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Thailand/Kambodscha

Der "kleine Krieg" in Fernost

01. Juni 2011 Im Schatten der Ereignisse in Nordafrika und im Nahen Osten bahnt sich nahezu unbemerkt ein militärischer Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha an. Derzeit herrscht eine fragile Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien. Unter dem Pseudonym Mark Teufel berichtet ein thailändischer Blogger seit Jahren aus der Region. Wir geben seinen Blogeintrag hier – der besseren Lesbarkeit wegen geringfügig redaktionell überarbeitet und leicht gekürzt – nachstehend wieder:       

(csk)

Wieder gab es Tote an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha, wieder erklärt Thailand   „Wir waren nicht die Aggressoren“,   wieder starben Menschen, diesmal mindestens sieben, in einem Konflikt, der mit Vernunft scheinbar nicht zu erfassen ist. Wieder  Behauptungen kontra Gegenvorwürfe, wer mit den Kämpfen begonnen hätte. Und folgerichtig wird in den deutschen Medien in 15 Sekunden-Berichten erklärt, dass nicht feststellbar wäre, wer die Kämpfe begonnen hätte.

In einem Bericht von Radio Netherlands heißt es: „Kambodschanische Soldaten feuerten zuerst mit Sturmgewehren und dann begannen Sie uns mit Artillerie zu beschießen, weshalb wir in angemessener Weise zurück geschlagen haben“, erklärte der thailändische Verteidigungsminister General Prawit Wongsuwon der AFP. … „Ich denke, dass Kambodscha versuchte, die Tempel an der Grenze zu übernehmen“. Kambodscha beschuldigte thailändische Truppen, 400 Meter in das Territorium Kambodschas eingedrungen zu sein. „Die thailändischen Truppen marschierten geradewegs auf die kambodschanischen Truppen zu, die an Kambodschas Ta Krabei Tempel stationiert waren, und begannen nicht provozierte Angriffe“, sagte der Regierungssprecher Kambodschas, Phay Siphan. … „Dies ist wieder eine erneute Invasion Thailands gegen Kambodscha, und das können wir nicht akzeptieren“.

Wer hat ein Motiv? Die Feinde Thaksins (vom Militär 2006 aus dem Amt geputschter Ministerpräsident – die Red.) werden erklären, dass Thaksin seinen Freund Hun Sen (Ministerpräsident Kambodschas – die Red.) dazu gebracht hätte, einen Krieg mit dem militärisch überlegenen Thailand zu beginnen. Andere werden vielleicht erklären, dass Kambodscha sich für die Angriffe mit Streumunition rächen wollte, die bereits ca. ein Dutzend verletzte Zivilisten und 3 zivile Opfer nach dem Ende des letzten Waffengangs gekostet haben. Nach dem Abzug der international geächteten Waffensysteme von der Grenze, hätte Kambodscha eine Chance gesehen, entsprechend zurück zu schlagen. Die Gegner des thailändischen Militärs, und dazu zählt auch ein Teil der thailändischen Bevölkerung, wird erklären, dass mit dem erneuten Zwischenfall der Nationalismus angestachelt werden und die Wähler bei evtl. stattfindenden Wahlen in Thailand zu den Parteien der Armee getrieben werden sollten, da in Zeiten von Angst und Schrecken, immer die Garanten für Law und Order gewählt würden. Außerdem versuchten ultra-nationalistische Kräfte in Thailand bereits seit Jahren, einen Krieg zum Entflammen zu bringen, um sich umstrittene Tempel und Gas- und Ölvorkommen vor der Küste anzueignen.

