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Die Eurokrise - Ursachen und Lösungen:

Griechenland ist nicht pleite

01.01.2012 Im Zuge der Finanzkrise seit 2008 wurden auch Staatsanleihen von Staaten der Euro-Zone ins Visier der Spekulanten genommen. Dieses führte zu einem Zinsanstieg für Staaten wie Griechenland oder Portugal. Hierdurch droht die Zahlungsunfähigkeit dieser Staaten. Wenn diese Krise nicht gestoppt werden kann, droht das Ende der Gemeinschaftswährung mit unabsehbaren sozialen und ökonomischen Folgen für Europa. Daher müssen die Ursachen der Krise benannt und Lösungen gefunden werden.
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Die derzeitige Krise der europäischen Gemeinschaftswährung Euro hat ihre eigentlichen Ursachen darin, dass die Politik nicht verstanden hat, wie eine Währungsunion funktioniert. Daher wurden bereits von Beginn an mit den sogenannten „Konvergenzkriterien“ im Maastrichtvertrag die falschen Regeln aufgestellt und der Europäischen Zentralbank die falschen Aufgaben erteilt.

Eine einheitliche Inflationsrate

Ziel einer Währungsunion ist es nicht, dass für alle Zeit die Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen, immer die gleichen Haushaltsdefizite in Relation zum Bruttoinlandsprodukt haben oder die gleiche Schuldenstandsquote aufweisen. Dieses ist jedoch die Annahme der Konvergenzkriterien, welche im Maßtrichter Vertrag zu Beginn der Währungsunion festgelegt wurden sind. Ziel einer Währungsunion ist es auch nicht, gleiche Standards in der Sozialpolitik oder den Lebensbedingungen zu haben, auch wenn dieses innerhalb einer Währungsunion denkbar ist. Ziel einer Währungsunion ist es vielmehr, für alle Zeit und in allen Volkswirtschafen stets die gleiche Inflationsrate zu haben. Denn nur dann werden Wechselkurse als Ausgleich zwischen den Volkswirtschaften überflüssig. Gegen diese Regel wurde aber von Anbeginn der Europäischen Währungsunion verstoßen. Zwar hat die Europäische Zentralbank eine Zielinflationsrate von 2 Prozent vorgeben und diese auch im Durchschnitt der Eurostaaten im Wesentlichen realisiert, jedoch wichen die Inflationsraten innerhalb der einzelnen europäischen Volkswirtschaften erheblich voneinander ab.

Keine Staatsschuldenkrise …

Wenn man bei der aktuellen Krise des Euros den Medien, der Politik und leider auch weiten Teilen der Wissenschaft, wie z. B. auch dem erzkonservativen Institut für Weltwirtschaft in Kiel Glauben schenkt, dann handelt es sich hierbei um eine Staatsschuldenkrise. Staaten wie Griechenland hätten über ihre Verhältnisse gelebt und könnten daher ihre Staatsschulden nicht mehr begleichen. Dieses einmal wegen der niedrigen Zinsen und zum anderen, da diese Staaten damit rechnen konnten, dass andere Eurostaaten für die Schulden einstehen werden (Moral Hazard These). Dabei werden Vorurteile von angeblich faulen Griechen, der mit seinen 16 Monatsgehältern die meiste Zeit in der Sonne liegt, während der Deutsche hart arbeiten muss, verbreitet und alte Ressentiments wiederbelebt.

