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LNG-Terminals, koste es, was es wolle:
Grüner Minister will Klimakrise mit Frackinggas befeuern
Schon vor Russlands Angriff auf die Ukraine waren die Gaslieferungen aus den Lagerstätten in der sibirischen Arktis und insbesondere die Direktleitungen am Grunde der Ostsee, Nord Stream 1 und 2, hoch umstritten. Zum Ersten lehnen Umwelt- und Klimaschützer die neuen Gaspipelines aus gutem Grund wegen der mit ihnen verbundenen Emissionen von Treibhausgasen ab. Zum Zweiten fordern die baltischen Staaten, Polen und die USA mehr Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen. Deutschland bezieht hingegen bisher nicht nur rund die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Russland, sondern auch in etwa ein Drittel seines Rohöls und schließlich den größeren Teil der importierten Steinkohle. Und zum Dritten sind da noch US-amerikanische Energiekonzerne, die gerne ihr in Übersee verflüssigtes Frackinggas in Deutschland verkaufen würden. Olaf Scholz hatte bereits als Wirtschaftsminister der US-Seite den Bau sogenannter LNG-Terminals angeboten, die das Flüssiggas anlanden könnten. Auch der neue grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck engagiert sich bereits vor fünf Jahren entgegen der Beschlusslage im hiesigen seiner Partei entsprechend. Schon in seiner Zeit als schleswig-holsteinischer Umweltminister hatte er Plänen für ein Terminal in Brunsbüttel an der Unterelbe zugestimmt.
In Deutschland fehlen derartige Anlagen bisher und jene der Nachbarländer – EU-Staaten haben 26 derartiger Terminals – sind weit davon entfernt, Deutschland mitversorgen zu können. Sei es, weil die jeweiligen Anlandungskapazitäten nicht reichen, sei es, weil Engpässe im Pipelinenetz die Weiterleitung ausreichender Mengen nach Mitteleuropa unmöglich machen. Besonders auf der iberischen Halbinsel gibt es ungenutzte Terminal-Kapazitäten, doch sind die Verbindungen zum französischen Pipelinenetz zu klein um diese für die anderen EU-Staaten zugänglich zu machen.
LNG Carrier Aseem Collides with VLCC Shinyo Ocean off Fujairah
Explosive Nachbarschaft
Also sollen nun auch in Deutschland Terminals her. Neben Brunsbüttel werden schon seit einigen Jahren auch Anlagen in den niedersächsischen Küstenstädten Wilhelmshaven und Stade diskutiert und planerisch vorbereitet. Allerdings sind diese nicht gerade populär. An den Standorten haben sich Bürgerinitiativen formiert und erst im August 2021 hatte es am vorgesehenen Bauplatz an der Unterelbe in Brunsbüttel ein Klimacamp, Sitzblockaden und Aktionen mit Kajaks auf dem dort mündenden Nord-Ostsee-Kanal gegeben.
Anfang 2022 hatte sich schließlich die niederländische Vopak LNG Holding aus dem Projekt zurückgezogen, eventuell, weil die lokalen Behörden wenig Neigung zeigen, Ausnahmen vom Bebauungsplan für das Industriegebiet zuzulassen, in dem das LNG-Terminal entstehen soll.
Man will Anlage nämlich in einer ziemlich bedenklichen Nachbarschaft ansiedeln. Da gibt es zum Beispiel bereits eine Sondermüllverbrennungsanlage. Dann wäre da noch ein stillgelegtes, noch nicht demontiertes AKW mit all seinen verstrahlten Innereien, sowie einem angeschlossenen Zwischenlager für hoch radioaktive und ein weiteres Lager für mittel- und schwach radioaktive Abfälle. Letzteres hat vor acht bis zehn Jahren mehrfach Schlagzeilen gemacht, weil dort der Strahlenmüll in reichlich angerosteten Fässern aufbewahrt wird.
Abgerundet wird die illustre Nachbarschaft des geplanten LNG-Terminals mit einem „Chemie-Park“, das heißt, mit einer Ansammlung von Betrieben der chemischen Industrie, in denen unter anderem Chlor und Düngemittel hergestellt werden. Da wundert es eigentlich nicht, dass die Stadt Brunsbüttel meint, bereits genug Gefahrenpotenzial an einem Ort versammelt zu haben. An der Elbe hat man offenbar wenig Verlangen, das von Jonas Jonasson in „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ für Wladiwostok imaginierte Schicksal zu erleiden.
Doch nun, nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, nach dem damit verbundenen dramatischen Stimmungsumschwung in Deutschland, nach der Ankündigung der Außenministerin Annalena Baerbocks, Russland ruinieren zu wollen, scheinen alle politischen Blockaden aus dem Weg geräumt, nun will die Bundesregierung und nicht zuletzt der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister den Bau schnell vorantreiben.
Habeck hatte bereits im Januar, bevor die russische Armee den ersten Schuss abfeuerte, kräftig Werbung für die neuen Anlagen gemacht. Anfang März erneuerte er sein Drängen unter anderem in einer gemeinsamen Erklärung mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU). Energieunabhängigkeit von Russland heißt die Parole, und da sich nicht nur in Brunsbüttel die privaten Interessenten zurückgezogen haben, wird wohl der Steuerzahler einige Milliarden Euro aufbringen müssen.
