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Demonstrationen gegen die AfD-Faschisten:
Gemeinsam gegen Abschiebungen, Rassismus und Krieg
Um es vorweg zu sagen: Es ist gut, dass Tausende gegen die AfD und andere Ultrarechte auf die Straße gehen. Sie werden es hoffentlich auch weiterhin tun, dann mit weitergehenden Forderungen. Denn es muss auch die politische Situation mit Krisen- und Kriegspolitik genannt werden, es müssen auch die zur Rede gestellt werden, die diese Entwicklung stillschweigend und bewusst zugelassen haben.
Woher kommt dieses plötzliche Aufbegehren gegen die AfD?
Seit der Gründung der AfD wird von einigen Organisationen die Ideologie dieser rassistischen Partei aufgezeigt. Es gibt Kampagnen und Aktionen gegen die AfD, insbesondere zu deren Wahlauftritten und Veranstaltungen.
Die AfD selbst macht immer wieder deutlich, dass sie die Partei der ultrarechten und deren parlamentarischer Arm in die Parlamente ist. Hier greifen sie die Themen auf, die von der Regierung nicht oder schlecht bearbeitet werden.
Und aus ihren Zielen machte die AfD noch nie einen Hehl.
Dennoch tun heute einige überrascht, dass diese Partei immer stärker wird in den Umfragen und in den Parlamenten. Die gewollte Nichtwahrnehmung der menschenverachtenden, sozialdemagogischen Politik der AfD und ihres Gefolges durch die Regierenden zeigt Spuren.
Was anscheinend niemand lesen, sehen und hören wollte, jedoch seit 2018 in einem Buch des Faschisten Björn Höcke steht, beschreibt Ingar Solty, Sozialwissenschaftler, bereits 2019 in einem Artikel: „Höcke schreibt in diesem Buch, dass ein Alleinherrscher, der sich seines ‚verkümmerten männlichen Selbstbewusstseins‘ entledigt habe (und der natürlich er selber sein soll), nötig sei, um die Demokratie, die er ‚im letzten Degenerationsstadium‘ sieht, zu überwinden. Dieser Führer solle das Projekt einer ‚Rückeroberung‘ des Landes von ‚fremde(n) Völkerschaften‘ forcieren und ein ‚groß angelegtes Re-Migrationsprojekt‘ durchführen.“ und weiter zitiert Solty:
„Wenn einmal ‚die Wendezeit gekommen‘ sei, ‚dann machen wir Deutschen keine halben Sachen‘. Politische Gegner dieses Projektes sollen dabei ausgeschaltet oder in einem ‚Aderlass‘ zur Emigration gezwungen werden; es bedürfe hierfür männlicher Härte und Unerbittlichkeit, denn man werde ‚leider ein paar Volksteile verlieren (…), die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen (…)“.
[https://www.freitag.de/autoren/ingar-solty/terror-mit-ankuendigung]
Solche Aussagen finden sich auch in Reden von Höcke und Co.
Auch die Opfer dieser AfD-Politik werden gesehen und von Politiker:innen beklagt: es sind Tote und Verletzte durch rassistische, antisemitische und faschistische Gewalt. Es gab und gibt Vereinbarungen von Parteien, die sich selbst demokratisch nennen, zum Umgang mit der AfD in Parlamenten. Aber es gibt auch immer wieder den Hinweis, dass die AfD eine Partei ist, die die gleichen Rechte wie alle anderen hat. Und es werden die politischen Ziele der AfD im Bundestag, in Landtagen und in Kommunen durch andere Parteien aufgegriffen und umgesetzt, wenn sie selbst nur treibend genug ist.
Jetzt hat das Recherchenetzwerk correctiv aufgedeckt, dass es im November 2023 ein Treffen von Personen verschiedener rechter Organisationen gegeben hat. In diesem Treffen wurden Pläne gesponnen, um noch mehr Menschen abzuschieben: Menschen, die hier Asyl beantragen wollen, Menschen, die seit vielen Jahren hier leben und Menschen, die hier geboren wurden.
Der Bericht über das Treffen, die Beteiligten und auch die Aussagen sind nachzulesen und sollen hier nicht weiter dargestellt werden.
[www.correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/]
Dieser correctiv-Bericht allein scheint der Anlass, dass sich in kürzester Zeit zig-tausende Menschen in der ganzen Republik mobilisieren lassen und auf die Straße gehen.
Es werden Forderungen gegen die AfD und für ein Verbot dieser Partei gestellt, es wird mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass rechte Organisationen zusammenarbeiten und dass der rechte Flügel der CDU mit der AfD, mit der Identitären Bewegung, mit Burschenschaften an einem Tisch sitzt. Auch Mitglieder des Vereins für Deutsche Sprache sollen dabei gewesen sein.