… sondern eine Krise der chronischen Leistungsbilanzungleichgewichte

Die hohen Staatsschulden einiger Eurostaaten sind jedoch nicht Ursache der Krise, sondern eines deren Symptome. Die eigentliche Ursache liegt in den anhaltend Leistungsbilanzungleichgewichten innerhalb der Eurozone. Dabei bedingen sich die Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite einander und sind die Folge der bereits erwähnten Abweichung der Inflationsraten zwischen den Volkswirtschaften der Währungsunion. Eine wesentliche Bestimmungsgröße der Inflationsrate sind die Lohnstückkosten. Es wäre in der Vergangenheit erforderlich gewesen, dass bei einer Zielinflationsrate von 2 % auch die Lohnstückkosten jährlich um die gleiche Rate, nämlich von 2 %, in Volkswirtschaften steigen. Hiergegen haben nicht nur die Länder verstoßen, die höhere Steigerungen der Lohnstückkosten hatten, sondern vor allem auch Länder wie Deutschland, deren Lohnstückosten in den vergangen 10 Jahren deutlich unterhalb von 2 Prozent pro Jahr stiegen. Hierin sind die Ursachen für die Leistungsbilanzüberschüsse von Ländern wie Deutschland und die Leistungsbilanzdefizite der Südländer zu sehen, die bei einem vorhandenen Wechselkursmechanismus, der die unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeiten der Volkswirtschaften als Folge der unterschiedlichen Entwicklung der Lohnstückkosten, so nicht aufgetreten wären.

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Wachsende Verschuldung in den Defizitländern

Diese Leistungsbilanzungleichgewichte führen zu einer stetig wachsenden gesamtwirtschaftliche Verschuldung der Defizitländer gegenüber den Überschussländern. Wenn sich in Folge der chronischen Leistungsbilanzungleichgewichte eine Volkswirtschaft bei einer anderen verschuldet, jedoch wegen dieser Ungleichgewichte keine Möglichkeit bekommt, die Schulden auch wieder zurückzubezahlen, dann droht die Zahlungsunfähigkeit der einen Volkswirtschaft und die andere Volkswirtschaft bleibt auf wertlos geworden Forderungen sitzen. Dabei ist es nicht zwangsläufig, dass es sich einzig der staatliche Sektor der jeweiligen Volkswirtschaft verschuldet. In Irland war es vorerst der private Sektor, der sich übermäßig verschuldete und eine Immobilienblase aufpustete. Erst nach deren Platzen sah sich die irische Regierung genötigt, dass kollabierende Banksystem zu stützen, dass wegen der vielen faulen Kredite überschuldeter Immobilienbesitzer in die Schieflage geraten war. Private Schulden wurden sozialisiert. In Spanien, wo sich ebenfalls vor allem der private Sektor verschuldete und die Schuldenstandsquote des Staats derzeit noch unterhalb der von Deutschland liegt, steht dieser Prozess noch bevor, und in Griechenland war es vorwiegend der Staat, der sich in der vergangenen Dekade verschuldet hatte.

Griechenland ist nicht Pleite

Das Problem ist nicht die zu hohe Verschuldung des Griechischen Staates sondern, die hohe Zinslast. Diese hohe Zinslast ist Folge der durch Spekulation auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit stark gestiegenen Zinssätze für Länder wie Griechenland, Spanien oder Portugal. Bei moderaten Zinssätzen nahe der von Bundesanleihen bestünde gar kein Problem mit einer möglichen Zahlungsunfähigkeit. Die Spekulationen werden somit zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und führen zu ökonomisch nicht gerechtfertigten Preisen (hier Zinsen). Die hohen Zinsen für die betroffen sind nämlich nicht die Folge einer Überschuldung. Spanien hat heute eine Schuldenstandsquote unterhalb der von Deutschland. Und Japan hat eine doppelt so hohe Schuldenstandsquote wie Griechenland aber die niedrigsten Zinsen auf der ganzen Welt zu zahlen. Das Problem ist nicht die Überschuldung dieser Länder sondern dass hier die Märkte systematisch falsche Preise setzen.

Schuldenschnitt ist der falsche Weg…

Ein Schuldenschnitt löst das Problem nicht und ist zudem gefährlich. Mit dem kürzlich vereinbarten Schuldenschnitt für griechische Staatsanleihen ist ein fataler Weg eingegangen worden. Wenn man Griechenland die Hälfte seiner Schulden erlässt, also einen sog Haircut durchführt, lässt sich nicht glaubwürdig darlegen, warum ein solcher Schuldenschnitt in Zukunft nicht auch in Italien, Spanien oder gar Frankreich durchführt wird. Spekulanten werden dazu animiert, auch gegen Anleihen dieser Staaten zu spekulieren, was auch dort die Zinsen steigen werden und man auch dort genötigt wird, einen Schuldenschnitt durchzuführen. Ein solcher Dominoeffekt könnte aber durch keinen noch so großen Rettungsschirm aufgefangen werden. Dieses würde das Ende des Euros zur Folge haben und Europa in ein ökonomisches und soziales Chaos stürzen.

