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Neuer Regionalplan für S-H:

Der Kampf für Erhalt von Naturflächen und Ackerland

Vormarsch der Gewerbegebiete verdrängt Natur und Landwirtschaft

Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat im Mai Entwürfe für die neuen Regionalpläne vorgelegt. Nur noch bis zum 9.11.2023 findet ein öffentliches Beteiligungsverfahren statt, wo sich alle Menschen, Vereine und Verbände, Städte und Gemeinden mit Stellungnahmen und Änderungsvorschlägen einbringen können.

In drei Planungsräumen in Schleswig-Holstein werden die Ziele und Grundsätze der Raumordnung verbindlich vorgegeben, d. h. wie sich die Siedlungsstruktur, Freiräume und Infrastruktur in Zukunft entwickeln soll. Genau genommen ist es ein Kampf um die Fläche; wer darf was mit dem öffentlichen Land machen. Dabei ist ziemlich klar, dass es um die Aufteilung geht, wo es noch Naturland und landwirtschaftliches Land geben soll und wie stark sich Siedlungsgebiete und Gewerbegebiete ausbreiten dürfen.

Regionale Grünzüge und Landschaftsschutzgebiete sind seit Jahren auf dem Rückzug. Bei Kernbereichen für Tourismus werden noch Bedenken angemeldet. Über den Rückzug der Landwirtschaft wird gar nicht mehr geredet.

Die öffentliche Beteiligung und Einsicht in die Raumordnungspläne ist möglich über die Internetseite der Landesregierung: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/planen-bauen-wohnen/regionalplaene/regionalplaene_node.html
Die Pläne und Karten kann man hier anschauen oder runterladen: https://www.bolapla-sh.de/

Städte und Gemeinden haben sich mit ihren Wünschen schon eingebracht. Dabei geht es meistens um die Erweiterung der Siedlungsgebiete für den Wohnungsbau und um neue Gewerbegebiete. Hierfür gibt es ausreichend Lobbyverbände bzw. Wirtschaftsausschüsse der Gemeinden, die die Notwendigkeit der Erweiterung der Flächen mit der wachsenden Bevölkerung und den notwendigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer begründen. Hintergrund ist hier meistens die Unterfinanzierung der Kommunen, die aus der Einkommenssteuer von der Bundesregierung max. 12-13 % erhalten, weswegen sich immer mehr Gemeinden und vor allem die großen Städte stark verschuldet haben. Und dies trotz eines immer weiter wachsenden Anteils an Gewerbe- und Industrieflächen.

Auf der Seite der Natur sieht es schwierig aus. Der BUND versucht in S-H ein Gegenpol für den Erhalt der Schutzgebiete, der grundlegenden Grünzüge und der Erholungsgebiete zu bilden und sammelt landesweit die Einwendungen gegen den zunehmenden Flächenverbrauch der Zivilisation.

Der BUND schreibt dazu:
„• Die Menschen und ihre Organisationen in SH beanspruchen Raum für die unterschiedlichsten Zwecke.
• Die sehr unterschiedlichen Raumnutzungsinteressen sollen eine überörtlichen Koordination und Planung erfahren, um durch die Regionalpläne
- drohende Nutzungskonflikte im Vorfeld zu vermeiden,
- verletzliche Nutzungen vor Inanspruchnahme zu schützen,
- ausreichend Fläche für zukünftige Bedarfe zu sichern,
- den Raum im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu ordnen,
- zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beizutragen.“

Ob diese Einordnung der aktuellen Gefahr des immer stärken Rückdrängens der Natur gerecht wird, sei dahingestellt. Aber die Hoffnung besteht, dass die Einwendungen des BUND gehört werden und keine Verschlechterungen gegenüber den alten Regionalplänen von 2020 und den Vorgaben aus dem Landesentwicklungsplan 2021 stattfinden.

