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BUND zur Anhörung im Landtag:

Volksinitiative  „Schleswig-Holstein stoppt CETA“

 

Wir-Haben-Es6

Auf der Wir-haben-es-satt-Demo am 20.01.in Berlin

01. Februar 2018 Vielen Dank für die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme im Rahmen der Anhörung zur Volksinitiative „Schleswig-Holstein stoppt CETA“.  Der Landesverband Schleswig-Holstein des BUND unterstützt die Volksinitiative Schleswig-Holstein von Beginn an. Im Mai 2017 hat das Bündnis über 20.000 Unterschriften eingereicht um zu bewirken, dass Schleswig Holstein im Bundesrat gegen CETA stimmt und das Abkommen spätestens im Bundesrat gestoppt wird.

Mit dem CETA-Abkommen droht ein massiver Abbau von Demokratie, öffentlicher Daseinsvorsorge und Umweltschutz. Großunternehmen profitierten von Sonderprivilegien und zugleich reduzieren sich die Möglichkeiten der Mitbestimmung für Bürgerinnen und Bürger. Zukunftsfähig wäre allein die umfassende Neuausrichtung der internationalen Handelspolitik entsprechend der UN-Nachhaltigkeitsziele. 
 
Inhaltliche Kritik

Das verhandelte Themenspektrum ist sehr breit. Es geht um Vereinfachungen von Normen in der Industrie, um vereinfachte Zulassungsverfahren für Chemikalien und Stoffe, um Arbeitnehmerrechte, Dienstleistungen, Kultur und Medien, Finanzmarktregulierung, Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Im Mittelpunkt steht dabei die Angleichung von Standards, Normen und Regulierungen auf beiden Seiten des Atlantiks.

Die Abschaffung nicht-tarifärer Handelshemmnisse betreffen Umwelt- und Sozialstandards, die über Jahrzehnte in Europa hart erkämpft wurden und die als großes europäisches Gut gelten. In den Augen der Wirtschaft und zahlloser Lobbyverbände können auch Regulierungen zum Verbraucher- und Umweltschutz Hemmnisse darstellen. So können Tierschutzbestimmungen für die Fleischindustrie störende Handelshemmnisse sein, für die Chemieindustrie gelten neue Bestimmungen oder Verbote bei der Chemikalienzulassung als Hemmnisse und können den Profit schmälern.  Die sehr strenge und auf Verbraucherschutz ausgerichtete europäische Chemikalienverordnung REACH wäre mit einem bestehenden Freihandelsabkommen wie CETA nicht zustande gekommen.

Europäische Standards werden durch CETA gefährdet, da die regulatorische Kooperation gemeinsame Strukturen und Verfahren vorsieht, mit deren Hilfe beide Handelspartner gegenseitig Einfluss auf neue Gesetzesvorhaben nehmen können. Gleichzeitig wird  Lobbyisten eine frühzeitige Beteiligung an Gesetzgebungsprozessen sowohl in Kanada als auch in der EU verschafft. Die regulatorische Kooperation könnte damit eine Gesetzgebung im öffentlichen Interesse verzögern und verhindern, sodass Verbraucherschutzmaßnahmen in der Schublade verschwinden könnten, bevor sie irgendein Parlament gesehen hat. Das kommt einer Schwächung der Parlamente gleich.
 
CETA sieht die Einführung von Investitionsgerichten vor, wodurch ausländische Investoren die Vertragsstaaten verklagen können, wenn sie ihre zukünftigen Profiterwartungen durch Gesetzgebungen eingeschränkt sehen. Damit kommen auf die Staaten Klagen in Milliardenhöhe zu. Zugleich wird der Spielraum für eine Gesetzgebung zugunsten des Gemeinwohls erheblich eingeschränkt. Profitieren werden vor allem transnationale Konzerne. Viele der größten US-Firmen unterhalten in Kanada Niederlassungen und Tochterkonzerne - und sind damit ebenfalls klageberechtigt. 

Unter CETA könnten Unternehmen auch gegen ein mögliches künftiges Verbot der Schiefergasförderung – also Fracking – klagen. Kanada ist unter dem CETA-ähnlichen NAFTA-Abkommen bereits verklagt worden, nachdem die Provinz Québec das Fracking in der Region gestoppt hatte.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen mit diesen Sonderklagerechten vor allem für sie unbequeme Gesetze und Entscheidungen für einen höheren Umweltschutz attackieren. Sollte die deutsche Bundesregierung zum Beispiel eine giftige ChemikalieChemikalie  verbieten oder neue Standards in der MassentierhaltungMassentierhaltung  einführen, könnte ein kanadischer Konzern Deutschland wegen nicht "gerechter Behandlung" verklagen, weil der Konzern weniger Gewinn macht als er gerne hätte. Die Klage würde dann vor einem Schiedsgericht, nicht vor ordentlichen Gerichten verhandelt. Entscheidend sind dann die Bestimmungen des Handelsabkommens und nicht die deutschen oder europäischen Gesetze.

In der EU gilt bei Regeln zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit von Menschen, Tieren und  Pflanzen ein anderer Grundsatz als in den USA und Kanada: Das Vorsorgeprinzip (die Unbedenklichkeit der gehandelten Produkte muss von den Produzent*innen bewiesen werden). In den USA und Kanada gilt dagegen das Nachsorgeprinzip (bis eine Behörde ein Risiko zweifelsfrei nachgewiesen hat, ist alles erlaubt).