… und ebenso der Ausstieg einzelner Länder aus der Eurozone

Ein Ausstieg Deutschlands aus der Eurozone oder die Gründung eines Nordeuros, wie sie z. B. von Hans-Olaf Henkel vorgeschlagen wird, ist keine geeignete Lösung der Krise. Dieses hätte eine Aufwertung der wieder eingeführten DM oder des Nordeuros um ca. 60 % zum Ergebnis mit der Folge, dass die deutschen Exporte einbrechen und die deutsche Volkswirtschaft in eine schwere Depression stürzen würde, welche dann vergleichbar wie in Japan ein oder zwei Dekaden anhalten dürfte. Ein mahnendes Beispiel für die Folgen einer starken Währungsaufwertung darf auch die Schweiz sein, deren Franken in den vergangen zwei Jahren wegen der Eurokrise stark aufwertete. Dieses führte zu einer schweren Rezession in dem Alpenstaat und die Schweizer Regierung sah sich genötigt, eine weitere Aufwertung durch eine Koppelung des Schweizer Frankes an den Euro zu verhindern.

Eurobonds gegen Spekulation

Bei Zinsen, die deutlich unter dem jetzigen Niveau liegen, wäre auch Griechenland heute nicht zahlungsunfähig. Die Politik muss erkennen, dass durch Spekulation auf den Finanzmärkten die Preise, wie z. B. die für Zinsen von Staatsanleihen, systematisch von ihrem ökonomisch gerechtfertigten Niveau abweichen und hierdurch die Existenz ganzer Volkswirtschaften gefährdet wird. Um die Spekulation einzudämmen, sind gemeinsame Staatsanleihen für die Eurozone (sog. Eurobonds) unumgänglich. Nur so können niedrige Zinsen für alle Eurostaaten sichergestellt werden. Aufgrund des sehr viel größeren Marktvolumens für eine gemeinsame Euroanleihe im Vergleich zum Marktvolumen für die Staatsanleihen einzelner Staaten wären Spekulation gegen diese weit schwerer, da diese sehr viel größeren Geldeinsätze bedürfen. Auch ist das Argument gegen solche Eurobonds, welches häufig u. a. vom Münchener Professor HansWerner Sinn angeführt wird, dass durch eine gemeinsame Euroanleihe das Zinsniveau für Deutschland deutlich höher sein wird als das der Bundesanleihen und damit die Zinslasten für den Bundeshaushalt deutlich steigen werden, nicht stichhaltig. Denn dass Ausfallrisiko einer Euroanleihe wäre, da die Regierungen der Eurozone gemeinsam hierfür einstünden, viel geringer als die bloße gewichtete Mittel der Ausfallrisiken der Anleihen der einzelnen Staaten und dürfte sich in der Nähre der heutigen Bundesanleihen bewegen und somit auch deren Zinsniveau.

Die Europäische Zentralbank als Kreditgeber der letzten Instanz

Der von konservativen Kreisen häufig kritisierte Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, geht aber nicht weit genug. Im Zweifel muss die Europäische Zentralbank den Euro verteidigen und die Staatsschulden der Mitgliedstaaten garantieren. Die Europäische Zentralbank ist die einzige Institution im Euroraum, die niemals illiquide werden kann. Daher kommt ihr in Krisensituationen die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz (Lender of Last Resort) zu. Kann die Europäische Zentralbank glaubwürdig erklären, dass sie für die Staatschulden einstehen werde, wird dies die Märkte sofort beruhigen. Das Ausfallrisiko für Staatsanleihen von Staaten aus der Eurozone wäre dann gleich null. Die Halter dieser Staatsanleihen trügen dann nur noch das Inflationsrisiko des Euros, welches vermutlich in der heutigen Situation deutlich geringer sein dürfte, als häufig kolportiert. Die Zinssätze für alle Eurostaaten würden auf ein Niveau nahe dem heutigen Niveau von Bundesanleihen fallen und die drohende Zahlungsunfähigkeit dürfte wegen der deutlich geringeren Refinanzierungskosten für Staaten wie Griechenland vorerst abgewendet sein.

