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Offener Brief an den OB und den Rat der Stadt Kiel anlässlich des BVerfG Urteils zum Klimaschutzgesetz

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kämpfer, sehr geehrte Ratsfrauen und Ratsherren,

das Bundesverfassungsgericht hat in einer Verfassungsbeschwerde zum deutschen Klimaschutzgesetz am 24.03.2021 festgestellt*:
Die Reduktion der Treibhausgasemissionen und das Erreichen von Klimaneutralität ist eine Frage der Erhaltung unserer grundgesetzlich garantierten Freiheits- und der Menschenrechte. Hierbei müssen die zukünftigen Möglichkeiten der jungen Generationen berücksichtigt werden. Es geht um Generationengerechtigkeit.
Die Gesamtmenge an Treibhausgasen („Restbudget“), um die Erderwärmung möglichst auf 1,5°C zu begrenzen, ist limitiert.
Im IPCC Special Report 1,5°C ist das Restbudget mit 480 Gt ab 2018 angegeben. Für Deutschland ergibt sich mit 83,2 Mio. Einwohnern anteilig 4,6 Gt CO2 oder 55 t CO2 pro Person. Bei unverminderten Emissionen von derzeit ca. 11 t pro Person und Jahr wäre dieses Restbudget innerhalb von nur etwa 5 Jahren aufgebraucht! Die Zeit zum Handeln ist äußerst knapp!**.
In den nächsten Jahren sind also sehr weitgehende CO2-Reduktionen erforderlich, und ein ambitionierter Wandel muss schnellstens eingeleitet werden. Andernfalls müssen die Treibhausgasemissionen später, ab dem Jahr 2030, umso stärker reduziert werden. Das ist gemäß obigem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht akzeptabel, das ist in den Randnummern 160ff eindeutig erläutert.
Ganz klar ist somit, wenn die Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen so bleiben wie sie im Klimaschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegt sind, hätten zukünftige Generationen keinen Raum mehr zum „Atmen“ – durch das Urteil ist die Freiheit definiert. Die Freiheit der künftigen Generationen zählt genau so viel wie die der jetzigen Generationen.
Es braucht ordentliche Leitlinien zur Auslegung des Paragraphen 13 KSG (Klimaschutzgesetz) mit einer ordentlichen Methodik - das ist zwingend erforderlich.

Wir, die unterzeichnenden Umweltverbände und Initiativen, begrüssen, dass gemäß Ratsbeschluss vom 21.01.2021 Wege gefunden werden sollen, bis 2035 klimaneutral zu werden. In diesem Beschluss wird richtigerweise anerkannt: „Die Geschwindigkeit der negativen Veränderungen auf allen Ebenen ist alarmierend.“

Wir fordern daher von der Stadt Kiel:
• Klimaneutralität bis 2030 und spätestens bis 2035 als wesentliches strategisches Ziel festlegen und den Masterplan 100 % Klimaschutz dementsprechend verschärfen und ergänzen.
• Einen schlüssigen Reduktionspfad bzw. Budget-basierte Jahresemissionsmengen erarbeiten.
• Das Restbudget für die Stadt Kiel angeben, festlegen und generationengerecht anwenden.
• Alle Klimaziele rechtlich verbindlich festlegen.
• Die Klimaziele und die Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen und Projekte als zentrale, strategische Bedeutung für die Stadt Kiel ansehen. Ab sofort den Klimaschutz bei jeglichen Entscheidungen als wichtigstes Kriterium werten. Lösungen umsetzen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken.
• Sofern die Stadt Kiel sich aufgrund von bestehenden rechtlichen Regelungen des Landes oder des Bundes daran gehindert sieht, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die sinnvoll oder erforderlich sind, diese im Klimaschutzplan zu benennen und eine Umsetzung zu planen, sobald dies rechtlich möglich ist.
• In diesen Fällen sich die Stadt in Land und Bund für angemessene Regelungen einsetzt, z.B. über den deutschen Städtetag.
• Die Compliance (Übereinstimmung) mit den Klimazielen regelmäßig halbjährlich überprüfen, die Ergebnisse veröffentlichen und gegebenenfalls die Maßnahmen anpassen. „Das laufende Pilotprojekt mit „Climate View“ führt in diese Richtung und wird von uns sehr begrüsst.“
• Eine umfassende Reform der Stadtverwaltung durchführen, um von starren Strukturen zu einer agilen, zielorientierten Zusammenarbeit zu gelangen. „Nur so können die komplexen Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen und noch mehr in Zukunft stehen werden, gemeistert werden.“ In diesem Prozess die Kommunalpolitiker*innen, die Spitzen der Verwaltung und die Mitarbeiter*innen der Stadt einbinden, um den Wandel gemeinsam zu gestalten.

Für Gespräche stehen wir sehr gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen die unterzeichnenden Initiativen (Stand: 20.05.2021)

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Anlagen

Anlagen zum offenen Brief an den Oberbürgermeister und den Rat der Stadt anlässlich des BVerfG Urteils zum Klimaschutzgesetz
Unsere allgemeinen Forderungen aus der Resolution Klimanotstand Kiel und den zugehörigen Maßnahmen – liegen Ihnen bereits seit 2 Jahren vor und sind nach wie vor aktuell:
Siehe auch:
https://klimanotstand-kiel.de/resolution/
https://klimanotstand-kiel.de/massnahmen/

Sowie weitere erforderliche Maßnahmen:
• Das Thema Klimaschutz muss in Kiel sichtbarer werden. Es braucht klare öffentliche Signale als Klimaschutzstadt.
• Klimaschutzprogramm mit sozialer Sicherheit, Infrastruktur und Daseinsvorsorge verbinden.
• Eine verlässliche Planung des Ausstiegs aus allen fossilen Energieträgern muss generationengerecht erstellt werden.
• Eine Schädigung des Grüngürtels für Bauprojekte muss ab sofort unterbleiben.
• Verkehrsbauprojekte und deren Planungen werden vorerst ausgesetzt, bis die durch sie zu erwartenden Änderungen der Verkehrsströme mit der vom Bund zu beschließenden Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen konform sind.
• Methanemissionen aufgrund von Methanschlupf müssen im CO2 Restbudget für Kiel berücksichtigt werden.
• Ebenso müssen die „grauen“ Emissionen aus Baumaterialien berücksichtigt werden – insbesondere bei Großprojekten.
• Kein Tropenholz für öffentliche Bau-Vorhaben verwenden.
• Keine Biomasse als Brennmaterialien.
• Keine torfbasierten Erden oder andere Produkte für öffentliche Belange einsetzen. Dass Kiel sich Gesprächen mit Gärtnereien und Baumärkten widmet nach dem Motto „Kiel wird torffrei!“

*Beschluss des BVerfGvom 24. März 2021, Quelle:
(https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html)
**IPCC Special Report 1,5°C: https://www.ipcc.ch/sr15/ sowie Friedlingstein et al., 2019; UBA, 2019