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Trump als Schmiermittel für ein deutsches Europa
01. Juli 2017 Seit Monaten wird uns Trump von Politik und Medien ausgiebig mit seinen diversen unangenehmen Facetten serviert. Kein Tag ohne Trump. Trump als Egomane und Egozentriker, Trump als Vertreter des Großkapitals, Trump als unberechenbarer Schwachkopf, Trump, der insgeheim mit Russland dealt, Trump als Feind des Freihandels. Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich vorausschicken, dass ich kein Trump-Fan bin und einige dieser Zuschreibungen auch zutreffend finde. Natürlich ist Trump ein gefährlicher, unberechenbarer Politiker, der vor allem die Interessen der reichen Oberschicht in den USA vertritt, Bomben werfen lässt und mit Kriegseinsätzen droht. Doch hier geht es darum, inwieweit das Feindbild „Trump“ besonders in Deutschland für eine eigene politische Strategie instrumentalisiert wird.
Bei dem zurzeit üblichen „Anti-Trumpismus“ verwenden viele Politiker*innen und die Mainstream- Medien in ihren Erzählungen vorwiegend die folgenden Schablonen: „Gut, dass wir die Angela Merkel haben“
Im Kontrast zu dem unberechenbaren Egomanen und Selbstdarsteller Trump, der nur „Deals“ und keine moralischen Werte kennt, wird Angela Merkel als wertorientierte, berechenbare und erfahrene Politikerin präsentiert. Da Trump mit „America first“ eine isolationistische Politik betreibt, muss sich in Zukunft Angela Merkel führend um die Werte des „freien Westens“ kümmern. Dabei kommen Deutschland und der EU eine zentrale Rolle zu. Diese Story kommt besonders im Wahlkampf gut an.
Europa muss „erwachsen werden!“
Angesichts der sog. „Trumpschen Herausforderung“ reden viele Kommentatoren davon, dass die EU endlich „erwachsen werden“ müsse und sich nicht mehr auf die USA verlassen könne. So verkündet Angela Merkel mit ungewohnten Pathos: „Europa ist nun auf sich allein gestellt“.Daraus ergibt sich für sie in Übereinstimmung mit Schäuble, Schulz & Co, die Notwendigkeit zu mehr machtpolitischen Einfluss in der Welt.
In diesem Zusammenhang wird oft eine sog. „innere Vertiefung“ der EU durch eine weitere Zentralisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie durch eine gemeinsame Militärstrategie gefordert. Bei einer solchen Entwicklung würde Deutschland allein durch sein politisches und ökonomisches Gewicht eine führende Rolle einnehmen.In der Fantasie mancher führender Politiker und etlicher Kommentatoren wird eine deutsche Führungsrolle in Europa geradezu erwartet. Natürlich ist das eine rein deutsche Perspektive. Es ist kaum anzunehmen, dass sich Griechen, Spanier, Franzosen oder Portugiesen weiterhin eine deutsche Führungsrolle in der EU wünschen und sich mit Angela Merkel identifizieren. Im Gegenteil. Die deutsche Außenhandelspolitik und Schäubles gnadenlose Spardiktate sind mitverantwortlich für das soziale Desaster in diesen Ländern.
Diese Politik führte besonders in den letzten Jahren zu einer Spaltung der EU. Doch falls die „Südländer“ oder auch die „Osteuropäer“ keine Vertiefung unter deutscher Regie wollen, droht Herr Schäuble und und inzwischen auch Herr Junker mit einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“. Das bedeutet de facto, dass die wirtschafts- und finanzstarken EU-Länder ihre Haushalts-Wirtschafts- und Verteidigungspolitik stärker koordinieren und der Rest in der EU quasi als zweitklassig abghängt wird.
Europa muss „strategisch autonom“ werden
Es ist das erklärte Ziel der EU Kommission, eine „strategische Autonomie“ zu erreichen, die es der EU ermöglicht, zu einer global operierenden Militärmacht aufzusteigen. Dazu schlägt sie die Schaffung eines milliardenschweren „Verteidigungsfonds“ vor. Das ist zwar nicht neu, erhält aber mit dem Hinweis auf Trump eine neue Dynamik und einen neuen Begründungszusammenhang. Nach dieser Logik muss die EU auch militärisch ihr „Schicksal in die eigene Hand nehmen“, um sich geostrategisch von dem sprunghaften und unberechenbaren US Präsidenten unabhängig zu machen.
Doch bei allen Divergenzen zu Trump stoßen seine Aufrüstungsforderungen im Rahmen der NATO besonders bei der deutschen Regierung auf großes Verständnis. Für Frau von der Leyen ist es eine willkommene Vorlage für ihr Aufrüstungsprogramm, das sie vor allem mit der Zunahme künftiger Auslandseinsätze begründet. Bereits jetzt ist eine Erhöhung des deutschen Rüstungsetats um 8% vorgesehen. Die zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, wie es ein NATO-Beschluss vorsieht, sind damit zwar nicht erreicht, aber die Annäherung an diese Marge ist das Ziel. Damit würde Deutschland aufgrund seines größten Bruttosozialprodukts mit Abstand die stärkste Militärmacht in der EU.
Wüsste man nicht, dass die 2% Vereinbarung der NATO vor allem ein Geschenk an die Rüstungsindustrie ist, könnte man meinen, dass diese Vereinbarung nur unter starken Alkohol- und Drogenkonsum zustande gekommen sein könnte. Langfristig völlig unabhängig von vermeintlichen und auch fantasierten Bedrohungsszenarien die Rüstungsausgaben fest mit 2% an das Sozialprodukt zu binden, ist selbst aus Sicht der EU irrational. Den gesamten Rüstungsausgaben der NATO mit rund 900 Milliarden Dollar stehen 70 Milliarden auf russischer Seite gegenüber. Allein der Anteil der europäischen Staaten mit 235 Milliarden Dollar übersteigt den russischen Militärhaushalt bei weitem.