„Gegen Rechts!“ so steht es auf den Schildern der Demonstrierenden und auch „Mehr Liebe – weniger Hass!“
Das eint in diesen Tagen – wenn da nicht einige der jahrelang Aktiven gegen Rassismus und Faschismus auch weitergehende Forderungen auf Transparenten und Flugblättern stellen würden.
• Seit Jahren werden die Rechte für Geflüchtete, das Recht auf Asyl durch Regierungspolitik mit immer schärferen Gesetzen geschliffen.
• Seit Jahren wird auch in der Sozialpolitik gespart und gekürzt – davon sind alle Menschen betroffen.
• Geflüchtete werden in zwei Kategorien eingestuft und diejenigen, die nicht aus der Ukraine kommen, erhalten danach ihren kärglichen Betrag zum Leben. Wenn ihnen denn überhaupt ein Leben hier gewährt wird.
Doch Forderungen, die sich an die Verantwortlichen dieser Politik und dieser Rechtsentwicklung richten, gibt es auf diesen Demonstrationen wenig. Das Sterben der Menschen auf der Flucht im Mittelmeer, die Abschottungspolitik der EU, die tödlichen Fluchtrouten, die Abschiebungen, das wird nur von wenigen Gruppen aufgezeigt und verurteilt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lebt politisch nach den drei Affen – nichts hören, nichts sagen, nichts sehen.
Noch im Sommerinterview 2023 sprach er über die AfD als eine „Schlechte-Laune-Partei“. Er übernahm aber, leicht abgespeckt, deren Vorschläge zum Dichtmachen der Grenzen, neue Regelungen für Asylbewerber:innen, steckte die Milliarden Steuergelder lieber in Hochrüstung und für die Kriegsfähigkeit der Bundeswehr und der Bevölkerung, statt sie in soziale Bereiche in diesem Land oder für humanitäre Zwecke ins Ausland zu bringen. Im Oktober 2023 verlangte er im SPIEGEL eine „neue Härte in der Flüchtlingspolitik“ und kündigte Abschiebungen »im großen Stil« an.
Nun stand er am Sonntag (14.1.2024) auf dem Marktplatz in Potsdam und ließ sich für „Haltung zeigen gegen die AfD“ von seinen noch verbliebenen Wähler:innen feiern.
Neben ihm dabei, die grüne Außenministerin Baerbock. Wenige Tage vorher hatte sie noch Waffendeals mit Saudi Arabien vereinbart, wenige Wochen vorher hat sie dem von der Kommission der Europäischen Union vorgelegten Entwurf „Gemeinsames Europäisches Asylsystem“ (GEAS), mit dem das individuelle Asylrecht abgeschafft wird, freie Fahrt gegeben.
Sie wendet sich gegen den von vielen UN-Organisationen und dem UN-Generalsekretär geforderten humanitären Waffenstillstand in Gaza, um Israel die Zeit für seinen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser:innen und die ethnische Säuberung des Gazastreifens zu geben. Die Bundesregierung kündigt an, Israel vor dem Internationalen Gerichtshof im Prozess wegen Völkermordes beizustehen - das Völkerrecht gilt eben nur, wenn es dem Westen in seinen Kram passt.
Wie vergesslich muss ein Mensch seine Mitmenschen halten, um sich dennoch als mit „weißer Weste“ ausgestattet zu präsentieren?
Das Vergessen ist es nicht allein, sondern politisches Kalkül wird dabei sein, sich hier zu zeigen und abzulenken von den mit Steuergeldern unterstützten Kriegen in der Ukraine und in Nahost, von den Protesten der Landwirt:innen, der Verschiebung des Klimageldes auf den St.-Nimmerleinstag, der auf 2025 verschobenen Kindergrundsicherung, dem Bürgergeld, den Renten, fehlenden Wohnungen, Verkehrs- und Energieprobleme, abzulenken auch von den gleichzeitig an anderer Stelle erfolgten Repressionen gegen Demonstrant:innen wie z.B. beim G7-Gipfel in Hamburg, Repressionen gegen Kurd:innen, Palästinenser:innen und nicht auf Kriegskurs stehenden Jüd:innen; abzulenken von Wire-Card- und Cum-Ex-Skandalen.
Ja – der Plan der rechten Zusammenrottung in Potsdam von AfD bis CDU ist zu verachten!
Aber es gibt den Abbau des Rechts auf Asyl durch die Regierungsparteien SPD, Grüne, FDP.
Der SPD-Vorsitzende Klingbeil sagt dem RND:
„Die AfD will Menschen aus unserem Land schmeißen, die fester Teil des Landes sind. … Es sind Leute, die seit Generationen hier leben. Aber für die rechte Ideologie der AfD passen sie nicht in unsere Gesellschaft. …. Wir lassen nicht zu, dass die Rechtsradikalen entscheiden, wer deutsch ist und wer nicht.“
[https://www.rnd.de/politik/proteste-gegen-afd-spd-und-gruene-loben-demonstrationen-der-anstaendigen-LSE35IWDCVGWXMYTB4GAC6ER6E.html ]
Bei so viel Scheinheiligkeit ist das sarkastische Zu-Ende-Denken der Worte Klingbeil´s nicht weit: „ … Denn dazu machen wir als Regierung die Gesetze!“
Erinnerungen werden wach an den sogenannten Asylkompromiss von 1993, der nur mit der Zustimmung der SPD zustande gekommen ist. Vor und nach diesem Gesetz brannten viele Wohnungen und Unterkünfte für Geflüchtete.