Dazu die Pressemitteilung des BUND S-H vom 29.06.2023:

BUND Schleswig-Holstein: Klimaschutz, Biodiversität und Flächenverbrauch müssen stärkere Priorität in den Regionalplänen haben
„Die Regionalpläne für die drei Planungsräume in Schleswig-Holstein müssen Antworten auf die globalen Megatrends der nächsten Jahrzehnte geben. Hierzu zählen der Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, der Schutz und die Förderung der Biodiversität und eine deutliche Verminderung des Flächenverbrauchs“, erläutert Dietmar Ulbrich, der seit Mai neuer Landesvorsitzender des BUND SH ist. Und weiter: „Die Weichen müssen jetzt richtig gestellt werden. Die Regionalpläne legen die raumordnerischen Vorgaben für die nächsten 15 Jahre fest“.
Gemäß der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie soll der Flächenverbrauch bis 2030 auf unter 1,3 Hektar pro Tag reduziert werden. In Schleswig-Holstein steigt der Wert dagegen ungebremst. Der Flächenverbrauch liegt im langjährigen Durchschnitt inzwischen sogar bei 3,5 Hektar pro Tag. „Die Regionalplanung muss deshalb durch konkrete Vorgaben für die Planungsräume einen Beitrag leisten, um den Zuwachs des Flächenverbrauchs innerhalb weniger Jahre auf 1,3 Hektar pro Tag zu begrenzen“, ergänzt Merlin Michaelis, Projektleiter Regionalpläne beim BUND SH.
Um die Biodiversität zu erhalten, hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen zu schützen. Laut aktueller Biotopkartierung stehen in Schleswig-Holstein bisher jedoch nur etwa 11 Prozent der Landesfläche unter Schutz. Deshalb fordert der BUND SH, die Vorranggebiete für den Naturschutz zu vergrößern und auch die Vorbehaltsgebiete für Natur und Landschaft besser zu schützen. „Diese naturschutzrelevanten Flächen müssen großflächig und verbindlich ausgewiesen werden. In ihnen muss dem Schutz und der Entwicklung der Biodiversität unbedingt Vorrang eingeräumt werden,“ so Bini Schlamann, Referentin für Agrar- und Biodiversitätspolitik beim BUND SH.
Mit der Darstellung von Vorranggebieten für den Küstenschutz und die Klimafolgenanpassung im Küstenbereich wird in den Regionalplänen lediglich eine Maßnahme als Reaktion auf den Klimawandel verankert. „Dringend erforderlich ist es aber auch, Maßnahmen zum biologischen Klimaschutz auf dem Festland zu formulieren, beispielsweise durch Vorgaben zum Umgang mit den Böden, die in den Landschaftsrahmenplänen ausgewiesen worden sind. Ebenso wären Flächen zur Waldaufforstung, zur Grünlandausweitung und solche zu gezielten Grundwasserstandsanhebungen in die Regionalpläne aufzunehmen, um Kohlendioxid zu binden und dauerhaft festzulegen“, so Michaelis abschließend. Soweit die Presseerklärung des BUND SH.

Die Gefahr des Rückdrängens der Natur ist groß. Hier einige Beispiele:

• Die Gemeinde Dänischenhagen plant die Erweiterung des interkommunalen Gewerbegebiets Lehmkaten (Dänischenhagen-Altenholz-Kiel) um 19 ha und es wurde bereits im neuen Regionalplan aufgenommen. Die Fläche wird derzeit landwirtschaftlich genutzt. Ackerland wird aber als geringwertiger eingeordnet und soll dem Gewerbegebiet weichen. Das geplante Gewerbegebiet liegt in einem historischen Grünzug, der mit dem östlich der B 503 gelegenen Landschaftsschutzgebiet Heischer Tal bis hin zur Förde verbunden und Teil eines im Landesentwicklungsplan ausgewiesenen Grünzuges ist und grenzt die bestehende Grünzäsur Richtung Ostsee weiter ein. Der Erhalt von unzerschnittenen Räumen, wie es im Landschaftsrahmenplan vorgegeben wird, ist wichtig. Die Fläche ist eine typische Kulturlandschaft die zukünftig naturverträglicher genutzt werden könnte, um sie als Übergang in ein zukünftiges Landschaftsschutzgebiet mit einer besonderen Erholungseignung zu entwickeln. Es geht mit der Gewerbegebietserweiterung wertvolles Ackerland unwiederbringlich verloren, das zukünftig für die wohnortnahe Nahrungsversorgung wichtig sein könnte. Durch den Flächenverbrauch für Gewerbe- und Wohnungsbau entsteht eine zunehmende Flächenkonkurrenz zur Landwirtschaft und eine immer stärkere Verdrängung von Naturlandschaft.