Der Anteil der NATO an den weltweiten Militärausgaben umfasst laut SIPRI 60% und der von China und Russland zusammen rund 17%. Wenn selbst Herrn Gabriel heute das Zweiprozent-Ziel der NATO nicht mehr so richtig nachvollziehen kann, sollte man ihn daran erinnern, dass diese Vereinbarung von einer rot-grünen Regierung unterzeichnet wurde. Doch auch er befürwortet eine weitere Aufrüstung, nur nicht ganz so stark.
Klimapolitik nach dem Motto: „Haltet den Dieb!“
Der skandalöse Ausstieg der US Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen ist für Frau Merkel eine willkommene Gelegenheit, sich gegenüber dem dreckigen Kohle-Trump als Sauberfrau und Vorreiterin in Sachen Klimaschutz zu präsentieren. Dabei gerät dann auch schnell in Vergessenheit, dass nach den aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes Deutschland die bis 2020 angestrebte Reduzierung der CO2 Emission um 40 % gegenüber 1990 deutlich verfehlen wird. Vor allem die erfolgreiche Lobbyarbeit der deutschen Autoindustrie und der Braunkohleförderung sowie Verkehrskonzepte der Regierung, bei denen der private PKW immer noch ein Fetisch ist, lassen die Klimaschutzziele zu einer Luftnummer werden. Im letzten Jahr ist der CO2- Ausstoß in Deutschland wieder gestiegen.
Deutschland als Vorreiter für einen freien Welthandel
In Abgrenzung zu der von Trump geplanten protektionistischen Wirtschafts- und Handelspolitik präsentieren sich Frau Merkel und die Bundesregierung als die entschlossenen Vorreiter für weltweiten Freihandel. Der Einsatz für TTIP und CETA sowie für weitere Freihandelsabkommen mit Japan, Argentinien und Mexiko verdeutlichen das. Diese Position ist vor dem Hintergrund der enormen Handelsbilanzüberschüsse und der Exportorientierung der deutschen Wirtschaft auch nicht weiter verwunderlich. Doch genau das wird nicht nur von Herrn Trump, sondern von fast allen EU-Staaten und selbst von dem Internationalen Währungsfonds (IWF) kritisiert.
Der deutsche Handelsbilanzüberschuss ist auch das Ergebnis einer jahrelangen Lohnzurückhaltung sowie des größten Niedriglohnsektors innerhalb der EU und völlig unzureichender öffentlicher Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Darüber hinaus ist es nicht überzeugend, einerseits den Freihandel zu propagieren und andererseits eine hoch industrialisierte und exportorientierte Landwirtschaft in Europa zu subventionieren, die z.B. in Afrika die Entwicklung eigenständiger Agrarmärkte verhindert. An diesem Beispiel wird deutlich, dass der oft verteufelte „Protektionismus“ sehr wohl ein geeignetes Mittel sein kann, um eine eigenständige Wirtschaft bzw. Wirtschaftsbereiche gegenüber der Übermacht internationaler Konzerne zu schützen und zu entwickeln.
Im Übrigen haben auch alle fortgeschrittenen Industrieländer dieses Instrument in ihren Anfangsphasen genutzt, um ihre Industrien zu entwickeln und ihre Landwirtschaft zu schützen. Viel von ihnen wenden noch heute für verschiedene Wirtschaftsbereiche Schutzzölle an (z. B. USA, China, EU). Die Erzählung vom Freihandel als konsequente Folge einer unausweichlichen Globalisierung, dem ein rückwärtsgewandter Protektionismus entgegensteht, ist nichts anderes als neoliberale Propaganda. Im Gegenteil, ein fairer Welthandel kann sehr wohl auch Protektionismus beinhalten. Das ist in der Regel natürlich nicht im Interesse großer internationaler Konzerne und exportabhängiger Volkswirtschaften, deren Exportüberschuss dadurch entsteht, dass sich andere Länder bei ihnen verschulden.
Fazit
Die Benutzung des Feindbilds „Trump“ für die Entwicklung einer deutsch- europäischen Großmachtstrategie ist sehr wirksam und reicht weit in das linksliberale Milieu.Nach einer Umfrage von Infratest dimap befürworteten im Juni über Zweidrittel der Befragten, dass Deutschland und Europa „mehr Verantwortung“ in der Welt übernehmen solle. Das beinhaltet auch, wenn nötig, mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr. Besonders Letzteres wurde vor einem Jahr von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt.
Die Instrumentalisierung Trumps für die eigene politische Strategie wird vor allem von der CDU/CSU, der SPD und z.T. auch von den GRÜNEN betrieben und von den Mainstream- Medien intensiv aufgenommen. Martin Schulz propagierte jüngst in Anspielung auf Trump: „Europa first“. Wieweit sich diese Parole inhaltlich von der von ihm scharf kritisierten America first- Parole unterscheidet, wird sein Geheimnis bleiben.
Wie eingangs erwähnt, ist Kritik an Trump und seiner Politik mehr als angebracht. Doch wenn ein Anti-Trumpismus dazu dienen soll, einen deutschen und europäischen Chauvinismus zu bedienen, unterscheidet er sich substantiell nicht von dem Trumpismus.
Andreas Meyer