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Kieler Ratspolitik:

Möbel Kraft sagt wo es langgeht

Mitten in der Sommerpause ließ Oberbürgermeister Albig die Bombe platzen. Möbel Kraft kommt mit Sconto nach Kiel. Direkt gegenüber des  Möbelriesen IKEA sollen also zwei weitere Giganten der Branche ihre Kunden finden. Nun wird die Selbstverwaltung in Kiel massiv unter Druck gesetzt.

Der Oberbürgermeister feiert sich dafür, gehorsam städtisches Eigentum an einen Großkonzern zu verscheuern. Es werden 250 neue Arbeitsplätze versprochen, für die 11 ha Grünfläche verloren gehen und 340 Kleingärten weichen müssen, ohne dass die BürgerInnen der Stadt Kiel beteiligt worden wären, obwohl es Standortalternativen gibt und fraglich ist, ob die „neuen“ Arbeitsplätze woanders Jobs kosten werden. Doch der Geschäftsführer von Möbel Kraft, Gunnar George, hat klargestellt: Entweder kriegt Möbel Kraft dieses Gelände oder die Ansiedlung ist geplatzt.

Nun hat die Ratsversammlung die Pistole auf der Brust. Torsten Albig hat in Geheimverhandlungen alles schon fertig eingetütet. Angeblich seien sieben Standorte geprüft worden, doch nur die beiden Kleingartenanlagen „Prüner Schlag“ und „Brunsrade“ kämen hierfür in Frage. Dabei nennt die Beschlussvorlage vor allem den Faktor „kurzfristig verfügbar“ als maßgeblichen Grund. In einer ersten öffentlichen Vorstellung im Rathaus am 16.08.2011 war Gunnar George ehrlicher: IKEA sei der Grund. Möbel Kraft will sich mit der Konkurrenz einen Absatzkampf liefern.

Kann es sein, dass die Kieler Politik das bedingungslos unterstützen muss, das Kritiker mit der Mär von Vollzeit-Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer mundtot gemacht werden?

Viele Fragen sind noch offen, etliche Bedenken stehen im Raum. Über sie wird einfach hinweg gegangen. Wie soll der Westring den zusätzlichen Verkehr von täglich 2.500 Kunden wochentags sowie 5.000 am Wochenende schlucken? Alleine für die Anwohner stellt das eine erhebliche Mehrbelastung da. Laut Bürgermeister Todeskino wird das geklärt, sobald die Entscheidung getroffen wird, an Möbel Kraft zu verkaufen. Wie genau werden die Kleingärtner entschädigt? Antwort: Das regelt Möbel Kraft „flexibel“ (Todeskino) nachdem der Kauf erfolgt sei. Möbel Kraft will Verkaufsfläche in einer Größenordnung von 40.000 m2 schaffen. Braucht Kiel neben dem bestehenden Angebot wirklich so viele Möbel? In einer Presseerklärung vom 05.08.2011 erklären SPD, Grüne und SSW mit Verweis auf das Einzelhandelskonzept (das interessanter Weise kurz vor Beginn der Geheimverhandlungen verabschiedet wurde),  dass in Kiel Möbelmärkte fehlen würden. Ein Blick auf Seite 13 des genannten Dokuments scheint das zu bestätigen. Dort heißt es: „Absatzwirtschaftlich tragfähige Entwicklungspotenziale lassen sich für den Kieler Einzelhandel vor allem in den Branchen Möbel, Elektronik / Medien und Baumarktsortimente aufzeigen“. Schön und gut, aber wie stellt sich das genau da, gibt es einen Fehlbedarf von 40.000 m2 Verkaufsfläche oder wird Möbel Kraft nicht viel eher zu einer Überdeckung des Angebots führen? Die Kieler Innenstadt klagt schon jetzt über zu wenig Kunden. Wird Möbel Kraft hier nicht zusätzlich für eine Schwächung sorgen? Die Verwaltung sagt dazu, dass sie genau prüfen will, welche Zusatzgeschäfte Möbel Kraft an seinem Standort noch ansiedeln will. Fragen über Fragen die sich eine verantwortungsbewusste Politik stellen muss und bisher nur lapidare Antworten.