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Wozu gibt es regionale Grünzüge:
6.3.1 Regionale Grünzüge – Grundsätze und Ziele der Raumordnung
- In den Ordnungsräumen (Kapitel 2.2) kommt dem langfristigen Schutz unbesiedelter Freiräume eine besondere Bedeutung zur Sicherung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Siedlungsansprüchen und ökologischer Qualitätssicherung des Raums zu. Daher sind in den Regionalplänen außerhalb der Siedlungsachsen und besonderen Siedlungsräume (Kapitel 3.3 Absatz 5) regionale Grünzüge auszuweisen. Diese dienen als großräumig zusammenhängende Freiflächen
• der Gliederung der Ordnungsräume (Kapitel 2.2),
• dem Schutz der Landschaft vor einer großräumigen Zersiedelung (Kapitel 3.9),
• der Sicherung und Entwicklung wertvoller Landschaftsbereiche (Kapitel 6.2),
• dem Biotopverbund und dem Gewässerschutz (Kapitel 6.2),
• dem Geotopschutz (Kapitel 6.2),
• dem Grundwasserschutz (Kapitel 6.4),
• der Klimaverbesserung und Lufthygiene (Kapitel 6.1) sowie
• der siedlungsnahen landschaftsgebundenen Erholung (Kapitel 4.7).

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• Die Gemeinde Altenholz plant die Erweiterung städtischer Siedlungsbereiche im Nahbereich der Stadt Kiel, hier das Wohnungsbaugebiet „Brammerkamp“. Es beeinträchtigt den bestehenden Grünzug und sollte eher als Schutzgebiet, aber nicht als Siedlungsgebiet ausgewiesen werden. Hinzu kommt, dass die direkt am „Brammerkamp“ befindlichen Moorflächen gefährdet sind, weil durch ein neues Baugebiet das Wassersystem des Moores geschädigt werden könnte. Auch dies Gebiet wurde bereits im neuen Regionalplan als Siedlungsgebiet aufgenommen. Die Gemeinde Altenholz möchte zusätzlich noch einen bestehenden Grünzug zwischen den Stadtteilen Klausdorf und Stift für zukünftige Baumaßnahmen freistellen lassen. Auch hier ist zu betonen, dass Grünzäsuren in der Gemeinde Altenholz unangetastet bleiben müssen. Grünzüge dürfen nicht unterbrochen werden und sind zu erhalten, um die Biotopvernetzung zu ermöglichen.

• Besonders schwierig wird es mit der Stadt Kiel. Sie wenden sich in einer Stellungnahme zum neuen Regionalplan auf der Ratsversammlung am 21.9.2023 gegen zu wenig Freiraum für Wohnungsbau und Gewerbe- und Industriebetriebe und berufen sich auf den Landesentwicklungsplan wo in Kap.2.2 2 G festgehalten wird: „Flächen für Gewerbe- und Industriebetriebe sowie für Wohnungsbau sollen in ausreichendem Umfang vorgehalten werden.“
„Die Landeshauptstadt Kiel hält somit eine Überarbeitung des Regionalplans mit einer räumlich und nach Wohnungsmarktsegmenten differenzierten Bedarfsermittlung sowie eines Abgleichs mit dem durch den Regionalplan ermöglichten Siedlungserweiterungen für erforderlich, um den Wohnungsmarkt in Kiel und im Kieler Umland zu entspannen, somit auch bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und die Siedlungstätigkeit auf mit einer nachhaltigen Mobilität Standorten und Bereichen zu fokussieren. Es ist voraussichtlich angeraten, dass das Land dann auch aktiver in die Kommunikation mit Gemeinden treten, die potenziell einen signifikanten Beitrag zum Wohnungsmarkt leisten könnten, um unter Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit eine gute Entwicklung der Region zu befördern.“
Als Konsequenz fordert die Stadt Kiel deshalb z.B. für die Wohnungsbaumaßnahmen in Suchsdorf im Regionalplan auf die Ausweisung eines regionalen Grünzugs zu verzichten:
„In regionalen Grünzügen darf planmäßig nicht gesiedelt werden, daher fordert die Landeshauptstadt Kiel, auf die Festlegung eines regionalen Grünzuges im Bereich westlich von Suchsdorf-West zu verzichten. Die Landeshauptstadt Kiel wird gemäß der Stellungnahme zum Entwurf des Landschaftsrahmenplans und gemäß der kommunalen Beschlusslage dafür Sorge tragen, dass den Erfordernissen von Natur und Landschaft in diesem Bereich Rechnung getragen wird.“

