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Unwort des Jahres 2021:
„Pushback“
Und wieder hat ein Wort der menschenfeindlichen Flüchtlingspolitik es geschafft zum Beginn des Jahres mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Wie jedes Jahr wurde das „Unwort des Jahres“ gewählt.
Eine Jury aus Mitgliedern der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) machte im Jahr 1991 den Anfang und losgelöst von deren Vorstand machten die Jurymitglieder als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ seit 1994 weiter.
Die Jury sind vier Sprachwissenschaftler*innen und zwei Journalist*innen. Vorschläge für das Unwort können aus der Bevölkerung eingereicht werden.
Mit der Wahl zum „Unwort des Jahres“ soll auf "undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch" hingewiesen werden.
In den letzten Jahren haben bereits die Worte „Anti-Abschiebe-Industrie und Ankerzentrum“ (2018) sowie „Rückführungspatenschaften“ (2020) den denkwürdigen Titel erhalten.
„Pushback“ ist „Unwort des Jahres 2021“!
Es scheint, dass jedes „Unwort“ die politische Situation der jeweiligen Zeit spiegelt. Und damit auch hinweist auf die Veränderungen: ging es vorher noch darum, Geflüchtete und ihrem Recht auf Asyl in diesem Land zu widersprechen bzw. sie abzuschieben, kommt jetzt hinzu, Menschen auf der Flucht gar nicht erst nach Europa, geschweige denn Deutschland, einreisen zu lassen.
In vielen Medien wird nun, im Zusammenhang mit der „Auszeichnung“, über den „Pushback“ geschrieben er bedeute „zurückdrängen, zurückschieben“. Dies sind zwei der möglichen Übersetzungen. Eine weitere lautet: Zurückstoßen!
Da es um Sprache geht und mit der Wahl zum Unwort auch darum Begriffe zu demaskieren, sollte man auch bei der Übersetzung ehrlich sein.
Der „Pushback“ richtet sich gegen Geflüchtete, die vor den Grenzen nach Europa illegal und mit Gewalt von einem Grenzübertritt abgehalten werden. Sie werden gezwungen wieder zurückzukehren in die Länder, aus denen sie geflohen sind oder in die Länder, in denen sie ihren letzten Aufenthaltsort hatten.
Diese Praxis der „Pushbacks“ wird an den Grenzen auf dem Land, aktuell insbesondere in Polen und Belarus, und auf dem Mittelmeer durch Grenzpolizei und Frontex durchgeführt.
Menschen werden auf diese Weise daran gehindert ihr Asylrecht wahrzunehmen. Die Grenzen zu überwinden ist sehr oft mit Lebensgefahr verbunden. Grenzsoldaten versuchen das Übertreten von Grenzen auch mit Waffengewalt zu verhindern. Im Mittelmeer werden die oft ohnehin nicht seetauglichen kleinen Boote der Geflüchteten, mit den vielen Menschen an Bord, wieder zurückgetrieben und dem Meer überlassen. Von den zig-tausenden auf der Flucht im Mittelmeer ertrunkenen Menschen, sind auch die darunter, die von den Frontex-Einheiten zurückgestoßen wurden.
In der Ägäis, dem Teil des Mittelmeers zwischen der Türkei und Griechenland, werden immer wieder von der griechischen Küstenwache Geflüchtete zurück in türkische Gewässer gedrängt.
Frontex, die europäische Grenzschutzpolizei, unterstützt bei diesen Aktionen nicht die Menschen auf der Flucht, sie retten nicht, sondern treiben mit „Pushbacks“ zurück auf das Meer. Seit Jahren gibt es an Frontex Kritik. Doch auch die neue Bundesregierung aus SPD/Grüne/FDP hat sich mit dem Koalitionsvertrag für die weitere Unterstützung des EU-Grenzregimes ausgesprochen. Sie meint es soll "auf Grundlage der Menschenrechte und des erteilten Mandats zu einer echten EU-Grenzschutzagentur weiterentwickelt werden" und weiterhin "ein wirksamer und rechtsstaatlicher Außengrenzschutz sein, der transparent ist und parlamentarisch kontrolliert wird. Frontex soll sich im Rahmen des Mandats bei der Seenotrettung aktiv beteiligen." (Koalitionsvertrag 2021)
Seit ihrem Bestehen, wird versucht der Frontex ein positives Bild zuzuschreiben. Doch immer wieder wird öffentlich, wie Frontex als eine Abwehrorganisation für Geflüchtete arbeitet. Dies scheint die Ampel-Regierung nicht sehen zu wollen. Frontex ist an den Pushbacks beteiligt.
Mit der Wahl zum Unwort des Jahres 2021 wird sich die Realität von „Pushbacks“ gegen Menschen die Schutz und Hilfe suchen nichts ändern. Dass die Wahl auf dieses Wort gefallen ist „weil mit ihm ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt wird", so die Jury, kann jedoch dazu beitragen, dass mehr Menschen über diese Praxis des Zurückstoßens informiert werden. Darüber hinaus wird dann auch über die Einschränkungen des Asylrechts und die Versuche der unmenschlichen Abschreckung durch europäische Regierungen gelesen.
Es sind aber nicht Worte des Jahres, es sind die dazugehörigen Taten, die diesen Worten ihren erschreckenden und unmenschlichen Ausdruck geben.
Seit Jahren werden immer wieder Worte kreiert, die politische Ziele beschreiben sollen und dabei gleichzeitig den Weg zu unmenschlichen Vorhaben deutlich machen.
Wenn im Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit dem Begriff der „Rückführungsoffensive“ die Perspektive mancher Geflüchteten beschreibt, zeigt allein schon dieses Wort wie diese Regierung mit der Frage von Flucht und Asyl umgehen wird – entgegen allen ihren eigenen Beteuerungen und Versprechungen für eine menschliche Flüchtlings- und Migrationspolitik.
Wenn die CDU/CSU die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dafür kritisiert, dass sie in der EU-Flüchtlingsfrage gemeinsam mit anderen Ländern eine "Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedstaaten" schmieden will, zeigt dies, dass die Union dort weitermacht, wo der Innenminister a.D. Seehofer aufgehört hat. Deutlicher wird noch, wenn der CDU-Innenexperte Christoph de Vries der "Bild" diktiert: "Oberste Priorität für eine deutsche Innenministerin muss jetzt sein, klare Stoppsignale zu senden und keine neuen Einladungen zu verteilen", und Deutschland habe "viele Jahre die größten humanitären Lasten in Europa getragen".
"Pushback"- das Unwort des Jahres muss zur Untat des Jahres werden!
Halten wir es mit der Menschenrechtsorganisation „Mare Liberum“, die schreibt: „2022 suchen wir dann kein neues Wort, sondern schaffen diesen Unakt, die Pushbacks ab, ja? Für das Recht auf Bewegungsfreiheit und Safe Passage!“
Kämpfen wir für legale Fluchtwege!
Für das Recht zu kommen, für das Recht zu bleiben!
#LeaveNoOneBehind
Bettina Jürgensen, marxistische linke