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Antichinesische Paranoia

Die Stadt Kiel will ihre Partnerschaft mit der nordchinesischen Hafenstadt Qingdao nicht weiter vertiefen. Segelsport geht gerade noch, aber mehr bitte nicht. Aus der Stadt am Gelben Meer hatte es den Wunsch gegeben, eine formelle Städtepartnerschaft einzugehen, über maritime Wissenschaft und Umweltschutz hätte man sich gerne mehr ausgetauscht.
Doch hierzulande stehen die Zeichen ganz auf einen neuen kalten Krieg, Hochrüstung und ideologische Mobilmachung gegen die aufstrebende Konkurrenz. Während Deutschland einerseits Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe vor die chinesischen Küsten schickt, um „chinesischen Machtansprüchen in der Region etwas entgegen(zu)setzen“ wie von der Bundeswehr seinerzeit 2021 verkündet wurde, werden der chinesischen Seite allerlei schlechte Absichten unterstellt. Die Städtepartnerschaft solle zum Ausspionieren hiesiger U-Boot-Technik und der Unterwasserkriegsführung genutzt werden. Ist ja auch so einfach, den Meeresbiologen, Geologen und Meteorologen von Geomar die U-Bootspläne aus der Schublade zu klauen, die sie natürlich überall rumliegen haben. Oder wer baut noch mal gerade das marine Mordswerkzeug?
Die Kieler SPD macht es sich besonders einfach: Viele Kielerinnen und Kieler würden der chinesischen Regierung skeptisch gegenüber stehen, lässt sie verlauten. „Auch die Positionierung Chinas beim russischen Einmarsch in die Ukraine stößt auf Ablehnung und steht im Widerspruch zu den aktuellen Aktivitäten Kiels in Bezug auf eine ukrainische Partnerstadt“, so die SPD in einer Pressemitteilung. Aha. Die chinesische Aufruf zu Verhandlungen und ihr Appell an Russland Souveränität und territoriale Integrität zu achten widersprechen also einer Städtepartnerschaft.
Übrigens: Qingdao ist eine ehemalige deutsche Kolonie, die das Kaiserreich China einst mit dem Einsatz militärischer Gewalt abgetrotzt hatte. Deutschland bedankte sich seinerzeit, mit einem Gesandten, der wahllos chinesische Zivilisten ermordete und einer Expeditionstruppe, die sich durch grausame Massaker ohne jeden militärischen Sinn. Später dann hat Deutschlands enger Verbündeter Japan noch schlimmere Grausamkeiten verübt. Angesichts dessen wäre ein bisschen mehr Bescheidenheit, ein bisschen weniger Paranoia und ein bisschen mehr Bereitschaft zum Dialog wünschenswert. Oder haben wir wirklich gar nichts aus der Geschichte der letzten 120 Jahre gelernt? (wop)