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Das Erdölzeitalter neigt sich dem Ende:

Das Füllhorn versiegt

01. April 2017 Deutschlands ergiebigstes Ölfeld liegt im Wattenmeer vor der Meldorfer Bucht. Das Wattenmeer ist eines der artenreichsten Ökosysteme des Planeten, und ist ohnehin bereits durch Meeresspiegelanstieg und zunehmende Versauerung der Ozeane tendenziell gefährdet. Dennoch fördert DEA dort Erdöl und kann nicht genug kriegen: Ein Streit um zusätzliche Probebohrungen beschäftigt derzeit die Landespolitik.

Die Kieler Koalition ist zerstritten. SSW und Grüne sind dagegen. Der sozialdemokratische Landeswirtschaftsminister macht hingegen gemeinsam mit der Industrie Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Werbung für das Vorhaben. Scheinbar ist bei den hiesigen Sozialdemokraten noch nicht angekommen, dass der größere Teil der noch vorhandenen fossilen Bodenschätze in der Erde bleiben muss, wenn der Klimawandel noch in einem halbwegs erträglichen Rahmen gehalten werden soll. Außerdem mehren sich ohnehin die Anzeichen, dass sich das Erdölzeitalter seinem Ende zu neigt.

Der Ölpreis liegt nun schon seit fast drei Monaten stabil etwas über 50 US-Dollar (47,4 Euro). Ein Interesse, dass sich der Preis mindestens auf diesem Niveau hält, haben nicht nur arg gebeutelte Exporteure wie Venezuela und Russland, deren Staatshaushalte zu einem erheblichen Teil von den Erlösen aus dem Ölgeschäft abhängen. Auch die US-amerikanischen Produzenten, die das Öl zum größeren Teil mit der sogenannten Fracking-Techologie aus Schiefergestein fördern, können bei einem niedrigeren Ölpreis kaum auf Dauer überleben. Ihre Förderkosten betragen je nach Feld zwischen 38 und 80 US-Dollar pro Barrel. Bei 55 US-Dollar pro Barrel kann aus den meisten Vorkommen profitabel Öl geholt werden. Wie es in den nächsten Monaten weitergehen wird, ist allerdings so ungewiss wie selten. Eine der großen Unbekannten sind die wieder zunehmenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Eine andere ist die Entwicklung der US-Produktion. Diese wird derzeit deutlich gesteigert, und es sieht fast so aus, als sollten damit die Mengenabsprachen der Organisation der Erdölproduzierenden Länder (OPEC) torpediert werden.

Hinter dem Horizont ziehen derweil dunkle Wolken auf, so viel ist sicher. Die Funde neuer Lagerstätten waren zuletzt so gering, wie seit 60 Jahren nicht mehr, und manches deutet daher darauf hin, dass die Zeiten niedriger Ölpreise nicht mehr lange anhalten werden. Fast alles Öl, was noch gefunden wird, liegt in sehr tiefen Lagerstätten vor den Küsten oder in sogenannten unkonventionellen Vorkommen wie den Teersänden Kanadas und Venezuelas oder dem US-amerikanischen Schieferöl. Alle diese Fälle haben eines gemeinsam: Die Förderung ist kostspielig. Vor der Küste kostet zum Beispiel die Erschließung eines neuen Bohrlochs im Schnitt 142 Millionen Euro, berichtete die britische Zeitung Financial Times Mitte Februar.

Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr nur noch 176 neue Erdöl- und Erdgaslagerstätten gefunden wurden. Das sei die niedrigste Quote seit den 1950er Jahren. Bis 2013 habe der jährliche Durchschnitt bei 400 bis 500 neuen Feldern gelegen. 8,2 Milliarden Barrel Erdöl wird aus den 2016 entdeckten feldern gefördert werden können. Das hört sich nach viel an, entspricht aber nur der globalen Öl-Förderung eines Monats. Um die Förderung langfristig auf dem derzeitigen Niveau zu halten, müssten vielmehr neu Funde gemacht werden.

Diese Entwicklung ist allerdings nicht ganz neu. Schon seit geraumer Zeit übersteigt die Förderung den Umfang der neu entdeckten und neu erschlossenen Vorkommen. Der Einbruch vom vergangenen Jahr deutet allerdings auf eine neue Qualität hin, darauf, dass es zunehmend schwieriger wird, Öl zu finden, dass noch zu halbwegs akzeptablen Kosten abbaubar ist. Allerdings wurde der Einbruch zum Teil auch durch den Unwillen der Konzerne verursacht, die weniger als sonst in Exploration investierten. Für Erkundung und Erschließung neuer Quellen waren in der Ölindustrien 2014 noch umgerechnet rund 95 Milliarden Euro ausgegeben worden. 2016 waren es hingegen nur noch knapp 40 Milliarden Euro. Zehntausende Ingenieure, Techniker und Wissenschaftler wurden in diesem Sektor in den letzten beiden Jahren entlassen.

Die Rechnung dafür werden demnächst die Verbraucher präsentiert bekommen. Egal ob nun die mangelnde Verfügbarkeit oder der zu geringe Aufwand die wichtigste Ursache war. Auf jeden Fall werden die geringen Funde irgendwann ab der Mitte des nächsten Jahrzehnts als preistreibende Knappheit zu spüren sein. Fünf bis sieben Jahre dauert es für gewöhnlich von der Entdeckung bis zum Sprudeln des ersten Öls, wobei die Zeiten sprudelnder Quellen ohnehin längst passé sind. Das leicht zu fördernde Öl wird rar, jede neue Quelle erfordert inzwischen einen erheblichen Aufwand an Geld und Energie, um das Öl aus dem Boden zu holen. Das Ölzeitalter nähert sich seinem Ende.

Doch seine Hinterlassenschaften werden uns noch länger beschäftigen. In der Nordsee tickt eine Zeitbombe der besonderen Art. Dort sind viele Ölfelder inzwischen erschöpft. In Dänemark geht die Förderung seit dem Beginn des Jahrtausends rasch zurück. Auch in Großbritannien hat die Förderung längst ihren Höhepunkt überschritten. Viele Quellen fallen inzwischen trocken und werfen die Frage auf, was mit den Hinterlassenschaften der Öl-Bonanza passieren soll. 5.000 Bohrlöcher sind zu versiegeln, 10.000 Kilometer Pipeline vom Meeresgrund zu bergen, 450 Plattformen zu entsorgen. Spezialschiffe müssen dafür gebuat und Hafenanlagen erweitert werden. Die Rohre der Pipelines sind zu dem teilweise mit radioaktiven Ablagerungen belastet.

Auf 70 bis 120 Milliarden Euro werden die Kosten geschätzt, berichtete kürzlich die. Bis zu 90 Milliarden Euro davon könnte der britische Steuerzahler zu zahlen haben. Damit würde der britische Ölausstieg noch teurer als der deutsche Atomausstieg werden. Übrigens: Hiesige Betreiber von Windkraftanlagen sind verpflichtet, Rücklagen für den späteren Abriss zu bilden. Für britische Ölkonzerne wie der Shell AG oder BP scheint das nicht zu gelten.


(wop)