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Feldzug:
Bettina Jürgensen über „Heimatschutz“ und ihre Erfahrungen in einem Impfzentrum
Neben der „normalen“ Freiwilligenwehrdienstzeit startet ab sofort unter dem Motto „Dein Jahr für Deutschland“ der im Sommer 2020 von der Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigte „Heimatschutz“. Bewusst wurde dieser Name gewählt, so sagt sie, denn „Heimat ist mehr als nur ein Ort; es ist ein Gefühl, das man im Herzen trägt.“
Na denn – da wissen wir ja, was wir davon zu halten haben. Ein Feldzug ins Innere der Republik und der Menschen, um das ramponierte Ansehen der Bundeswehr aufzuputzen.
Jetzt werden wir bald erleben, wie Heimatminister Seehofer an den deutschen Grenzen notfalls mit dem „Heimatschutz“ dafür sorgt, dass nicht zu viele Geflüchtete ins Land kommen und seine „Obergrenze“ hält, in Absprache mit dem Ministerium für Verteidigung natürlich.
Auch andere Einsätze der Soldat*innen im Innern der Republik sind möglich, gegen Demonstrierende, wenn es hart kommt auch gegen Streikende. Dazu wird jetzt diese Spezialtruppe aufgebaut. Freiwillig zwar, aber nicht mit so langen Dienstjahren belastet wie die „normale“ Armee, deshalb flexibel und durch die schnelleren personellen Wechsel mit mehr Verbindung „zum Volk“. „Heimatschutz“ eben. Dass dies dazu führt, dass innerhalb der Bundeswehr die rassistischen und faschistischen Gruppen sich auflösen, dass die Waffen- und Munitionsdepots sicher vor Diebstahl werden, darf bezweifelt werden.
Doch eine Konstante gibt es: Soldat*innen sind Soldat*innen – und ihr Beruf ist es, zu töten. Ob nun als Soldat*in in der Berufsarmee oder bei einem „Heimatschutz“. Die Bevölkerung soll sich (noch mehr) an den Anblick der Soldat*innen in Uniform gewöhnen!
Seit Jahren werden Soldat*innen bei Naturkatastrophen eingesetzt, die durch ökologischen Raubbau verursacht werden. Überschwemmungen von Flüssen werden gern als Bild genutzt, um zu sagen „Seht her, die Bundeswehr hilft!“ Nicht gesagt wird, dass es Berufe und Hilfseinrichtungen gibt, die diese Arbeit leisten - und bei entsprechender Ausstattung diese Aufgabe besser erfüllen würden, als das Militär.
Es erstaunt also nicht, dass jetzt in der Corona-Pandemie dieser „Heimatschutz“ erdacht und eingesetzt wird. Inzwischen sind 11.000 Soldat*innen in Pflegeheimen, in Gesundheitsämtern und in Impfzentren aktiv. Erzählt wird, um das Gesundheitssystem zu unterstützen und die Pandemie zu bekämpfen. Das wird wohl künftig der „Heimatschutz“ machen.
Die Wahrheit ist, dass all die Arbeiten, die nun Soldat*innen nach einer Einweisung leisten, auch von anderen Menschen getan werden kann. Sie könnten ihren Lohnausfall aus zur Zeit nicht möglichen Jobs in Gastronomie, Veranstaltungsarbeit, im Handel mindern. Ja – das kostet Geld. Aber Geld ist da - es wird nur den Falschen wie z.B. Daimler, BMW oder Lufthansa hinterhergeworfen, damit diese ihre Aktionäre bedienen können.
Doch jetzt treten in den Impfzentren den noch überwiegend älteren Menschen Soldat*innen entgegen, von denen manche schon ausprobieren, was die Bundeswehr ihnen verspricht zu werden: Experte und Führungskraft!
Da wird schon am Eingang mit einem schneidenden „Vortreten zum Fiebermessen“ gezeigt, wo es lang geht. Und die Menschen in der Warteschlange sind irritiert zwischen Belustigung und Hingabe, weil der Soldat ja immerhin in einer wichtigen Angelegenheit hilft. Eine Wartende bringt es auf den Punkt: „Je mehr Menschen hier stehen, desto größer sieht er seine Macht werden. Wir sind wohl so was wie seine Truppe.“
Richtig aufbegehren tut hier jedoch niemand. Im Befehlston geht es weiter: „Geradeaus – Hände desinfizieren! Dann nach Rechts – zum Kameraden!“ Dieser sitzt, ebenfalls in Uniform, vor einer gedruckten Namensliste und meint: „Kameraden sind wir! Aber keine Rechten! Und wenn wir hier nicht wären, dann würde dies hier alles gar nicht funktionieren!“ und zeigt mit seinem Arm in die Zeltstadt des Impfzentrums. Er war davon nicht abzubringen. Viele Menschen nehmen solche Aussagen, ob von Soldat*innen selbst, oder von den Verantwortlichen in den Verwaltungen und den Regierenden geäußert, als bare Münze. Die Werbung für die Bundeswehr an einer der Zeltwände ist da fast schon Nebensache.
Die Pandemie wird genutzt, um die Bundeswehr als Teil des öffentlichen Lebens darzustellen. Gleichzeitig wird damit auch die Verteilung der Finanzen im Bundeshaushalt gerechtfertigt. Der Rüstungsetat steigt zwar immer weiter, aber suggeriert wird, dass dieses Geld auch anderen Bereichen zugute kommt.
Nun bekommt also die seit Juli 2011 als „Freiwilligenarmee“ ausgerichtete Bundeswehr einen kleinen Bruder hinzu: den „Heimatschutz“. Damit soll Jugendlichen, die noch nicht ganz von der Bundeswehr als Arbeitgeber überzeugt sind, der „Dienst an der Waffe“ schmackhaft gemacht werden. Ohne Auslandseinsatz, nur im Inneren eingesetzt werden die Rekruten. Im ersten Jahr sind es 1.000 von 9.000 Bewerbungen.
Die militärische Ausbildung dauert sieben Monate plus Reservisteneinsätze in den folgenden sechs Jahren. Nach einer Grundausbildung soll eine „Spezialausbildung für den Heimatschutz“ folgen. Darin geht es, nach Aussage des stellvertretenden Generalinspekteurs Markus Laubenthal, um die Ausbildung für Sicherungs- und Objektschutz, ABC-Abwehr, Sanitätsdienst und Brandschutz. Dafür gibt es 1.400 Euro netto im Monat. Im Verhältnis zu anderen Freiwilligendiensten, für die Jugendliche oft nur ein „Taschengeld“ von 400 Euro erhalten, ein stolzer Sold.
Die Militarisierung schreitet auf diesem Weg, heimlich still und leise, voran. Es liegt an uns, ob wir diesen Status der „Bürger in Uniform“, wie Soldat*innen auch oft genannt werden, schweigend mittragen oder erkennen, dass sie auch ein Rädchen sind, die den Kriegstreibern in die Hände spielen sollen. Wer sich gegen Kriege, Aufrüstung und Militarisierung stellt, aber auch wer gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist – ob nun gegen Klima-, Antifa- und Friedensdemonstrationen oder gegen Streiks – dem sollte klar sein, dass der „Heimatschutz“ Teil eines Feldzugs ist.
Text und Bilder: Bettina Jürgensen, www.kommunisten.de, 10.04.2021