Und zu den Interessen der Wirtschaft: „Die Landeshauptstadt Kiel merkt mit Verweis auf die Ergebnisse des regionalen Gewerbeflächenmonitorings des Planungsdialogs Kiel Region und Neumünster an, dass fast im gesamten Planungsraum, aber besonders in Kiel und Umland, bereits heute eine Knappheit an verfügbaren und in Vorbereitung befindlichen Gewerbeflächen besteht.
Gleichzeitig vermisst die Landeshauptstadt Kiel ähnlich des Abgleichs Bedarf und Angebot im Wohnungsbau auch hier ein Abgleich der Ziele im Flächensparen mit den erwarteten Siedlungszuwächsen. Der Landeshauptstadt Kiel ist hier sehr wohl bewusst, dass ein großes Spannungsfeld zwischen dem Bedarf nach neuen Bauflächen und dem Flächensparziel besteht. Dieses Flächensparziel kann aber letztlich nur erreicht werden, wenn mit großer Flächeneffizienz und an den richtigen Orten auch neue, attraktive Entwicklungspotenziale geschaffen werden, auf die sich neben dem vorrangigen Flächenmanagement auf Bestandsflächen die Entwicklung konzentrieren sollte.“

Mit der gefragten Flächeneffizienz ist es allerdings bei der Stadt Kiel nicht weit her, denn bestehende Gewerbeflächen werden garnicht oder unzureichend genutzt (Flughafengelände, ehem. MFG5-Gelände, Industriebrachen in Friedrichsort, Werftgelände). Sogenannte Innenverdichtung findet nicht statt. Stattdessen wurden ohne Not historisch gewachsene Landschaften zerstört und als Gewerbegebiete verschleudert (Bölckestraße Nord). In schlechter Erinnerung ist immer noch die Vernichtung von Kleingartenanlagen für die Ansiedelung von Möbel Kraft. Dass am Stadtrand und entlang der B76/Olaf-Palme-Damm /Theodor-Heuss-Ring ein Gewerbegebiet und Einkaufzentrum nach dem anderen die Stadtflächen besetzen und den Grüngürtel verdrängen, fällt den Stadtplanern in ihrer eigenen Bedarfsanalyse gar nicht mehr auf. Es zählt nur das Interesse der Wirtschaft und die ersehnte Einnahmequelle durch die Gewerbesteuer. Leider sind sich in dieser Frage, wie schon immer in Kiel, alle bürgerlichen Parteien, bis hin zu den Grünen, einig.

Jüngst wurden von der Kieler Wirtschaftsförderung (KiWi) für 80 Mio. das Industriegebiet „StrandOrt Kiel“ mit 34 ha aus der Industriebrache Friedrichsort gekauft, um ein sog. grünes Industriegebiet mit Aufenthaltsqualität zu bauen und man rechnet später mit Einnahmen durch Vermietung und Verkauf der Flächen. Es geht also, aber ob es sich für die Stadtfinanzen lohnt, bleibt fraglich. (Nachtrag Red.: Und wäre dies nicht besser ein Gelände gewesen, wo die Stadt Kiel durch Renaturierung ihre Naturvernichtung durch das neue Gewerbegebiet Bölckestraße Nord hätte ein wenig ausgleichen können?)

Der tatsächliche Bedarf für Industrie und Gewerbe wird nicht offengelegt. Maßlos werden Gewerbegebiete entwickelt ohne die gesellschaftliche Notwendigkeit, den Bedarf an Produkten oder die Klimafreundlichkeit der Produktion zu prüfen. Die CO2-fressende und menschenverachtende Rüstungsproduktion kommt schon gar nicht auf den Prüfstand.
Eine Konversion von Autohäusern in Wohnhäuser könnte z.B. Wohnraum schaffen. Gewerbegrundstücke sollten in öffentlicher Hand bleiben, um zukünftige Umnutzungen oder Renaturierung im öffentlichen Interesse zu ermöglichen.
Wir dürfen gespannt sein, in wie weit der neue Regionalplan SH den Flächenverbrauch eingrenzt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhält. (Uwe Stahl)

Karte unten (Quelle: https://www.bolapla-sh.de/ ):
Ausschnitt aus dem Entwurf des Regionalplans 2023 mit dem Kieler Bereich.
Die dicke Linie kennzeichnet die Abgrenzung der Siedlungsachsen. Die senkrechte Schaffur stellt die Regionalen Grünzüge dar.

Karte RegPlan PR II Kiel 2023