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Feine Sahne Fischfilet:

Beobachtungen vom Konzert in Kiel

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Fotos: U.Stephan, mediabase

01. Januar 2019 Kiel, 29. November 2018. Mehrere hunderte Menschen stehen vor der ausverkauften halle400. Wochen zuvor und danach in vielen kleineren und größeren Städten zeigte sich immer das gleiche Bild – wenn Feine Sahne Fischfilet die Bühnen der Konzerträume und Jugendzentren betreten. Gut gelaunte Menschen freuen sich auf die kommenden anderthalb Stunden. Man kann an diesem Abend viele Shirts mit politischen Statements bestaunen.

Diese gute Stimmung gepaart mit klaren linken Ansagen passte in der Vergangenheit nicht allen. Und so hat die Band vor allem immer wieder an Popularität gewinnen können, weil der Verfassungsschutz sie überwachte, weil Bombendrohungen ihre Konzerte verhindern sollten und vieles mehr.

Aber in Kiel gab es keine Störungen – das Konzert begann, aber was bleibt nach 90 Minuten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)?

Es geht los heute nacht!

Untersuchungen zur Musik sind kein neues Phänomen. Seit den frühen 1970er Jahren beschäftigten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer wieder mit den Zusammenhängen zwischen Gesellschaft und Musik. Und jede Dekade hat dazu einen passenden Soundtrack. Musik ist eben kein isoliertes Medienprojekt, sondern die Verbindung zwischen kulturellen Zusammenhängen und den sozialen und politischen Verhältnissen.

Musik reflektiert aber nicht nur die Verhältnisse, sondern auch die Lebensbedingungen von Hörerinnen und Hörern und den Produzierenden.

Und eben dieses Beziehungsgefüge hat schon in den letzten 60 Jahren immer dafür gesorgt, dass es einen Soundtrack zu sozialen Bewegungen gegeben hat.

In Zukunft wird man dann verstehen können, dass es der aktuelle Rechtsruck ist, der durch die Gesellschaft geht, der Zeilen wie „Wir scheißen vor eure Burschenschaft“ hervorbringt.

Das alles passiert bei FSF in der musikalischen Weiterführung von Punk, dem seit den 1970er Jahren zugeschrieben wurde, linke politische Unterstützung zu sein.

Auch FSF bieten dem Publikum an diesem Abend Unterstützung an – so singen sie nicht nur von Hoffnungslosigkeit, sondern zeigen konkrete Beispiele, wie man selber gegen stärker werdende Rechte agieren kann. Eine konkrete Möglichkeit ist die Aneignung von Deutungshoheit. Spielen die Rechten schon lange wieder mit einem stärker werdenden Heimatbegriff, wird vielleicht gerade hier klar, wo die Angrenzung der Band liegt. Ihr Heimatbegriff wie wir sind zurück in unsere Stadt meint eher ein Zuhause, in dem nicht starre Traditionen gegen mutmaßliche Eindringlinge verteidigt werden müssen. Das Zuhause, was hier beschreiben wird, ist ein Ort, den man teilen möchte und an dem man gemeinsam gute Stunden verbringen will. Genau diese Deutungshoheit ist es, die man aktiv in seinen eigenen Händen hat.

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Alles auf Rausch

Zurück zu den Punkbezügen. Der Sänger Monschi resümiert doch sehr selbstkritisch: „Ich kann immer noch nicht singen“ und stellt sich wahrscheinlich unbewusst so in die alten Diskussionen um Punk und deren Abgrenzung zu anderen musikalischen Stilen. In den 1970er Jahren drückte gerade Punk das zerstörende Sozial-Klima aus, musikalisches Können war dazu jedoch nicht unbedingt von Nöten, und Sängerinnen und Sänger brüllten ihre Empfindungen meist schonungslos heraus. Es ging auch damals um Gefühle, um die Hoffnungslosigkeit und um die Abgrenzung zur bürgerlichen Gesellschaft. Bürgerliche Medien berichteten auch zu dieser Zeit ausführlich, jedoch nicht über die eigentlichen Zusammenhänge, nämlich das Punk die Antwort auf soziale Kälte und Ausgrenzung war.

Aber im Gegensatz zu den populären Darstellungen war auch Punk nicht nur destruktive Verweigerungshaltung. In vielen Texten der damaligen Punkbewegung finden sich konkrete Aufforderungen, aus der eigenen Passivität auszubrechen und in einem positiven Sinne, die Dingen selbst in die Hand zu nehmen um Veränderungen herbeizuführen.

DIY, do it yourself, war im Punk geboren und gilt seitdem als gegenkulturelle Grundidee. In Kiel erlebt man an diesem Abend den Geist dieser positiven Aufforderung, sich nicht mit den herrschenden Verhältnissen abzufinden, sondern es im klassischen Sinne wieder in die eigenen Hände zu nehmen und sich dabei nicht von Widersachern beeindrucken zu lassen (unterschätzt uns, lacht uns aus). 

Angst frisst Seele auf

Der Widerspruch zwischen Mutlosigkeit und Engagement zieht sich weiter durch das Set. Und die Antwort der Band auf Mutlosigkeit ist ein ganz klassischer linker Wert – es ist Solidarität. Es ist die Solidarität, die man erfährt, wenn man sich aneinander festhalten kann, wenn man über Angst sprechen kann, wenn man sich nicht lähmen lässt.