Wer zieht einen Vorteil aus dem Konflikt? Gegner Kambodschas werden erklären, dass es Kambdoscha darum geht, Thaksin einen Gefallen zu tun. Außerdem wolle der autoritär auftretende Premierminister Hun Sen seinem Sohn, der Militärkommandeur des Grenzbereiches ist, die Möglichkeit geben, zum nationalen Helden aufzusteigen, um später seine Nachfolge antreten zu können. Außerdem, so die Kritiker Hun Sens, will Kambodscha, nachdem es bereits in den 1960er Jahren in einer Klage gegen Thailand den Tempel  Preah Vihear zugesprochen erhalten hatte, nun auch das Umfeld durch ein internationales Verfahren eindeutig Kambodscha zusprechen lassen. Ein solches Verfahren wäre ohne kriegerische Auseinandersetzung nicht durchzusetzen, da Thailand jede Einmischung Dritter rigoros ablehnt. Kritiker der thailändischen Armee werden darauf hinweisen, dass die Armee jetzt gehandelt hat, weil möglicherweise in einigen Wochen Beobachter Indonesiens in den Grenzgebieten feststellen könnten, wer einen Angriff gestartet hatte, jetzt aber eben noch nicht. Und diese Kritiker können darauf hinweisen, dass  nicht die zivile Regierung,  sondern die Armee sich lange geweigert hatte, überhaupt Beobachter in das Grenzgebiet zu lassen. Auch zukünftig nur unter großen Einschränkungen und vielen Bedingungen, die eine effektive Grenzbeobachtung durchaus in Frage stellen können. Außerdem wäre dieser Angriff, so die Kritiker der Armee, Teil einer  „Politik der Spannungen“  mit der die Armee versucht gesellschaftlich ein Eingreifen in die thailändische Politik vorzubereiten, also eine direkte Machtübernahme, einen Coup gegen die von ihr selbst an die Macht gebrachte zivile Regierung. Ähnliches hatte die thailändische Geschichte bereits mehrfach gezeigt.

Wie stehen die Chancen in einer Auseinandersetzung? Kambodscha ist Thailand militärisch und politisch hoffnungslos unterlegen. Gerade erst haben auch die USA demonstriert, dass Kambodscha, sollte das Land nicht den US-Erwartungen entsprechen, keine Hilfsgelder mehr erhalten wird. China hat sich in den letzten Jahren in Kambodscha wieder etwas zurück gehalten, und in Thailand wurde erst kürzlich wieder über die hervorragenden zu China berichtet. Investitionen in Milliardenhöhe waren Thailand, nicht Kambodscha, versprochen worden und chinesische Bestellungen hatten Thailand aus der Krise geholfen. Ein Krieg gegen Thailand könnte für Kambodscha politische, gesellschaftlich und militärisch in einem Desaster enden. Kambodscha hat keine Chance, einen Angriffskrieg gegen Thailand zu gewinnen, selbst nicht um einen kleinen Landstreifen zu erobern. Allenfalls könnte Kambodscha durch Guerillakrieg eine Übernahme von weiten Landstrichen durch Thailand verhindern.  Thailand hat militärisch die absolute Überlegenheit auf seiner Seite und kann auf die USA als Freund zählen, der, wenn auch zähneknirschend, alle Kapriolen Thailands akzeptiert, ja sogar unterstützt, wie an den  „Sicherheitsberatern“ und Botschaftsmitarbeitern  gesehen, die in den USA von „Terroristen“ sprechen, wenn es um die Demonstranten der Rothemden geht.

Die USA sind viel zu besorgt, Thailand an China zu verlieren, und damit ein ganz wichtiges Standbein in Südostasien. China wiederum ist bemüht den Einfluss zu vergrößern und bietet nicht nur politische, sondern auch militärische Unterstützung an. Thailändische und chinesische Soldaten übten kürzlich gemeinsam in einem politisch nicht zu unterschätzenden Manöver.

Durch die Rivalität der beiden Länder kann sich Thailand so gut wie alles erlauben, ohne die Befürchtung haben zu müssen, im Sicherheitsrat abgestraft oder mit gravierenden politischen oder wirtschaftlichen Sanktionen bestraft zu werden. Im Gegenteil erwarten thailändische rechte Politiker, dass nach einer Sicherstellung der Öl- und Gasressourcen durch Thailand, sogar die Zuneigung der USA und China noch größer würden, weil beide dann auch um die Ausbeutung der Rohstoffe wetteiferten.