In Kanada müssen die meisten gentechnisch veränderte Pflanzen weder für den Anbau noch für die Verwendung als Lebensmittel auf Risiken geprüft werden und landen ungekennzeichnet im Handel. Die EU hat sich strenge Regeln für den Umgang mit Gentechnik auferlegt. In Europa greift das Vorsorgeprinzip und schützt den Verbraucher, indem für alle Stoffe vor der Markteinführung eine Unbedenklichkeit nachgewiesen werden muss. Bei Unsicherheiten wird die Zulassung verweigert.

2015 wuchsen auf 24 Prozent der kanadischen Ackerflächen Gen-Pflanzen. In Europa ist hingegen nur eine einzige Gen-Pflanze zum Anbau zugelassen. Auf 0,07 Prozent der EU-Agrarfläche wuchs 2015 der Gen-Mais „Mon810“. In Deutschland muss Gentechnik in Lebensmitteln gekennzeichnet werden. Mit CETA können künftig die in der EU geltenden Regeln zur Gentechnik aufgeweicht werden. Im fertig ausgehandelten CETA-Vertrag wurden bereits Zugeständnisse gemacht. In dem Kapitel zu Gentechnik haben die EU und Kanada vereinbart, eine leichtere Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen zu fördern. Dies ist eine klare Absage an das EU-Vorsorgeprinzip und würde das bisherige EU-Zulassungsverfahren abschaffen.
 
Mit CETA sollen unterschiedliche Lebensmittelstandards angeglichen werden, damit die großen Agrarkonzerne ihre Produkte noch besser vermarkten können: Beispiele sind chemisch desinfiziertes Fleisch oder Fleisch von Tieren, deren Wachstum durch Hormongaben beschleunigt wurde. Beides ist in Kanada erlaubt, in der EU jedoch verboten, da Risiken für die Gesundheit nicht ausgeschlossen werden können. 
 
CETA auf der einen Seite und das Pariser KlimaschutzabkommenPariser Klimaschutzabkommen  auf der anderen Seite verfolgen entgegengesetzte Ziele. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, muss ein Großteil der fossilen Rohstoffe in der Erde verbleiben. CETA hat das gegenteilige Ziel: Der Handel mit fossilen Rohstoffen soll gefördert werden und die Energie- und Rohstoffkonzernen bekommen umfangreiche Schadensersatzansprüche, die sie vor Investitionsschutz-Sondergerichten einklagen können. Gleichzeitig wird die Förderung erneuerbarer Energien – die Grundlage einer erfolgreichen Energiewende – unter dem Deckmantel von „Technologieneutralität“ behindert.  Während alle kanadischen Provinzen umfassende Vorbehalte hinsichtlich der Förderung fossiler Energieträger sowie hinsichtlich Energieerzeugung und Energiedienstleistungen im Vertrag geäußert haben, hat die Bundesregierung (mit Ausnahme der AtomenergieAtomenergie ) keinen einzigen Vorbehalt in der EnergiepolitikEnergiepolitik  angemeldet – weder in Bezug auf Maßnahmen zum KohleausstiegKohleausstieg  noch hinsichtlich der Förderung erneuerbarer Energien oder der Gewinnung fossiler Rohstoffe. Dadurch wird die Energiewende unnötigen zusätzlichen Gefahren ausgesetzt, die klare Vertragsbestimmungen und Vorbehalte hätten ausräumen können.
 
Versorgung mit sauberem Trinkwasser, Abfall- und Abwasserentsorgung, öffentlicher Nahverkehr, Bildung und Weiterbildung – all dies sind Beispiele für unser System öffentlicher Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. CETA strebt durch den Negativlistenansatz eine umfassende Liberalisierung von Dienstleistungen an. Öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge werden durch die Bestimmungen in CETA nicht ausreichend geschützt. Unser weitgehend kommunal basiertes System von Dienstleistungen, die sich am Allgemeinwohl ausrichten, wird deshalb gefährdet.
 
Besonders brisant bei dem Streit um CETA ist die sogenannte "vorläufige Anwendung", bei der bestimmte Teile des Abkommens bereits vor der Ratifizierung in den Mitgliedstaaten greifen. Daraus kann ein Dauerzustand werden. Der Grund: Selbst wenn ein nationales Parlament den CETA-Vertrag nicht ratifiziert, könnte das Abkommen trotzdem weiter angewendet werden. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Völkerrechtlers Wolfgang Weiß von der Universität Speyer. "Die 'vorläufige' Anwendung des CETA-Vertrags macht die nationalen Ratifikationen zum sinnentleerten Geschehen", kritisiert Weiß. 

Fazit

CETA soll Hemmnisse für den Handel abbauen. Das geschieht vor allem im Interesse exportorientierter Großkonzerne und Investoren. Umwelt- und Verbraucherschutz werden dem untergeordnet. Besonders brisant sind die in CETA garantierten Sonderklagerechte für Konzerne. 
Damit verstößt CETA  gegen das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip. Das Abkommen schränkt den Gestaltungsraum auf  Bundes-, Landes- und Kommunalebene massiv ein. Aus den dargelegten Gründen sollten weder Bundestag noch Bundesrat einem Ratifizierungsgesetz zur CETA zustimmen. 

(Autorin: Dr. Claudia Bielfeldt, Landesvorsitzende des BUND Schleswig-Holstein Mail: claudia.bielfeldt@bund-sh.de
Vorgelegt im Rahmen der Anhörung im Landtag Schleswig-Holstein zur Volksinitiative „Schleswig-Holstein stoppt CETA“ am 5. Dezember 2017)