neuer Kohlekraftwerke entstehen. Die Standort wurden vor allem unter dem Aspekt gewählt, daß die Anlagen dort am einfachsten mit importierter Steinkohle versorgt werden könnten.
Einige der geplanten Kraftwerke sind inzwischen vor allem aufgrund heftiger Bürgerproteste verhindert worden, so zum Beispiel in Kiel, in Lubmin bei Greifswald, in Emden und in Dörpen an der niederländischen Grenze. Andere sind jedoch bereits im Bau oder weiter in Planung. So baut Vattenfall in Hamburg ein 1600-Megwatt-Kraftwerk und GdF Suez in Wilhelmshaven ein 800-MW-Werk, das bereits im nächsten Jahr ans Netz gehen soll. Zunächst aber nur mit halber Kraft, denn die Kraftwerksbetreiber haben Probleme mit dem Netzanschluss. Allerdings sind es nicht die fehlenden Überlandleitungen, die Sorgen bereiten, sondern man hat vorort offensichtlich versäumt sich rechtzeitig um ein Kabel zum nächsten Umspannwerk zu kümmern.
Auf jeden Fall ist es alles andere als ausgemacht, dass die neuen Leitungen alle für den Windstrom benötigt werden. Zumal neben den beiden bereits im Bau befindlichen Kraftwerken immer noch zwei weitere in Brunsbüttel und eines auf der anderen Elbseite in Stade geplant sind. Außerdem fällt an der Diskussion auf, dass die Netzbetreiber von einem gleichbleibenden oder gar steigenden Verbrauch ausgehen. Tatsächlich gibt es aber beim Stromverbrauch erhebliche Einsparpotenziale, wie etwa im Bereich Heizen und Warmwasser, deren Nutzung von den Bundesgesetzen bisher nicht annähernd im Rahmen des Möglichen gefördert wird.
(wop)