Bei anderen Großprojekten war es auch möglich die Bevölkerung mit ins Boot zu holen. Die Frage warum hier nicht öffentlich über den Standort diskutiert wurde, erübrigt sich. Möbel Kraft will keinen anderen Standort, die vorgelegte Prüfung der Alternativen ist nichts als Maskerade. Dabei finden sich extra ausgewiesene Gewerbegebiete darunter. Der natürliche Standort für derartige Mega-Geschäfte, wo man nicht täglich, sondern alle Jubel-Jahre mal mit dem Auto hinfährt. Doch wenn Möbel Kraft zur Schlacht gegen IKEA ruft, erfüllen SPD und Grüne gerne den Wunschzettel. Anwohner, Kleingärtner, ökologische wie auch ökonomische Bedenken spielen keine Rolle. Dabei war Torsten Albig im Sommer noch so zu hören: „Beteiligung ist ein Gewinn für alle! Wir werden auch in Regierungsverantwortung die Bürgerinnen und Bürger an Planungen und Entscheidungen aktiv einbeziehen und beteiligen.“ (Quelle: www.spd-segeberg.de, 14.08., 15:24 Uhr)

Außer der Ratsfraktion DIE LINKE wollen nun alle anderen Parteien das ganze möglichst schnell und ohne die BürgerInnen durchziehen. Am 16.08. 2011 sollten die Ortsbeiräte „Mitte“ und „Schreventeich“ gemeinsam abnicken, am 18.08. der Wirtschaftsausschuss, am 14.09. folgt noch der Wirtschaftsausschuss, um das Ganze dann am 29.09 schon in der Ratsversammlung endgültig auf den Weg zu bringen. DIE LINKE  lässt sich nicht unter Druck setzen! Zum Bauausschuss brachte die Fraktion einen Antrag ein, der fordert, dass eine detaillierte Prüfung des tatsächlichen Bedarfs an Möbeln in Kiel sowie ein Werkstattverfahren zur Standortsuche stattfindet.

Laut einer Rechnung der Fraktionsgeschäftsstelle überdeckt das Angebot von Möbel Kraft den möglichen im Gesamtstädtischen Einzelhandelskonzept ausgewiesenen Bedarf um mehr als das Doppelte (noch ohne Sconto!). Nach diesen Zahlen bekommt Kiel nicht nur ein wertvolles Naherholungsgebiet platt gemacht und versiegelt, sondern die zumeist eher fragwürdigen Beschäftigungsverhältnisse bei der Krieger Gruppe (Möbel Kraft, Sconto, Möbel Höffner u. a.) werden an anderer Stelle Arbeitsplätze kosten.

Zudem verlangt es die verfehlte Informationspolitik des Oberbürgermeisters sowie einfach auch die gigantischen Dimensionen des Projekts, dass die Standortsuche nicht im Geheimen abgewickelt wird, sondern dass die BürgerInnen daran beteiligt werden. Ganz egal welche Drohungen Gunnar George ausstößt: Die Kieler Bürgerinnen und Bürger entscheiden, was in ihrer Stadt geschieht und nicht das Profitinteresse eines Konzerns!

Einen ersten Erfolg konnte DIE LINKE in der genannten Ortsbeiratssitzung am 16.08. erlangen. Auf der Sitzung stellten Ulrich Schippels (OBR Schreventeich) wie auch Martin Schmielau (OBR Mitte) den Antrag ein Werkstattverfahren zur Standortsuche durchzuführen, um den übereilten Zeitplan etwas zu entzerren, damit Entscheidungen nicht übers Knie gebrochen werden. Ulrich Schippels fand bei seinen Kollegen keine Zustimmung, während es hingegen im Ortsbeirat Mitte deutlich stärker rumorte. Dort sah sich letztlich nicht nur der Vertreter der LINKEN genötigt dem arroganten Verhalten des Möbel Kraft – Chefs die nötige Quittung zu verabreichen, sondern auch Vertreter anderer Parteien stimmten den Antrag zu. Er bekam eine knappe Mehrheit. Zum Redaktionsschluss ist noch unklar, ob die Fraktionen der Ratsversammlung den Schuss gehört haben oder ob sie weiter die emsigen Erfüllungsgehilfen des Profites sind.

(Marco Höne, Ratsfraktion DIE LINKE. Kiel)