Langfristige Maßnahmen

Nach der Abwendung der Zahlungsunfähigkeit einzelner Eurostaaten müssen die eigentlichen Ursachen der Krise angegangen werden. Das heißt, dass die Leistungsbilanzungleichgewichte abgebaut werden müssen, bzw. dass die unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeiten in Folge der ungleichen Entwicklung der Lohnstückkosten ausgeglichen werden müssen. Hierfür müssen in Deutschland und den anderen nordeuropäischen Euroländern mit unterdurchschnittlicher Lohnstückkostenentwicklung die Lohnstückkosten in den kommenden ein bis zwei Dekaden über der Zielinflationsrate liegen. Dieses erfordert eine deutliche Stärkung der Binnennachfrage in diesen Staaten, expansive Fiskalpolitik, Lohnsteigerungen oberhalb des Produktivitätszuwachses und deutliche Steigerung der Sozialleistungen. In den Südländern dürfen die Zuwächse nur geringer ausfallen. Um gerade diesen Ländern diesen Prozess zu erleichtern, wäre ggf. die Zielinflationsrate z. B. auf 3 oder 4 Prozent anzuheben. So können die Leistungsbilanzdefizite innerhalb der Eurozone abgebaut und die Eurozone stabilisiert werden.

Eine Politik, die den Schuldenländern drastische Sparmassnahmen aufzwingt, wird zu deflationären Tendenzen und schweren sozialen Verwerfungen führen und gefährdet die Stabilität der gesamten Gesellschaft der betroffenen Staaten; insbesondere dann, wenn Deutschland an seiner Politik des Lohn und Sozialdumpings festhält. Dann besteht zudem die Gefahr einer Deflation und Depression in der gesamten Eurozone, ohne dass die Probleme mit den Staatsschulden gelöst wären. Vielmehr ist dass genaue Gegenteil der Fall. Die Sparpolitik führt, wie man in Griechenland bereits sehen kann, zu einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung. Hierdurch brechen die Steuereinnahmen weg; die Sparabsicht wird nicht zum Sparerfolg und die Staatsverschuldung nimmt weiter zu. Beides führt zu einem weiteren Anstieg der Schuldenstandsquote.

Darüber hinaus müssten die Finanzmärkte reguliert und bestimmte Spekulationen verboten werden. So Derivate müssten z. B. verboten und eine Finanzmarktransaktionsteuer (Tobin tax) eingeführt werden. Außerdem müssten Geschäftsbanken, die Spareinlagen verwalten, und Investmentbanken streng voneinander getrennt und private Großbanken in öffentliches Eigentum überführt werden. Ebenso ist es erforderlich, dass die Europäische Zentralbank einen neuen Auftrag bekommt, nämlich auch für die Stabilität der Währung, der Realwirtschaft und der Beschäftigung verantwortlich zu sein und nicht nur für die Geldwertstabilität.

Ausblick

Fraglich bleibt, ob die notwendigen Schritte, die hier aufgezeigt wurden, auch politisch durchgesetzt werden können. Gelingt dies nicht, wird dies zum Ende der Währung Euro führen und möglicherweise sogar das Auseinanderbrechen der gesamten Europäischen Union. So würden 60 Jahre Einigungsprozess zunichte gemacht. Bleibt also zu hoffen, dass unsere Politiker die Dringlichkeit dieses Problem erkennen und die notwendigen und richtigen Entscheidungen treffen.
(Samuel Rothberger)

Der Autor ist 1976 in Wolfenbüttel (Niedersachsen) geboren, lebt aber seit vielen Jahren in und bei Rendsburg in Schleswig-Holstein. Er studierte Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und an der Fern-Universität Hagen. Seit 2008 ist er Mitglied der Partei DIE LINKE und dort seit Juli 2008 im Ortsvorstand Rendsburg und seit Mai 2009 im Kreisvorstand Rendsburg-Eckernförde tätig. Im Kreisvorstand ist er als Kreisschatzmeister für die Finanzen verantwortlich.