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Neuer Klima-Bericht:

Die Zeit wird knapp

Es wird ein heißer Spätsommer werden, und das ist auch bitter nötig. Nicht nur, dass schamlos versucht wird, die Lasten der Pandemie auf die Schultern der Arbeitenden abzuwälzen, dass man die Infektionen so weit ins Kraut schießen lassen will, bis die Gesundheitsarbeiterinnen und -arbeiter in den Krankenhäusern auf dem Zahnfleisch kriechen. Auch beim Klimaschutz rast man, das Gaspedal fest durchgedrückt, auf die große Mauer am Ende der Straße zu.

Fridays for Future (FFF), die internationale Klimaschutzbewegung der Jugend, will das nicht tatenlos hinnehmen. In Deutschland soll es am 24. September, zwei Tage vor der Bundestagswahl, einen großen Aktionstag geben, mit Schulstreiks und dezentralen Demonstrationen in Dutzenden Städten. Die Erwachsenen sind ausdrücklich aufgerufen, sich zu beteiligen.
„Die nächste Legislaturperiode ist die letzte, die den Klimawandel noch irgendwie aufs menschlich Erträgliche verringern kann“, heißt es in einem Aufruf der Kieler Schülerinnen und Schüler. Und weiter: „Nur, wenn in den nächsten vier Jahren konsequent gehandelt wird, können wir die dramatischen Folgen der Klimakrise noch eindämmen. Wir können, wir dürfen nicht mehr auf die leeren Versprechen und Lobbyinteressen windiger Machthaber*innen hoffen. Wir können, wir dürfen nicht mehr warten. Wir werden nicht mehr warten. Wir streiken. Und wir bitten Euch, euch uns anzuschließen!“


Wie recht FFF damit hat, zeigt einmal mehr der am 9. August 2021 veröffentlichte Teilbericht des Weltklimarat, des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Alle etwa sieben Jahre tragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt im Rahmen dieser UN-Organisation den Stand der Klimaforschung zusammen. 195 Länder gehören ihm an. Dieser Bericht der IPCC-Arbeitsgruppe 1 beschäftigt sich ausschließlich mit den naturwissenschaftlichen Hintergründen, gibt also keine Handlungsempfehlungen.

Aber er enthält neben einer Bestandsaufnahme der bereits eingetretenen Veränderungen und der beobachteten Trends sowie neben Rückblicken auf das, was wir aus der Klimageschichte des Planeten für Gegenwart und Zukunft lernen können auch einen Ausblick. Die Bestandsaufnahme sieht inzwischen so aus: Die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre ist so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht mehr, das arktische Meereis im Sommer auf dem niedrigsten Niveau seit mindestens 1000 Jahren und der Meeresspiegel steigt mit aktuell etwa 3,8 Zentimeter pro Jahr so schnell, wie seit mindestens 3000 Jahren nicht mehr. Die globale Mitteltemperatur ist inzwischen mit rund 1,1 Grad Celsius über den Werten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts höher als je zuvor seit dem Ende der letzten Eiszeit und steigt im historisch einmaligen Tempo rasch weiter.

Der Ausblick ist noch schlimmer, aber man muss dabei beachten, dass er keine Vorhersage oder Prognose ist, sondern dass es sich um Wenn-Dann-Aussagen handelt. Dafür werden detailliert Szenarien ausgearbeitet, die sich vor allem durch die Menge an Treibhausgasen unterscheiden, die in den nächsten Jahrzehnten noch in die Luft geblasen werden. Das reicht von sehr ehrgeiziger Klimaschutzpolitik, bei der der Atmosphäre schon ab 2050 unterm Strich keine zusätzlichen Klimagase – Kohlendioxid, Methan, Lachgas und einige andere, wobei CO2 das besonders in Deutschland mit Abstand wichtigste ist – mehr zugefügt und in den drauf folgenden Jahrzehnten der Atmosphäre wieder entzogen werden, bis hin zu Weiter-so-Senarien, in denen die Emissionen sogar noch steigen.

Die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre, die sich aus den verschiedenen Szenarien ergeben, werden sodann in die Computermodelle von mehreren Dutzend in aller Welt arbeitenden Gruppen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingespeist, die die physikalischen Zusammenhänge des Klimasystems mathematisch abbilden. Diese rechnen das dann viele Male durch. Die Ergebnisse werden in der Fachliteratur veröffentlicht und schließlich vom IPCC zusammengefasst.

Heraus kommt dabei inzwischen Folgendes: Einige Veränderungen sind nicht mehr aufzuhalten. So wird – für Schleswig-Holstein besonders wichtig – der mittlere globale Meeresspiegel auch mit sehr schnellen und weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen bis zum Ende des Jahrhunderts noch um 28 bis 55 Zentimeter im Vergleich zur Periode 1995 bis 2014 steigen. Steigen die Emissionen aber im bisherigen Tempo noch einige Jahrzehnte weiter, so können es schon bis 2050 auch 63 bis 101 Zentimeter und bis zum Ende des Jahrhunderts 98 bis 188 Zentimeter werden.

Noch bedrückender ist für das Land zwischen den Meeren die langfristige Perspektive, denn die großen Eismassen auf Grönland und in der Antarktis brauchen Jahrtausende, bis sie sich an das wärmere Klima angepasst haben. Außerdem nimmt jenseits einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau – näherungsweise die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts – die Wahrscheinlichkeit rasch zu, dass sie unaufhaltsam destabilisiert werden.

Entsprechend kommt der IPCC zu dem Schluss, dass auch bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius in den nächsten 2.000 Jahren der Meeresspiegel noch um zwei bis drei Meter ansteigen wird. Bei einer Erwärmung um zwei Grad Celsius wird er aber bis dahin um zwei bis sechs Meter und um 19 bis 22 Meter bei einer Erwärmung um fünf Grad Celsius steigen.

Anderswo kommt es noch schlimmer. In vielen Ecken des Planeten drohen – vom IPCC detailliert beschrieben – Dürren, Ernteausfälle, im Meer versinkende Metropolen, der Zusammenbruch der Fischerei, Waldbrände und schwere Überschwemmungen. Tausend Gründe, sich am 24.9. den Aktionen der Schülerinnen und Schüler anzuschließen.
(wop)

Veränderungen der globalen Mitteltemperatur, relativ zur Periode 1850 bis 1900. Grau links der geglättete bisherige Anstieg. Farbig links die zu erwartende Entwicklung unter diversen Szenarien. Ganz unten in hell blau ein sehr ehrgeiziges Klimaschutzszenario, bei dem die Emissionen ab sofort drastisch sinken – in Deutschland etwa um sieben Prozent jährlich. Ganz oben ein Weiter-so-wie-bisher-Szenario. In den beiden Fällen mit der niedrigsten Erwärmung müssen sehr große Mengen CO2 zusätzlich zu den sofortigen drastischen Reduktionen ab etwa 2050 der Atmosphäre wieder entzogen werden. (wop) – Bild: IPCC