Der Rassismus ist seitdem in diesem Land nicht weniger geworden. Faschistische und rassistische Organisationen machen bis heute Jagd auf Menschen. In Institutionen gibt es rechte Netzwerke, z.B. bei der Polizei und Bundeswehr.
Gestern war der Jahrestag des Brandanschlags in der Lübecker Hafenstraße. In der Nacht zum 18. Januar 1996 wurden drei Erwachsene, sowie sieben Kinder und Jugendliche aus Zaire, Angola, Togo und dem Libanon ermordet. 38 weitere Hausbewohner:innen wurden verletzt. Das Verbrechen wurde bis heute nicht aufgeklärt.
Es gab im Jahr 2000 den „Aufstand der Anständigen“, ausgerufen von Kanzler Schröder nach dem Brand der Düsseldorfer Synagoge. Versucht wurde damals, die Bewegung der Antifaschist*innen zu spalten in die angeblich „gewaltbereiten“ und die „friedlich“ Demonstrierenden. Erstere wurden und werden kriminalisiert.
Verhindert wurden damit nicht die Morde des NSU, die Morde von Halle und Hanau, der Mord an Walter Lübcke, die Toten in Gefängniszellen, die Opfer der Abschiebungen. Dies ist auch in Verantwortung von Regierenden der vergangenen Jahrzehnte.
Im Kampf gegen die Pegida-Bewegung waren 2015 wieder Hunderttausende auf den Straßen. „Gesicht zeigen gegen Rechts“ und für Menschenrechte war „anständig“. In der Großen Koalition wurde von Innenminister Seehofer die Debatte zu „Obergrenzen für Geflüchtete“ aufgerollt, 2017 kamen Aussagen über „irreguläre Migration“ hinzu. Trotz der Kritik daran, werden diese Begriffe inzwischen oft als „normaler Sprachgebrauch“ akzeptiert.
Der CDU-Vorsitzende Merz nimmt AfD-Parolen auf, wenn er von einer Ausnutzung der Sozialsysteme durch Geflüchtete spricht und das Beispiel seines Zahnarztbesuches bemüht.
Diese Politik setzt sich bis heute fort.
Gestern, am 18.1.24, hat die Mehrheit des Bundestags das zynisch genannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ beschlossen. Die Größe der Demonstration vor dem Bundestag gegen dieses menschenfeindliche Gesetz war sehr überschaubar. (Foto oben) Auch bezeichnend: Der CDU/CSU und der AfD gingen die Verschärfungen des Gesetzes nicht weit genug.
Foto: Sea-Watch am 18. Januar 2024 vor dem Bundestag; Protest gegen das genannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“
Dies bestätigt: die vor einiger Zeit proklamierte Brandmauer gegen die AfD – es gibt sie nicht! Weder in den Parlamenten, noch in den gesellschaftlichen Institutionen.
Im Gegenteil wird weiter die Spaltung von Protest in gute und böse Demonstrant:innen betrieben.
Nicht zufällig sagt der Fraktionsvorsitzende von Die Grünen im Kieler Rathaus, Samet Yilmaz, dass er „stolz“ empfindet angesichts der Demonstration von 8000 Menschen:
„Wir in Kiel stehen für eine offene Gesellschaft. (…) Wer gegen Nazis ist, ist nicht links sondern Demokrat.“ (Kieler Nachrichten, 15.1.2024)
Der kleine Seitenhieb reicht, um die Standorte zu bestimmen.
Dass es auf dieser Demonstration gegen Rechts nicht ganz so offen zuging, berichten kurdische Aktivist*innen. Sie wurden mehrfach aufgefordert ihre Fahnen einzupacken, die nur durch kurdische Farben aufgefallen sind, jedoch ohne irgendein Schriftzeichen waren.
Im RND lesen wir: „SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Dienstag in Berlin, es sei beachtlich, wie viele sich spontan den Demonstrationen der „Anständigen“ angeschlossen hätten.“
[https://www.rnd.de/politik/proteste-gegen-afd-spd-und-gruene-loben-demonstrationen-der-anstaendigen-LSE35IWDCVGWXMYTB4GAC6ER6E.html]
Die Beteiligung an den Demonstrationen mit klaren Aussagen zu den Ursachen der Rechtsentwicklung und dem Erstarken ultrarechter Parteien kann auch für manche „Anständige“ ein Gewinn sein und die Erkenntnis über Zusammenhänge bringen.
Bettina Jürgensen, marxistische linke