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Kieler Bürgerinitiative besucht Stadtwerke Neumünster:

Die Fernwärmeleitung aus Neumünster ist eine Mogelpackung

01.11.2011 Die „BürgerInneninitiative umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel“ hält den Beschluss zum möglichen weiteren Ausbau der Fernwärme und die Versorgung über eine Fernwärmeleitung aus Neumünster für eine Mogelpackung.

Hierbei wird weiterhin auf Kohlekraft gesetzt. Für eine eigenständige dezentrale Energieversorgung z. B. über ein Gas- und Dampf-Kraftwerk gibt es keine konkrete Planung. Stattdessen ist zu befürchten, dass bedarfsgerechte Gas- und Dampf- oder Blockheizkraftwerke auf ewig verschoben werden, weil Stadtwerke/MVV daran wirtschaftlich kein Interesse haben und die Stadt Kiel dies aus eigenen Mitteln nicht leisten kann. Die BI wendet sich deshalb gegen den Ratsbeschluss vom 9.6.2011 zum „klimaverträglichen Energie- und Versorgungskonzept für Kiel“ und fordert die Fortsetzung der öffentlichen Diskussion über ein umweltfreundliches Energiekonzept für Kiel.
Am 12.10.2011 haben Vertreter der BI bei einem Besuch der Stadtwerke Neumünster die bestehenden Kraftwerksanlagen besichtigt und sich im Gespräch mit dem Bereichsleiter Erzeugung Reenhard Gerdes informiert. Wir fragen jetzt:

•    Was nützt ein Beschluss der Stadt für ein klimafreundliches Energiekonzept und dafür auch noch ein 140.000 Euro teures Gutachten, wenn es hinterher nicht umgesetzt wird, sondern stattdessen weiter auf Kohleverbrennung gesetzt wird?

• Das von Stadtwerken/MVV und Bürgermeister Albig geplante Projekt, die Fernwärme über eine 35 km lange Leitung aus Neumünster zu beziehen, bedeutet in Wirklichkeit, dass dafür in Neumünster ein bis drei Kohlekraftwerksblöcke (jeweils ca. 90 MW) in Betrieb genommen werden müssen. Diese reichen aber möglicherweise in harten Wintern nicht aus, weil sie bislang allein für die Fernwärmeversorgung der Stadt Neumünster ausgelegt sind. Es ist also wahrscheinlich, dass bei Stilllegung des GKK (Kohlekraftwerk auf dem Kieler Ostufer) in der Stadt Kiel über die vorhandenen Kapazitäten hinaus ein weiteres Fernwärmekraftwerk benötigt wird, um in kalten Wintern eine Reserve zu haben.

• Die Stadt Neumünster kann sich mit ihrer Thermischen Ersatzbrennstoff-Verwertungsanlage (TEV) im Normalfall ohne den zusätzlichen Betrieb der Kohlekraftwerksblöcke mit Fernwärme versorgen. Für die Versorgung Kiels müssten diese aber in Betrieb genommen werden. Die Kohlekraftwerksblöcke in Neumünster sind zwar mit modernsten Feinstaubfiltern ausgerüstet und produzieren im Gegensatz zum Kieler Gemeinschaftskraftwerk [keine] nur geringe Schadstoffemissionen. Aber wie alle Kohlekraftwerke stoßen sie das klimaschädliche CO2 aus. Ziel des klimafreundlichen Energiekonzeptes der Stadt Kiel war es aber, gerade dieses zu reduzieren, um das Ziel einer Verringerung bis zum Jahr 2020 um 40% zu erreichen. Die Frage, wie diese CO2-Reduktion zu erreichen ist, bezeichneten die Stadtwerke Neumünster (SWN) wörtlich als „Kiels Problem“.

• „Die verbleibenden drei Kohlekessel des Kraftwerkes werden weiterhin je nach Jahreszeit und Strom- und Wärmebedarf der Stadt und der Umlandgemeinden ihren Dienst tun. Durch die Reduzierung des Einsatzes von Kohle um über 50% vermindert SWN die Abhängigkeit vom Kohleweltmarkt. Gleichzeitig werden unsere weltweiten fossilen Ressourcen geschont.“ heißt es auf der Internetseite der Stadtwerke Neumünster. Durch die Umrüstung der Fernwärmeversorgung von Dampf auf Heißwasser sollen in den nächsten Jahren weitere Einsparungen von bis zu 50% im Neumünsteraner Fernwärmenetz erreicht werden. Dieser Erfolg durch die moderne TEV-Anlage würde bei einem Einsatz für das Kieler Fernwärmenetz dann leider hinfällig. Mindestens ein Kohleblock in Neumünster könnte ohne die "Kiellinie" langfristig stillgelegt werden.

• Die BI hält daher den Bau einer Fernwärmeleitung und den Bezug von Fernwärme aus NMS für Kontraproduktiv. Es bedeutet den Verzicht auf eine nachhaltige eigenständige Energieversorgung für die Stadt Kiel. Da der Bau der sogenannten „Kiellinie“ im Wesentlichen auf Agrarflächen stattfinden wird, sind die Folgen hinsichtlich der Baumaßnahmen für Umwelt und Landwirtschaft noch nicht absehbar. Die Kosten für den Bau der Fernwärmeleitung werden möglicherweise höher als geplant.

•  Die Finanzierungskosten von geschätzten 60 Mio. sind eine Verschwendung angesichts der Notwendigkeit einer eigenständigen dezentralen Energieversorgung für Kiel, wie sie in den letzten Gutachten der Stadt Kiel als notwendig [unschöne Dopplung] beschrieben wurde. Dies auch, weil es bisher noch keine endgültige Entscheidung nach der Diskussion der Gutachten gibt.