Wasserstoff aus der Ukraine?
Vollkommen unklar ist, ob als Lieferant jemand anderes als die USA mit ihrem Frackinggas in Frage kommt, wenn es nicht doch wieder Russland sein soll. Derzeit kommt etwa ein Viertel des in der EU angelandeten Flüssiggas aus Russland, und die anderen großen Anbieter auf dem Weltmarkt orientieren sich eher nach Ostasien. Dort sind die besten Preise zu erzielen, und dort ist schon jetzt die Nachfrage nach LNG mit Abstand am größten.
Der im März veröffentlichte LNG-Ausblick des Energiemultis Shell geht davon aus, dass die Nachfrage in Ostasien weiter steigt und schon Mitte des laufenden Jahrzehnts eine erhebliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage klaffen wird. Weiter steigende Preise scheinen also ziemlich sicher. Ein weiterer Grund also, der gegen die Flüssiggas-Terminals spricht.
Auch wenn es um den Klimaschutz geht, ist schon die Nutzung konventionellen Erdgases, wie es unter anderem aus Norwegen oder Russland bezogen wird, keine gute Idee. Zum einen wegen des Methans, das bei Förderung und Transport entweichen kann, zum anderen wegen des bei der Verbrennung freigesetzten Kohlendioxids.
Aber Frackinggas ist aus Klimasicht noch schlimmer, weil bei der Förderung deutlich größere Mengen des Treibhausgases Methan entweichen. Insgesamt ist die Bilanz des Frackinggas so schlecht, dass es nicht besser als Kohle abschneidet, so das Ergebnis einer Untersuchung der Energy Watch Group um den ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell, der seinerzeit einer der Väter des Erneuerbare-Energien-Gesetzes war.
Die Krönung der Klimaschädlichkeit ist allerdings die energieaufwändige Verflüssigung zu LNG, bei der weitere Emissionen entstehen. Das Gas muss für den Transport stark herunter gekühlt werden und wird dann auf Spezialtanker verladen. Da es sich auf der Überfahrt langsam erwärmt, muss ein Teil unterwegs in die Atmosphäre abgelassen werden, damit der Druck in den Behältern nicht zu sehr steigt. Erwärmung bedeutet nämlich, dass sich das Flüssiggas ausdehnt.
Think small
Nun werden die geplanten Investitionen in Erdgas-Infrastruktur – sei es ein neues Heizkraftwerk in Berlin oder die LNG-Terminals an der Nordseeküste – in den letzten Jahren meist schön, das heißt, grün geredet, in dem eine künftige Nutzung für Wasserstoff versprochen wird. Doch das ist vorerst nicht viel mehr als ein PR-Gag.
Zwar hat Wasserstoff ein großes Potenzial, wenn es darum geht, die Treibhausgasemissionen auf Null runterzufahren. Er kann Koks in der Stahlindustrie und Erdgas in der chemischen Industrie ersetzen. Entsprechend hat schon die alte Bundesregierung angefangen, eine Wasserstoffstrategie zu erarbeiten; und schon ist die Rede davon – auch bei den Grünen – Wasserstoff von weither zu importieren. Im Bundestagswahlkampf wurde sogar die Vorstellung ventiliert, den Wasserstoff aus der Ukraine importieren zu können.
Allerdings hat die Ukraine zwar Kohle- und Atomkraftwerke, aber sehr wenig erneuerbare Energieträger. Der dort mit Elektrolyse gewonnene Strom wäre also bis auf weiteres alles andere als grün, und ob die dortigen Gaspipelines überhaupt Wasserstoff transportieren könnten, ist unklar. Dafür müssen die inneren Oberflächen der Rohre dichter als für Erdgas sein. Alles in allem erscheinen die großtechnischen Blütenträume vom im großen Maßstab importierten Wasserstoff nicht viel realistischer als jenes Wüstenstromprojekt Desertec, um das in den Nullerjahren viel Wind gemacht wurde.
Derart gingantomanische Visionen sind offensichtlich die unvermeidliche Begleiterscheinung einer von großen Konzernen beherrschten Wirtschaft. Diese mögen es nämlich nicht kleinteilig, sondern können nur in Groß-Projekten denken. Entsprechend lieben sie die großen Windparks auf See und haben zuletzt auch an Land die kleinen Genossenschaften und lokalen Projekte von ihren Regierungen per Ausschreibeverfahren aus dem Ring kicken lassen.
Für die Wasserstoffwirtschaft würden sich jedoch kleinteilige Lösungen technisch in besonderer Weise anbieten. Bei der elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff mit überschüssigem Wind- oder Solarstrom wird Wärmeenergie frei, die sich nur in kleineren Anlagen sinnvoll nutzen und zum Beispiel ins nah- und Fernwärmenetze einspeisen lässt. Und Wärmeenergie wird ohnehin im großen Umfang gebraucht, wenn man aus dem fossilen Erdgas aussteigen will und die unzähligen Gasheizungen ersetzen muss (deren Einbau noch immer staatlich gefördert wird). Von Stadtwerken betrieben, könnte lokale Wasserstoff- und Wärmeerzeugung zudem für Wertschöpfung vor Ort steigern, wäre also ein Beitrag zur Stärkung der Kommunen. (wop)