Alles anders

Und dann kam der Moment, an dem man kurz dachte, wie passt nun eine vermeintliche Abrechnung mit einer Jugendliebe in das bisher so politische Set.  Zeilen wie „Du wirst mich nie versehen“ und „Ich geb dich endlich auf“ kann man vielleicht auch als Schlussstrich verstehen – aber es gibt noch einen weiteren Blickwinkel.

Es sind doch alle Beziehungen, egal ob Liebesbeziehung oder Freundschaft, die es uns ermöglichen, auch in schwierigen Zeiten die Hoffnung nicht zu verlieren. Neue Liebe entsteht – das ist für dein Feuer für dein Glück – mehr Hoffnung und Wertschätzung kann man einer beendeten Beziehung kaum entgegenbringen. Und dann bleibt am Schluss keine Reue, sondern die Möglichkeit sich auf Neues einzulassen.

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Niemand wie ihr

Glaubte man im Vorfeld der gesamten Tour einigen Pressestimmen, sollten ja Hass und Gewalt im Mittelpunkt stehen – etwas was man ausschließlich schreiben kann, wenn man noch niemals selbst ein FSF-Konzert gesehen hat.

Es wurde im Gegenteil noch viel rührender, im allerbesten Sinne.

Wenn eine Band ein Lied für die eigenen Eltern schreibt, kann das auch schnell peinlich werden. Hier geht es aber um die Reflexion „Zurück zu den Wurzeln“, welche familiäre Prägung bekommt man mit. Und dabei ist es völlig unbedeutend, woher man räumlich kommt. Es geht um Anstand – sich anständig zu verhalten – nämlich füreinander einzustehen, auch wenn die Menschen um einen herum mal Scheisse bauen.

Es geht an diesem Abend in Kiel auch ums Verzeihen, um Unterstützung und auch hier wieder um Solidarität.

Und die „hasserfüllte Band der Zeit“ singt ihren Eltern die Zeile: „Sollte ich mal Kinder haben, will ich so sein wie ihr“… mehr Liebe, Respekt und Wertschätzung geht ja schon kaum noch. Vielleicht kommt die Energie der Band daher.

Wasted in Jamen

Man glaubt den sechs jungen Männern auf der Bühne , das was sie singen in jedem Moment. Dass die Fragen nach Haltung nicht nur Hits sind, sondern Teil ihrer Glaubwürdigkeit und Authentizität. Sie zeigen Haltung, machen klar, dass sie nicht zusehen werden, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Und dann kommt doch noch die Sprache auf Gewalt – wenn der Sänger das Ertrinken lassen als das benennt was es ist, nämlich Gewalt gegen Menschen!

Dabei wird nicht vergessen, dass man manchmal für einen langen Kampf Kraft braucht. Kraft, die man aus schönen Momenten, Spass und gemeinsamen Erlebnissen ziehen kann.

Und dann gibt es immer erneut den Aufruf, doch auch diy-mäßig etwas in die Hand zu nehmen und Bündnisse zu stärken, so wie die Band selbst, wenn sie jährlich in einem kleinen Dorf Jarmen ein Fest mit Freunden, Kirche und Feuerwehr ausrichten.

Und all diese guten Ratschläge gibt die Band ohne erhobenen Zeigefinger, sondern legt eher sanft den Finger in die Wunde.

Wird die soziale Härte immer schlimmer, ist es überhaupt nicht hilfreich, sich weiterhin mit Spaltdebatten zu beschäftigen, gerade dann sollte die Linke zusammenrücken und versuchen große Bündnisse zu schaffen, wie es in diesem Sommer gegen das Ertrinken im Mittelmeer ja partiell geklappt hat. Aber Monchi mahnt auch, nicht nur an diesem Abend Parolen zu brüllen, sondern auch aktiv werden und weiterhin aktiv zu sein.

Zuhause

Es bleibt das Gefühl, dass es klappen kann, wenn man Utopien weiter entwickelt und den Kampf um den Traum nach einem besseren Leben nicht aufgibt, wenn die Angst der Freundschaft weicht. Und nochmal an diesem Abend wird das Zuhause in den Mittelpunkt gestellt: Jeder Mensch braucht ein Zuhause!

Wo dieses Zuhause ist, ob im Dreck der Zeit oder da wo niemals Ebbe ist, darf an diesem Abend jede und jeder selbst entscheiden. Es folgen noch Stücke wie Suruc und Warten auf das Meer, die allen unter die Haut gehen, um dann zum Abschluss und heimlichen Höhepunkt des Abends in der Frage zu enden, ob man noch nicht komplett im Arsch ist.

Am Ende des Sets ist es ein klares Statement, mein radikales Nein zu dieser Welt, das das Publikum mit Energie und Mut in die Nacht entlässt. Und selbst wenn Selbstzweifel einen überkommen oder man scheitert, weiß man an diesem Abend und hoffentlich auch darüber hinaus, wie wichtig es ist, sich aufein­ander verlassen zu können. Wenn man gemeinsam für die Dinge einsteht, hat man am Ende eben nichts zu verlieren.

Es folgt ein großes Dankeschön an das Publikum und sechs junge Männer verlassen in Kiel die Bühne, denen man die Ehrlichkeit und Haltung und die Freude in jeden Moment des Konzertes abgenommen hat. 

Das hier ist unsere Zeit – ja liebe Feine Sahne Fischfilet – das ist eure Zeit. Und wenn wir Glück haben, begleitet euer Soundtrack uns noch lange und macht das, was politische Rockmusik im besten Fall eben schon lange machen möchte  – den Soundtrack zur Revolution bilden!

         (Stephanie Schmoliner, FotoS: U.Stephan, mediabase)