• Die BI bemängelt, dass ausgerechnet die Frage der Finanzierung in den Gutachten keine Rolle gespielt hat, so dass die Stadt Kiel letztlich alles der Entscheidung von Stadtwerken/MVV überlässt. Wie sollen denn die Klimaschutzziele erreicht werden, wenn die Stadt Kiel die Umsetzung nicht aktiv vorantreibt?

•  Offensichtlich geht es nur darum, für die Stadt und MVV eine „angemessene“ Dividende der Stadtwerke nach der Abschaltung des jetzigen GKK zu sichern. Wie bei den derzeitigen Stadtwerke-Gutachten für den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes geht es nur um die sogenannte Wirtschaftlichkeit, aber nicht um das Erreichen der Klimaschutzziele.

• Bei der Präsentation der städtischen Gutachten hatten sich die Stadtwerke und das Aufsichtsratsmitglied Oberbürgermeister Albig nicht an der Diskussion beteiligt, sondern stattdessen gleichzeitig die Fernwärmeleitung nach Neumünster als Lösung propagiert. Stadtwerke Kiel/MVV unterstützen bis heute nicht die Umsetzung eines umweltfreundlichen Energiekonzeptes in Kiel, sondern haben sich von einem neuen Kohlekraftwerk in Kiel nur durch unseren Protest und auch nur unter Vorbehalt einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verabschiedet. Ihre Strategieänderung in Richtung „dezentral und ökologisch“, weswegen sie das bekannte „e“ aus ihrem Firmennamen gestrichen haben, hält die BI für eine Propaganda und zeigt uns nur, dass sie mit der neuen Fernwärmeleitung mit Kohlekraft aus Neumünster ihr „sauberes“ Image gefährdet sehen.

•  Demgegenüber sind die Stadtwerke Neumünster vorbildlich. Nachdem sie sich erfolgreich von dem Energiekonzern EON gelöst haben, sind sie wieder zu 100% in kommunalem Eigentum. Allerdings mussten sie EON dafür die Versorgungsnetze überlassen. Wir befürchten aber, dass im Falle eines Baus der Fernwärmeleitung nach NMS wieder Konzernanteile der MVV in Betracht kommen könnten.

•  Am Beschluss der Ratsversammlung bemängelt die BI auch, dass bezüglich einer eigenständigen regenerativen Stromerzeugung keine Initiative ergriffen wird. Die BI empfiehlt den Bau von Bürgersolaranlagen und hält auch die Beteiligung der Stadt Kiel an der Windstromproduktion in Schleswig-Holstein für erforderlich, um die Bürgerinnen und Bürger Kiels mit umweltfreundlichem Strom zu versorgen.

•  In diesem Zusammenhang sollte beim Auslaufen der Konzessionsverträge (2014) über einen Rückkauf der Netze entschieden werden. Hier könnte für eine eigenständige Strom- und Wärmeversorgung über die Bildung eines städtischen Eigenbetriebes nachgedacht werden. Dieser könnte evtl. mit Anteilen von Kieler Bürgerinnen und Bürgern und mit zinsgünstigen Krediten realisiert werden. Die Klimaschutzstadt Kiel braucht einfach mehr Mut!

• Wir wenden uns gegen folgenschwere Entscheidungen hinter verschlossenen Vorstandstüren, die ein eigenständiges Kieler Energiekonzept für Jahrzehnte verhindert.

•  Die BI erwartet von der Stadt Kiel, dass die Diskussion um das umweltfreundliche Energiekonzept fortgesetzt wird, um ein zukunftsfähiges Projekt gemeinsam mit allen Beteiligten zu erreichen.

Die „BI umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel“ besteht seit 2006 aus der aktiven Mitarbeit von BUND, NABU, ATTAC, Bündnis Kielwasser sowie Mitgliedern von ver.di, Grünen, SPD Heikendorf und weiteren fachlich und ökologisch interessierten Menschen. Auf unserer Internetseite www.keine-kohle-kiel.de stellen wir unser alternatives Energiekonzept vor.

Kontakt:
info@keine-kohle-kiel.de
BürgerInneninitiative umweltfreundliche Energieversorgung für die Region Kiel

Uwe Stahl

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In der Thermischen Ersatzbrennstoff-Verwertungsanlage (TEV) wird ein sogenannter Ersatzbrennstoff verbrannt und daraus Fernwärme und Strom erzeugt. Der Ersatzbrennstoff wird in der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA), sortiert und verarbeitet. Nebengesellschafter der MBA ist zu 26.3 % Remondis. Die Stadtwerke von Neumünster gewinnen aus Restmüll der aus einigen Gemeinden in Schleswig-Holstein herangefahren wird einen hochwertigen Brennstoff, indem sie zunächst Wert-, Stör- und Schadstoffe heraussortieren. Den Brennstoff führen sie anstelle von Kohle einem Heizkraftwerk, der so genannten Thermischen Ersatzbrennstoff-Verwertungsanlage (TEV) zu. Was den 88 Meter hohen Schornstein der TEV verlässt, unterschreitet die in der 17. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung festgelegten Werte bei weitem. Dies gewährleisten mehrfach redundante Rauchgasreinigungsstufen ebenso wie eine Online-Überwachung durch das Staatliche Umweltamt. Diese stark reduzierten Schadstoffwerte konnten durch das aktive Wirken einer Neumünsteraner Bürgerinitiative während des Baus erreicht werden. Rechts im Bild die drei Kohleblöcke, die z. T. während des Winters in Betrieb genommen werden.     
(uws)